Gratis Comic Tag 2019 – Deutsche Superhelden

Superhelden aus Deutschland und Österreich im 2019er Gratis Comic Tag – eine Übersicht

Wie angekündigt sollen ein paar Titel des diesjährigen Gratis Comic Tags näher besprochen werden um euch ein paar Tipps zu geben, was sich lohnen könnte.

Header GCT

Die Liste mit allen Titeln gibt es hier und wenn ihr schauen wollt, wo in eurer Nähe Läden mitmachen, könnt ihr hier eine Umkreis-Suche starten. Der GCT findet am 12. Mai statt.

Dieser erste Artikel bringt euch vier Titel mit deutschsprachigen Superhelden näher. Lange Zeit war es sehr still in diesem Bereich. Es gab den einen oder anderen Helden aus der Lehning-Ära, der als Superheld durchgegangen wäre und dann waren da natürlich die „Helden“ Anfang dieses Jahrtausends und ein paar andere Titel. Es handelte sich dabei aber eher um deutsche Varianten von amerikanischen Mainstream-Helden. Oft fehlte es an der Verlässlichkeit der Produktionstermine oder das neue Heft dauerte einfach zu lange und irgendwie sind dann alle wieder verschwunden.

Parallel dazu und quasi unter Radarhöhe der öffentlichen Aufmerksamkeit gab es aber schon immer den Independent-Bereich und in diesem Sammelbecken kreativer Ideen und Publikationen auch schon immer etwas andere Superhelden. Seit ungefähr drei Jahren hat sich diese Schiene nun plötzlich Aufmerksamkeit erworben und aufgrund des Erfolges der Austrian Super Heroes (ASH) sind auch andere Helden en vogue. Eine Einführung in die verschiedenen Universen kann hier aus Platzgründen nicht erfolgen. Die Sammelbände haben aber meistens eine Zusammenfassung der bisherigen Stories der jeweiligen Universen und auch die Sprechblase bietet regelmäßig einen Überblick.

cover GCT 2019 ASH

Die Austrian Super Heroes sind dann auch mit einem Titel beim GCT 2019 vertreten. Das Heft beinhaltet eine längere Story (Lumpen) aus ASH 12 sowie zwei kürzere Origin-Stories über Siggi (aus ASH 16) und die Wassernixe Donauweibchen (aus ASH 11). Alle Geschichten sind von demselben Autoren, Harald Havas, werden aber von verschiedenen Zeichner*innen umgesetzt. Dadurch wird einerseits die Kontinuität der Handlung perfekt gewährleistet, gerade, wenn Origins oder Sologeschichten eingestreut werden, andererseits wird aber trotzdem für Abwechslung in der grafischen Umsetzung gesorgt. Cooles Artwork mit „anderen“ Held*innen, professionell umgesetzt und alle zwei Monate neu. Definitiv einen Blick wert.

Cover GCT 2019 Captain Berlin

Ebenfalls schon lange dabei ist Jörg Buttgereits Captain Berlin. Der Superheld aus der Hauptstadt wurde ursprünglich bereits 1982 als Filmheld konzipiert. 2006 kam er erstmals zurück und zwar in einem Hörspiel für den WDR. Es sollte dann noch weitere Jahre dauern bis 2013 dann tatsächlich der erste Captain Berlin Comic bei Weissblech Comics erschien. Der Held kämpft gegen Nazis und sonstige Monster, insbesondere aber auch gegen seine Erzfeindin Ilse von Blitzen. Getextet von Levin Kurio und gezeichnet von Rainer F. Engel bietet der Comic besten Trash und spaßige Unterhaltung. Natürlich scheinen immer wieder Anklänge an Indiana Jones durch und die Monster könnten aus der Blütezeit der 50er und 60er Jahre stammen, die Plots stammen aber aus der heutigen Zeit. Für den GCT gibt es eine abgeschlossene Geschichte aus dem vergriffenen vierten Heft. Wie auch bei ASH sind aber Sammelbände der vergriffenen Ausgaben erhältlich. Für nostalgische SF-Fans eigentlich ein Must-Try!

Cover GCT 2019 Trachtman

Eng mit dem Captain-Berlin-Universum verknüpft ist Tracht Man. Der Bayerische Held von Christopher Kloiber und Henning Mertens von Plem Plem Productions ist noch etwas grotesker als die beiden anderen Titel. Der Kampf von Tracht Man mit dem Wolpertinger mit einem Auftritt des Captains in einer Nebenrolle ist eher Comedy als Superheldengeschichte, kann aber durchaus überzeugen. Schnelle Wechsel, haarsträubende Storywechsel und ein Ritt durch verschiedenste Stile bieten Entertainment pur. Diese Geschichte ist dem Tracht Man Sonderheft  entnommen. Daneben gibt es aber auch eine reguläre Heftreihe.

cover GCT 2019 Kultgescshichten

Einen etwas anderen Ansatz verfolgen die Kultgeschichten der Leipziger von Kult Comics/Comic Combo. Unter diesem Titel bringen sie nun schon wiederholt Ausschnitte ihres aktuellen Programms. Zu dem Thema Deutsche Superhelden passt der einführende Ausschnitt aus „Das Kamäleon“ von Björn Hammel und Sascha Dörp von dem der  erste Band diesen Herbst erscheinen wird. Ein Held mit Superkräften und einer unscheinbaren Tarnidentität, ein Kommissaranwärter, der in einer Band spielt, eine Organisation, die sich gegen Lautstärke wehrt und auf die Stille setzt sind die Versatzstücke aus denen sich eine spannende und düstere Mischung aus Superhelden- und Thriller-Motiven entwickelt. Tipp!!  Dazu kommen noch drei Kurzgeschichten um den letzten Kobold und seinen Freund, die Waldrappe, von Dirk Seliger und Stefan Pede, die einen Vergleich mit aktuellen Geschichten in Spirou oder dem ZACK nicht scheuen müssen.

Dazu passen Craftbiere am besten. Musikalische Untermalung sollte den Spaßfaktor unterstützen: Attila the Stockbroker!

© 2019 ASH, Weissblech Comics, Plem Plem Productions, Comic Combo, Leipzig

ZACK 239

ZACK 239 (Mai 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 239

Die Jubiläumsausgabe des ZACK ist nur noch zwei Nummern entfernt, die Spannung steigt. Die Mai-Nummer bringt gleich zwei neue Abenteuer: zum einen geht Die Flügel des Herrn Plomb in die siebte und letzte Runde und zum anderen kehrt Marvano mit Bonneville auf die Seiten des ZACK zurück. Im kommenden Heft wird dann auch Michel Vaillant wieder starten!

Aber der Reihe nach: der Zweiteiler Bonneville von Marvano hat einen Ort als Helden, die Bonneville Salt Flats, eine Hochgeschwindigkeitsstrecke auf der bereits 1914 der erste Landgeschwindigkeitsrekord aufgestellt worden war (im Übrigen auf einem Benz) und die seit dem immer Schauplatz von Rennen und Rekorden sowie Filmkulisse gewesen ist.

Der erste Teil erzählt aus der Sicht eines kleinen Mädchens die Ereignisse Ende der fünfziger Jahre und führt mit ein paar Rückblicken in die Geschichte des Fleckchens in Utah ein.

ZACK 239, detail page 29

Millenium Saga von Runberg und Ortega geht bereits in die dritte Runde: Lisbeth und ein weiterer Hacker schaffen es, in das Geheimste der SÄPO, der schwedischen Sicherheitspolizei, einzudringen und eine Datei namens Hugin zu entdecken. In einem schnellen, teilweise wie dahingeworfenen Stil aber klassischer Panelaufteilung in dunklen Farben läuft dieser Thriller weiter. Obwohl auf den ersten Seiten gewöhnungsbedürftig nimmt die grafische Umsetzung die Elemente des Buches geschickt auf und entwickelt sich zu einer eigenständigen und doch zugehörigen Darstellung: Tipp!

Bereits erwähnt wurde, dass Die Flügel des Herrn Plomb nun in ihre siebte und letzte Folge gehen. Christophe Gibelin ist alleine für Inhalte und Umsetzung verantwortlich und muss versuchen, die verschiedenen Pfade seiner Spionagestory zusammenzuführen und zu beenden. Der Schauplatz ist Deutschland, die Player sind bekannt. Ob aber alle Beweggründe auch schon so klar sind wird sich zeigen.

detail ZACK 239 page 57

Die Abenteuer des Kochs Samuel Lejeune, der wahrlich schon bessere Zeiten gesehen hat, gehen in Haute Cuisine natürlich auch weiter. In klassischer franko-belgischer Manier (positiv gemeint!) streiten sich Personen in Nahaufnahme, lernen sich kennen und genießen und werden Pläne entworfen. Ein spannender zweiter Teil der Appetit auf mehr macht.

Mortensen verlässt uns dagegen wieder. Sein erstes Zeitreise-Abenteuer im mittelalterlichen Schottland nimmt – wen hätte es überrascht – natürlich ein positives Ende, denn sonst hätte es keinen Sinn gemacht, eine Serie anzukündigen. Lars Jacobsen gelingt es aber, die scheinbar unlösbare Situation doch noch zu knacken (und: ja, Purist*innen mögen hier schreien, dass der Plot unglaubwürdig ist, aber es muss auch nicht alles auf der Goldwaage landen, oder?) und nebenbei wird auch noch eine weitere Theorie geliefert, warum um alles in der Welt ein nicht in diese Zeit gehörendes Ur-Vieh in einem berühmten Loch gesehen worden ist…

Dazu kommen wie immer Parker & Badger und eine neue Verwendungsmöglichkeit für Rucksäcke in Tizombi sowie der dritte Teil von Bernd Hinrichs Artikelserie über auf frankobelgischen Comics beruhenden Verfilmungen.

detail ZACK 239 page 18

In der Rubrik der Rückblicke auf die ehemaligen Chefredakteure und Verantwortlichen des MOSAIK-ZACK sind dieses Mal Martin Surmann und Mirko Piredda die interviewten. Sie leiteten das ZACK von 2003 (#45) bis 2008 (#104) und entwickelten es weg von einer reinen Vorpublikationsplattform zu einem Magazin mit exklusiven Inhalten. Beide arbeiten auch heute noch mit und an klassischen oder modernen ZACK-Serien wie Allein, Cubitus oder Chinaman! Vielen Dank für die mit dieser Serie bewiesene Bereitschaft sich mit den alten Konzepten auseinanderzusetzen und sie erneut zu präsentieren. Vielleicht lässt sich der eine oder die andere ja mal zu Kommentaren mit Bewertungen oder Wünschen verlocken.

Internationale Schauplätze, verteilt über verschiedene Jahrhunderte machen die Empfehlung eines Getränkes nicht einfach: Traubensaft, vergoren oder nicht, gab es wohl immer und er findet in Form eines Grand Cru auch Verwendung in diesem Heft. Dazu empfehle ich, inspiriert durch einen Besuch in einem tollen veganen Café in Rotterdam, Club-Jazz!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Africa Dreams Gesamtausgabe

Africa Dreams, Band 1 – 4

Story: Maryse und Jean Francois Charles
Zeichnungen: 
Frédéric Bihel

Originaltitel: L’Ombre du roi / Dix volontaires sont arrivés / Ce bon Monsieur Stanley / Un Procès colonial

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 200 Seiten | Farbe | 36,00 € |

ISBN: 978-3-96219-190-0

Cover Africa Dreams

Die Gesamtausgabe der vier Bände von Africa Dreams fällt ein wenig aus dem Rahmen: Sie ist keine nette Abenteuergeschichte und auch wenn sie in gewisser Weise ein Happy End hat, konnten Millionen von zu dem Zeitpunkt bereits getöteten davon nicht mehr profitieren. Maryse und Jean-François Charles beschreiben in diesem von Frédéric Bihel umgesetzten Werk die „Befreiung“ des Kongo aus dem persönlichen Eigentums König Leopold II. von Belgien und den dazu nötigen Kampf um die veröffentlichte Meinung.

Besonders hervorzuheben ist dabei, dass es sich bei dem Ehepaar Charles um zwei Belgier handelt, sie also tief in die Geschichte ihres eigenen Landes abtauchen müssen. Das Bild des Königs ist dabei gar nicht so einfach zu fassen. Einerseits steht seine Grausamkeit in Bezug auf die Bewohner*innen des Kongo außer Frage, andererseits setzte er sich durchaus etwa für die Abschaffung der Sklaverei ein und wird im Kongo selbst immer noch respektiert für seine Rolle in der Schaffung und Konstituierung des Gebildes „Kongo“ an sich. Und trotz aller deutlichen Kritik am „Kongogräuel“ ist diese Geschichte kein Hass-Dokument.

Detail Africa Dreams page 5

So beginnt die Geschichte denn auch 1960 während eines Museumsbesuches mit einer sehr lobenden Erklärung, dass König Leopold II. Belgien den Kongo geschenkt, die Wilden zivilisiert und der Welt damit Gutes getan habe. Natürlich werden diese Aussagen auf den folgenden fast 200 Seiten dekonstruiert und mit der heutigen Kenntnis auch reflektiert. Der Vorwurf der Nestbeschmutzung wird von traditioneller Seite trotzdem erhoben werden.

Worum geht es?

Leopold II., einer der reichsten Männer Europas zu seiner Zeit, hatte den Forscher Dr. Stanley beauftragt, Forschungsstützpunkte im Inneren Afrikas zu gründen und dann das darum liegende Land gekauft und Freistaat Kongo genannt. Er selbst war nicht nur König von Belgien, sondern auch Herrscher über dieses 80-mal größere afrikanische Gebiet und wollte seinen nicht unerheblichen Einsatz zurück.

Der Freistaat Kongo lieferte im Wesentlichen Kautschuk und Elfenbein. Um den maximalen Profit zu erzielen (und weil er Sklavenhandel wirklich nicht mochte) setzte Leopold, der den Kongo selbst nie betreten hat, Zwangsarbeiter ein und sorgte mit einem blutigen und auf Horror basierendem System dafür, dass möglichst billig möglichst viel produziert werden konnte.

Detail Africa Dreams page 28

Katholische Priester, die zu Missionszwecken im Land tätig waren, waren offiziell nicht in Gegnerschaft zu diesem Verhalten des gläubigen Herrschers und wiesen ihre Priester vor Ort an, keine Kritik zu äußern oder zu unterstützen. Die evangelischen Missionare waren dagegen eher bereit, über Missstände zu berichten oder für Verbesserungen zu sorgen.

Paul Delisle ist einer der Belgier, die während ihrer Zeit in Afrika erkannt haben, dass es sich bei den Eingeborenen keineswegs um Wilde handelt, die den Status der Ware nur knapp verlassen haben, sondern um Menschen mit den gleichen Rechten und findet zunächst sich selbst, dann seinen Frieden und sein Glück.

Edmund Morel entwickelt sich vom passiv beobachtenden Beschreiber zum aktiven Schreiber für die Rechte der Schwarzen und gegen die Unterdrückung.

Henry Morton Stanley ist nicht nur Forscher, sondern auch immer mehr in die Schachzüge seines Gönners König Leopold eingespannt und gibt kein gutes Bild ab.

Detail Africa Dreams page 143

König Leopold II. schließlich wird über die mehr als 20-jährige Periode seiner Herrschaft über den Kongo dargestellt. War er zunächst noch fasziniert von den Wundern des Kongo, standen später ehr seine amourösen Interessen im Vordergrund um schließlich vom Kampf um die Deutungshoheit abgelöst zu werden. Ganz zum Schluss steht dann tatsächlich die Befriedigung über einen Deal mit Belgien über den Verkauf des Gebietes an sein Königreich in seinen Augen.

Die Umsetzung

Mir persönlich gefallen die Zeichnungen von Frédéric Bihel nicht ganz so gut wie die von Jean Francois Charles in India Dreams. Sie gehören gleichwohl zur Oberklasse. Gerade durch die wasserfarbenartige Kolorierung gewinnen die Figuren und das Dekors etwas Altertümliches, das fast zu perfekt zu dieser Geschichte passt. Es lässt sowohl Landschaften wie auch Gesichter plastisch wirken, erinnert an alte Kunst und ist trotzdem realistisch. Die Schrecken werden dadurch aber auch etwas abgemildert. Der Seitenaufbau ist dabei äußerst flexibel; er verlässt das klassische tabellenartige Schema zwar so gut wie nie, hat aber viel Varianz in der Höhe und Breite und wird dadurch nicht langweilig. Im Verlauf werden immer wieder Zeitdokumente wie Fotos oder Zeitungen eingestreut, die eine größere Schärfe besitzen und sich dadurch deutlich abheben. Auch dieses ist sehr gelungen!

Hinweisen möchte ich darauf, dass die Gräuel wie abgeschlagene Hände oder niedergebrannte Dörfer durchaus gezeigt werden, Massenvergewaltigungen oder -tötungen dagegen nicht. Der Splatter steht hier also keinesfalls im Vordergrund. Trotzdem handelt es sich bei dieser Auseiandersetzung keinesfalls um etwas für jedes Kind geeignetes.

Abgerundet wird diese Gesamtausgabe durch Zeitdokumente und Skizzen im Anhang, ergänzt durch einen Essay von Colette Braeckman, Expertin für Zentralafrika unter anderem für die Le Monde Diplomatique. Dadurch wird dem/der Leser*in noch mehr Möglichkeit gegeben, ein eigenes Bild zu entwickeln oder tiefer in die Materie einzusteigen.

Africa Dreams page 103

Das Thema „Kongo“ war in diesem noch jungen Jahr schon mehrfach Thema der Nachrichtensendungen und auch auf Netflix präsent. Diese Graphic Novel bietet Hintergrundwissen ohne dabei zu belehren oder vorzugeben. Nebenbei ist das Ganze auch noch – und das ist schließlich für einen Comic besonders wichtig – eingebettet in spannende Handlungsstränge: Liebe für das Land, Selbstfindung, Liebe und Familiengründung, beruflicher Kampf für die Wahrheit und politische Intrigen. Alle diese Themen zusammen sind von dem Ehepaar Charles so raffiniert miteinander verwoben, dass schon dadurch das Lesen und Genießen zu einem Genuss wird.

Da auch Dr. Stanley nicht nur seine hier gezeigten Schattenseiten aufwies und der Popwelt durch einen ihm zugeschriebenen Satz erhalten bleiben wird, soll das auch die musikalische Referenz sein: „Dr. Livingstone, I presume“ in der Originalversion der Moody Blues! Dazu passen dann gesamtausgabenangemessene Getränke mit viel afrikatypischem Heilmittel, Chinin, das ebenfalls von Leopold II. in seiner Wirkung erkannt worden war: Tonic! Wer mag darf zusätzliche Spirits hinzufügen. Generell sollte aber nicht überdosiert werden!

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

Stripschrift 456 – November 2018

Stripschrift 456 – Jeroen de Coninck & Vittorio Giardino

Herausgeber und Verlag: Stichting Uitgeverij Stripschrift

Heft Din A 4 | 44 Seiten | Farbe | 8 €
ISSN: 0165-845X

Cover Stripschrift 456

Das Magazin STRIPSCHRIFT aus Rotterdam erscheint mittlerweile im 52. Jahrgang, es ist also eine echte Institution unserer westlichen Nachbarn. Viermal pro Jahr bietet es Interviews, News und fachlich fundierte und reich bebilderte Artikel über Comics und Karikaturen. 2011 erhielt es dafür den P. Hans Frankfurther Prijs für besondere Verdienste. Wer Interesse daran hat, kann es auch außerhalb der Niederlande abonnieren.

Die hier besprochene Ausgabe 456 vom November 2018 soll als ein Beispiel für die wirklich lesenswerte Zeitschrift dienen. Zugleich ist es eine perfekte Ergänzung zur Reddition 69 über Peyo und sein Atelier. Neben einem längeren Interview mit Vittorio Giardino, auch in Deutschland bekannt durch Jonas Fink und Max Friedmann, enthält es ein langes Interview mit dem seit 30 Jahren für das Studio Peyo arbeitenden Jeroen de Coninck. Jeroen hat nicht nur einige der aktuellen Schlumpf-Alben gezeichnet, sondern auch Merchandise-Figuren, Poster und Kinderbücher mit den kleinen blauen Kobolden gezeichnet und entworfen. Die Rezension zum 36. Album gibt es hier.

Das Interview bietet einen Einblick in seine Laufbahn und Arbeitsweise im Studio und auch Ausblicke auf das bereits angekündigte neue Abenteuer.

Stripschrift 456 page 17

Dazu kommt ein Artikel des Theologen Frank G. Bosman aus Tilburg. Er entwickelt aus seiner Sicht eine Analyse der theologischen und philosophischen Grundmuster die bei den Schlümpfen verwendet werden – Lesenswert und anregend! Dieser Artikel beweist wieder einmal, dass gute Geschichten oft ihren Hintergrund in alten Mythen haben. Leider ist das Wissen darum oft genug vergessen.

Giardino erzählt in den zweiten Schwerpunkt des Heftes, warum er seinen ursprünglichen Beruf aufgegeben hat um als Autodidakt Comics zu zeichnen und mit welchen Schwierigkeiten er anfangs zu kämpfen hatte. Mittlerweile kann er es sich leisten, Comics zu zeichnen und erst danach nach einem Verleger zu suchen. Er begründet außerdem, warum er sich für seine Comics so lange Zeit nimmt und erklärt seine Arbeitsweise sehr ausführlich.

Auch wenn bei der STRIPSCHRIFT natürlich der niederländisch-flämische Markt im Vordergrund steht sind die dort abgedruckten Interviews auch für deutsche Leser*innen interessant und einen Versuch wert. Zudem sind viele der abgedruckten Illustrationen hier so nicht verfügbar.

Dazu passen ein traditionelles Leffe und The Selecter!

© der Abbildungen 2018 Stichting Uitgeverij Stripschrift, Rotterdam

Mosaik feiert die 750. Ausgabe

mosaik – mit den Abrafaxen durch die Zeit 521 (Mai 2019)

Der letzte Erbe
Story: 
Jens U. Schubert
Zeichnungen: 
Kollektiv

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Kleinformat | 48 Seiten | Farbe | 3,40 €  
ISSN: 
0323-8857

Cover Mosaik 521

Im Dezember 1955 erschien das erste von insgesamt 229 MOSAIK-Heften mit den Digedags und im Januar 1976 dann das erste Abenteuer mit den Abrafaxen. Die aktuelle Nummer 521 ist also zusammengerechnet das 750. MOSAIK-Heft (und dabei sind die 40 von Anna, Bella und Caramella noch nicht einmal mitgezählt). Comix-online gratuliert dem aktuell mit einer Auflage von rund 100.000 Exemplaren erfolgreichsten in Deutschland produziertem Comic-Magazin herzlich!

Das MOSAIK hat seit rund 60 Jahren einen ganz eigenen Produktionsprozess: Es gibt ein festes Team von ungefähr 20 Leuten. Wenn die Stationen der Geschichte stehen, verfasst der Autor das Manuskript und erste Skizzen zur Bildaufteilung. Das Redaktionskollektiv begutachtet und verbessert diesen Aufbau dann. Eine weitere Besonderheit ist, dass jeder Zeichner für „seine“ Figur zuständig ist. Pro Seite sind also mehrere Zeichner parallel auf einem Zeichenkarton im Din A-3-Format tätig. Nach der Fertigstellung aller Zeichnungsbestandteile wird dann am Computer koloriert.

Zur Feier des Jubiläums liegt dem MOSAIK übrigens ein Riesenposter bei, auf dem nicht nur alle 750 Cover abgebildet, sondern auch die einzelnen Handlungsbögen im Zeitablauf aufgeführt sind.

Im Heft läuft noch das sogenannte Hanse-Abenteuer; Abrax, Brabax und Califax hat es in die Zeit der Hanse verschlagen. Während Abrax und Simon nach ihren Tätigkeiten in Brügge nun wieder in Lübeck angekommen sind, wo Simon verzweifelt versucht, die launische Ulrike als Braut zu gewinnen. Währenddessen entdeckt Genta, die als billige Dienstmagd für Ulrikes Vater arbeitet, einen Brief ihres verstorbenen Vaters, der alles ändert.

Mosaik 521 page 15

Brabax und Califax sind noch immer in Nowgorod. Sie haben mittlerweile drei der vier Erben der Schatzkarte ausfindig gemacht und versuchen, Pelze zu erwerben. Auf ihrer Fahrt nach Pleskau werden sie von einer Horde Wölfe gestellt. Aus dieser Szene entstammt auch das brillante Coverbild! Wer ist der „letzte Erbe“?

Zeichnerisch bewegt sich das MOSAIK meistenteils auf einem guten Niveau für Semi-Funnies. Bei einigen Nebenfiguren ist die Gesichtspartie steigerungsfähig, ansonsten gibt es aber nichts zu meckern. Storytechnisch schaffen es die Verantwortlichen eine Geschichte über ein bis zwei Jahre zu strecken und dabei den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Eine beachtliche Leistung die am Kiosk zu Recht honoriert wird.

Begleitend werden wieder Informationen über Geschichte und Technik in Kooperation mit verschiedenen Museen vermittelt. Diese Seiten helfen sicherlich, den einen oder anderen Großelternteil zum Kauf zu überreden. Bei der Elterngeneration sollte das Vorurteil der minderwertigen Literatur eh nicht mehr anzutreffen sein.

Diesem Konzept wird hoffentlich noch eine lange Zeit und viele weitere Jubiläen vergönnt sein! Verdient wäre es.

Dazu passen zuckerarme, selbstgemachte Limonade und eine „Summer“-Playlist, die von den schneebedeckten Weiten Nowgorods ablenkt.

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Sempé – Klassiker des Monats April 2019

Sempé – Das Geheimnis des Fahrradhändlers

Story: Jean-Jacques Sempé
Zeichnungen: 
Jean-Jacques Sempé

Übersetzung : Partrick Süsskind

Originaltitel: Raoul Taburin

Diogenes-Verlag

Hardcover | 112 Seiten | Farbe | 16,00 €
ISBN: 
978-3-257-06473-5

Cover Sempé - Das Geheimnis des Fahrradhändlers

Es ist an der Zeit, einen der ganz großen Bildgeschichtenerzähler Europas mit einem Beitrag zu würdigen, auch wenn seine Werke keine Comics im eigentlichen Sinne sind. Jean-Jacques Sempé, 1932 in Bordeaux geboren, hat unzählige Karikaturen veröffentlicht sowie neben eigenen Werke von Goscinny, Modiano und Süskind illustriert. Ihm zu eigen ist die Achtung vor dem Leben mit all seinen Niederlagen und der melancholische Ansatz, der die gezeichneten Personen so lebensecht und liebenswert macht.

Seine bekanntesten Werke sind wahrscheinlich die (auch verfilmten) Geschichten um den kleinen Nick, die er zusammen mit René Goscinny entwickelt hat. Hier soll es aber um das Geheimnis des Fahrradhändlers gehen:

Paul Tamburin arbeitet als Fahrradhändler in Saint-Céron, einem kleinen, typischen französischen Ort. Die Bewohner*innen sind es gewöhnt, Gegenstände wie „Schinken“ oder „Brille“ mit dem Namen des entsprechenden Händlers zu belegen und im Laufe der Zeit wird auch das Wort „Fahrrad“ durch den Namen Tamburin ersetzt. Kurzum, das Leben könnte für den glücklich verheirateten Vater zweier Kinder nicht schöner sein, wenn da nicht ein furchtbares Geheimnis auf seinem Leben liegen würde. Paul kann leider Fahrräder zwar reparieren, verkaufen und verbessern, fahren kann er sie nicht.

Sempé - Geheimnis des Fahrradfahres page 29

Es kommt aber die Zeit, wo scheinbar keine Ausrede mehr hilft und er ein Rad besteigen muss…

Die Geschichte ist so liebevoll erzählt wie es heutzutage fast nur noch in Frankreich möglich zu sein scheint. Engländer, Niederländer und Deutsche würden entweder in Komik abgleiten, psychologisieren oder aber ein Unterschicht-Drama kreieren; Franzosen können einfach erzählen. So gelingt es auch Sempé, die Geschichte trotz aller Dramatik und Tragödie mit Anteilnahme und Sympathie ablaufen zu lassen, seine Strichzeichnungen bringen dabei die einzelnen Begebenheiten visuell auf den Punkt. Manchmal wiederholen sie nur das bereits gesagt, manchmal fügen sie aber auch Aspekte hinzu, die so nie geschrieben hätten werden können. Sie sind dabei einerseits unheimlich fragil und flüchtig, transportieren gleichzeitig aber so viel vom täglichen Kampf um sich selbst, indem sie das kleine Individuum in die große Welt stellen, dass sie absolut liebenswert sind.

Sempés Helden sind keine Superwesen, Ausnahmeerscheinungen oder Monster, sie sind einfach nur wir alle.

Sempé - Geheimnis des Fahrradfahres page 46

Patrick Süskind hat diesen Band im Übrigen sehr gut übersetzt. Mir wird zwar nie ganz verständlich werden, warum die Namen der Handelnden geändert werden, den Satzbau, die Tempiwechsel und die Poesie der Sprache trifft er aber sehr gut.

Das Geheimnis ist ursprünglich bereits von 1996 und liegt seit 2005 in der besprochenen Ausgabe vor. Trotz seines Alters von 25 Jahren ist es aber auch heute noch lesbar, auch wenn es schon ein wenig den Charme der guten, alten Zeit zu versprühen scheint. Das Bändchen ist wie fast alles von Sempé bei Diogenes erschienen und noch lieferbar.

Dazu passen französische Chansons etwa von Coralie Clément und roter Landwein am besten.

©1996, 2005 Diogenes Verlag AG Zürich

Jagd auf Wolverine 1

Jagd auf Wolverine 1 (von 2) – Auf der Spur einer Leiche

Story: Charles Soule, Tom Taylor, Mariko Tamaki
Zeichnungen: David Marquez, Matteo Buffagni, Butch Guice, R. B. Silva

Originaltitel: 

US-Hunt for Wolverine 1 /
US-Hunt for Wolverine: Weapon Lost 1-4 /
US-Hunt for Wolverine: Adamantium Agenda 1-4

Panini Comics

Broschur | 220 Seiten | Farbe | 22 € |
ISBN: 978-3-7416-1186-5

Cover Jagd auf Wolverine 1

Bei den großen amerikanischen Comic-Universen ist es üblich geworden, alle paar Jahre neu zu „starten“. Auch Marvel ist gerade erneut damit beschäftigt. Ein solches Unterfangen ändert Origins von altbekannten Held*inn*en, bringt neue Charaktere und manchmal kommen auch Tote (oder besser für tot Gehaltene) zurück. So auch hier: Wolverine, der immer etwas andere X-Man mit den Admantiumkrallen und den besonderen Heilkräften, ist wieder da.

Die Suche nach ihm ist selbst ein Event und zog sich durch mehrere Miniserien, die von Panini auf Deutsch in zwei dicken Paperbacks veröffentlicht werden. Der jetzt erschienene erste Teil enthält gleich neun US-Ausgaben. Netterweise enthält ein kurzer Artikel auch die „Vorgeschichte“, denn es hatte schon in vielen regulären Ausgaben Hinweise auf seine Rückkehr gegeben, natürlich auch um Spannung aufzubauen und die Leser*innen zum Kauf der Spezialhefte zu bewegen.

Page aus Jagd auf Wolverine

Achtung: die drei kommenden Absätze spoilern einen Teil des Inhalts. Es ist schwierig, 220 Seiten zusammenzufassen ohne den einen oder anderen Spannungsbogen aufzulösen.

Die Jagd auf Wolverine beginnt damit, dass die Reavers, kriminelle Cyborgs, das Grabmal Wolverines entdeckt haben. Sie schaffen sogar, es zu öffnen, müssen allerdings feststellen, dass es leer ist. Dank eines Flashback auf die Beerdigung wird auch den Leser*innen klar, dass Wolverines Leichnam nie dort gewesen ist. Leider ist aber auch sein echtes, unscheinbares Grab nicht mehr mit einer Leiche gefüllt.

Daredevil, Nur, Misty Knight und Cypher machen sich auf die Suche nach dem Mutanten. Aufgrund der Hilfe des Internet-kranken Cypher finden sie immer mehr Spuren, denen sie folgen können, sind sich aber nicht sicher, ob es noch der Mann ist, den sie einst kannten. Zu viele Indizien deuten auf eine Hinwendung zum Bösen oder führen ins Leere. Diese Suche, im Original als Weapon Lost 1-4 erschienen, enthält viele Kampfszenen; die Held*innen entgehen mehrfach nur knapp dem Tod und dürfen all ihre Waffen einsetzen. Trotzdem steht hier das investigative Moment im Vordergrund.

Detail aus Jagd auf Wolverine 1

Der folgende Vierteiler The Admantium Agenda featured ein anderes Team aus den Reihen der Avengers: Iron Man, Jessica Jones, Luke Cage und Spider-Man. Sie erfahren, dass die komplette DNA-Sequenz eines Mutanten auf einer geheimen Auktion an den Meistbietenden verkauft werden soll, müssen jedoch feststellen, dass es um Danielle Cage, die Tochter von Luke und Jessica geht. Nach einem reinen Action-Gewitter können sie einerseits verhindern, dass die DNA ihrer Tochter in fremde Hände gerät, müssen aber auch erfahren, dass Sinister eine Sammlung mit DNA-Proben aller Menschen aufgebaut hat. Auch diese Miniserie lebt von vielen Rückblicken auf bekannte wie unbekannte Ereignisse in der Vergangenheit und ermöglicht es somit auch Neu-Einsteigern, dem Plot zu folgen. Sie wirft allerdings auch eine Frage auf, die das Marvel-Universum noch beschäftigen wird.

Die weiteren Folgen Claws of a Killer und Mystery in Madripor sowie das abschließende Heft Dead Ends folgen dann im Mai im zweiten deutschen Sammelband.

Die Autoren haben sich erfolgreich darum bemüht, den zu einer Gesamtgeschichte verwobenen, aufeinanderfolgenden Miniserien jeweils einen eigenen Geschmack zu geben. Es handelt sich nicht um eine nur aus Marketing-Gründen auseinandergezogene Einheit. Unterschiedliche Akteure toben sich in unterschiedlichen Genres aus. Und obwohl es in beiden Teilen um die Aufdeckung unbekannten Tatsachen und um die Lösung eines „Falls“ geht, ist das erste Abenteuer als Krimi konstruiert, der zweite ist dagegen ein Popcorn-Action-Spektakel mit viel Pyrotechnik im Hintergrund.

page aus Jagd auf Wolverine 1

Graphisch sind die Hefte alle im typischen Marvel-Style. Gemeinsam ist ihnen, dass Rückblicke in sehr gedämpften Farben die Geschichten vorantreiben. Die erste Miniserie ist realistischer gezeichnet, die Köpfe der Figuren sind erkennbarer, haben allerdings durch die Überzeichnung in der zweiten nicht mehr Ausdruck. Ein sehr flexibles Seitenlayout, Soundwords und Splashes machen das Ganze modern und sehenswert.

Für alle Marvel-Komplettisten eh keine Frage. Wolverine-Fans werden wissen wollen, wie es weitergeht und werden nicht enttäuscht. Marvel-Gelegenheitsleser*innen sollten ebenfalls einen Blick riskieren. Selten wird eine Geschichte mit so vielen Beteiligten erzählt, die abgeschlossen und ohne viel Vorwissen verständlich ist.

Natürlich sind alle Original-Cover ebenfalls abgedruckt.

Dazu passen wie es sich für eine lange Nacht gehört wachhaltende Getränke mit Koffein aber ohne Zucker genannt Kola sowie Northern Soul, etwa searching for the young soul rebels von den unterschätzten Dexy’s Midnight Runners.

© der Abbildungen 2019 Marvel c/o Panini Comics, Stuttgart

Doomsday Clock 1

Doomsday Clock 1 – Die Rückkehr der Watchmen

Story: Geoff Johns
Zeichnungen: Gary Frank

Originaltitel: US-Doomsday Clock 1 – 3

Panini Comics

Broschur | 108 Seiten | Farbe | 13,99 € |

ISBN: 978-3-7416-1270-1

Cover Doomsday Clock 1

Die Watchmen sind wieder da! Nach dem grandiosen ersten Auftritt Anfang der 80-er Jahre und den später nachgeschobenen Prequeln verbinden sich jetzt das Universum der Watchmen und das reguläre DC-Universum zu einem gemeinsamen. Natürlich wird dadurch das letztere für immer verändert und der Titel „Doomsday Clock“ deutet dann ja auch Einschneidendes an. Die im Original ursprünglich für die Laufzeit von einem Jahr geplante Mini-Serie wird hierzulande in vier Sammelbänden erscheinen und so den hiesigen Leser*innen die gleichen Chancen wie in den USA bieten: Im Endeffekt werden nämlich die regulären Reihen und Doomsday Clock zu einen gemeinsamen Höhepunkt führen. Mittlerweile sind seit November 2017 9 Ausgaben erschienen, die drei noch fehlenden Hefte sollen bis Mai folgen.

Die Geschichte ist nicht nur für diejenigen interessant, die das gesamte DC-Spektrum im Blick haben wollen. Zum Hintergrund:  Aktuell stehen alle Superhelden im Rahmen der Diskussion um die „Supermen-Theorie“ unter Generalverdacht und in der öffentlichen Kritik. Gleichzeitig müssen auch Ozymandias und Rohrschach in ihrer Welt feststellen, dass der wahnsinnige Plan mit einer gefakten Bedrohung von außen und tatsächlichen Millionen toter Menschen keineswegs zu einer friedlichen Zukunft geführt hat. Um ihre Welt zu retten begeben sie sich auf die Suche nach Dr. Manhattan und gelangen dadurch auf die andere Erde. Begleitet werden sie dabei von einem verrückten Gaunerpärchen, Mime und Marionette.

Doomsday clock 1 - Ausschnitt 1

In der Watchmen-Serie wurde damals die Frage thematisiert, ob Superhelden per se faschistisch sind. Die verwendeten Stilmittel waren revolutionär und die Reihe ein Meilenstein der US Comic-Geschichte. Diese Erwartung muss man etwas herunterschrauben wenn man an die heutige Reinkarnation heran geht. Natürlich ist der Hintergrund der „anderen“ Vigilanten immer noch der Gleiche, es geht jedoch nicht um eine kurzfristige, provozierende Miniserie, sondern um den neuen Background eines Millionengeschäftes mit unzähligen Serien und Filmen.

Die Doomsday Clock oder Weltuntergangsuhr ist dabei nicht nur eine graphische Referenz an die Originalserie, sondern mit der Integration des Superman-Logos auch ein Hinweis auf das Kommende. Die Miniserie wird schließlich nicht nur zwei Universen verschmelzen, sie bildet auch den Abschluss der mit The New 52 und Rebirth begonnenen Veränderungen.

Doomsday clock 1 - Ausschnitt 2

Johns ermöglicht aber trotzdem geniale kleine Momente in der großen Geschichte wenn er Rohrschach Batmans Frühstück essen lässt und dieser ihn dafür erstmal duschen schickt oder wenn Marionette in einer üblen Spelunke fragt, wer denn dieser Joker sein soll, dem dort alles gehöre.

Auch die Entwicklungen im traditionellen DCU mit dem Kampf zwischen Lexcorp, dem Firmenimperium von Lex Luthor, und Wayne Enterprises um Macht und Kontrolle bieten zusätzlichen Konfliktstoff, der über die simple Prügelei mit Metawesen deutlich hinausgeht. DC wird damit einerseits realistischer, lässt andererseits aber weiterhin Götter und Paralleluniversen zu.

Zeichnerisch bietet Gary Frank qualitativ hochwertigen US-Mainstream. Bewegungen, Perspektivwechsel und Kampfszenen sind auf hohem Niveau. Splash-Panels sucht man dagegen nahezu vergeblich. Gut gelungen ist der Trick, politische oder gesellschaftliche Hintergrundinformationen durch die „Abbildung“ von Zeitschriften oder Web-Artikeln einzuführen. Dadurch enthält der Plot mehr Tiefe ohne aufgebläht zu werden und erinnert gleichzeitig an die alte Serie.

Die Mini-Serie ist nicht nur für Fans der alten Watchmen oder klassische Batman/Superman-Leser*innen geeignet, sondern für alle empfehlenswert, die einer längeren Storyline folgen wollen, in der es nicht nur um die üblichen bösen Bedrohungen durch Metawesen geht, sondern die wirtschaftliche und politische Lage im Fokus stehen.

Doomsday clock 1 - Ausschnitt 3

Wie bei Panini üblich gibt es auch zwei limitierte Variant-Ausgaben.

Was trinkt man zu Beginn eines langen Abends dessen Ausgang noch in keiner Weise abzusehen ist? Nichts, was einen zu schwer belasten würde. Ich empfehle daher ein leichtes Session IPA! Als Untermalung muss es etwas düster sein: Leonard Cohen und You want it darker.

© der Abbildungen 2019 DC Comics c/o Panini Comics, Stuttgart

Apollo 11

Apollo 11 – Die Geschichte der Mondlandung

Story: Matt Fitch, Chris Baker
Zeichnungen: Mike Collins

Originaltitel: Apollo

Knesebeck Verlag

Hardcover | 168 Seiten | Farbe | 24 € |

ISBN: 978-3-95728-285-9

Cover Apollo 11

Am 20. Juli 1969, ziemlich genau vor fünfzig Jahren, landeten die ersten Menschen auf dem Mond. Kein Wunder also, dass in diesem Jahr in vielerlei Weise an dieses Datum und die herausragende Leistung erinnert wird. Erstmalig hatten mit Neil Armstrong und Buzz Aldrin Menschen einen anderen Himmelskörper betreten. Die Geschichte der Mission Apollo 11 wird in dieser Graphic Novel erzählt!

Im Knesebeck Verlag erscheinen schon seit einiger Zeit Graphic Novels mit einem biographischen Schwerpunkt. Hier steht nicht die Selbstbetroffenheit im Vordergrund sondern das Erlebte von Prominenten, wiedergegeben durch Comicschaffende, die eher nicht zu den schillernden Stars der auflagenorientierten Branche gehören. Nicht die Einhaltung eines monatlichen Veröffentlichungsplanes setzt die einzuhaltende Grenze sondern die Qualität des Ergebnisses.

Matt Fitch und Chris Baker sind ein englisches Autorenteam und arbeiten schon länger zusammen. In ihrem eigenen Verlag DeadCanaryComics erscheint unter anderem ihr Webcomic Our Land, der natürlich auch aus Deutschland aufgerufen werden kann. Weitere Veröffentlichungen von Ihnen liegen bei uns noch nicht vor.

Mike Collins dürfte dagegen zu den bekannteren Zeichnern gehören. Neben seiner Tätigkeit als Storyboarder für verschiedenen TV-Serien hat er für Marvel und DC mehr gezeichnet als hier aufzählbar wäre. Auch Mike Collins kann seinen englischen Hintergrund nicht verleugnen, hat er doch unter anderem für Dr. Who und Sherlock gearbeitet. Folgerichtig ist der Band im Original dann auch im Londoner Verlag SelfMadeHero erschienen.

Apollo 11 page 83

Während die Geschichte des Apollo-Programms mit dem Höhepunkt der Mondlandungen und insbesondere die Verehrung der Astronauten eigentlich eine typische amerikanische Veranstaltung ist, die ihren Hintergrund im Wettlauf mit der Sowjetunion hatte, erlaubt der Blick von der britischen Insel einen freieren und ungetrübteren Eindruck! So erwarten uns intimere Darstellungen der wichtigsten Player:

Präsident Nixon zweifelt an sich selbst und der Geschichte. Er glaubt nicht, dass die herausragende Mission mit seinem Namen verbunden sein wird. Er hat aus heutiger Sicht betrachtet damit sogar Recht, wenn auch aus anderen als den von ihm befürchteten Gründen.

Edwin „Buzz“ Aldrin hat mit seinem Schicksal zu hadern, dass er der „zweite“ Mann auf dem Mond sein wird. Zudem wird das gestörte Verhältnis zu seinem Vater in den Mittelpunkt gestellt. Er verachtet seinen Sohn, den Helden der Nation, weil dieser nicht in Vietnam für sein Vaterland kämpft. Poor Boy!

Detail Apollo 11 page 58

Neil Armstrong hatte bereits genug Ruhm und wird daher zwar mit seinen Ängsten ebenfalls sehr menschlich dargestellt. Im Fokus steht aber eher seine Familie, die sich ängstigt. Auch das eher unerwartete, aber wichtige Töne im Jubiläumsrummel.

Nicht vergessen wird – glücklicherweise – der Pilot der Mission, Michael Collins, ohne den weder der Mond erreicht worden noch die sichere Rückreise aller drei Astronauten möglich gewesen wäre.

Den beiden Autoren ist es wichtig, die Eroberung des Weltalls für die Menschheit als freiheitliche, transnationale und einende Aufgabe darzustellen. Auch wenn der eine oder andere amerikanische Präsident die amerikanischen Beiträge zur Weltraumfahrt am liebsten allein unter nationalen wirtschaftlichen oder gar militärischen Interessen gesehen hätte; der Aufbruch zu den Sternen war und ist in der Science Fiction auch immer die Chance für die Menschheit, Gegensätze zu überwinden. Viele der Aktiven der NASA hatten die gleichen Gedanken!

Apollo 11 page 29

Die Zeichnungen sind stark gerastert, allein das satte Schwarz des Weltalls hat eine greifbar andere, unendliche Struktur. Es gelingt Collins, die Helden als Menschen darzustellen. Sie sind unrasiert, müde oder erstaunt und entsprechen so dem Mythos nicht unbedingt. Die dargestellten Katastrophen, kriegsbezogen oder aus den Vorgängern der Apollo 11 Mission, haben kein Popcorn-Kino-Flair sondern lösen tatsächlich Tragödien aus. Es gelingt daher eine Würdigung der Mission, die keine Heldenverehrung oder nationale Überheblichkeit, kein übertriebenes Pathos mit sich bringt.

Abgerundet wird der hochwertige Band mit ein paar Zeichnungen zu den technischen Details der eingesetzten Raketen und Module sowie weiterführenden Links.

Wir werden sicherlich noch andere Beiträge zum Jubiläum der Mondlandung genießen dürfen. Die Latte liegt durch diese Graphic Novel aber erstmal verdammt hoch!

Zu diesem Jubiläum passt ein frischer trockener Sekt am besten! Musikalische Untermalung bietet Frank Sinatra mit Fly me to the Moon.

© der Abbildungen 2019 Knesebeck GmbH und Co Verlag KG, München

ZACK 238

ZACK 238 (April 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Cover Zack 238

Es ist angerichtet!

Auch im April bringt das neue ZACK wieder eine neue, bisher unbekannte Delikatesse: passend zu dem seit Jahren andauernden Hype um Kochshows und die neue Lust am Essen startet Haute Cuisine in der aktuellen Ausgabe 238. Die von den beiden Szenaristinnen Delphine Lehericey und Fanny Desmarès getextete und von Luc Brahy gezeichnete Serie startet mit dem ersten Teil, der Vorspeise. Der zweite, im Original bereits fertig gestellte Teil wird Hauptgericht heißen, der dritte dann Nachspeise. Im Mittelpunkt steht der Koch Samuel Lejeune, der vor Jahren das Finale um den „Ultimate Cook“ verloren hat. Der zweite Platz ermöglichte es ihm aber, mit zweifelhaften Veranstaltungen sein Auskommen zu verdienen, doch der Ruhm verblasst allmählich. Mehr dann in einem Monat.

Frankobelgischer Stil der alten Schule mit einem neuen Thema; der Appetit kommt beim Essen!

Zack 238 page 11

Die Hauptgerichte: In Mortensens Abenteuern macht der scheinbar gestrandete Zeitreisende mit Hilfe einer taubstummen Helferin eine die Hoffnung zurückbringende Entdeckung. Obwohl im 16. Jahrhundert technische Errungenschaften wie das Fahrrad eigentlich unbekannt sein müssten, ist das Wissen bereits vorhanden. Sollte sich neben Artefakten aus der Zukunft auch eine Zeitpistole finden lassen, die eine Rückkehr ermöglichen würde? Weiterhin nett anzuschauende moderne Ligne claire von Lars Jacobsen, die sich selbst mit einer Referenz auf Tim und Struppi auf die Schippe nimmt.

ZACK 238 detail page 24

Die moderner daherkommende Millenium Saga nimmt ordentlich Fahrt auf. Rechtsradikale Mordbrenner sind auch in Schweden ein Teil der aktuellen Geschichte. Nicht jeder möchte aber an seine eigene Vergangenheit erinnert werden und noch weniger, dass andere davon erfahren… Der Stil von Ortega ist dunkel. Die Personen sind nicht schön, sondern haben ihre Macken und gleiten manchmal ins leicht groteske, entsprechen dadurch aber der harten Geschichte perfekt.

Empire USA verabschiedet sich dagegen vorerst wieder. Zum Abschluss des ersten Bandes der zweiten Staffel werden einige Fäden zusammengeführt aber noch keine Fragen beantwortet. Immerhin wird klar, dass Illya mittlerweile eine ganz große Nummer unter denOligarchen ist und keinesfalls zimperlich. Desberg und Reculé beweisen, dass sie zur ersten Garde im frankobelgischen Thrillermetier gehören. Lange hat es gedauert, bis die zweite Staffel den Weg auf diese Seiten gefunden hat, das Warten hat sich aber gelohnt.

Auch von Sauvage müssen (oder dürfen) wir uns erstmal wieder verabschieden. In einem Clash of cultures werden die unterschiedlichen nationalen Interpretationen der Mexikaner, Franzosen und Amerikaner im Hinblick auf Ehre, Stolz und Kadavergehorsam deutlich. Storytechnisch ist Yann der Abschluss dieses Bandes sehr gelungen!

ZACK 238 page 40

Für die schnelle Ablenkung sorgen wie gewohnt die Zwischengänge Parker & Badger, Tizombi und der Vater der Sterne, letztere sogar mal wieder mit einer längeren Geschichte!

Der Gruß aus der Küche ist im Übrigen sehr traditionell: Das Treppchen mit den ersten drei ZACK-Helden des Jahres hätte so auch gut in die Siebziger gepasst. Im vorderen Drittel haben sich aber aktuelle Serien platzieren können. Insgesamt beweist die Rangliste, dass es den Macher*innen des ZACK gelungen ist, eine ansprechende Komposition aus traditionellen und modernen Zutaten zuzubereiten. Wie es vor zwnazig Jahren zu dem Neustart gekommen ist, beschreibt Martin Jurgeit, das (nicht unumstrittene) enfant terible der deutschen Comicszene und gleichzeitig erster Chefredakteur des ZACK im Interview. Sehr lesenswert sind seine Gedanken zu der versuchten Nutzung der Plattform für deutsche Künstler*innen.

Nicht vorenthalten werden soll ein weiteres Interview, quasi als Nachspeise: Erik erzählt über die Entstehungsgeschichte seines fünfbändigen Werkes Deae ex machina!

Als Menubegleitung passen dazu ein leichter Frühlingswein und Sprudelwasser sowie gute Musik, die sich aber nicht in den Vordergrund drängt: The Nits aus den Niederlanden.

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

error: Content is protected !!