Der Junge, der schneller zieht als sein Schatten ist zurück. Wie seit einigen Jahren üblich wechseln sich in der deutschen Lucky-Luke-Reihe die Abenteuer des Cowboys und von Lucky Kid ab. Die aktuelle Sammlung beinhaltet hauptsächlich One-Pager aus dem Leben der zukünftigen wildwest-Legende und einen Freunden Hurricane Lisette, Kleiner Kaktus oder Dopey. Auch Jolly Jumper ist bereits mit von der Partie.
Die Geschichten sind für ein jugendliches Publikum
geschrieben und daher harmlos. Im Gegensatz etwa zu dem kleinen Spirou haben
sie keine schlüpfrigen Anspielungen auf die spätere Sexualität der Erwachsenen,
leben aber ebenso von dem Widerspruch der von Kindern erlebten Erwachsenenwelt
und bieten daher genügend Fläche für witzige Erzählungen etwa über spätere
Schurken oder alkoholische Getränke.
Immer ist aber die schon bei Morris vorhandene und von Achdé weitergeführte Moralität der Geschichten zu bemerken: Es geht nicht um die Einhaltung der Gesetze, sondern um die dahinterstehende Gerechtigkeit! Das Recht der Indianer wird zwar tatsächlich mit Füssen getreten, in der kindlichen Vorstellung muss man aber trotzdem etwas tun und der konservative, Mauern bauende Rassist wird von einem kleinen Präriehund ad absurdum geführt. Diese Grundhaltung tritt nicht nur im Inhalt zu Tage sondern auch in der Bildsprache.
Achdé weiß
natürlich sehr genau, welche Gesichtsausdrücke erwartet werden und wie ein traditioneller
an Morris aufbauender Lucky Luke Comic
aussehen muss. Das gelingt ihm aber mit einem für Leser*innen sichtbaren
Vergnügen und begeistert daher auch hier erneut.
Dazu kommen verschieden wiederkehrende Szenarien; das meiner Ansicht nach am besten gelungene bringt Voraussagen oder Wunscherfüllungen des Medizinmannes: anarchistischer Humor wie bei Pippi Langstrumpf trifft auf skurrilen Humor a la Paddington!
In Frankreich gibt es mittlerweile drei Serien um den
berühmten Cowboy: die originalen Geschichten von Morris, die „neuen“ Geschichten nach Morris und die Jugendabenteuer. Da hier in Deutschland sowieso
keine chronologische Veröffentlichungspraxis durchgezogen worden war,
ermöglicht die Kombination in einer Reihe eine Generation übergreifende Ausgabe
die die einen verführt, auch die harmloseren Geschichten zu sammeln, und die
anderen, den Blick auf die erwachsene Seite zu werfen.
Vor allem in Hinblick auf die eröffnende längere Geschichte nicht
nur für Komplettisten ein guter Kauf!
Dazu passen ein Kaffee und das erste Album von Kim Wilde gleichen Namens.
Welch
Überraschung: Yves Swolfs hat den
Zeichenstift aus der Hand gelegt und „nur“ noch das Szenario verfasst! Immerhin
bleibt dadurch die Kontinuität der Geschichte gewahrt.
Der Inhalt
Kergan und seine Schöpferin Arkanea haben rund 800 Jahre miteinander verbracht seit wir sie zuletzt gesehen haben. Sie befinden sich im Osten Europas, kurz nach der Jahrtausendwende, und Aberglauben sowie verschiedene christliche und ältere Religionen erzählen von Höllenkreaturen.
Es gibt sogar eine Art Sonder-Einsatz-Kommando das Jagd auf diese Wesen macht. Nicht nur heutige Leser*innen werden sich allerdings fragen, ob es besser wäre, den Geschöpfen der Nacht oder ihren Jägern zu begegnen…
Swolfs erzählt aber auch wieder eine Rahmenhandlung, geprägt von politischen Ränken, Verrat und Rache. Und wieder geht es um eine Frau, die den Machenschaften der Männer zum Opfer fällt: Wieder liebt sie den einen, wird aber von dem Bösen begehrt. Wer aufmerksam gelesen hat, wird feststellen, dass die Bezeichnung „den Guten“ nicht gefallen ist, denn auch ihr Liebster ist zerfressen von Hass und Selbstüberschätzung und gerne bereit, seine Truppen in den möglichen Tod zu führen.
Immerhin
versucht er aber zusammen mit seiner geliebten Anna die Erfolgschance seiner
Pläne herauszubekommen und sucht eine Wahrsagerin auf. Bei diesem Besuch
begegnen sich die Protagonisten beider Handlungsstränge und Kergan beginnt sich
zu fragen, ob seine Beziehung zu Arkanea ihn noch ausfüllt…
Nachvollziehbare Story mit History-Elementen wie auch – natürlich – der Vampirkomponente. Swolfs gelingt es das Klima der Angst in mehreren Variationen darzustellen: die nächtliche Angst vor dem Übernatürlichen, die Angst vor der Folter, vor der Entscheidung, vor dem Verrat, der männlichen Macht! Dabei setzt er kaum auf Horrormomente, sondern nutzt eher die psychologischen Momente und bewegt sich damit tatsächlich in der guten Tradition der Schauerromantik!
Die Zeichnungen
Thimothee Montaigne ist kein Unbekannter mehr,
aber auch noch kein Star der Szene. Seine Zeichnungen und ihre Abfolge auf der
Seite sind gut komponiert, auch wenn für meinen Geschmack das starre
rechteckige Raster durchaus von Zeit zu Zeit verlassen werden könnte. Sie haben
auch genügend Detailtiefe in der Totale um zu überzeugen. Der Körperbau ist
getroffen und die Kolorierung passt auch und doch fehlt ein klein wenig um
wirklich super zu sein: Die Gesichter, vor allem aber die Mundpartien wirken teilweise
zu schematisch. Glücklicherweise gibt es viele Personen mit Bart und auch durch
den gewählten Ausschnitt kann Montaigne sein kleines Manko überdecken.
Die Stimmungen der verschiedenen Ängste werden graphisch gut umgesetzt. Man hört beim Lesen die Äste knacken, die Flammen knistern, in denen die Zange erhitzt wird, aber auch die Pferde unter dem Gewicht des Machos ächzen. Insgesamt daher eine runde Leistung!
Das Fazit
Für Liebhaber*innen klassischer Vampirgeschichten genau das Richtige: Sowohl das Schauern als auch die Romantik kommen in einer spannenden Rahmenhandlung zu ihren Auftritten und das große Format und das gute Papier bringen das auch angemessen zur Geltung! Da die abschließende dritte Episode dieses Teils bereits im Sommer erscheinen wird, ist die Wartezeit auch nicht zu lang.
Dazu
passen ein guter Bordeaux und The Fields of
the Nephilim.
Die Werbung verspricht einen Bezug zu Mary Poppins. Im
Wesentlichen wird dieser durch ein ähnliches bildliches Symbol hergestellt:
Eine Frau in einem altmodischen Kleid schwebt über der Erde und hält entweder
einen Schirm oder aber einen Stock in der Hand.
Die Story
Während sich die literarische Figur aber mit viele Musik um
begüterte Kinder gekümmert hat, die vernachlässigt aber keinesfalls gefährdet
waren, steckt Aristophania den drei Kindern eines Toten einen Würfel zu und
verspricht bei Gefahr aufzutauchen. Sie
ist auch wesentlich älter und geheimnisvoller. Als die Mutter der Kinder –
unschuldig – ins Gefängnis geworfen wird und ihren Sprösslingen bestenfalls
eine Tracht Prügel von bezahlten Schlägern, wahrscheinlich aber Schlimmeres
droht, rufen diese mit dem Würfel Aristophania herbei und tatsächlich rettet
diese die Kinder.
Langsam erfahren der kleine Aufbrausende, sein Bruder, der Bücherwurm, und ihre kleine Schwester, dass ihr Vater nicht etwa bei einem Unfall gestorben ist, sich auf der Welt zwei alte Mächte gegenüber stehen und auch, dass sie selbst in dieser Auseinandersetzung eine Rolle spielen. Es geht um das Reich Azur und den verbannten König Gedeon, der die Macht erneut übernehmen möchte. Die wohl einzige Möglichkeit ihn aufzuhalten wäre die verschollene Morgenrot-Quelle. Der Vater der Drei hatte sie angeblich fast gefunden als der böse Rattenmann in Diensten des verbannten Königs ihn tötete.
Und nun, einige Jahre später, bahnt sich ein neuer Kampf an.
Wird Aristophania es schaffen, die Kinder zu beschützen?
Der erste Band der auf vier Teile angelegten Serie führt
zunächst einmal die Personen ein und schildert eindringlich die wirtschaftliche
Lage der Ausgebeuteten zu Beginn der Industrialisierung. Zwar gibt es Kämpfer
für Arbeiterrechte, es gibt aber auch genügend bezahlte Schläger und Schergen
der Gegenseite. Die ältere Frau mit den seltsamen Kräften rettet zunächst die
Kinder aus diesem Setting bevor in einer Art Paradies die Kinder sich erstmals
satt essen und erholen können. Da Kinder allerdings nun mal neugierig sind,
finden sie Stück für Stück immer mehr Hinweise auf die Bedrohung und
beschließen, ihren Vater zu rächen.
Gut aufgebaute Geschichte von Xavier Dorison, der es schafft, den Hintergrund zu entwickeln, die Charaktere vorzustellen und gleichzeitig noch eine spannende Geschichte zu erzählen!
Die Umsetzung
Joël Parnotte ist in Deutschland noch relativ unbekannt, hat mir aber auch mit der Historie-Serie im ZACK und bei SalleckDas Geschlecht derer von Porphyre schon gut gefallen. Die Gesichter sind nicht alle gelungen (der offene Mund sieht manchmal aus wie in der Heidi-TV-Serie), sind aber meistens sehr ausdrucksstark und mit Emotionen und Erinnerungen an früher versehen. Dazu passt auch der etwas rauere Stil, der nicht zu gefallen sucht. Die dunklen Farben für die in der gefährlichen Stadt oder der ebenfalls Gefahr versprühenden Nacht spielenden Szenen ersetzen in diesem Fall die Musik, die im filmischen Medium diese Aufgabe übernehmen würde.
Auch die hellen Szenen, die das leuchtende, frische Grün und
die Sonnenstrahlen fast riech- und fühlbar werden lassen, sind sehr gelungen
und unterstützen wiederum die fröhlichen Szenen. Und auch wenn das jetzt so
klingen könnte, ich finde diese Verstärkungen nicht übertrieben!
Das Layout ist abwechslungsreich und dynamisch und trägt
ebenfalls zur angemessenen Tempovariation bei. Beides zusammen macht wirklich
Lust auf die angekündigten Folgebände.
Kaufen? Ja!
Wer Geschichten mit dunkler und heller Magie mag, die
Auseinandersetzung zwischen den guten und bösen Mächten und dabei nicht die
Heere aufmarschieren sieht, ist hier richtig.
Aristophania ist
eine eigensinnige ältere Dame, die neben den Erfordernissen des langen Kampfes
auch die Bedürfnisse der Kinder sieht und alles für sie tun würde. Die Kinder
wiederum sind keinesfalls zufrieden mit ihrer Situation und möchten sich
beweisen, sind neugierig und
unvorsichtig! Und genau diese menschlichen Faktoren machen den Reiz dieses
Comics aus! Dazu kommt handwerkliche Qualität und eine gewohnt gute Darreichung
durch den Splitter-Verlag!
Dazu passt Kaffee mit Sahne (mit oder ohne weiteren Inhalt)
und Christy Moore etwa mit Ride On.
Michel Vaillant
ist einer der ganz alten Recken des frankobelgischen Comics, erschienen die
ersten Kurzgeschichten doch schon 1957 in Tintin.
Im folgenden Jahr gab es dann bereits das erste albenlange Abenteuer und 1965
fand er als Michael Voss über die Mickyvision den Weg nach Deutschland.
Später war der Rennfahrer einer der treibenden Charaktere des Koralle-ZACK.
Die ursprünglich von Jean Graton alleine verantworteten Bände wurden ab Ende der 60-er mit Unterstützung des Studio Graton erstellt. Ab Band 54 schrieb dann sein Sohn Phillipe Graton die Szenarios. Die Serie entwickelte sich dabei von der klassischen Ligne Claire zu einer moderneren Form weiter aber 2006 war mit dem 70. Band der vorläufige Schlusspunkt erreicht. Die Serie liegt mittlerweile fast komplett im Mosaik-Verlag auf Deutsch vor, allerdings sind nicht mehr alle Bände auch lieferbar.
Seit 2012 erscheint eine zweite Staffel mit jährlich einem neuen Album, das jeweils im ZACKvorabgeruckt wird bevor es dann auch als Album erscheint. Dabei handelt es sich nicht um separierte Episoden: alle Bände sind durch eine gemeinsame Storyline verknüpft.
Die Story
Michel wurde am Ende des sechsten Bandes wegen der
Beteiligung am Tod von Jean-Pierre Vaillant verhaftet und das aktuelle Album
beginnt mit seiner Einweisung in eine Zelle im Gefängnis. Jean-Pierre war der
Leiter der Vaillant-Firmengruppe und hatte sich von Ethan Dasz austricksen
lassen und die Firma an den skrupellosen Unternehmer verloren. Aus Frust
darüber hatte er sich selbst das Leben genommen. Sein Sohn gab allerdings
Michel die Schuld daran.
Während Michel noch hinter Gittern sitzt kommt es draußen zu
einer Absprache zwischen den Söhnen der mittleren Generation: Michels Sohn
Patrick und Jean-Michel treffen eine folgenreiche Abmachung in dessen Vollzug
die Anschuldigungen gegen Michel zurückgenommen werden. Die weiteren
Auswirkungen werden noch zu spüren sein.
Im Fortgang des Wirtschaftskrimis erkennt die ehemalige Sekretärin der Vaillants, die den Betrug Dasz‘ erst ermöglicht hatte, dass der Move vielleicht doch nicht optimal war und ihr Leben in Gefahr sein könnte. Sie möchte daher Michel belastendes Material übergeben. In einer wilden Verfolgungsjagd durch Macau darf Benjamin Benéteau seine Qualitäten beweisen.
Was wäre ein MV-Band ohne Motorsport? Nichts! Und so darf
auch hier natürlich das Renngeschehen nicht fehlen. Vaillante tritt mit einem
jungen Nachwuchsfahrer und einer Rennfahrerin in der F3 in Macau an. Dabei
werden einerseits wieder Insiderinformationen an den Leser gebracht, etwa wann
die Stecke am Besten zu Fuß zu erkunden ist, andererseits geht es um die
üblichen Fragen der richtigen Bereifung, das kontrollierte Überholen,
Teamverständnis und natürlich um ein bis zur letzten Sekunde spannendes Rennen
das abwechselnd mit der rasanten Verfolgungsjagd auf Motorrädern präsentiert
wird.
Philippe Graton
und Denis Lapière haben eine
spannende Story konstruiert, die nicht nur einen Rahmen für ein Motorsport
Event darstellt, sondern eine Krimihandlung aus dem Wirtschaftsbereich mit
glaubwürdigen Familien- und Genrerationenkonflikten verknüpft und über nun schon
sieben Jahre laufen lässt!
Die Zeichnungen
Benjamin Benéteau war bei den ersten sechs Bänden der zweiten Staffel als Hintergrundzeichner beschäftigt, hatte aber schon mehr und mehr Aufgaben übernommen. Nun ist er der alleinige Verantwortliche und macht seine Sache gut! Die Gesichter sind in Nahaufnahme manchmal etwas schematisch (was aber bei Michel Vaillant immer der Fall war), in der Gruppe dagegen sehr ausformuliert und unterschiedlich. Insgesamt wird der moderne aber aus der Geschichte beeinflusste Stil sehr gut beibehalten.
Die Rennszenen wie auch die Actionszenen sind sehr dynamisch
und lassen Leser*innen Schweiß und Abgase förmlich genauso riechen wie das
Dröhnen der Motoren hören! Das Seitenlayout orientiert sich an Rechtecken,
diese sind allerdings sehr variabel und unterstützen damit das Steigern oder Verlangsamen
des Tempos. Alles richtig gemacht soweit würde ich sagen!
Die Ausgabe
Nicht ganz so üblich in Deutschland ist die Tatsache, dass mittlerweile die erste Staffel mit 70 Bänden fast komplett einheitlich aus der ZACK-Edition vorliegt und auch die zweite Staffel folgt dem Reihenlayout, setzt dabei aber klar abgegrenzte Schwerpunkte. Das ist schon sehr positiv zu vermerken! Bindung und Papier sind wie immer gut und die Farben nicht zu aufdringlich aber kräftig, nichts zu meckern also.
Für alle jungen und junggebliebenen Motorsport-Fans aber auch für Liebhaber*innen eines clever und über mehrere Bände angelegten Wirtschaftskrimis mit Actionelementen. Dazu kommen noch Generationskonflikte: War es ursprünglich die Generation von Michel, die Veränderungen wollte, sind es jetzt ihre Söhne und Neffen, die sich abgrenzen und beweisen wollen. Und nicht zu vergessen: Auch die Verlogenheit in der US-Politik kommt in der Geschichte vor, kandidiert doch Steve Warson für ein öffentliches Amt…
Dazu passen ein klassischer Whisky Sour und die Peel Sessions von den Stiff Little Fingers.
Wer im Januar nicht an der Wahl des ZACK-Helden teilgenommen hat, muss nun ein weiteres Jahr warten um seinen oder ihren Input zu geben. Mal sehen, ob wieder ein „Klassiker“ gewonnen hat oder ob es eine der neuen Serien auf den Thron geschafft hat. Auswahl gab es im letzten Jahr genug und auch in diesem Jahr geht es mit extrem hoher Qualität weiter.
Der Neustart
In dieser Ausgabe beginnen die Abenteuer von Jolanne de Valcourt die sie aus dem Zentralmassiv in Frankreich bis nach Indien führen werden. Unter dem Titel Rani haben der Altmeister Jean van Hamme und Alcante eine siebenteilige Reihe geschrieben, die von Francis Vallés umgesetzt worden ist. Aus dieser Verbindung ist übrigens auch die grandiose Geschichte einer Bierbrauer-Dynastie Hopfen & Malz hervorgegangen. Die Heldin ist eine junge, selbstbewusste Frau, die 1743 allerdings keine Möglichkeit hat, sich gegenüber ihrem verbrecherischen Halbbruder zur Wehr zu setzen und daher nach dem Tod ihres Vaters fliehen muss. Klassische frankobelgische Albenproduktion auf hohem Niveau und somit ein auf Jahre sicherer Genuss!
Die Fortsetzungen
Die beeindruckende Geschichte der irischen Bauarbeiter in New York und ihrer Familien fern in der Heimat ist bereits in der vierten Folge! Mikaël beweist mit Giant, dass eine Graphic Novel auch in diesem Format funktionieren kann und keinesfalls nur auf Selbsterlebtem beruhen muss. Sehenswerte Bilder mit berührender Story und sicherlich ein echter Anwärter auf die Jahresbestenliste.
Der neue Rick Master kommt in der Kaserne an und wird sofort als „Rotarsch“ behandelt. Hinzu kommt, dass sich die öffentliche Meinung schnell von Helden abwendet und sie zu Ausgestoßenen macht was in diesem Fall besonders Nadine zu spüren bekommt. Intelligenter Plot, der den neu interpretierten Figuren Tiefe hinzufügt und die Gesellschaft aber auch das Militär mit seinen archaischen Riten nicht zu knapp kritisiert! Die Zeichnungen von Simon Van Liemt sind dafür teilweise fast schon zu übertrieben, das Szenario von Zidrou genial („Jeder französische Soldat ist doch ein bisschen unser Sohn…“).
Eher routiniert kommt dagegen Stephan Desberg‘sEmpire USA daher. Solide Krimi/Spionage-Geschichte im Umfeld des Konfliktes der USA mit dem „neuen“ Russland, seinen Oligarchen und den alten Seilschaften. Die Umsetzung (vielleicht mit Ausnahme der männlichen Lippen) gelingt Alain Queireix ordentlich, die Seiten 20/21 zum Beispiel sogar sehr gut!
Ebenfalls in diesem
Heft eine weitere Kurzgeschichte von VanO
über das Mädchen aus Papier: Rhonda
zeigt das Archiv der Originalzeichnungen – humorvolle Ergänzung! Tizombi und das hübsche Steak müssen
ihren Friedhof mal wieder gegen Eindringlinge verteidigen (Ich liiiebe diesen
schwarzen Humor) und Parker & Badger
umgehen Sicherheitsvorschriften. Dazu kommen der sechste Teil der
frankobelgischen Kinoadaptionen von Bernd
Hinrichs und eine Einordnung von V-Wars.
Der Abschied
Leider ist Die
Bank dagegen schon wieder fertig. Glücklicherweise sind ja auch hier schon
mehrere Geschichten im Original erschienen, so dass einer Fortführung nichts im
Wege steht. Das Leben der Geschwister Saint-Hubert de Gabanelle nimmt
unterschiedliche Verläufe; Charlotte kann mit Hilfe von Baron Rothschild nach
Frankreich fliehen und hat sogar ein Vermögen in ihrer Reisetasche. Wird es ihr
gelingen, damit auf eigenen Füssen zu stehen? – Genialer Finanzthriller mit
manchmal etwas zu blassen Farben!
Dazu passen die immer tollen Klänge von Dr. Ring Ding in allen seinen Projekten
und ein Kellerbier, etwa aus der Manufaktur Mönchshof!
Mit dem aktuellen siebten Band ist die erste Staffel der Geschichten aus dem Wald des kleinen Volkes abgeschlossen. Unterschiedliche Teams hatten verschiedene Orte in Broceliande als Schauplatz ihrer Interpretation der klassischen Legenden gewählt und die märchenhafte, verzauberte Stimmung wiedergegeben. Mehr zu dem Konzept in der Besprechung von Teil 1.
Die Geschichte
Monsieur Le Gern ist ein erfolgreicher Unternehmer; seine Werften und seine Handelsschiffe erwirtschaften reichen Profit. Leider erfordern sie auch seine Aufmerksamkeit und so begeht er den Fehler, den viele Väter begehen: er vernachlässigt seine Familie, ja, flieht sogar vor den Verpflichtungen seiner Frau und seiner kleinen Tochter gegenüber und ist lieber unterwegs als zuhause. Seine Frau ist bereits vor einigen Jahren gestorben und nun ist auch seine sechsjährige Tochter Lenaig einer Lungenentzündung erlegen ohne dass er sie noch einmal hätte sehen können.
Die Beerdigung findet in der Nähe seines Gutes in der
Bretagne statt, Monsieur Le Gern ergibt sich seinem Selbstmitleid in dem
strömenden Regen und macht sich die größten Vorwürfe. Er versucht, der Welt und
seiner Stimmung im Wald zu entfliehen und trifft unter einer riesigen und
uralten Buche winzige Gestalten, die ihr Gesicht hinter einer Maske aus Holz
verbergen. Sie bieten ihm die Rückkehr seiner Tochter beim nächsten Vollmond
an. Er müsse nur in der Nacht des Vollmondes mit einer Haarsträhne seiner
Tochter und einem Laib Weißbrot wiederkommen.
Natürlich zweifelt der trockene, keinesfalls an Geister
glaubende Mann an sich selbst, glaubt in seinem Wahn geträumt zu haben und hat
die Aufgabe fast schon vergessen. In letzter Minute klaubt er die benötigten
Gegenstände zusammen, übergibt sie dem kleinen Volk und erfährt tatsächlich,
dass seine tote Tochter in genau einem Monat zurückkehren wird.
Wer jetzt an ein schnelles Happy End glaubt, gehört
sicherlich nicht zur Zielgruppe dieser Geschichte! Tatsächlich ist bei allen
Vereinbarungen mit Wesen der Zwischenwelt immer ein Haken an der Sache und so
ist es auch hier. Dem schlechten Vater stehen einige Prüfungen bevor und die
nächsten Jahre zeigen seinen Wandel vom ich-bezogenen
„ich-mache-alles-wieder-gut-Typ“ hin zu einem tiefen Verständnis für die
Bedürfnisse anderer und zu der Fähigkeit zur Empathie. Ohne inhaltlich
vorgreifen zu wollen: Diese Wandlung wird glaubwürdig erzählt. Sie ist nicht
frei von Irrungen und Wirrungen, ja sogar von Rückschlägen, führt aber
letztlich doch zu einem positiven Ende.
Nicolas Jarry, ein
1976 geborener Franzose, ist ein erfolgreicher Szenarist im Bereich der
Fantasy. Am bekanntesten ist sicherlich die Konzeptserie „Die Saga der Zwerge“, die weniger märchenhaft daherkommt. In der Buche des Reisenden darf er beweisen,
dass er auch ohne Actionelemente erzählen kann!
Die Zeichnungen
Das Cover deutet schon den Detailreichtum an, den Francois Gomès in seinen Zeichnungen
bietet! Wenn es in der Geschichte regnet, hört man fast die Tropfen gegen die
Scheibe schlagen, im Wald ist das Rauschen der Blätter vernehmbar und während
der Wartezeiten in dem großen Haus die Einsamkeit! Die Bilder transportieren die
verwunschene Stimmung der Geschichte sehr gut und als Leser*in taucht man von
Anfang an in die Geschichte ein!
Es sind aber nicht nur das Dekors und die Landschaften, die positiv hervorzuheben sind; Auch die Personen, ja sogar ihre Gesichter sind gelungen und heben sich wohltuend von der leider oft präsentierten Massenware ab. Die Mimik transportiert Emotionen, die zu der Geschichte passen ohne zu übertreiben und wechselt zwischen Nahaufnahme und Totale. Einzig der kleine Hund ist etwas zu niedlich überzeichnet.
Das Layout ist dabei sehr abwechslungsreich: Während die
einzelnen Panele teilweise durch Weißraum getrennt sind, überlagern sie sich
andernorts oder schweben über einem Hintergrund. Auch ihre Größe und Form ist
variabel, dienen dabei aber immer der Geschichte und verändern so das Tempo.
Viele Illustrationen könnten dabei auch ohne den Comic für sich selbst stehen
und würden sich als Poster oder als ExLibris anbieten. Es bleibt eigentlich nur
zu wünschen, dass wir von diesem Zeichner mehr auf Deutsch (oder
Niederländisch) zu sehen bekommen werden.
Eine klare Empfehlung!
Wie immer ist an der handwerklichen Darbietung bei Splitter nichts auszusetzen! Ein wertiges Hardcover im etwas größeren Format, gute Farben auf festem Papier und in diesem Fall sogar noch ein durchgehendes Rückenbild über die sieben Teile der Serie 🙂
Für alle Liebhaber*innen von Sagen und märchenhaften
Begegnungen mit dem kleinen Volk fast schon ein Muss. Die Geschichte ist dabei
meines Erachtens sogar für verschiedene Altersgruppen lesbar und erlaubt eine
unterschiedliche Rezeption, zeigt sie doch eigenständige Entwicklungen von
Vater und Tochter und erlaubt somit unterschiedliche Blickwinkel und
Erkenntnisse. Die Reihe ist auch auf Niederländisch bei Daedalus erhältlich,
dieser Band ist aber noch nicht erschienen.
Dazu passen ein Getränk auf Apfelbasis (je nach Wunsch mit oder ohne Alkohol) und Musik aus der Gegend, etwa von Gwerz.
Die Reihe Königliches
Blut versammelt ein- oder mehrteilige Geschichten über Herrscherinnen unter
einem einheitlichen Logo. In ihnen werden natürlich Fakten und Fiktion
verwoben, sind doch die Geschichtsschreibungen gerade über relevante Frauen oft
schon selbst teilweise eher Mythos als Wiedergabe der Wirklichkeit. Trotzdem
versuchen sie aber, die porträtierten Frauen in ihre Widersprüchlichkeit und
ihrer Macht darzustellen.
Der Inhalt
Nach Isabella von Spanien, Alienor von Aquitanien und
Kleopatra wagt sich der Splitter-Verlag
jetzt erstmals in den Fernen Osten und stellt unter dem Label „Double“ die Drachenkaiserin Cixi vor. Cixi ist ein sehr hübsches Mädchen aus
dem Stamm der Mandschu, der damaligen Herrscherkaste. Ihre Familie gehört aber
nicht zu dem traditionellen Hochadel so dass sie eigentlich nur auf eine gute
Heirat hoffen kann. Um ihren Ruf steht es aber nicht zum Besten und als sie bei
einem Stelldichein mit einem jungen Mann erwischt wird, bleibt nur der Ausweg,
sie als Kurtisane an den kaiserlichen Hof zu bringen.
Parallel dazu muss den Han-Chinese Li Lieng Ying erleben, was Armut heißt. Er fasst den verzweifelten Plan, sich zum Eunuchen machen zu lassen und am Hof aufgenommen zu werden. Dieser Plan erfordert aber das Eingehen einer großen Schuld bei den Kastraten.
Am Hof treffen sich die Beiden und Li Lieng Ying entwirft
einen Plan für ihre Zukunft. Cixi soll den bisher kinderlosen Kaiser von sich
abhängig machen und ihm einen Thronfolger schenken. Um diese Ziele einmal
erreichen zu können muss Cixi erst die Kunst der Verführung und des
Liebesspiels lernen. Tatsächlich ergibt sich die Chance, dass Cixi zum Kaiser
gerufen wird und aufgrund des langen, ausdauernden Trainings verfällt er ihr
tatsächlich. Als der Kaiser schließlich stirbt, wird seine Kurtisane als Mutter
seines Erben zur Kaiserinwitwe. Eigentlich gleichberechtigt zu seiner Hauptfrau,
die sich für solche Sachen aber nicht interessiert, übernimmt sie die
Regentschaft für ihren Sohn. Ihr Begleiter wird zum Haupteunuch und die beiden
regieren für insgesamt 24 Jahre das Reich der Mitte mit harter Hand.
Im Laufe der Geschichte kommt es immer wieder zu Konflikten,
sowohl mit Männern, die einer Frau das Recht zu regieren absprechen wollen,
aber auch mit den Langnasen, also den Europäern. Dabei spielen sowohl die
Christianisierung und Ausbeutung des Landes eine Rolle als auch persönliche
Eitelkeiten. Auch der sogenannte Boxeraufstand spielt dabei eine große Rolle.
Die Geschichte endet mit dem Tod der Drachenkaiserin.
Philippe Nihoul gelingt es dabei sehr geschickt, geschichtliche Fakten und Stimmungen mit den Lebensgeschichten der beiden Hauptpersonen zu verbinden. Alles Notwendige wird mitgeteilt ohne dass dabei auch nur ansatzweise der Gedanke an einen drögen Geschichtsunterricht aufkommt. Konflikte mit anderen Staaten aber auch interne Intrigen bekommen dabei genügend Raum, lassen aber Platz für die genaue Zeichnung der Charaktere und ihrer Entwicklung. Sex spielt eine große Rolle in dieser Geschichte, steht aber nie als solches im Vordergrund, sondern treibt die Entwicklung und ist somit Mittel zum Zweck ohne Selbstzweck zu sein.
Die Zeichnungen
Fabio Mantovani
hatte augenscheinlich Spaß an den zwei Bänden, die hier in einem Hardcover
zusammengefasst worden sind. Chinesische Dekors und Landschaften vermitteln den
Eindruck einer guten Recherche und auch die Figuren inklusiver der Gesichter
sind gelungen. Man kann aber nicht übersehen, dass der Zielmarkt Europa ist;
die Züge sind teilweise etwas überzeichnet.
Mantovani schreckt auch nicht davor zurück, abgeschlagenen Köpfe und Folterszenen ins Bild zu setzen, wenn ihm auch die lebenden Körper mehr zu bedeuten scheinen. Die Farben sind teilweise etwas zu aufdringlich, insbesondere rote Lippen wirken überbetont. Die Farbgewaltigkeit der Kleidung passt dagegen.
Beim Seitenlayout verlässt der Künstler die ausgetretenen
Raster und packt Panele auf Hintergrundzeichnungen, arrangiert diese völlig
frei und schafft daher ein sehr unruhiges aber anregendes und immer wieder
wechselndes Seitenbild. Mehr davon!
Fazit
Auch die vierte in dieser Reihe porträtierte Herrscherin hat
Geschichte geschrieben. In ihre Zeit fiel der Konflikt mit den Kolonisatoren,
die das Reich der Mitte als neue Gewinnquelle für sich entdeckt hatten,
begleitet von dem immer wieder aufkommenden Konflikt um die regionale
Vorherrschaft mit Japan und dem bevorstehenden Wandel des abgeschotteten
traditionsgebundenen Riesenreiches hin zur Moderne. Diese Thematiken werden
ansprechend eingebunden und erzeugen sicherlich mehr bleibendes Wissen als unzählige
Unterrichtsstunden.
Es darf aber auch nicht vergessen werden, dass trotz allem die Unterhaltung im Vordergrund steht und auch dieser Aufgabe wird der Comic gerecht. Die Ränke und Intrigen würden einem Krimiplot auch gut zu Gesicht stehen. Auch wenn es hier um Herrscherinnen geht, ist die Zielgruppe wohl im Wesentlichen männlich. Es wäre daher spannend, die gleiche Story von einem weiblichen Team umgesetzt zu sehen.
Obwohl Cixi eine der bedeutendsten Herrscherinnen Chinas
war, die Geschichte erst 150 Jahre zurückliegt und sie schon immer von Legenden
umrankt war, ist wahrscheinlich eine gute Idee gewesen, die Original-Bände 11
und 12 in eine deutsche Ausgabe zu packen. Das Thema China ist noch nicht im (Comic-)Mainstream
jenseits des Mangas angekommen.
Ausstattungsmäßig erfüllt der Splitter-Verlag wie immer alle
Erwartungen! Und 112 Seiten für 22 Euro sind absolut fair!
Dazu passen grüner Tee und Sake und alles Instrumentale von
den Skatalites!
Der coolste Geheimagent der siebziger Jahre ist zurück mit
neuen Abenteuern! Bruno Brazil hat
drei Mitglieder seines Kommando Kaiman verloren, zwei weitere wurden schwer
verwundet, weder Zeichner noch Texter der ursprünglichen Serie leben noch und
doch geht es weiter.
Die Story
Bruno hat die Verluste in seiner Truppe, insbesondere aber den Tod seines Bruders (noch) nicht verwunden und ist in psychologischer Behandlung. Während er noch Trübsal bläst dreht die Welt sich aber weiter. Zunächst wird das Anwesen, auf dem Madison Ottoman gepflegt wird, Schauplatz eines Überfalls. Ottoman war der Kopf hinter der geheimen Sendeanlage im Dschungel, die den Startpunkt für das Kommando Kaiman gegeben hatte (siehe Bruno Brazil 2). Nur kurze Zeit später verschwindet Ottomans damalige Komplizin Rebelle aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Alles scheint mit dem geheimnisvollen Black Program in Verbindung zu stehen.
LF Bollée schafft
es, die neue Serie nahtlos an die letzte Geschichte anknüpfen zu lassen. Obwohl
seitdem mehr als 40 Jahre vergangen sind, wirkt das Ganze aber nicht altbacken,
sondern so frisch wie ein neuer Doppelnull-Geheimagententhriller! Brazil war
schon immer der bessere, glaubwürdigere Held und die damalige Zeit erlaubt
einerseits bereits technische Gadgets, ist aber von der modernen Komplett-Video-Überwachung,
GPS-Tracking u.ä. meilenweit entfernt.
Brazil ist aber nicht mehr nur der harte „Soldat“, er hat ein bereits in der ursprünglichen Serie angelegtes Privatleben und auch dort sind Kämpfe zu bestehen: Wie kann man einen pubertierenden Jungen erziehen, der nicht der eigene ist und demgegenüber man extreme Schuldgefühle hat? Zudem ist die Frage zu klären, ob und wann der Beruf vorgehen darf. Während es eine Zeitlang Mode war, Krimihandlungen hinter den persönlichen Problemen fast untergehen zu lassen, halten sich die Themen hier die Waage. Sie versprechen für die Zukunft nicht nur spannende Agentenplots, sondern auch Anknüpfungspunkte für ergänzende und ablenkende Konflikte.
Da sich die Geschichte über mindestens zwei Alben erstrecken
wird ist Geduld gefragt! Hoffen wir, dass sich die Beiden an den Rhythmus von
einem Band pro Jahr halten werden.
Die Zeichnungen
Phillipe Aymond ist kein Unbekannter; seine Kariere begann mit einer Zusammenarbeit mit Pierre Christin, dessen Autobiographie er auch zeichnen durfte. Sein bisheriges Hauptwerk ist sicherlich die Agentenserie Lady S., die von Jean van Hamme getextet wurde. In diesem Sujet kennt er sich aus: brennende Autos, Mündungsfeuer und Kampfszenen beherrscht er wirklich! Das Gesicht der von Vance übernommenen Hauptfigur und auch die der Mitstreiter*innen können dagegen nicht vollkommen überzeugen! Das mag allerdings auch daran liegen, dass sich der Stil solcher Geschichten im Laufe der letzten 40 Jahre komplett gewandelt hat. Vielleicht fehlt auch nur noch etwas Routine.
Dekors und das Gefühl der Serie sind dagegen sehr gut
getroffen. Die Siebziger-Jahre, die den Hintergrund der Geschichte bilden,
atmen ihren Duft aus jedem einzelnen Panel, aus jeder Tapete im Hintergrund und
aus jedem Möbelstück. Wenn auch die Mundpartie nicht immer gelungen ist, die
Emotionen kommen trotzdem rüber und auch die Landschaften und Häuserschluchten
sind stimmig!
Die Veröffentlichung
Der All-Verlag hat es sich zur Aufgabe gemacht, Meilensteine der Comic Geschichte in toller Ausstattung zu veröffentlichen. Dazu gehören unter anderem die im EC-Verlag erschienenen SF und Fantasy-Geschichten von Wally Wood aber auch die beiden von Greg geschriebenen Reihen Luc Orient von Eddy Paape und Bruno Brazil von William Vance. Beide erscheinen erstmals chronologisch in einzelnen Hardcover-Bänden mit reichlich Zusatzmaterial.
In gleicher Reihenaufmachung, allerdings ohne zusätzliche
Abbildungen, ist auch der erste Band der Neuen
Abenteuer erschienen. Wie immer gibt es auch eine auf 111 Exemplare limitierte
Vorzugsausgabe, die als Draufgabe ein signiertes ExLibris enthält!
Insgesamt also eine sehr gelungene Umsetzung, die sowohl
Fans der alten Serie zufriedenstellen wird als auch neue gewinnen!
Dazu passen ein leicht nach Salz schmeckender Old Pulteney und Musik aus den end-Siebzigern: Cock Sparrer!
Mit dieser Ausgabe endet das Jubiläumsjahr mit dem das ZACK das 20-jährige Bestehen gefeiert hat. Zeit also für einen kleinen Rückblick: Alle bisherigen Chefredakteure und ihre jeweiligen Konzepte wurden mit einem Artikel bedacht, klassische ZACK-Helden erleben ihre Abenteuer immer noch oder wieder in ihren runderneuerten Varianten auf diesen Seiten, vieles Neues und auch Experimentelles ist aber dazugekommen. Das Publikum hat sich vom Nostalgiker zum an modernem Comic Interessierten gewandelt und das ZACK ist nicht länger ein Vorpublikationsorgan, sondern oft die einzige deutsche Veröffentlichung und somit auch ein Wert für sich. Dazu kommen fein ausgewogen Informationen von sehr kurz und knapp bis zu ziemlich ausführlich, Adressen und Titellistungen sowie zwei immer anregende Meinungskolumnen am Anfang und am Ende…
Die laufenden Serien
Den Opener macht Giant
von Mikaël und aus dieser Serie
stammt auch das Covermotiv. Zu Beginn der 1930-er Jahre war das Leben hart,
speziell für Iren in den USA und Irinnen in Irland. Nicht immer waren die
Männer in der Lage, ihre zurückgebliebenen Familien zu versorgen und nicht
immer wussten die Frauen, warum. Manchmal geht es aber auch nur um die Hoffnung!
Ein sozialkritisches Drama in einem sehr eigenen Stil!
Tanguy & Laverdue sorgen mit dem dritten Teil der Sanddiamanten eher für die Unterhaltung der technikbegeisterten Leser. Buendia und Zumbiehl haben eine Geschichte kreiert, die sich Nahe an den aktuellen Konflikten im Nahen Osten bewegt, die Freundschaft der beiden Piloten aber trotzdem in den Vordergrund stellen kann. Zudem geben sie Sébastien Philippe die Möglichkeit, Autos und Flugzeuge in Szene zu setzen. Diese Neuinterpretation hat den Sprung aus den 60-ern geschafft!
Die
Bank zeigt gleich mehrere Konflikte auf, die
im Übrigen auch heute noch nicht als gelöst betrachtet werden können: Sind
Frauen als Handelnde akzeptiert oder werden sie vielmehr als Staffage
betrachtet? Können sich Notleidende Moral leisten? Und zuletzt: In welchem
Verhältnis stehen geschäftliche Notwendigkeiten und liebesbezogene Wünsche? Guillaume & Boisserie entwerfen ein
spannendes Szenario, das von Maffre
perfekt umgesetzt wird. Für mich einer der besten Starts in diesem Jahr!
Dazu kommen die üblichen kürzeren Sachen: Parker & Badger, Der Vater der Sterne und Tizombi sowie der schon fünfte Teil des
Abrisses von Bernd Hinrichs über Verfilmungen
frankobelgischer Comics und eine Würdigung von Amazon’s The Boys von Christian
Endres.
Die Abschiede
Gleich zwei Serien verabschieden sich in diesem Heft für
immer! Den Anfang macht Cassio von Stephen Desberg, gezeichnet von Henri Reculé. Der Römer hatte sich über
neuen Alben mit den Attacken seines Halbbruders Tessio auseinandersetzen
müssen. Dabei waren die Geschichten immer wieder zwischen verschiedenen
Zeitebenen hin- und hergesprungen und hatten grafisch und inhaltlich
unterschiedliche Themen und Stile benutzt. Der Abschluss löst die offenen
Fragen tatsächlich auf, liefert grafisch mit einem schrägen Layout eine gute Unterstützung
des Kampfes und endet tatsächlich mit einem Happy End.
Auch die Vorkommnisse rund um Christopher Dantès sind nun Geschichte. Er hatte Gefängnis, Folter, Reichtum und tiefen Fall, Intrigen und persönliches Glück durchlebt bis ihm nun mit der Entführung seines kleinen Kindes die seelische Vernichtung drohte. Guillaume & Boisserie haben nichts ausgelassen, gleichzeitig aber auch Hintergrundwissen der aktuellen Finanzwelt, der Umweltzerstörung und der unseligen Verflechtung von Politik und Wirtschaft geliefert. Erik Juszcak hat dem Ganzen einen angemessenen, eher klassischen Rahmen gegeben. Beide Serien gibt es im Übrigen auf Deutsch in keiner anderen Form!
In der gespannten Erwartung auf die bald kommende 250.
Ausgabe empfehle ich zur aktuellen Lektüre Joy
Crookes, etwa „London Mine“ und eine Tasse warmen Kakao mit Berliner Luft!
Der Meister der Aquarelle ist wieder da! Nachdem zunächst
die jüngere französische Geschichte den Hintergrund für zwei Geschichten
geliefert hatte, dann die „Besiedlung der amerikanischen Ostküste“ im Kampf mit
den Indianern den Stoff für vier weitere grandiose Werke gelegt hatte, zieht es
Patrick Prugne jetzt noch weiter in
die Welt hinaus: Das aktuelle Werk spielt im Südpazifik, im Juni 1788.
Der Hintergrund
Drei Jahre zuvor hatten zwei Fregatten den Hafen von Brest verlassen um mit 200 Mann an Bord naturkundliche Forschungen zu betreiben und Pflanzen, Insekten, Gewürze und andere Schätze einzusammeln, Küstenlinien zu beschreiben und Architektur und Landschaft bildlich festzuhalten. Das Zeitalter der Aufklärung ermöglichte den Wissensgewinn als Begründung für solch ein Unterfangen und versprach ihren Teilnehmern Ruhm und Anerkennung im Falle eines glücklichen Ausgangs.
Dieser allerdings war nicht immer zu erwarten und auch diese
beiden Schiffe gerieten in einen schweren Sturm, wahrscheinlich in der Nähe der
Insel Vanikoro. Und hier setzt die
Geschichte des Erzählers Prugne ein,
der wie gewohnt gekonnt Fakten und Fiktion zu einer spannenden Story vermengt.
Vieles über die Expedition ist verbürgt, auch die beschriebenen Akteure haben
tatsächlich gelebt. Über ihr Schicksal in und nach dem Sturm gibt es aber nur anthropologische
Hinweise.
Bei schwerer See zerbricht zunächst eine der beiden Fregatten und nur sehr wenige Überlebende können sich auch eine nahe Insel retten. Nicht alle überleben dort allerdings, denn die Insel ist keineswegs unbewohnt. Das andere Schiff kann sich schwer beschädigt der Insel nähern und ermöglicht es fast der gesamten Besatzung überzusetzen und das Schiff auszuschlachten. Ziel dieser Gruppe ist der Bau eines seetüchtigen Fahrzeugs, das sie in die Nähe der Schifffahrtsrouten bringen soll.
Im weiteren Verlauf der Geschichte sehen wir Überfälle,
Piraten, die von einem Schiff am Horizont ausgelöste Hoffnung, die Unbillen der
Natur und erfahren auch etwas über den religiösen Hintergrund der Bewohner des Eilands.
Prugne lässt also kein Versatzstück
für eine Schiffbrüchigengeschichte aus und verwebt die bekannten Bestandteile
auf angenehme, spannende Weise.
Die Umsetzung
Wer schon einmal etwas von Prugne in Händen gehabt hat, wird seinen Stil immer wieder
erkennen. Seine Darstellung der wilden Natur ist perfekt; jedes Blatt hat
seinen genau richtigen Platz in der Komposition und die Tier- und Menschenwelt
findet sich entweder ein oder wirkt im Falle der Europäer wie ein
unverständlicher Fremdkörper. Ihnen gesteht Prugne
aber eine Entwicklung zu: Einige werden im Laufe der Zeit assimiliert, andere
bleiben fremd.
Auch seine Kunst in der Darstellung von Uniformen, sowohl geputzt als auch derangiert findet sich in dieser Geschichte vom anderen ende der Welt wieder und erlaubt herrliche Kontraste zwischen den „Offiziellen“ und den einfachen Matrosen.
Die Landschaften laden einerseits zum Träumen ein und
könnten das gemalte Abbild eines Reisekataloges mit Traumzielen sein,
andererseits sind sie aber auch voll mit gefährlichen Stellen, giftigen Tieren
und Pflanzen und dienen zudem als Versteck für feindliche Krieger. Diese Ambivalenz
in der Schönheit ist meines Erachtens schon für sich ein Grund, Prugne zu genießen!
Wer von den Bildern, die es in den Comic geschafft haben, noch nicht genug hat, sollte einen Blick in den Anhang werfen! Hier gibt es neben Skizzen und ganzseitigen Illustrationen auch noch ein wenig Wissen über die Theorien um das „wahre“ Schicksal der Schiffe und ihrer Besatzungen.
Wie immer eine runde Sache in der Präsentation und nebenbei
bemerkt eines der Highlights der diesjährigen Produktion! 5 Sterne!
Dazu passen ein oder zwei India Pale Ale mit ihrem frischem
zitronigem Geschmack nach Hopfen und eine Mischung aus traditioneller und
moderner Musik, etwa von The Brothers
Cazimero.