Cartooning Syria

Revised and expanded (2nd) Edition

Herausgeber: Ronald Bos
Originalausgabe

Uitgeverij Jürgen Maas

Broschur | 240 Seiten | Farbe | 19,95 € |

ISBN: 978-94-91921-44-5

Karikaturen oder Cartoons sind ein schwieriges Unterfangen: sie müssen mit einem, maximal zwei Bildern und minimalem Text Betrachter*innen unterschiedlicher Herkunft, Bildung und Alter ansprechen und etwas auslösen. Ziel muss es also sein, mit Symbolen und (grafischen) Allgemeinplätzen eine spezifische Aussage zu treffen. Was im schnelllebigen Alltag wegen der Platzierung einer Karikatur in der Zeitung neben einer tagesaktuellen Meldung noch einigermaßen funktioniert, wird in Sammelbänden schon schwieriger, denn der Kontext fehlt vollkommen.

Noch schwieriger wird es, wenn anstelle eines gemeinsamen Erfahrungshorizontes plötzlich die internationale Bühne gesucht wird. Was im nahen Umfeld vielleicht noch vorausgesetzt werden kann, ist in diesem Rahmen nicht mehr zu beeinflussen und so müssen noch plakativere Bilder gefunden werden.

Cartooning Syria versucht, politische Karikaturen zum Thema Krieg in Syrien zusammenzustellen und für Frieden (und Freiheit) zu werben. Sie richten sich daher gegen Assad, aber auch gegen den IS/DAESH und andere streng religiöse Gruppen, gegen die kriegsbeteiligten Mächte USA und Russland, vor allem aber sind sie FÜR etwas, nämlich das Recht auf Leben, auf Meinungsfreiheit und auf Zukunft.

Sie benutzen dabei Bilder, die auch von Nicht-Syrern verstanden werden: Bomben und andere Waffen, Blut und immer wieder die Umrisse Syriens. Themen sind die tägliche Gewalt und natürlich die Flucht mit all ihren Lebensgefahren.

Die Zusammenstellung beschränkt sich dabei nicht auf 39 Künstler*innen aus Syrien bzw. anderen arabischen Staaten, sondern enthält in ihrer zweiten Auflage auch Werke von europäischen Cartoonist*innen. Sie reflektiert damit die Ausstellungen in Europa und bietet uns als Rezipient*innen der Bilder die Möglichkeit, den fremden und den eigenen Blick zu vergleichen.

Abgerundet wird die Ausgabe von 156 Bildern mit Portraits und Essays über bekannte und zum Teil im Konflikt getötete Cartoonisten und über die Stellung der Karikaturen in der syrischen Revolution. Dabei wird im Übrigen nicht nur auf „revolutionäre“ Künstler verwiesen, sondern auch auf regierungstreue, denn die Auseinandersetzung um die Meinungsherrschaft wird natürlich von beiden Seiten geführt. Obwohl es sich um einen Verlag aus Amsterdam handelt, ist der Text komplett in Englisch. Es sollte also keine Verständigungsschwierigkeiten geben.

Die Sammlung wird niemanden überzeugen, die eine oder andere Seite zu vertreten. Sie ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass fast überall und immer die Leidtragenden einer kriegerischen Auseinandersetzung eigentlich das gleiche wollen: Das Recht auf ein – nämlich ihr – Leben und auf eine angstfreie Zukunft für sich und ihre Kinder!

Dazu passen weder ein Getränk noch Musik irgendwelcher Art.

© 2019 by the authors and the cartoonists

Legendre/Cambré – Kronieken van Amoras 4

De Kronieken van Amoras 4: Gardavu!

Story: Willy Vandersteen, Marc Legendre
Zeichnungen: Charel Cambré

Standaard Uitgeverij 
Softcover | 48 Seiten | Farbe | 7,99 €
ISBN: 978-90-02-26773-4 

De zwarte Madam ist zurück! Allein diese Aussage machte schon neugierig auf den vierten Teil des Spin-offs der alternativen, für ein erwachsenes Publikum gedachten Abenteuer von Suske und Wiske im Amoras-Kosmos. Die Kronieken konzentrieren sich dabei auf einzelne Personen, sollen aber trotzdem den Kosmos weiter aus- und aufeinander aufbauen.

Die ursprüngliche Reihe unter dem Titel Amoras erzählte in sechs Bänden auf dystopische Weise ein Zukunftsszenario mit viel Gewalt, großer Kluft zwischen Arm und Reich und führte Androiden in die ansonsten eher beschauliche Welt des Longsellers von Willy Vandersteen ein. Die ersten drei Bände der folgenden Kronieken hatten sich unter dem Titel de Zaak Krimson auf die Beziehung zwischen Lambik und dem Psychopathen Krimson konzentriert.

Die Geschichte

Die schwarze Madam gehört zu den beliebteren Nebenfiguren der Originalserie und ist immer ein wenig tragisch. Einerseits ist sie irgendwie böse, andererseits viel zu theatralisch, um es wirklich zu sein. So nimmt sie eher die Rolle eines Quälgeistes ein. Nun taucht sie also wieder auf und möchte mit ihrer neuen Theaterrevue Gardavu! den Sprung nach Amerika schaffen. Ihr Programm ist aber – natürlich – viel zu ernst und so sucht sie nach einer Möglichkeit, Humor hinzuzufügen.

Lambik und Jerom scheinen gerade Recht zu kommen, um mit ihrer unfreiwilligen Komik das Programm aufzupeppen. Währenddessen muss sich Sidonia in einer nicht wirklich passenden Parallelhandlung mit dem Vorwurf auseinandersetzen, ein Luxuskleid geklaut zu haben. Der spannendere Teil dreht sich aber um den Androiden Diez. Sie ist im letzten Teil beschädigt worden und liegt nun im Müll wo sie von Theofiel Boemerang gefunden wird, der sie als Putzroboter und für andere Dinge aufpeppen möchte. Natürlich ist Diez damit nicht einverstanden und es entwickelt sich eine muntere Verfolgungsjagd mit verschiedenen Beteiligten zu denen neben Suske und Wiske, Jerom und Teofil auch die geheimnisvolle Academie gehört. Letzteres möchte sein Eigentum zurückhaben und scheut vor Gewaltanwendung nicht zurück…

Die Umsetzung

Über die Qualität der Zeichnungen von Charel Cambré noch ein Wort zu verlieren, hieße fast schon Eulen nach Athen zu tragen! Seine Bilder sind so voller Dynamik, dass man beim Lesen fast schon erwartet, dass die Figuren aus dem Rahmen springen und anfangen, sich zu bewegen.  Im gelingen dabei Dekors genauso gut wie Menschen und auch die Mischung aus Technik und humanem Aussehen der Androiden gelingt ihm ausgesprochen gut (ohne dabei in das niedliche Aussehen abzugleiten, dass etwa beim ersten Robbedoes Spezial-Abenteuer zum Tragen kam).

Die Bilder sind dabei viel heller und freundlicher als in den anderen Bänden und spielen auch mehr mit Ironie. Während sich sonst der dystopische Charakter fast in jeder Kolorierung zeigte, könnte das aktuelle Abenteuer heute spielen. Der alternative, erwachsene Touch ist immer noch im Zeichenstil deutlich, die Stimmungen gleichen sich aber an.

In gewisser Weise gilt das auch für die Storyline von Marc Legendre. Obwohl die Geschichte in sich stimmig ist und spannend erzählt wird, trägt sie wenig zu einem alternativen Kosmos bei. Vielleicht brauchten die Beiden auch einfach ein wenig Ruhe im Umfeld um die Geschichte mit Diez ein wenig voranzutreiben um dann im nächsten Teil wieder Fahrt aufzunehmen.

Von den Zeichnungen her ist auch dieser Teil ein absoluter Kauf Tipp, die Story spricht dagegen eher Komplett-Sammler an.

Dazu gehört „Bohemian Rhapsody“ von The Queen, denn nichts anderes würde wirklich zu der Revue Gardavu! passen. Heutzutage für solche Shows fast schon üblich wäre ein spezielles Craft Bier. Es würde stark gehopft sein und eher dunkel!

© der Abbildungen: Standaard Uitgeverij 2019

Preisträger 2019

Auch 2019 gibt es wieder eine Übersicht mit ausgewählten Comicawards aus diesem Jahr. Natürlich gibt es noch viel mehr. Wenn ihr einen bestimmten Preis in dieser Übersicht vermissen solltet, nutzt doch bitte die Kommentarfunktion.

Festival International de la Bande Dessinée Angoulême

Stripshap Prijzen

ICOM Independent Comic Preis

Eisner Awards

Post/Heuvel – De Meimoorden

De Meimoorden 1940 – 1948

Story: Jacques Post
Zeichnungen: Eric Heuvel

Originalausgabe

Uitgeverij Personalia

Softcover | 80 Seiten | Farbe | 11,99 € |

ISBN: 978-94-928-4042-4

Der Comic von Jacques Post und Eric Heuvel basiert auf einem bereits 1984 erschienenen Buch von Post und wurde in den letzten zwei Jahren in StripGlossy vorabgedruckt. Er war im Mai dieses Jahres der meistverkaufte niederländisch sprachige Comic in den Niederlanden und auch in Belgien mit Platz 6 sehr erfolgreich (Quelle: StripGlossy 13).

Die Geschichte

De Meimoorden (auf Deutsch: Die Morde im Mai) ist auf den ersten Blick ein spannender Krimi aus dem Rotterdam des Jahres 1940. Der Vater der Hauptperson Henk Maalbeck ist ein Taxifahrer und wird ermordet, das Taxi wird geklaut.  Henk versucht nun, die Hintergründe zu verstehen und aufzuklären.

Ein zweiter Handlungsstrang beschreibt die Verwicklungen von deutschen Spionen zur Vorbereitung des unmittelbar bevorstehenden Überfalls der Niederlande und ihre persönlichen Bereicherungsmotive sowie den Einmarsch und die Bombardierung Rotterdams selber.  Jacques Post bedient sich dabei zweier Zeitlinien. Einerseits müssen Henk und seine Freundin Leentje inmitten der Wirren überleben und zugleich versuchen, die Hintergründe aufzudecken, andererseits geht es um die parlamentarische Enquetekommision, die 1948 versucht, die Verwicklungen von Einheimischen aufzuspüren und zu bewerten.

Post bringt unheimlich viel an historischem Detail in dieser Geschichte unter und dementsprechend ist der Textanteil teilweise sehr hoch, allerdings immer noch geringer als etwa bei Blake und Mortimer. Es geht dabei um den deutschen Spion Flenter, der mit dem niederländischen Steuerberater Moret krumme Dinger dreht und um die Verwicklung des lokalen Polizeichefs Dechy, der mehr weiß, als er dürfte.

Die Geschichte springt aber nicht nur zeitlich hin und her. Flenter verlässt Rotterdam kurz nach dem Mord und kehrt zunächst nach Deutschland zurück um dann während der Invasion wieder niederländischen Boden zu betreten. Nicht immer sind die einzelnen Handlungen den Strängen ohne Weiteres zuzuordnen so dass den Leser*innen ein Mitdenken abverlangt wird. Zugleich wird vieles an historischen Fakten durch fiktive persönliche Erlebnisse ergänzt, so dass die Geschichte verständlicher, aber auch emotionaler wird.

Gerade für deutsche Leser*innen ist die Story nicht einfach. Einerseits wird die Effizienz der deutschen Eroberungsarmee gezeigt, die Widerstand im Keim erstickt und wenig Skrupel besitzt. Auch die Vorbereitung durch Spionage und verdeckte Aktionen wird deutlich und zeigt die Akribie des Plans. Andererseits wird aber auch deutlich, welche Folgen der Einmarsch für die Bevölkerung und insbesondere die Stadt Rotterdam hatte. Die Zerstörung war immens und auch das wird in den Bildern sehr deutlich. Glücklicherweise hat es die europäische Nachkriegsgeschichte geschafft, Europa zu befrieden und staatliche Machtgelüste zu überwinden. Trotzdem ist es nicht unbedingt selbstverständlich, dass die heutige Generation die Deutschen mit einer so großen Freundlichkeit willkommen heißt.

Die Umsetzung

Eric Heuvel ist in Deutschland zwar vor allem durch seine Geschichten um January Jones bekannt. Er hat aber auch viele Sachcomics geschrieben, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Anne Frank Stiftung einen Comic über das Schicksal einer jüdischen Familie in den Niederlanden unter deutscher Besetzung, der unter dem Titel Die Suche auch auf Deutsch erschienen ist.

Heuvel ist ein Vertreter der Ligne claire, auch wenn seine Zeichnungen teilweise vor Details schier zu bersten scheinen. Er scheint es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, unheimlich viele kleine Details in seinen Zeichnungen unterzubringen, und der als Grundlage dienende Roman bietet viel davon. Zudem ist Heuvel im Thema drin und hat ein (Bild-)Wissen der damaligen Zeit angesammelt, das fast jede Szene möglich macht. Manchmal ist aber ein zu großes Detail-Wissen hinderlich für den Flow und so befördern einige Bilder nicht die Geschichte, sondern stehen separat.

Abgesehen davon ist es aber eine gelungene Umsetzung, die die Schrecken anschaulich darstellt und gleichzeitig die Kriminalstory vorantreibt.

Comics, die den Zweiten Weltkrieg zum Thema haben, sind aktuell en vogue. Oft stehen dabei aber die technische Faszination im Vordergrund oder das Soldatenleben. Hier geht es zwar auch um die Hintergründe, im Vordergrund aber steht der Alltag der Zivilbevölkerung.

Die Sprache stellt meiner Ansicht nach nicht zu große Herausforderungen und ist daher keine echte Barriere. Außerdem unterstützen die Bilder aufgrund ihres Detailreichtums und helfen über unbekannte Wendungen hinweg. Vielleicht findet sich ja auch ein deutscher Verlag für die Geschichte der Uitgeverij Personalia. Es wäre zu wünschen! Es gibt im Übrigen auch eine Hardcoverausgabe für 19,99€.

Dazu passen ein Cassis und Golden Earring, die mehr zu bieten haben als das bekannte Radar Love!

Abbildungen © 2019 StripGlossy / Personalia vof

StripGlossy 13 – Juni 2019

Stripglossy 13 – Schwerpunkt: Dino Attanasio

Herausgeber: Mirjam van der Kaaden & Seb van der Kaaden

Verlag StripGlossy Personalia vof
Heft Din A 4 | 132 Seiten | Farbe | 8,95 €
ISBN: 978-94-928-4054-7

Im Mittelpunkt der 13. Ausgabe der StripGlossy aus Leens bei Groningen steht der italienischstämmige Dino Attanasio. Attanasio arbeitete zunächst in Italien in der Zeichentrickfilmbranche, emigriert aber schon 1948 zusammen mit Vater und Bruder nach Brüssel. Nach kurzer Zeit wechselte er von dem Zeichentrickfilm zum unbewegten Comic. Da Belgien (mindestens) zweisprachig ist, kommt er dort auch ohne Kenntnisse des Holländischen gut zurecht und wenn es doch einmal von Nöten ist, übersetzt seine Frau.

Dino Attanasio

Dino Attanasio hat nie den Sprung in die erste Reihe der frankobelgischen Künstler*innen geschafft; umso mehr bleibt jetzt (wieder) zu entdecken. Seine Comic-Karriere began zunächst bei Spirou/Robbedoes doch schon bald erfolgt der Wechsel zu Tintin/Kuifje wo er unter anderem Ton en Tineke (auf Deutsch Mausi und Paul) von André Franquin übernimmt. Daneben entwickelte er Bob Morane und zeichnete nach Texten von René Goscinny den Funny Spaghetti. Ab 1964 kommen dann der Detektiv-Funny Johnny Goodby nach Szenarios u.a. von Martin Lodewijk für Pep/Eppo und gegen Ende der 60-er Jahre die Serie „Macaroni’s“ über einen italienischen Fußballverein im Spannungsfeld der (amerikanisch/italienischen) Mafia. Letztere erschien in Deutschland in dem Taschenbuch 1.FC Fußball & Comic, das die Möglichkeit bot, die Bundesligaergebnisse einzutragen und sich daher bei Jungen einer großen Beliebtheit erfreute.

Dino Attanasios Serien stehen aber fast noch mehr im Licht dieser Ausgabe. Schon das Titelbild ist eine Hommage von Danier (d.i. Daan Jippes) an die Serie Spaghetti und es folgt im Heft noch ein aktueller Vierseiter von Jippes nach einem Text von Frans Hasselaar. Daneben gibt es aber aus der Originalserie die (Sjors-)Einführungsseite von 1974 sowie die dort referenzierte erste Geschichte. Und da die Liebe (auch zu einer Comicfigur) ja bekanntlich durch den Magen geht, ermöglicht man den Leser*inneneinen ersten Einblick in das Ende des Jahres erscheinende Stripkookboek mit einem Rezept für Entenbrust in Limoncello!

Auch die Macaroni’s bekommen ihre Neuinterpretation, gezeichnet und getextet von Dick Matena. Zum Schluss darf natürlich auch Johnny Goodbye nicht fehlen: Neben dem Reprint einer Originalseite von Attanasio dürfen Robbert Damen und Michiel Offerman ihre Version zum Beste geben. Moderner, den Ton aber treffend!

StripGlossy bietet damit eine umfangreiche Mischung aus Informationen über den Künstler Dino Attanasio und Comics entweder von ihm selbst oder aber von anderen als Hommage ausgestaltet. Die informativen Beiträge sind dabei sowohl als Interview als auch als Artikel gestaltet und daher wiederum sehr abwechslungsreich. Durch diese ergibt sich ein gutes Bild des Wahlbelgiers. In den meisten Magazinen gibt es oft entweder nur das Eine oder das Andere und das alleine ist schon ein Grund, diese Ausgabe zu kaufen (auch für diejenigen Leser*innen ernst gemeint, die des Niederländischen nicht soo mächtig sind).

Die Comics

Wie gehabt enthält das StripGlossy aber auch eine ganze Reihe an anderen Comics. Das Spektrum reicht dabei von Ein-Bild-Karikaturen über klassische Strips wie Gilles de Geus, der großartige de Generaal oder Tom Poes und aktuelle Helden wie Beterman (von vanO, dessen Serie Rhonda in ZACK publiziert worden ist) über die regelmäßigen Serien wie FFlint (eine Detektivgeschichte von Ger Apeldoorn und Fred de Heij), Saul (eine Storm-ähnliche Serie von Willem Ritstier und Apri Kusbiantoro), den Noir-Krimi Nick Name von Alex van Koten und die Kreuzfahrergeschichte Jelmer von Josse Pietersma und Roelof Wijtsma.

Dazu kommen noch kürzere, von Artikeln begleitete Comic-Seiten etwa von den WiRoJas, Claire oder sogar einer Disney-Geschichte. Wer einen Überblick über die Entwicklung der Neunten Kunst in unserem Nachbarland abseits der Standaard Uitgeverij gewinnen möchte, kommt eigentlich an StripGlossy nicht herum.

Insgesamt also wieder 132 Seiten prall gefüllt mit aktuellen und klassischen Comics aus dem Niederländisch-sprachigen Raum (bzw. in der entsprechenden Übersetzung), Artikeln, Interviews und News über das aktuelle Geschehen, ein paar weiterführenden Anzeigen die mehrere Stunden lesevergnügen bereiten sollten und sich zudem auch noch für das Archiv eignen! In Kürze erfahrt ihr mehr über das StripGlossy und das neue Albenprogramm der Herausgeber auf comix-online – stay tuned!

Dazu passen ein eisgekühltes Peroni und italienischer Ska von Banda Bassotti.

Abbildungen © 2019 StripGlossy / Personalia vof

Gautier/Oger – Mijn Oorlog

Mijn Oorlog – van La Rochelle tot Dachau

Story: G. P. Gautier
Zeichnungen: 
Tiburce Oger

Microbe Strips
Hardcover | 80 Seiten | Farbe | 21,95 €
ISBN: 
978-9492621443

Mijn Oorlog erzählt die (Über-)Lebensgeschichte von Guy-Pierre Gautier, einem französischen Resistance-Kämpfer mit sozialistisch/ kommunistischem Hintergrund. Nachdem er in Frankreich gefasst worden war, wurde er zunächst in Frankreich selbst interniert, später dann aber in das KZ Dachau überführt, dass als Stätte billiger Arbeitskräfte für die umliegenden Werke diente.

In den Niederlanden ist die Autobiographie bei dem kleinen Label Microbe erschienen, ein deutscher Verleger hat sich noch nicht gefunden. Vielleicht wäre das kommende 75-jährige Jubiläum der Befreiung von der Nazi-Herrschaft ja ein geeignetes Datum? Während die Schicksale der jüdischen Opfer in Deutschland zumindest nicht mehr verschwiegen, teilweise sogar sehr vielschichtig behandelt werden, und der bürgerliche Widerstand ebenfalls seinen Platz in der Aufarbeitung gefunden hat, sind der Kampf und die Verluste der Linken noch nicht so im (literarischen) Alltag angekommen.

Gautier erzählt ehrlich und eindringlich seinen Lebensweg vom unbedarften Jugendlichen aus La Rochelle zum Kämpfer gegen die Besatzung Frankreichs durch die Deutschen und beschreibt dabei einerseits, wie viele seiner Generation auf die verschiedensten Weisen „verheizt“ worden sind, andererseits aber auch, dass für viele eine Alternative gar nicht bestanden hat. In Rückblicken, ausgehend von der mit militärischen Ehren durchgeführten Verleihung des Ritters der Ehrenlegion für Guy-Pierre Gautier am 8. Mai 2015, werden schlaglichtartig Szenen aus dem Leben aufgereiht und verknüpfen sich so zu einer Geschichte.

Tiburce Oger hat die Erzählungen in Bilder übersetzt. In Deutschland bekannt ist er durch seine im Splitter-Verlag erschienenen Western Buffalo Runner und Canoe Bay. In diesem Werk darf er jedoch die Erinnerungen seines eigenen Großvaters mütterlicherseits umsetzen. Man merkt den Zeichnungen die persönliche Betroffenheit an, sie gehen unter die Haut und lassen keine Details aus. Teilweise erscheint „das Böse“ in den Gesichtern der Deutschen KZ-Aufseher und SS-Männer als Fratze, aber es gelingt Oger durchaus zu differenzieren.

80 Seiten sind einerseits viel zu wenig, um die – exemplarische – Leidensgeschichte Gautiers von 1943 bis zu seiner persönlichen Befreiung am 30. April 1945 zu beschreiben, andererseits sind sie aber genug, um sich vor Augen zu führen, dass so etwas nie wieder passieren darf; Nicht in Europa aber auch sonst nirgendwo!

Die Graphic Novel sollte überall in den Niederlanden und dem flämischen Teil Belgiens erhältlich sein.

Dazu passen Wasser, etwas abgestanden, und „Die Moorsoldaten“.

© Rue de Sèveres, Paris, 2017, Tiburce Oger

Stripschrift 456 – November 2018

Stripschrift 456 – Jeroen de Coninck & Vittorio Giardino

Herausgeber und Verlag: Stichting Uitgeverij Stripschrift

Heft Din A 4 | 44 Seiten | Farbe | 8 €
ISSN: 0165-845X

Cover Stripschrift 456

Das Magazin STRIPSCHRIFT aus Rotterdam erscheint mittlerweile im 52. Jahrgang, es ist also eine echte Institution unserer westlichen Nachbarn. Viermal pro Jahr bietet es Interviews, News und fachlich fundierte und reich bebilderte Artikel über Comics und Karikaturen. 2011 erhielt es dafür den P. Hans Frankfurther Prijs für besondere Verdienste. Wer Interesse daran hat, kann es auch außerhalb der Niederlande abonnieren.

Die hier besprochene Ausgabe 456 vom November 2018 soll als ein Beispiel für die wirklich lesenswerte Zeitschrift dienen. Zugleich ist es eine perfekte Ergänzung zur Reddition 69 über Peyo und sein Atelier. Neben einem längeren Interview mit Vittorio Giardino, auch in Deutschland bekannt durch Jonas Fink und Max Friedmann, enthält es ein langes Interview mit dem seit 30 Jahren für das Studio Peyo arbeitenden Jeroen de Coninck. Jeroen hat nicht nur einige der aktuellen Schlumpf-Alben gezeichnet, sondern auch Merchandise-Figuren, Poster und Kinderbücher mit den kleinen blauen Kobolden gezeichnet und entworfen. Die Rezension zum 36. Album gibt es hier.

Das Interview bietet einen Einblick in seine Laufbahn und Arbeitsweise im Studio und auch Ausblicke auf das bereits angekündigte neue Abenteuer.

Stripschrift 456 page 17

Dazu kommt ein Artikel des Theologen Frank G. Bosman aus Tilburg. Er entwickelt aus seiner Sicht eine Analyse der theologischen und philosophischen Grundmuster die bei den Schlümpfen verwendet werden – Lesenswert und anregend! Dieser Artikel beweist wieder einmal, dass gute Geschichten oft ihren Hintergrund in alten Mythen haben. Leider ist das Wissen darum oft genug vergessen.

Giardino erzählt in den zweiten Schwerpunkt des Heftes, warum er seinen ursprünglichen Beruf aufgegeben hat um als Autodidakt Comics zu zeichnen und mit welchen Schwierigkeiten er anfangs zu kämpfen hatte. Mittlerweile kann er es sich leisten, Comics zu zeichnen und erst danach nach einem Verleger zu suchen. Er begründet außerdem, warum er sich für seine Comics so lange Zeit nimmt und erklärt seine Arbeitsweise sehr ausführlich.

Auch wenn bei der STRIPSCHRIFT natürlich der niederländisch-flämische Markt im Vordergrund steht sind die dort abgedruckten Interviews auch für deutsche Leser*innen interessant und einen Versuch wert. Zudem sind viele der abgedruckten Illustrationen hier so nicht verfügbar.

Dazu passen ein traditionelles Leffe und The Selecter!

© der Abbildungen 2018 Stichting Uitgeverij Stripschrift, Rotterdam

Auguria 1

Auguria 1: Ecce Signum

Story: Peter Nuyten
Zeichnungen: 
Peter Nuyten

Originaltitel: Auguria 1: Ecce Signum

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 80 Seiten | Farbe | 18,80 € |

ISBN: 978-3-96219-192-4

Cover Auguria 1

Zwei klassische Themen des europäischen Comics erleben seit einigen Jahren ein unerwartetes Comeback: Neben dem Western gibt es auch immer mehr neue „Sandalen-Comics“. Der Niederländer Peter Nuyten ist in beiden zuhause. Nach dem dreibändigen Western Apache Junction erscheint nun mit Auguria 1 seine Interpretation der germanischen Aufstände gegen das alte Rom. Der Splitter-Verlag bietet beiden Szenarien eine Heimstatt in guter Gesellschaft.

Wir schreiben das Jahr 69 nach Christus. Der Imperator und Kaiser Nero ist seit etwas über einem Jahr verstorben und die Nachfolge ist umstritten. Verschiedenste Feldherren haben ihre militärische Macht benutzt um sich zu Caesaren ausrufen zu lassen und die Machtverhältnisse verschieben sich ständig. Intrigen und politische Ränkespiele nehmen ihren Lauf und die dem Römischen Reich eingegliederten fremdländischen Stämme werden einerseits wie Schachfiguren benutzt, erkennen andererseits aber auch Möglichkeiten, sich von dem Römischen Joch zu befreien.

Detail Auguria 1 page 34

Peter Nuytens Geschichte setzt genau hier an und erzählt von dem Versuch Vespasians, die germanischen Batavier als Hilfstruppen in seinem Kampf gegen Aulus Vitelius um die Kaiserkrone einzusetzen. Er benutzt einen erfolglosen militärischen Unterführer der Kämpfe in Judäa um den Anführer der Rheintruppen zu einer Rebellion anzustiften.

In einem zweiten parallelen Handlungsstrang geht es eher mythologisch zu. Die Prophetin Veleda hat in einer Vision die Zukunft gesehen; sie ist allerdings nicht unbedingt kompatibel zu den Vorstellungen des Wannabe-Kaisers. Dazu kommen dann noch ein paar Akteure, die einfach nur überleben wollen… Die Verquickung der unterschiedlichen Eben gelingt Nuyten sehr gut.

Detail Auguria 1 page 72

Netterweise wird der Comic durch ein paar ausführliche Hintergrundinformationen zur Geschichte der Bataver und des Zustandes des Römischen Reiches in der Nachfolge Neros ergänzt. Sicherlich gibt es den einen oder die andere Geschichtsleistungskursabsolvent*in mit eben diesem Spezialwissen. Den meisten dürfte es aber wie mir gehen: Dankbar werden diese Einordnungen gelesen, die quasi nebenbei ein wenig Spezialwissen etwa für Trivial Pursuit vermitteln. Wie auch zum Beispiel bei Murena werden dabei Begriffe erläutert. Dazu kommt aber auch ein grafisch brillant aufbereiteter Text der einen schwermütig an die Textwüste der Schulbuchlektüre zurückdenken lässt. Viele Schulbücher könnten sich hier Anregungen holen…

Die Zeichnungen von Peter Nuyten sind handwerklich absolut in Ordnung. Gesichter und historische Dekors gelingen ausgesprochen gut und sind auf hohem Niveau. Der Detailreichtum der Zeichnungen lässt keine Wünsche übrig.

Detail Auguria 1 page 8

Einige der Seiten kommen sogar ohne Worte aus und vermitteln einen guten Einblick der germanischen Landschaft, die vielen Römern so geheimnisvoll, unwirtlich und unverständlich erschienen sein muss. Auch Schlachten werden dargestellt, ohne allerdings dabei Selbstzweck wie etwa bei Millers 300 zu sein. Der absolute Wow-Effekt stellt sich aber nicht ein. Liegt es daran, dass Nuyten oft zuviel Text integriert? Daran, dass die Seitenaufteilung dann doch zu klassisch ist?

Fazit: Für Fans von Historiencomics sicherlich ein Must-Have! Für alle anderen (nur) eine gute und lohnenswerte Anschaffung; handwerkliche Meisterleistung, spannende Geschichte, viel Hintergrundmaterial in gewohnter Super-Splitter-Qualität!

Dazu passen lauwarmer Met und plattdeutsche oder friesische Gesänge. Ich empfehle dazu die frühen Laway.

© der Abbildungen 2019 Splitter Verlag

Robbedoes special 3

Robbedoes special 3 – De Wolfman

Story:  Marc Legendre
Zeichnungen: 
Charel Cambré

Dupuis
Softcover | 48 Seiten | Farbe | 7,50 €
ISBN:
978-90-314-3648-4

Cover Robbedoes special 3

Im mittlerweile dreieinhalbten niederländischen Abenteuer müssen Robbedoes/Spirou und Kwabbernoot/Fantasio mal wieder eine Reportage schreiben. Sie sind vom touristischen Dienst eingeladen um eine Oase der Natur namens Machin, in der außer Luchsen, Füchsen, Waschbären und Hirschen nichts den Wanderer ablenkt, in einem Artikel festzuhalten und natürlich zu lobpreisen. Sehr zum Ärger Fantasios sind sie allerdings nicht die einzigen, denn auch Izerlijm/Stefanie hat den gleichen Auftrag. Ihre Herberge ist gerade im Begriff, den ursprünglichen Bezug des Namens von Wolf in Wichtel zu ändern. Der Grund für diesen Wechsel ist der Plan eines reichen amerikanischen Inverstors der eben dort in Machin einen Freizeitpark errichten möchte.

Während Robbedoes und Izerlijm diesen Wechsel bedauern und die Kommerzialisierung hinterfragen, versucht Kwabbernoot wie so oft einzig Izerlijm auszustechen und alles andere auszublenden. Da er ein altes Wolfskostüm findet, schmiedet er den Plan, sich als Wolf zu verkleiden und hofft, dass Robbedoes ein Foto des Wolfes schießen wird. Mit diesem glaubt er, den internen Wettkampf um die beste Reportage gewinnen zu können.

Robbedoes special 3 page 1

Natürlich ist der amerikanische Investor Mr. Richinuff nicht nur zwielichtig, sondern ein Schurke, wie er im Buche steht. Schnell wird klar, dass hinter seinen Plänen für einen Freizeitpark mit einem künstlich angelegten, geflutetem See etwas ganz anders steckt. Die wirkliche Entdeckung seiner finsteren Pläne gleicht einem Krimi.

Begleitet wird das Ganze von einer Reihe von Slapstickeinlagen Kwabbernoots und witzigen Gags von Spip/Pips, die den Comic eher für ein jugendliches Publikum klassifizieren.

Die beiden Künstler, die mit den mittlerweile neun Bänden um Amoras im modernisierten Suske und Wiske-Kosmos bewiesen haben, dass sie mit der eher härteren Gangart vorzüglich umgehen können, lassen hier ihrer Liebe zu dem klassischen Slapstick freien Lauf. Eingebettet in das Spirouuniversum wissen sie um die Konstanten der handelnden Personen. Marc Legendre fügt aber neue Nuancen hinzu und reiht einerseits Gags aneinander, liefert andererseits aber auch einen klassischen Krimiplot ab.

Zeichnerisch darf der/die Leser*in hier keine Innovationen erwarten. Das ganze Abenteuer ist aber von Charel Cambré auf hohem Funny-Niveau gezeichnet und bietet ruhige, die Natur abbildende Szenen genauso wie actionbetonte schnelle Schnitte. Grundsätzlich bestehen die Seiten aus vier Reihen wobei teilweise zwei zu einer kombiniert werden.

Robbedoes special 3 page 22

Die Special-Reihe liefert alles, was man von einer klassischen Spirou/Robbedoes-Geschichte erwartet und könnte problemlos in die „offizielle“ Serie integriert werden. Diese scheint allerdings vom (französischsprachigen) Magazin Spirou und auf Deutsch bei Carlsen herausgegebenen Reihe eingestellt worden zu sein. Wer das bedauert und nach Fortsetzungen sucht, sollte nicht zögern, zu diesen Bänden zu greifen.

Wer mag, darf sich auf die Suche nach Zitaten anderer Comics begeben: Eine ganze Reihe klassischer frankobelgischer und niederländischer Figuren geben sich hier ein Stelldichein.

Dazu passen Kräuterlimonade und meine holländische Lieblingsband: Mr. Review.

© der Abbildungen 2018 Dupuis

Serienkompass Chinaman

Chinaman – Serie in 9 + 1 Bänden

Text: Serge Le Tendre

Zeichnungen: Olivier TaDuc

NL: Dupuis

DE: aktuelle, zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications sowie einzelne Bände bei Splitter Verlag (alt), Salleck Publications, ZACK (Mosaik)

Last updated: Juni 2023

Cover Chinaman 3

Chinaman ist eine klassische Westernserie von dem Szenaristen Serge Le Tendre und dem Zeichner Olivier TaDuc. Beide kommen aus Frankreich und haben sich für diese Reihe von der Fernsehserie „Kung Fu“ inspirieren lassen. Ihr Held, John Chinaman, ist zwar ebenfalls als Chinese in den USA mit der fremden Kultur konfrontiert und setzt asiatische Kampftechniken ein, er ist allerdings – zumindest anfangs – noch sehr beeinflusst von den chinesischen Triaden und damit nicht so eindeutig „gut“ wie Caine. Insgesamt sind zwischen 1997 und 2007 im französischen Original neun Teile erschienen.

UPDATE: Die deutsche Veröffentlichungsgeschichte war lange Zeit lückenhaft: Neben zwei Bänden im „alten“ Splitter-Verlag und zwei weiteren bei Salleck Publications sind drei Abenteuer in den Anfangsjahren des „neuen“ ZACK in Fortsetzungen erschienen. Mittlerweile ist eine zweibändige Gesamtausgabe bei Salleck Publications erschienen. diese enthält nicht nur alle Bände, zum Teil also in Deutscher Erstveröffentlichung, sondern auch weitere Zeichnungen, eine Broschüre und ein Interview!

In den Niederlanden hat die Serie dagegen mehr Anklang gefunden: Alle Bände sind bei Dupuis teilweise sogar mehrfach erschienen und sind noch lieferbar.

Cover Chinaman 7

Der größte Erfolg von Le Tendre ist sicherlich die Reihe Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit, einer der ersten großen Fantasy-Reihen des modernen Autorencomics und gezeichnet von Régis Loisel. Mittlerweile ist auch eine zweite Staffel erschienen. Der Autor hatte seine Comic-Karriere eigentlich als Zeichner beginnen wollen. Pierre Christin konnte ihn allerdings nach dem Abschluss eines Zeichenseminars überzeugen, doch lieber seine Stärken als Szenarist auszuleben. Weitere von ihm verfasste Szenarien mit verschiedenen Zeichnern sind ebenfalls auf Deutsch erhältlich: Tai Dor, oder Jackie Kottwitz seinen als Beispiele genannt. Auch hier gilt, dass auf Niederländisch erheblich mehr Werke vorliegen!

Die Serie Chinaman verfolgt einen reizvollen Ansatz inmitten all der Westernserien. Sie ist keinesfalls dem Genre „Neowestern“ zuzuschreiben, thematisiert aber neben den traditionellen Themen des Einzelkämpfers, der unwirtlichen Natur und der schweren Aufbauarbeit in teils gesetzlosen Umgebungen auch den alltäglichen Rassismus der Schmelztiegelnation und beleuchtet das Leben der eingewanderten Chinesen. Sie ist daher auch mehr als 20 Jahre nach Erscheinen des ersten Bandes definitiv lesenswert!

Chinaman 4 page 13

Inhalt:

John Chinaman ist der neue Name der Chen Long Anh in der neuen Welt verpasst worden ist. Der Western spielt in den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts als viele Chinesen aus unterschiedlichsten Gründen ihre alte Heimat verlassen haben um in Amerika ihr Glück zu finden. Für die meisten bedeutete das schwere Arbeit bei geringem Lohn, fehlende gesellschaftliche Akzeptanz und Gehorsam gegenüber den Regeln der Triaden. Obwohl Chen als ausgebildeter Kämpfer der Triaden nach Amerika kommt, verweigert er bereits im ersten Band den Gehorsam und muss sich gegen seinen Förderer durchsetzen.

Er muss daher fliehen und beginnt seine Reisen durch den amerikanischen Kontinent, die ihn zunächst nach Oregon führen. Neben den Härten der Wildnis und des Rassismus wird er aber immer noch von seinen alten Mitstreitern verfolgt.

Cover Le Tendre / TaDuc Chinaman Gesamtausgabe 1

Auch der dritte Band zeigt John im Konflikt mit seiner Umwelt. Er versucht, ein Mädchen zu beschützen, und wird fälschlicherweise der Entführung derselben beschuldigt. Alltäglicher Rassismus und Ablehnung aller nicht Einheimischen sind ein klassisches Westernthema.

Auch der Konflikt zwischen irischen und chinesischen Arbeitern beim Bau der großen Eisenbahnlinien ist ein altbekanntes Motiv unzähliger Erzählungen in Film oder Comic. Und wieder gerät John zwischen die Fronten. Im Gegensatz zu „typischen“ Erzählungen wird aber in Chinaman vorrangig der chinesische Blickpunkt gezeigt.

Cover Le Tendre/TaDuc Chinaman Gesamtausgabe 2

Immer wieder wird John Chinaman daran gehindert, sein Glück und Ruhe zu finden. Einerseits jagen ihn Desperados und Mitglieder der Triaden, die auf seine Spur gekommen sind, andererseits kann er es auch nicht lassen, üble Dinge geschehen zu lassen, und legt sich beispielsweise mit einem Zuhälter an.

cover ZACK 48

Immer wieder wird in der Serie das Thema der Ablehnung alles Andersartigen variiert und so verwundert es auch nicht, dass eine ganze Stadtbevölkerung sich gegen die zuziehenden Chinesen wehren will. Wie immer gibt es hier aber nicht nur schwarz und weiß, so dass die Konfliktlinien quer durch alle Schichten laufen. – Vieles davon basiert auf den eigenen Migrationserfahrungen von Olivier TaDuc und ist daher auch nachvollziehbar geschildert.

Dem folgen noch eine „Road-Movie“ Geschichte in zwei Bänden um den letzten Mitwisser über das Versteck einer Beute. Beide Bände haben eine spezielle Note durch das Mitwirken von John, könnten so ähnlich aber auch in anderen Settings funktionieren.

2021 ist nach 14 Jahren Pause eine Art „Reprise“ erschienen: Der Tiger erwacht! Der frustrierte und gestörte John Chinaman wird gezwungen, sich seiner Geschichte zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Sehr gelungene Rückkehr zur ursprünglichen Serie, die Themen und Stimmung aufnimmt und in die Zukunft führt.

Cover Le Tendre/TaDuc Tiger ewacht

Grafik:

Der 1962 geborene Olivier TaDuc ist Franzose mit einem vietnamesischen Hintergrund, der auf für die Zeichnungen etwa bei XIII Mystery, Takuan oder Stille Rebellionen verantwortlich ist. Seine Zeichnungen sind detailreich und zeigen von einem gewissenhaften Quellenstudium. Seine Ansichten der alten Chinatowns sind genauso kunstfertig und genau wie die Darstellung eines Segelschiffes, der Landschaft oder der Einflüsse chinesischer Kampftechniken auf die Körperhaltung des Helden. Im Laufe der Bände werden die Zeichnungen etwas grobflächiger und detailärmer und wirken dadurch etwas weniger realistisch.

Chinaman 1 page 13

Der Aufbau der Seiten folgt generell dem klassischen vierzeiligen Muster; die Höhen der Zeilen sind aber nicht statisch und variieren häufig. Auch sind einzelne Panele über mehrere Zeilen gestreckt und nehmen häufig die gesamte Breite der Seite ein. Es ist also genügend Abwechslung vorhanden. TaDuc beherrscht dabei sowohl die ruhige Sequenz als auch die vom Film übernommenen schnellen Schnitte mit ständigem Perspektivenwechsel, wenn die Action es erfordert.

Auf jeden Fall vereint die Serie erfolgreich die typischen Bestandteile eines Western mit einem ungewöhnlichen Helden und Kampfszenen und meditative Elemente, die sonst nur in Eastern zu sehen sind.

Details:

1 De berg van goud Dupuis Die Goldberge Gesamtausgabe 1 & Splitter c/o Salleck Publications
2 Met gelijke wapens Dupuis Mit gleichen Waffen Gesamtausgabe 1 & Splitter c/o Salleck Publications
3 Voor Rose Dupuis Für Rose Gesamtausgabe 1 & Salleck Publications
4 De roestvreters Dupuis Die Rostfresser Gesamtausgabe 1 & Salleck Publications
5 Tussen twee oevers Dupuis Zwischen zwei Ufern Gesamtausgabe 2 & ZACK 48 – 51
6 Bloedbroeders Dupuis Blutsbrüder  Gesamtausgabe 2  
7 Confrontatie in Blue Hill Dupuis Zweikämpfe in Blue Hill Gesamtausgabe 2 & ZACK 63 – 66
8 De gehangenen Dupuis Die Gehängten Gesamtausgabe 2 & ZACK 101 – 104
9 Tucano Dupuis Tucano  Gesamtausgabe 2  

Mittlerweile sind bei Salleck Publications sowohl die „Reprise“ Der Tiger erwacht als auch Band 1 der deutschen Gesamtausgabe mit den Teilen 1 bis 4 sowie Band 2 mit den Teilen 5 bis 9 erschienen.

Dazu passen chinesischer Grüntee und starker Kaffee sowie Country der etwas anderen Art, etwa von 16 Horsepower.

© der Abbildungen der niederländischsprachigen Version 2019 Dupuis

© der Abbildungen der deutschsprachigen Version 2005/2021/2022 DUPUIS, by Serge LeTendre, TaDuc / Salleck Publications

© der Abbildungen ZACK-Cover 2003 Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag

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