Ferri/Conrad – Asterix 38

Die Tochter des Vercingetorix


Story: 
Jean-Yves Ferri
Zeichnungen: 
Didier Conrad
Originaltitel: 
Asterix 38 – La fille de Vercingétorix

Egmont EHAPA Media
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 €  | Hardcover 12,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-3638-5

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Nun ist also der vierte Versuch von Ferri und Conrad alle Asterix-Nostalgiker zufriedenzustellen erschienen und wieder gibt es die Kritik, dass es sich nicht um einen „echten“ Asterix handeln würde. Naja, er ist nicht von dem gnadenlos guten Duo Goscinny/Uderzo und somit „latürnich“ kein ursprünglicher Asterix. Wer das erwartet hat, wird seit dem zu frühen Tod des Texters enttäuscht und hat diese Haltung wahrscheinlich längst verinnerlicht. Tatsächlich handelt es sich aber um eine Geschichte, die neue Figuren in das etwas altbacken gewordenen Dorf einführt, quasi „The Next Generation“, die politische Themen aufnimmt (Fridays for future), die den Generationenkonflikt auf die Schippe nimmt und die dann auch noch Zeit für kleine Sidestories mit Idefix hat.

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Geschichte

Vercingetorix hatte eine Tochter, die auf dem Schlachtfeld von ihrem Vater ein Insignium erhalten hat, um später den Widerstand erneut anzuführen. Dazu muss sie aber zunächst vor „dem Verräter“ beschützt werden. Nachdem ihre beiden Bodyguards das jahrelang hinbekommen haben, brauchen sie nun kurzfristig eine Übergangslösung um ein Schiff nach Londinum zu besorgen. Was läge also näher als das Dorf der Unbeugsamen. Tatsächlich geht es dabei um die gesamte Gemeinschaft, die die junge Adrenaline, so der Name der  berühmten Tochter, schützen soll und nicht nur um die beiden Standardhelden. Das lässt Raum für altbekannte Gallier*innen, aber vor allem auch für neue andere Jugendliche. Selfix und Aspix, Söhne von Automatix und Verleihnix, nehmen dabei die größten Rollen ein, aber auch andere werden nicht nur mit Namen versehen, sondern tragen auch die Handlung. Alle sind leicht frustriert, lehnen nicht nur Wildschweinjagd sondern auch Römerkloppe ab und suchen die Gesellschaft von Troubadix, weil den auch keiner mag.

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Adrenaline wird eingeführt mit dem Hinweis, dass sie gerne ausbüxe und das tut sie auch. Auf der Suche nach dem sagenumwobenen Thule trifft sie auf die Piraten, Epidemais, Römer und auch auf einen Hippie namens Letitbix. Natürlich macht ihr der Verräter Miesetrix zu schaffen und am Ende wird alles gut… – Wirklich? Irgendwie wird nicht einfach alles gut, sondern für viele erst mal anders und sicherlich auch komplizierter.

Ferri hat sich damit erstmals wirklich etwas emanzipiert von dem großem Vorbild Uderzo, der das Dorf eigentlich immer nur um Asterix und Obelix sowie Majestix und Miraculix konzentriert hatte. Alle anderen waren Beiwerk oder „Fremde“. So sind z. B. die Kampfszenen mit den Römern auch eher Zitate als Handlung,

Die Übersetzung von Klaus Jöken ist dabei gut gelungen! Es findet keine Anbiederung an „Jugendsprache“ statt und doch reden die Heranwachsenden anders. Die Zahnlücke des Surimix ist zu „hören“ und auch der Gote sticht wieder heraus.

Die Zeichnungen

Natürlich ist auch der 38. Band ein typischer Asterix. Die Streifen von Obelix Hose sind immer noch sehr dick, alles andere sieht aber bekannt aus. Alles? Nein, denn ein kleiner Charakter beginnt ein Eigenleben zu führen: Idefix klettert, fällt, strampelt und freut sich genauso, wie es ein Hund dieser Größe eben tut! Eine schöne Entwicklung, die beweist, dass Conrad sich mit den Figuren nicht mehr so schwer tut. Auch die Piraten bieten die eine oder andere Überraschung!

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die pubertäre Adrenaline ist einerseits sehr treffend geraten: Genervt, im nächsten Moment erfreut und wieder zurück. Auch ihre Weigerung, ein Kleid zu tragen, drückt sie körperlich aus und diese Posen gelingen Conrad gut. Die Pferde haben alle unterschiedliche Charaktere und sind damit fast schon Figuren anstelle von Statisten. Auch hier also sehr positive Ansätze.

Fazit

Wie bewertet man einen Comic, der so stark von Erwartungen belastet ist, der eine Startauflage hat, die die von Harry Potter übersteigt und der wahrscheinlich auch in diesem Jahr die Buchverkaufszahlen retten wird? Ich wurde nach dem ersten Lesen gefragt, was ich über den neuen Band erzählen könne und zum ersten Mal seit vielen Folgen fielen mir Passagen ein, Bilder, kongenial übersetzte Texte und Gags. Mehr kann man eigentlich nicht erwarten, oder?

Es ist kein Comic aus den Siebziger Jahren (IMHO: zum Glück!) sondern eine modernisierte Adaption. Auch Band 38 bietet einen Asterix für Kinder, der gleichzeitig auch einer für Erwachsene ist. Beide werden unterschiedliche Sachen wahrnehmen. Sowohl Texter als auch Zeichner haben sich freigeschwommen und setzten eigene, neue Akzente und die Story ist deutlich besser als in den letzten Abenteuern! Für mich ein gelungener Wurf!

(c) Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Dazu passen bretonischer Cidre und genau die Musik, die ihr als erste LP, CD oder Download hattet und die euren Geschmack im Gegensatz zu dem eurer Eltern geformt hat. Bei mir war das „Can the Can“!

© der Abbildungen Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2019 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Headline/Cabanes – Nada

Nada – Nach einem Roman von Jean-Patrick Manchette

Story: Doug Headline
Zeichnungen: Max Cabanes

Originaltitel: Nada

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 192 Seiten | Farbe | 35,00 € |

ISBN:  978-3-96219-296-9

Nada ist zuallererst der Name einer nihilistischen, linken Splittergruppe aus Überlebenden verschiedenster Kämpfe und Milieus in Frankreich. Diese Gruppe aus mehr oder weniger gescheiterten Existenzen entwickelt einen gewagten Plan zur Verwirklichung ihres Manifestes: Der US-amerikanische Botschafter soll entführt werden.

Nada ist aber auch die Bezeichnung all dessen, was übrigbleibt, wenn ideologische Feierabend-Terroristen und ideologische Vertreter der bewaffneten Kräfte eines Staates aufeinandertreffen!

Nada ist vielleicht sogar das, was den Unterschied zwischen den Seiten ausmacht.

Nada ist aber auch der Titel eines Romans von Jean-Patrick Manchette von 1972 der bereits 1974 von Claude Chabrol verfilmt worden ist und nun seine Wiederentdeckung als Comic feiern darf.

Die Story

Zunächst einmal werden sehr langsam und ausführlich die handelnden Personen vorgestellt. Der Alkoholiker, der Philosoph, die kleine Hure und andere. Insbesondere in diesem ersten Drittel wird deutlich, dass ein Roman der Story zugrunde lag, denn die meisten Comicautoren nehmen sich diese Gelassenheit und Tiefe am Anfang nicht. Die Motive der Beteiligten sind unterschiedlich, alle eint aber die Ablehnung des Frankreichs der End-60er Jahre. Die Schlachten um Algerien sind geschlagen (und verloren), die Anarchisten haben in Spanien gleich zweimal verloren, gegen die Kommunisten zuerst und dann gegen die Faschisten und die alte Gesellschaft hat bisher alle Bedrohungen überstanden. Die Bevölkerung ist aber nicht mehr bereit alles hinzunehmen und so wird erneut eine Aktion geplant.

Die Handelnden kennen sich untereinander nur zum Teil und so dauert es etwas, Motivation auszutauschen und zu verstehen und vor allem, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen. Bis auf einen machen aber alle mit. Der Plan lautet, den Botschafter bei seinem regelmäßigen Bordellbesuch zu entführen und auf einem ländlichen Unterschlupf zu verstecken. Schon der Überfall läuft aber nicht reibungslos und die Staatsmacht reagiert auf einen getöteten Polizisten mit Schaum vor dem Mund und Mordphantasien.

Natürlich ist dieser Teil extrem pointiert dargestellt aber die Wortwahl des Chefs und das Verständnis des Kettenhundes deuten schon an, dass ersterer nichts gesagt haben wird, sollte der Einsatz schief gehen. Im weiteren Verlauf kommt es dann zu einem brutalen Einsatz gegen die Entführer und zu einem Showdown zwischen einem aus der Gruppe und dem Einsatzleiter.

Spannender sind aber die Reflektionen über die Entführung, denn Sinn des Terrors und Gegenterrors und die Frage der Nutznießer solcher Aktionen, die von einem der Entführer für die Nachwelt festgehalten werden. Doug Headline hat die Vorlage gut in ein Szenario umgesetzt, das mit verschiedenen Tempi spielt und Raum für bildliche Elemente lässt.

Wer jetzt noch auf ein Happy End spekuliert sollte die Finger von diesem Comic lassen!

Die Zeichnungen

Max Cabanes ist kein Unbekannter und auch kein Freund von seichter Unterhaltung. Selbst seine erotischen Geschichten sind nicht voyeuristisch, sondern eher verstörend und für seine anderen Werke gilt das erst recht. Die Darstellung der eigentlich schon kaputten, gescheiterten Männer und der an sich selbst zweifelnden Frau sind auch ohne Text schon so ausdrucksstark, dass ihre spätere Handlung vorhersehbar wird. Der zähe Bärtige und der weiche Verheiratete zeigen ihre Belastbarkeit von Anfang an und auch die „Flics“ zeigen deutlich ihre Geisteshaltung in den Gesichtern.

Die Orte, sowohl verrauchte Kneipen als auch weite Landschaften, Häuserschluchten als auch die ärmlichen Räume des Unterschlupfes gelingen gut und die Farbwahl reflektiert die melancholische Stimmung. Dabei ist der Aufbau streng geregelt: fast immer drei Reihen, keine Ausbrüche aus ihren Kästen zulassend aber oft mit einem Maschinengetippten Text aus dem Off der über den Rahmen steht. Die tuscheartige Kolorierung verwischt dabei die Konturen, hebt sie aber gleichzeitig auch hervor.

Fazit

192 Seiten Noir-Thriller mit Tiefgang, was will man als Leser*in mehr? Natürlich ist das Unterhaltung! Sie wirft aber auch die eine oder andere Frage auf, die das übliche Schubladendenken in Frage stellt und aufzeigt, dass die Welt vielleicht doch nicht so schwarz-weiß, auf jeden Fall aber kein Ponyhof oder gar moralisch. Der Zynismus trieft teilweise kübelweise aus den Seiten und legt über das Ganze noch eine schräge weitere Ebene.

Dazu passen Ton, Steine, Scherben und Calvados.

© der Abbildungen 2018 Dupuis by Manchette, Doug Headline, Cabanes

© der Abbildungen Splitter Verlag GmbH & Co. KG ·   Bielefeld 2019

Jérémy/Mika – Layla

Die Legende der blutroten Sümpfe

Story: Jérémy
Zeichnungen: Mika

Originaltitel: Layla

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 96 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN:  978-3- 96219-301-0

In Layla begegnen wir echter Liebe, Aufopferung, kalter Machtgier, enttäuschter Liebe, einem Fluch, einem Zauber, einem Lindwurm und mehreren Schlachten, kurzum allem, was wir von einer guten Fantasygeschichte erwarten können! In einer mittelalterlichen Stadt lebt ein heranwachsender Jüngling alleine mit seiner Mutter. Auf einem seiner Ausflüge in den Sumpf begegnet er Layla, einer wunderschönen Frau die gleichzeitig eine Schlange zu sein scheint. Er wird ihr bis an sein Lebensende verfallen sein.

Der Inhalt

In der Stadt gibt es eine Gruppe von sieben alten Frauen, lästermaulig und übellaunig, die die Mutter des jungen Grenoy pflegen und ihr Häuschen erben. Grenoy befürchtet bereits in die Katakomben zu müssen doch Edith, die den Jungen liebt, nimmt ihn zu sich, heiratet ihn sogar und gebiert ihr Kind.

Währenddessen stirbt der König durch Laylas Hand und seine gefühlskalte Tochter übernimmt die Macht. Grenoy wird der Koch des Hofes, muss ihr allerdings zum Frühstück rohes Fleisch servieren. Die Königin, von Alpträumen geplagt, beschließt, Königin aller Länder werden zu wollen und zieht gegen den Norden in den Krieg.

Grenoy hatte bereits anfangs Layla nach dem Königsmord zur Flucht verholfen und ist immer noch mit ihr verbunden. Die Königin möchte Layla töten und stellt ihr eine Falle.

Jérémy hat eine stimmige Geschichte entworfen, die geschickt die magischen Elemente der Story mit den menschlichen Aspekten verbindet. Der Held ist ein klassischer Underdog, einerseits seiner Ehefrau treu ergeben, andererseits dem Vamp verfallen und unfähig, klar zu denken. Er ist den Sieben Alten Frauen und der Königin hilflos gegenüber, schafft es aber trotzdem, Mensch zu bleiben und Ehre zu behalten.

Die Königin ist so kalt und machtgierig wie es nur in den Eislanden geht, gleichzeitig aber nicht so brutal wie z. B. Cersei und Layla ist einerseits extrem erotisch und männervernichtend, andererseits aber auch angetan von der Reinheit des jungen Grenoy. Gleichzeitig hegt auch Layla Muttergefühle und ist im Grunde von den äußeren Zwängen zu der bösen Kreatur gemacht worden.

Die Zeichnungen

Mika darf alles zeigen: sumpfige Landschaften, Eiswüsten, Katakomben und Bankettsääle. Ihm gelingt alles sehr gut! Die Menschen und im speziellen die Gesichter sind stimmig, proportioniert und ausdrucksstark, die Hintergründe – wenn nötig – sehr detailreich und das Layout abwechslungsreich. Das Ganze erinnert ein wenig an den großartigen Bourgeon und viel mehr an Lob geht eigentlich nicht! Insofern ist es sehr erstaunlich, dass noch nichts von ihm auf Deutsch vorliegt. Ich vermute aber, dass wir noch das eine oder andere von dem jungen Mann erwarten dürfen.

Die Umsetzung

Splitter hat aus dem langen Abenteuer ein 92-seitiges Hardcover gemacht – Danke! Wir müssen keine Wartezeit verbringen und dürfen die Geschichte am Stück lesen.

Das Papier und die Aufmachung sind wie immer spitzenmäßig und lassen kaum Wünsche übrig. Ein paar Skizzen hätten das Ganze abgerundet, den Preis wegen der dann ungeschickten Seitenzahl aber auch in die Höhe getrieben und so sei dem bisher unbekannten Zeichner Mika ein großer Erfolg gewünscht. Für 19,80 € ein echtes Glücksgriff!

Dazu passen roter Wein und Messer Banzani!

© der Abbildungen DARGAUD BENELUX (DARGAUD-LOMBARD S.A.) 2018, by Jérémy, Mika  

Besuch der Moebius-Ausstellung in Brühl

MOEBIUS – Surreale Comicwelten

Wann: 15. September 2019 bis 16. Februar 2020 (montags
geschlossen) – VERLÄNGERT bis zum 29. März!!

Wo: Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl

Eintritt: 10,50 €, ermäßigt 6,50 €; Kinder und Jugendliche sowie am letzten Donnerstag jeden Monats Eintritt frei

Porträt Jean Giraud, 2010, Foto: Isabelle Giraud © 2019 Mœbius Production

Moebius, so das Pseudonym des Zeichners und Szenaristen Jean Henri Gaston Giraud für die Science-Fiction orientierte Hälfte seines Schaffens, wird in einer großen Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR gewürdigt. Moebius ist Wegbereiter, Pionier und Meister des modernen französischen Erwachsenencomics zugleich und hat Psychologie, Architektur, (Natur-)Religionen und Avantgarde in den Comic gebracht als der große Bruch erfolgte zwischen den klassischen, religiös geprägten Magazinen Tintin und Spirou auf der einen und Pilote und Metal Hurlant auf der anderen Seite.

Die Location ist durchaus passend gewählt, war doch Max Ernst als Expressionist, Dadaist und Surrealist ebenfalls immer auf der Suche nach neuen, noch besseren Ausdrucksmöglichkeiten. Für 10,50€ können beide Ausstellungen besucht werden. Der Keller ist dabei dem jüngeren gewidmet: Eine große, etwas unterteilte Fläche ermöglicht die Präsentation von verschiedenen Aspekten des Schaffens in Originalen oder vergrößerten Abbildungen der Zeichnungen.

Die Exponate

Besonders heraus stechen die großformatigen Bilder, die mit Hilfe eines kostenlosen WLANs und einer ebenfalls kostenlosen App namens Artivive animiert werden. Diese Augmented Reality passt zu dem Science-Fiction Sujet perfekt und macht zudem Spaß. Überall stehen Betrachter*innen, die auf ihr Smartphone starren… Da sich die Sequenzen teilen lassen, haben auch die zuhause gebliebenen Freunde und Verwandten etwas von der Ausstellung – ein großes Plus!

Dabei ist die Aufteilung der einzelnen Räume sehr durchdacht; acht Themenbereiche bieten einen Einblick in die verschiedenen Themenspektren, die jeweils von einem oder zwei Zitaten begleitet werden. Sie zeigen etwa in den Bereichen „Spiritualität und Alchemie“ oder „Abstraktionen“ das Moebius mehr ist als „nur“ ein Comiczeichner und nicht nur der Subgattung der Neunten Kunst, sondern der gesamten Kunst neue Aspekte hinzugefügt hat.

In „Der doppelte Mensch“ setzt sich Giraud mit der Schizophrenie auseinander. Seiner Meinung nach ist sie ein sehr menschlicher, positiver Zustand, der hilft zu überleben. Sie werde allerdings erst dann als Schizophrenie benannt, wenn sie beginne zu entgleisen. Diese Haltung wird in den gezeigten Werken, insbesondere in der Kampfszene deutlich. Aber auch hier gilt: Ohne Katalog oder Vorwissen eigentlich unverständlich. Trotzdem ist dieser Teil für mich der beeindruckendste, vielleicht weil er soviel persönliches beinhaltet und für jede*n Betrachter*in nachvollziehbar ist.

Die Präsentation

Wie so oft in Deutschland ist die Präsentation ansonsten aber nur etwas für Profis. Wer sich mit dem Thema und dem Künstler auskennt, wird den Besuch genießen: Viele Originale hängen an den Wänden und sind auch tatsächlich aus geringer Distanz betrachtbar. Informationen oder gar eine Erklärung, warum eben dieser Moebius so berühmt geworden ist, welche Techniken, Themen oder Gedanken er in den modernen französischen/europäischen Comic eingebracht hat (oder gar, wie der Comic vorher ausgesehen hat), fehlen vollkommen und auch das eine Bild mit der Abbildung von Mike S. Blueberry erklärt nicht wirklich den Unterschied zwischen Gir und Moebius

Dazu kommt die Tatsache, dass Max Ernst zwar in Brühl geboren worden ist, wesentliche Teile seines Lebens aber in den USA und Frankreich verbracht hat. Dementsprechend sind die Texte zu seiner Ausstellung auch dreisprachig. Solche Übersetzungen der Texte des französischen Künstlers aus dem Original der Abbildungen ins Deutsche oder aber der deutschen Zitate in Englische/Französische vermisst man leider im Keller bei der Moebius gewidmeten. Auch wenn Europa immer mehr zusammenwächst, der gegenseitige Museumsbesuch außerhalb von Großstädten scheint weiterhin nicht vorgesehen zu sein.

Es werden aber einige Veranstaltungen und Führungen angeboten; das Programm ist unter der Seite des Museums abrufbar.

Das Drumherum

Wer übrigens vor oder nach dem Kunstgenuss ein Getränk oder eine Speise zu sich nehmen möchte sollte tunlichst auch bei Starkregen ein paar Schritte in Richtung Bahnhof gehen und dort einkehren! Dort ist man in der Lage, auch bei größerem Andrang schnell und freundlich qualitativ hochwertige Produkte feilzubieten.

Fazit: Die Moebius-Schau sollte man als Fan von modernem europäischem Comic auf jeden Fall gesehen haben. Die Mitnahme eines/einer Gelegenheitskonsument*in erfordert aber eine eigene hohe Erklärungs- und Vermittlungsbereitschaft oder die Investition in einen Katalog (vor dem Verlassen). Dieser ist mit fast 50€ aber nicht billig. Eine Besprechung erfolgt in Kürze.

Mœbius, Trait de génie: Giraud-Moebius, 2000, Tusche und Aquarell auf Papier, 24 x 32 cm © 2019 Mœbius Production

Dazu passen ein aktuell im Ausschank befindliches Oktoberfestbier (s.o.) und Musik von Charles Mingus.

© der Abbildungen 2019 Mœbius Production.

Fotos der Ausstellung: © 2019 Sven Krantz-Knutzen

ZACK 243

ZACK 243 (September 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Der Neustart

Dantes kehrt zurück! Der Wirtschaftskrimi aus der Feder von Pierre Boisserie und Phillippe Guillaume mit den Zeichnungen von Erik Juszezak geht in die letzte Runde. Neben den gefälschten Kunstobjekten aus der New Yorker Werkstatt war im letzten Teil auch ein falsches Weinetikett aufgetaucht. Der (Luxus-)Wein existiert zwar, allerdings noch nicht mit dem angegebenen Jahrgang. Gleichzeitig kommt es zu einer Entführung des Babys von Dantes und seiner Frau aus der Säuglingsstation. Für Spannung ist also von Anfang an gesorgt. Welches Spiel spielen Christopher Dantes Vater und die Kunstfälscherin? – Solide Krimikost!

Die Fortsetzungen

Der zweite Band von Harmony namens Indigo von Mathieu Reynès geht schon in die dritte Runde: Die Kinder mit den übersinnlichen Fähigkeiten haben sich nicht so weiterentwickelt wie gewünscht. Es übernimmt eine militärisch ausgebildete Truppe die mit Folter nicht nur droht. Bei der blonden Titelheldin schlägt die Methode an; ihre Kräfte verstärken sich. Der Cliffhanger erleichtert das Warten auf das Oktoberheft nicht.

Michel Vaillant war schon immer mehr als reiner Motorsport. In der zweiten Staffel haben Phillipe Graton & Denis Lapière den Krimianteil aber noch einmal erhöht und vor allem auf eine lange Storyline gesetzt. Macau ist schon der siebte Band aber die Auseinandersetzung um die Firma Vaillante mit Ethan Dasz ist noch in vollem Gange. Evelyne hat Beweise, die sie Michel übergeben möchte. Zunächst aber müssen die Zwei auf einem Motorrad durch Macau flüchten. Das gibt Benjamin Benéteau die Gelegenheit zu beweisen, dass er rasante Rennszenen mit Autos genauso gut beherrscht wir Motorradszenen in einer vollen Innenstadt. Zurecht eine der Besten technikorientierten Serien dieses Jahrtausends!

Tessio, der „schlimme“ Bruder von Cassio, hat es endlich geschafft, die letzte Kanope zu bekommen. Nun kann er versuchen, ihre Mutter wieder auferstehen zu lassen und endlich eine Schreckensherrschaft zu etablieren. Es könnte aber sein, dass man ein Übel mit einem anderem austreiben kann. Das Reich der Erinnerungen wird – so scheint es – alle offenen Fragen beantworten und steuert auf einen finalen Höhepunkt zu.

Endgültig und letztmalig verabschiedet sich der Agententhriller die Flügel des Herrn Plomb. In sieben Alben hat Christophe Gibelin ein Verwirrspiel mit Agenten beidseits des Eisernen Vorhangs aufgezogen, das durch persönliche Beziehungen und Konflikte zwischen befreundeten Diensten angereichert wurde. Im Zentrum all dieser Stürme stand ein Fotograf, geplant als Kollateralschaden und doch bis zum Schluss unter den Lebenden. Die Auflösung ist tatsächlich so zynisch wie vermutet!

Und sonst so?

Schon das Editorial des Chefredakteurs verkündet eine frohe Botschaft: Der absolut zu empfehlende Titel de Meimoorden von Eric Heuvel wird ab Februar im ZACK in deutscher Übersetzung erscheinen. Schon jetzt könnt ihr anfangen, die Tage zu zählen!

Neben wie immer genialen Abenteuern auf dem Friedhof unter dem Titel Tizombi dürfen auch Parker & Badger und der Vater der Sterne wieder ran. Insbesondere bei letzterem bleibt zu hoffen, dass irgendwann der Vorrat ausgeht und eine neue Serie ihre Chance erhält.

Neben News und Rezensionen inklusive einer längeren der neuen Luc Orient-Gesamtausgabe im ALL-Verlag interviewt Christian Endres den neuen Zeichner von Conan der Barbar. Mahmud Asrar darf seine Eindrücke schildern und auf seine Vorbilder verweisen. Abgerundet wird das Ganze mit ein paar Einblicken in die neuen Seiten.

Zu der wie immer sehr kurzweiligen Lektüre passen The Selecter mit Daylight und ein Nojito!

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Conan der Cimmerier 5

Band 5: Die scharlachrote Zitadelle

Story: Luc Brunschwig nach Robert E. Howard
Zeichnungen: 
Étienne Le Roux

Originaltitel: La Citadelle Écarlate

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 64 Seiten | Farbe | 16,00 € |

ISBN: 978-3-96219-206-8

Der gerade erschienene Band von Luc Brunschwig und Étienne Le Roux ist bereits die fünfte europäische Interpretation des Conan-Mythos und folgt wie auch die anderen streng den Vorgaben des Schöpfers Robert E. Howard. Da die Geschichten keiner Chronologie folgen, sondern nur eigenständige Ausschnitte aus dem Leben des Cimmeriers abbilden, eignen sich die Vorlagen vorzüglich dafür, von unterschiedlichen Kreativteams bearbeitet zu werden. Conan selbst ist bereits in Film, TV oder Comic so oft dargestellt worden das keine Figur erwartet wird. Es gibt eher eine Vereinbarung über das Nicht-Aussehen: Conan kann nicht strohblond sein, nicht weiblich, „of colour“, schwächlich oder insektenartig. Alles andere ist aber interpretationsfähig. Zu Band 1 und 2.

Die Story

In Die scharlachrote Zitadelle ist Conan also ein König, der sein Reich schon seit längerem regiert hat. Wie immer herrschen verschieden Ansichten über die Güte dieser Tätigkeit vor, denn es gibt Nutznießer*innen und Verlierer*innen. In der gegebenen Situation scheint es so zu sein, dass die Mehrheit der Regierten eigentlich sehr zufrieden mit ihrem König ist. Ungerechtigkeiten, hohe Abgaben, Frondienste und andere unschöne Begleiterscheinungen einer (natürlich nicht aktuellen) Monarchie wurden beseitigt und Pfründe abgeschafft. Die andere Seite eben dieser Medaille ist aber natürlich, dass die Inhaber*innen der ehemaligen Privilegien, Einkünfte und Dienste eben nicht mehr bekommen und sich daher als „Opfer“ dieser Herrschaft sehen.

Wie gut, dass es auch noch Nachbarn gibt… Diese sind – so dass kriegerische Grundsetting dieser Literaturgattung – natürlich immer neidisch auf die Ressourcen des in Frage stehenden Landes (Bodenschätze, strategische Bedeutung, Sklav*innen) und vor allem darauf bedacht, dass diese revolutionären Ideen nicht in ihr Land hinüberschwappen. Eigentlich also der heutigen Weltpolitik prinzipiell gar nicht soo unähnlich.

Die Geschichte beginnt mit dem Eintreffen des Barden in der Königsfeste. Er berichtet von dem Hinterhalt, den Almarus, Strabonus und der Magier Tsotha-Lantis mit ihren Armeen für die Streitmacht Conans gelegt haben, und in dem fast alle Männer getötet worden sind. Auch Conan, der geliebte König, sei umgebracht worden.

Tatsächlich ist der trotz seines Alters immer noch kräftige König nur gefangengenommen worden um eine Kapitulation im Gegenzug für persönliche Freiheit zu erreichen. Damit soll den Untertanen klar gezeigt werden, dass alle Errungenschaften der Conanschen Regierungszeit keineswegs nachhaltig seien und gerne der persönlichen Lage des Herrschers geopfert würden. Natürlich lässt sich der Barbar nicht darauf ein…

Im Folterkeller darf der muskelbepackte Held dann die Bekanntschaft mit einer riesigen Echse machen, aber auch mit einem Überlebenden der Überfälle aus der früheren Zeit als Conan noch als Pirat lebte. Nach einigen Dungeon-Begegnungen kann er schließlich Pelias befreien, der vor 10 Jahren von Tsotha-Lantis gefangengenommen worden war und selbst ebenfalls übernatürliche Kräfte auf seiner Seite weiß.

Währenddessen hat in dem nun scheinbar verwaisten Königreich die Machtübernahme der alten Eliten mit all ihren blutigen Details begonnen…

Das Artwork

Étienne Le Roux gelingt es gut, sowohl die dunklen Höhlenszenen mit Gefahren hinter jeder Ecke, Traumsequenzen und Ängsten aber auch Monstern darzustellen als auch die brutalen Szenen der Machtübernahme, die paradoxerweise in strahlendem Sonnenlicht wiedergegeben werden. Die Hintergründe wirken dagegen teilweise etwas zu einfach, der Rasterschatten etwas zu „nicht-selbst-gemacht“. Abgesehen von diesen kleinen Mängeln aber eine sehr ansehnliche Umsetzung.

Die Figur des Conan wirkt im ersten Moment mit dichtem schwarzem Vollbart etwas ungewöhnlich, man gewöhnt sich aber schnell daran, da man schon so viele Interpretationen gesehen hat, dass auch diese nicht wirklich anders ist. Die anderen Figuren sind nicht so geprägt von Erwartungen und daher noch leichter zu akzeptieren. Die Bösartigkeit kommt hier oft mit einem Lächeln daher. Der Seitenaufbau ist klassisch und von wenigen Soundwords begleitet. Allein bei rasanten Kampfszenen scheint sich auch der Stil bewegen zu wollen und unterstützt so die Dynamik.

Luc Brunschwig ist aktuell vor allem durch die neuen Abenteuer um Bob Morane sowie die im ZACK abgedruckten Geschichten mit Mic Mac Adam bekannt. Hier beweist er, dass er durchaus auch in Sword & Sorcery Settings seine Qualitäten hat. Das Springen zwischen den beiden Locations, Hell und Dunkel, Magie und Restauration ist gut umgesetzt und kann auch in Zeiten eines Publikums, das mit Game of Thrones Kost dieser Art bereits gut visualisiert bekommen hat, noch punkten.

Die Ausstattung

Splitter stattet auch diesen Band wieder mit einem Nachwort aus, das auf die Entstehungsgeschichte des Originals von 1932 eingeht und zudem weitere Illustrationen enthält. Der Band ist wie auch die anderen im typischen splitter-Überformat als Hardcover erschienen und bringt Farben und Zeichnungen brillant zum Ausdruck. Bei dem Preis kann man eigentlich nichts falschmachen. Interessant könnte es in diesem Monat zudem sein, die europäische Interpretation mit der neuen amerikanischen zu vergleichen, denn auch bei Marvel gibt es einen (deutschen) Neustart der barbarischen Abenteuer.

Dazu passen Kellerbier und The Ordinary Boys.

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

Swolfs – Prinz der Nacht 7

Der erste Tod

Story: Yves Swolfs
Zeichnungen: 
Yves Swolfs

Originaltitel: Le Prince de la nuit: Tome 7, La première mor

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 48 Seiten | Farbe | 16,00 € |

ISBN: 978-3-96219-316-4

2015 Paris, der Bahnhof ist großflächig mit riesigen Plakaten bestückt auf denen die Sensation beworben wird, dass Yves Swolfs seine Vampir-Serie Prinz der Nacht fortsetzt.

2019, Deutschland, der siebte Teil der Saga erscheint auch in Deutschland. Mittlerweile ist bereits der erste Teil der neuen Serie von Yves SwolfsLonesome – erschienen und der achte Teil des Nachtprinzen ist bereits in der Ankündigung. Was ist geschehen? Zum einen ist wohl zu berücksichtigen, dass die Serie in Deutschland keinen leichten Stand hatte: Die ersten Bände erschienen im „alten“ Splitter-Verlag, der jedoch pleite ging. Es ging weiter bei Kult Editionen wo auch zwei Integral-Ausgaben erschienen sind, doch auch dieser Verlag ist nicht mehr. Und so dauerte es bis zum letzten Monat dass der Splitter-Verlag, Heimat von Swolfs Westernserien Durango und Lonesome, eine neue, diesmal einbändige Integralausgabe der ersten 6 Bände herausbrachte und nun auch endlich die neuen Abenteuer veröffentlicht.

Die Story

Während die ersten sechs Bände die Beziehung des untoten und damit auch quasi unsterblichen Vampirs Kergan mit dem Geschlecht der Rougemonts zum Inhalt hatten, geht es jetzt in die Comicdeutsch Origin des Blutsaugers.

Kergan ist der Sohn eines Stammesführers und Kriegsherren der Karpen, die sich im Kampf mit römischen Legionen befinden. Er ist zwar der ältere Sohn seines Vaters, nicht aber der Sohn seiner Frau, die versucht, ihren Sohn als Erben zu platzieren. Kergan ist ein brillanter und erfolgreicher Krieger, zugleich aber unbeherrscht, aufbrausend und emotionsgesteuert. Als er den Kopf eines römischen Zenturios heimbringt, ist selbst der Vater überzeugt, dass Kergan einen Dämpfer braucht und schickt ihn auf eine diplomatische Mission.

Natürlich gehören zu einer richtigen Entstehungsgeschichte eines bösen Vampirs auch eine große Ungerechtigkeit und eine Enttäuschung und sie werden hier auch dargeboten! Swolfs hat sich dabei aber große Mühe gegeben, allzu starke Plattitüden zu vermeiden und einen stimmigen Handlungsbogen zu erschaffen. Wo sich Verrat auf Verrat türmt, die Liebe entschwindet und das Leben keinen Sinn mehr zu machen scheint, kann die Rache zur neuen Zielsetzung werden. Der Entscheidungsprozess ist aber nicht einfach…

Das Artwork

Yves Swolfs ist ein Meister seines Faches. Er beherrscht Landschaften und Dekors genauso wie Personen. Die Eingangssequenz alleine ist schon so filmisch und so genial angelegt, dass ein Weiterlesenwollen fast als einzige Möglichkeit erscheint. Er beherrscht die Totale wie auch die Nahaufnahme und wechselt auch zwischen beiden hin und her. Dadurch wird z.B. die Szene auf der Brücke auch glaubwürdig, denn zwischen der dem Leser die Situation zeigenden Gesamtansicht, den Gesichtern und Bögen der Angreifer und denen der Römer wechselt Swolfs ständig um eine solche Spannung zu erzeugen, die den Schweiß der Beteiligten fast riechen lässt.

Auch seine Umgebungen sind detailreich und stimmungsvoll, egal ob während der Nacht oder tagsüber, im Gebirge, Wald oder freien Feld. Die Seitenaufbauten sind dabei vollkommen flexibel und folgen keinem Schema.

Die Empfehlung

Kaufen!

Es handelt sich beim Prinzen der Nacht um keine Teenagerserie. Natürlich geht es um enttäuschte Liebe, aber Kergan wird kein Ehrenmann werden. Die Darstelllungen sind teilweise explizit, überschreiten aber keine Grenzen! Die Zeichnungen sind grandios und die Story ist (wenn man mal davon absieht, dass das Thema natürlich dem Fantastischen und irrealen zugehörig ist) nachvollziehbar und logisch. Wer nicht die ersten Bände eh schon im Besitz hat, muss diese nicht erwerben, um neu einsteigen zu können, es könnte aber eine Folge des Genusses dieser Geschichte werden…

Dazu passen The Cure und ein Rotbier.

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

ZACK 242

ZACK 242 (August 2019)

Herausgeber: Klaus D. Schleiter

Chefredaktion: Georg F. W. Tempel
MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Das Jubiläumsjahr ist nun schon fast selbst Geschichte, findet aber in diesem Heft seinen verdienten Abschluss mit der Vorstellung der Mitarbeiter*innen hinter den Kulissen. Marketing, Messe, Lettering, Presse, Vertragswesen, Organisation wollen betreut oder gemacht werden und alles braucht seine Spezialist*innen. Dieser Beitrag stellt sie vor!

Der Neustart

Das Cover darf in diesem Heft Cassio zieren. Die Serie von Stephen Desberg und Henri Reculé geht in die letzte Runde: Das Reich der Erinnerung wird (hoffentlich) alle offenen Fragen auflösen und steuert auf den Höhepunkt zwischen Cassio und seinem Bruder Tessio zu. Die Geschichte beginnt blutig in einem Kloster, denn dort wird die gesuchte ägyptische Kanope aufbewahrt. Für die neu hinzugekommenen, denen das jetzt überhaupt nichts sagt: Einerseits gibt es eine (sehr) kurze Einführung, andererseits sind die Zeichnungen gut genug und die Story so spannend und abwechslungsreich durch Orts- und Zeitwechsel, dass Cassio auch ohne Vorkenntnisse Spaß machen sollte. Desberg ist eindeutig in Europas Stilen verwurzelt. Eine Beeinflussung durch amerikanische Zeichner lässt sich aber auch erahnen.

Die Fortsetzungen

Die neuen Abenteuer von Michel Vaillant sind eine Mischung aus Wirtschaftskrimi und (modernem) Rennsportcomic. Während einerseits die Boliden gezeigt werden, die durch Macau rasen, steuert die Auseinandersetzung zwischen Vaillante und Dasz auf einen neuen Höhepunkt zu. Zum einen will letzterer die traditionelle Firma, vor allem aber die Familie Vaillant komplett vernichten, zum anderen scheint der Betrüger betrogen zu werden. Benjamin Benéteau hat mittlerweile alle Personen verinnerlicht und beweist mit den Rennszenen, dass er auch dieses Thema perfekt beherrscht. Das Szenario von Philippe Graton & Denis Lapière ist spannend und hat der ehrwürdigen Serie neues Leben eingehaucht. Nicht, dass der klassische Michel schlecht wäre. Er trifft nur nicht mehr den jugendlicheren Leser. Mit der Aufnahme der Krimi- und E-Auto-Themen wird die Brücke geschafft. Sonst wäre die „neue“ Serie wohl auch nicht bereits im siebten Band.

Harmony von Mathieu Reynès erzählt die Geschichte von mutierten Kindern mit speziellen Fähigkeiten. Hier geht es aber nicht um die Frage, wie die Mutanten zur Gesellschaft stehen, sondern darum, ob die Fähigkeiten ausgebeutet werden dürfen oder doch die Interessen der Kinder im Vordergrund stehen sollten. Nicht nur Revolutionen fressen ihre Kinder. Auch Reynès hat außer den europäischen noch andere Einflüsse; hier sind es aber die japanischen. Lesenswert und zu Recht in Frankreich sehr erfolgreich!

Die Flügel von Herrn Plomb gezeichnet und geschrieben von Christophe Gibelin gehen in ihren vorletzten Teilabdruck; Verbindungen werden genauso offensichtlich wie die Ignoranz von Geheimdiensten gegenüber Zivilisten: Opfer sind einkalkuliert! Detailreich gezeichnet, witzige Hommage an Stan und Ollie und ein Plot, der natürlich übertrieben ist, allerdings nicht so stark, dass er vollkommen unglaubwürdig wäre.

Bonneville Vier Null Sieben! von Marvano geht dagegen in dieser Ausgabe zu Ende. Ein Comic, der einen Salzsee, der als Rennstrecke dient, zum Helden hat, ist sicherlich nicht alltäglich und auch nicht einfach. Während über die zeichnerischen Fähigkeiten Marvanos wohl keine Diskussion nötig ist, ist die Aneinanderreihung von Bildern und Texten vielleicht nicht jedermanns Sache. Natürlich entsteht aus den Teilen ein Ganzes, sogar ein lehrreiches und persönlich freue ich mich auf den angekündigten zweiten Teil, bin aber gespannt, wie es euch damit geht. Meinungen?

Und Sonst?

Bernd Hinrichs berichtet über frankobelgische Comic-Verfilmungen und ist immerhin schon bei G wie Gaston angekommen und dann gibt es ja noch die Kurzgeschichten:

Parker & Badger beschreiben (peinliche) Alltagssituationen, die nicht immer, aber dieses Mal wirklich gut gelungen sind. Der Vater der Sterne versucht so etwas wie Pädagogik aus Nerdistan zu vermitteln und scheitert mal wieder. Aber es gibt ja noch Tizombi von Cazenove & Maury mit gleich drei Folgen in diesem Heft. Allein wegen dieser Seiten lohnt sich der Kauf!

Dazu passen The Slackers (laufen gerade im Hintergrund) und wetterangemessen viel Wasser, natürlich selbst gesprudelt…

Abbildungen © 2019 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag und den jeweiligen Zeichnern und Verlagen

Colman/Maltaite – Schock 3

Schock – Die Geister von Knightgrave, dritter Teil

Text: Stéphan Colman

Zeichnungen: Éric Maltaite

Originaltitel: Choc 3 – Les fantomes de Knightgrave

Salleck Publications

Hardcover | 88 Seiten | Farbe | 25,00 € |

ISBN: 978-3-89908-628-7

Harry und Platte (oder auch Gin & Fizz zu Kauka– und Semic-Zeiten bzw. Tif et Tondue im Original) war eine der bekanntesten Serien aus Spirou. Sie war schon in der ersten Ausgabe 1938 mit von der Partie und lief fast 60 Jahre bis sie – wie wir heute wissen – vorläufig eingestellt wurde. Das aktuelle Heft 4241 bringt dir Rückkehr der beiden Helden aus der Feder der Gebrüder Blutch.

Bereits seit 2014 ist Schock zurück. Ursprünglich von Maurice Rosy in die Serie eingeführt, entwickelte sich der Bösewicht mit dem Ritterhelm schnell zu einem wesentlichen Bestandteil der Serie und führte als brutaler Gegenspieler die beiden Titelhelden oft genug an den Rand der Verzweiflung. Obwohl sich Herr Schock und seine Organisation Die Weiße Hand im Endeffekt nie als Sieger fühlen durften, haben sie doch in der ganzen Zeit nie wirklich verloren und so war die Identität des maskierten Verbrechers bisher nicht gelüftet worden.

Die dreiteilige Reihe Die Geister von Knightgrave sollte genau mit diesem Pfund wuchern können, beschreibt sie doch die Entwicklung eines jungen Mannes – Eden – , der unter seinem Vater leidet, hin zu einem bösartigen Verbrecher. Besonderen Charme zieht die Geschichte daraus, dass Éric Maltaite, der Zeichner der neuen Abenteuer des Herrn Schock, der Sohn von Will Maltaite ist, der fast 40 Jahre lang die Hauptserie gezeichnet hatte.

Die Geschichte

Der dritte Teil beginnt mit einer wilden Verfolgungsjagd in Istanbul Mitte der fünfziger Jahre. Der Text aus dem Off stammt von dem maskierten Schock und endet mit den Worten „Ich habe Frieden gefunden“.  

Diese Sequenz ist auch schon typisch für einen Teil des Comics: Viel Action, lautes Gedonner der Kanonen oder Bomben, schnelle Schnitte. Die Umsetzung als Kinofilm ist hier bereits vorweggenommen und es wird ein pyrotechnisches Spektakel erster Güte geboten. Andererseits ist die Geschichte aber auch sehr ruhig erzählt, wenn sich die Inspektoren Allumette und Fixchusset nach einer Beerdigung unterhalten. Insgesamt aber bestimmen die temporeichen Elemente die Geschichte. Stéphan Colman bringt aber auch viel Zeitgeschichte in seinem Szenario unter. Episoden spielen zu Beginn des Hitlerregimes im Berlin der Olympischen Spiele oder auf dem Obersalzberg bzw. zeigen die Hamburger Bombennacht, die zu dem Feuersturm führte, der weite Teile der Stadt vollkommen zerstörte.

Die Geschichte springt dabei munter zwischen den verschiedenen Zeiten und vermischt das Ganze noch mit einer Entführung. Colman und Maltaite lassen sich aber viel Zeit für die einzelnen Handlungsbestandteile. Immerhin ist auch dieser dritte Teil wie die ersten beiden 86 Comicseiten lang.

Die Leser*innen erfahren im Übrigen nicht nur, wer der Schock ist, sondern z. B. auch, dass sein Vater seine Soldatenspielfiguren verbrannt hat, der Kleine und auch sein Vater von seiner Mutter sehr geliebt worden sind und dass sich der Verbrecher trotz aller seiner Fehler um eine alte Nachbarin kümmert. Niemand – und das ist das gute an der Geschichte – wird eindimensional dargestellt und nichts ist so einfach, wie es scheint.

Dadurch hält sich die Story natürlich das Potential für weitere Geschichten offen. Viel wichtiger ist aber, dass es dadurch mehr Spaß macht, den Entwicklungen zu folgen und die Scheidepunkte zu reflektieren. Wäre eine andere Möglichkeit gegeben gewesen? Und fast immer lautet die Antwort „ja“.

Das letzte Panel, soviel sei verraten, bildet einen perfekten Übergang zum ersten Auftreten des Verbrechers in der Originalserie.

Die Umsetzung

Dieser Abschlussband erscheint wie schon seine Vorgänger in etwas größerem Format als Hardcover und auf festem, leicht glänzendem Papier. Die ebenfalls erhältliche, auf 250 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe ist wegen der zusätzlichen Skizzen und Illustrationen sogar noch etwas dicker und beinhaltet ein signiertes Ex Libris sowie ein anderes Covermotiv. Der Preis von 25€ (bzw. 59 für die VZA) ist somit angemessen. Erschienen ist das Ganze beim rührigen Eckart Schott Verlag der nicht nur unter dem Namen Salleck Publications ein ums andere Mal Perlen der frankobelgischen Comickunst nach Deutschland bringt, sondern auch seit mehreren Jahrzehnten Zeichner*innen zu Comic Börsen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen einlädt!

Variantcover der limitierten Ausgabe

Naturgemäß ist es bei einer von Anfang an auf drei Teile angelegten Story nicht einfach, erst später einzusteigen und so würde ich für den vollen Genuss tatsächlich die Anschaffung aller Bände empfehlen! Wenn, ja wenn? Es lohnt sich für diejenigen, die Fans der ursprünglichen Geschichten um Harry und Platte sind und wissen wollen, warum der Herr Schock wurde was er ist. Die Story selbst ist eine lange aber spannende Geschichte über den Reiz des Verbrechens im Vergleich mit dem schnöden Leben des Gesetzestreuen – aber keine Angst für die Moraltreuen: Verbrechen lohnt sich im Endeffekt dann doch nicht, denn der Ritterhelmträger siegt ja nicht wirklich (siehe oben). Es ist ein sowohl gut konstruierter als auch gut gezeichneter Beitrag des aktuellen frankobelgischen Schaffens (abseits von Fantasy jeglicher Spielart) und die Ausgabe ist herstellerisch schön gemacht.

Dazu passen viele Sachen und dann doch wieder nichts richtig. In Anbetracht des Schlusses empfehle ich dazu ein englisches Ale und ein wenig Britpop von Pulp.

© der Abbildungen Eckart Schott Verlag, 2019

Gil/Paturaud – Victor Hugo

Victor Hugo – Im Exil

Story:  Esther Gil
Zeichnungen: 
 Laurent Paturaud

Originaltitel: Victor Hugo

Splitter Verlag
Hardcover | 120 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-96219-300-3

1853 beweint ein Mann den Tod seiner Tochter vor 10 Jahren. Noch immer kennt seine Trauer keine Grenzen und noch immer lässt er seine andere Tochter, seine Frau und seine Geliebten darunter leiden. Am Abend des 11. September jedoch spricht während einer Seance die Tote zu ihrem Vater, der nun weiß, dass es seine Aufgabe sein wird, den Tod aufzuklären. Es handelt sich um Victor Hugo, den Schriftsteller aber eben auch Politiker, der auf der Flucht vor Napoleon III. die Insel Jersey als Ort des Exils gewählt hat.

Die Handlung

Um den Tod seiner geliebten Tochter Leopoldine aufklären zu können, muss Hugo aber zurück auf das Festland, ja sogar in die Hauptstadt Paris. In seinem Heimatland ist aber ein beträchtliches Kopfgeld auf ihn ausgesetzt und niemand in Hugos Umgebung kann das Risiko verstehen. Sie alle glauben an einen Unfall und halten Hugos Vermutungen für Hirngespinste.

In Paris selbst ist Napoleon II.I gerade dabei, zusammen mit Baron Haussmann die Stadt neu zu planen: die Stadtteile sollen übersichtlicher, kontrollierbarer und „gehobener“ werden – heutzutage nennt man so etwas Gentrifizierung – und die Straßen sollen ausgebaut werden. Letzteres ist natürlich für den zunehmenden Handel wichtig, erlaubt aber auch schnelle Truppenbewegungen im Falle eines der vielen Aufstände. Insofern lässt sich dieser Band durchaus in Kombination mit der Zeit der Blutkirschen lesen!  

Und auch der Tod am Galgen von John Charles Tapner findet seinen Eingang in die großartige Geschichte. Tapner war mit Sicherheit ein kleiner Gauner. Ob er auch ein Mörder war, wird zumindest in dieser Geschichte bezweifelt, auf jeden Fall aber war seine Geschichte der Aufhänger für eine engagierte Diskussion um die Todesstrafe unter Beteiligung Victor Hugos und wurde erst durch den direkten Einsatz des französischen Botschafters in London beigelegt: Der junge Mann wurde zwei Tage später gehängt.

Die Bilder, die Hugo auf der Fahrt nach Paris und dort selbst zeigen, zeichnen ihn als einen sehr selbstbezogenen, starrköpfigen aber auch mutigen Mann. Während dieser kurzen Zeit wohnt er gleich zwei Geliebten bei, bekommt in Paris aber auch genügend Eindrücke in die Not der Unterprivilegierten und der Machtstrukturen, die später in Les Miserables verarbeitet werden sollten.

Die Künstler*innen

Während viele Fakten in dieser Geschichte verarbeitet worden sind, ist sie als solche doch reine Fiktion. Wir wissen, dass Hugo unendlich um seine Tochter getrauert hat, an Seancen beteiligt war und tatsächlich geglaubt hat, seiner Tochter bzw. ihrem Geist begegnet zu sein. Auch sein Exil, seine Geliebten und sein Gegenspieler in Paris Vidocq sind verbürgt. Die Details sind aber der Fantasie von Esther Gil entsprungen. In ihrem Nachwort erklärt sie, dass sie schon während der Schulzeit von der Maßlosigkeit der Trauer des Vaters beindruckt war. Später – und im Verlauf von minutiösen Nachforschungen – kam dann der Einsatz gegen die Todesstrafe hinzu und das Szenario konnte geschrieben werden. Gil hat damit eine Geschichte vorgelegt, die einerseits sehr viel Sympathie mit ihren Personen zeigt, ohne aber tatsächlich alle Aktionen gutzuheißen. Andererseits ist daraus ein spannender Krimi geworden, der zusätzlich noch viele geschichtliche Details transportiert.

Laurent Paturaud hat die Geschichte kongenial umgesetzt. Die ersten zwei Seiten sind Romantik pur und führen bildgewaltig in die Stimmung des fast schon gefühlstoten Vaters ein. Paturaud kann aber auch stille Gesprächsszenen oder Armutsdarstellungen aus Paris. Nicht zuletzt gelingen ihm auch die intimen Szenen zwischen Hugo und seinen Geliebten sachlich und ohne Voyeurismus. Dabei wechselt er von kleinen Panels zu großen, integriert Bilder in einen Hintergrund oder benutzt eine Graufärbung um Erinnerungen zu kennzeichnen.

Die Ausstattung

Natürlich handelt es sich auch bei diesem Band um ein typisches Splitter-Hardcover. Man hat sich aber entschieden, nicht nur die 94 Seiten der Geschichte zu veröffentlichen, sondern insgesamt 120 Seiten daraus zu machen. So kommen einerseits die Autorin Esther Gil und Victor Hugo selbst zu Wort, andererseits bleibt auch genügend Platz um auf geschichtliche Hintergründe näher einzugehen und die Geschichte damit verständlicher zu machen.

Und – quasi als Sahnehäubchen – kommen auch noch Skizzen, und Ex Libris-Entwürfe zum Abdruck! Schöner kann man einen solchen Band nicht machen! Der Preis dafür ist fast schon unverschämt gering. Im Nachhinein ist es etwas unverständlich, warum es sechs Jahre gedauert hat bis dieses Werk auch auf Deutsch erschienen ist. Das Original erschien ursprünglich bei Editions & Galerie Daniel Maghen.

Dazu passen französischer Cidre und The Damned aus ihrer dunklen Phase.

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

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