Die Blauen Boys sind neben Lucky Luke eine der am längsten laufenden franko-belgischen Westernserien. Sergeant Chesterfield und Korporal Blutch erleben ihre Abenteuer im amerikanischen Bürgerkrieg. Die künstlerisch Verantwortlichen haben aufgrund von Todesfällen schon mehrfach gewechselt. Band 3 der Gesamtausgabe umfasst die ersten drei vollständig von Willy Lambil gezeichneten Bände. Zur Geschichte der Übernahme und der Veröffentlichungsreihenfolge siehe Band 2.
Der Übergang von Klamauk zu den Wirren des Krieges
Die ersten Geschichten der Serie waren eher am Klamauk orientiert. Alltagsszenen aus dem Leben im Fort wurden – klischeehaft – genutzt, um nach Morris‚ Weggang von Dupuis dem lonesome Cowboy etwas entgegenzusetzen. Die Deserteure, Band 5 der Reihe, stellt ein Bindeglied zwischen den Anfängen und dem weiteren Verlauf dar. Zwar ist der im Vorgänger „Vogelfrei“ eingeführte Krieg mit den Südstaaten kein Aufhänger, die völlig überzogenen Ansichten von Captain Joyce bringen die Situation aber so zum Kochen, dass eine Gruppe von Soldaten lieber desertiert als zu gehorchen.
Der Knast von Robertsonville enthält den ersten Auftritt eines Antagonisten, der viele Male wieder auftauchen wird: Kakerlak! Ein sadistischer Südstaatler, der im Kriegsgefangenenlager für die Bewachung der Nordstaatler zuständig ist, beißt sich an den beiden Helden die Zähne aus. Der Sinn des Strafens steht im Mittelpunkt dieser Geschichte.
Die truppengattungsübergreifende Sinnlosigkeit des Tötens wird erstmals in Blaue Boys und Blaue Jungs in den Vordergrund gestellt. Chesterfield und Blutch müssen aus unterschiedlichen Gründen die Kavallerie verlassen und geraten auf Umwegen zur Marine. Geschichtlicher Hintergrund ist das Duell zweier gepanzerter Schiffe, die das Marinewesen auf immer verändert haben.
Knollennasen und ernste Themen
Lambil übernimmt von seinem Vorgänger Salvérius die witzigen Knollennasen und damit auch das Semi-Funny-Setting. Auch weiterhin stehen die witzigen Szenen klar im Fokus. Dabei schaffen die cholerischen Ausbrüche des Sergeants und die anarchistischen Bemühungen des Korporals, der Todesgefahr zu entrinnen, immer wieder Möglichkeiten für komische Feuerwerke. Vieles davon ist aber auch tragikomisch! Sowohl Cauvin als auch Lambil setzen dabei auf intensive Recherche und bauen immer wieder reale Begebenheiten in ihre Stories ein.
Für die Deserteure hatte Cauvin allerdings extra ein Szenario geschaffen, das fast komplett in der Wüste spielt und nur eine begrenzte Personenzahl umfasst, um dem neuen Zeichner einen komfortablen Einstieg zu ermöglichen. Die Geschichten lagen auf Deutsch bisher nur als „Bud & Chester“ aus dem Bastei-Verlag in gewöhnungsbedürftiger Übersetzung oder auf das Taschenbuch ummontiert von Carlsen vor und werden nun erstmals angemessen präsentiert.
Endlich!
Die Blauen Boys haben in Deutschland nie ganz den Stellenwert wie bei unseren westlichen Nachbar*innen erlangt. Das lag vielleicht auch an dem etwas missglückten Start. Da nun endlich die ersten Bände in optimaler Weise bei Salleck Publications erscheinen, können Fans das lange Vermisste nun nachholen. Die Serie ist ein Meilenstein unter den Westernserien und verknüpft Humor mit beißender Kritik.
Die Gesamtausgabe im Hardcover bringt die Serie in richtiger zeitlicher Reihenfolge und ergänzt die Alben um weiteres Material. So kommen in diesem Band zwei Kurzgeschichten zu ihrer ersten deutschen Publikation. Zusätzlich bietet Volker Hamann einen umfassend bebilderten Überblick über Serie und Schöpfer. Ein Tipp für den Weihnachtswunschzettel!
Dazu passen Rising Appalachia, etwa mit „Resilient“ und ein Cabernet Sauvignon aus Kalifornien!
Und noch ein Western aus dem Hause Salleck Publications! Während es Dutzende von Western gibt, die die gleichen Geschichten immer wieder neu erzählen, fallen einige aus dem Rahmen. In ihnen gibt es zum Beispiel neue oder veränderte Perspektiven. Wir alle kennen die Migrant*innen aus China als typisierte Rollenbilder in klassischen Western: Wäschereien, Eisenbahnbau, Koch. Chinaman geht viel weiter und thematisiert bereits die Überfahrt und die daraus erwachsenen Verpflichtungen, den ständigen Rassismus und die kulturellen Herausforderungen. Mehr dazu im Serienkompass.
Die „Söhne des Himmels“ und „die weißen Dämonen“
Die meisten Migrationen haben handfeste Gründe: Armut, Hunger und/oder Verfolgung aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen. Der Wunsch nach spirituellen Erfahrungen oder Doku-Soaps wie „Die Auswanderer“ stellen dagegen nur kleine Randerscheinungen dar. Der Anhang dieser Gesamtausgabe enthält Informationen zu den Gründen für die Jobmigration aus China nach Nordamerika. Es war für viele die einzige Möglichkeit zu überleben und die Preise für die Überfahrt waren hoch. Würde man heute von „Schleuserbanden“ reden, waren damals die Triaden, die sog. chinesische Mafia, die Nutznießer.
Band 1, Die Goldberge, beschreibt dieses Szenario: Chen Long Ann, von den Einwanderungsbehörden umgetauft in John Chinaman, und sein Blutsbruder Chow kommen als Gefolgsleute eines hohen Mitglieds der Triaden nach Amerika um Tributzahlungen durchzusetzen. Als der Held beginnt, sich in ein Mädchen zu verlieben, werden die Dinge kompliziert und nicht alle spielen mit ehrlichen Karten. In Mit gleichen Waffen unterstützt Chinaman einen Trek von Siedler*innen. Er begegnet auch dort offenem Rassismus und blankem Hass, kann aber auch aufgrund seines Humors punkten. Außerdem kommt es zur Konfrontation zwischen den Blutsbrüdern um die Frage der Ehre.
Für Rose hat erneut ein anderes Thema: Während Chen unter die Trapper gegangen ist, um der weißen Zivilisation möglichst entfernt zu sein, versucht ein Städter ein junges Mädchen seinen Pflegeeltern zu entreißen. Diese Familientragödie wird von Serge Le Tendre und Olivier TaDuc perfekt in das Westernambiente integriert und mit rassistischen Vorurteilen garniert. Die Rostfresser schließlich beschreibt die Situation der chinesischen (und irischen) Arbeiter beim Bau der Eisenbahn: interne Rivalitäten, Hass, Strafmaßnahmen und das Ausnutzen dieser Gegebenheiten durch die Eisenbahngesellschaft sind die Themen dieser Geschichte.
Detailliert und realistisch – Die Zeichnungen
Während Geschichte und Szenario Koproduktionen sind, hat Olivier TaDuc die Zeichnungen allein angefertigt. Sein Detailreichtum lädt dazu ein, die Geschichten sehr intensiv zu genießen. Sowohl die Natur und ihre Jahreszeiten als auch die unterschiedliche städtische oder ländliche Architektur bilden jeweils passende Rahmen für die Handlung. Mimik und Körperbau der Menschen sind sehr stimmig und die asiatische Kampfkunst wird meisterhaft dargestellt.
Man merkt den Geschichten an, dass sie von der TV-Serie Kung Fu inspiriert sind. Der chinesische Einzelgänger als Held, immer bereit, Unterdrückten zu helfen und Ungerechtigkeiten zu beseitigen und nie aggressiv, aber doch klar in der Kampfkunst! Obwohl die Gewalt nie im Vordergrund steht, macht sie doch einen Großteil von Chinaman aus. Nie ist sie aber Selbstzweck, sie spielt immer nur eine Rolle im Geschehen.
Endlich bald erstmalig komplett!
Chinaman ist ein Must-Have für alle, die Western-Comics mögen! Die Veröffentlichungsgeschichte in Deutschland war bisher gelinde gesagt holprig. Nun aber ist Teil 1 der sehr schönen Gesamtausgabe erschienen, der abschließende zweite Teil für den Winter angekündigt. Die Reprise ist vor kurzem ebenfalls auf Deutsch erschienen. Der Band ist aber auch für alle, die die feine Art zu erzählen von Serge Le Tendre mögen.
Das leicht glänzende, feste Papier macht das Lesen zu einem Genuss! Im Anhang finden sich neben Skizzen und Coverabbildungen auch eine Art Broschüre über die Geschichte der chinesischen Migration nach Nordamerika, die Hintergründe und Herausforderungen. Dadurch wird das Verständnis für einige Motive innerhalb der Geschichte noch einmal größer. Für mich ein Kandidat für die Jahresbestenliste in der Kategorie Gesamtausgaben!
Dazu passen der Kung-Fu-Soundtrack von Jim Helms und ein Jasmin Tee!
Eigentlich ist Morris Schuld daran, dass es diese Serie gibt. Hätte er nicht beschlossen, mit seiner Serie Lucky Luke das Spirou-Magazin zu verlassen, hätte der Verleger Dupuis nicht nach einer neuen Westernserie suchen müssen. Die ersten Bände, bereits getextet von Raoul Cauvin, waren noch von Salvérius gezeichnet worden. Nach seinem Tod hatte dann Willy Lambil übernommen. Im Original ist bereits das letzte Album der beiden erschienen und auch schon das erste der Nachfolger.
Der Schrecken des Krieges
Angefangen hatte alles als lustige, hauptsächlich auf Slapstick setzende Serie. Die Hauptpersonen waren zwar Angehörige der Nordstaaten-Armee, der Bürgerkrieg spielte aber keine große Rolle. Schon bald war klar, dass dieses Szenario zukunftsträchtiger, weil vielseitiger sein würde. Schleichend entwickelte sich die Serie im Laufe der Zeit von einem Quasi-Funny zu einer zutiefst Militär- und Kriegskritischen Serie. Die Schrecken der Schlachten, vor allem für die eingesetzten Soldaten, der Zynismus der Generäle und der Verlust der eigentlichen Motivation bieten genügend Raum für mittlerweile 65 Bände. Die Krater-Schlacht trägt dabei im Original die Nummer 63.
Petersburg, gehalten von den Südstaaten, wird schon länger von der Nordstaaten-Armee unter General Grant belagert. Jeder bisherige Angriff ist mit hohem Blutzoll und Artilleriefeuer gescheitert. General Alexander, Vorgesetzter der Helden Blutch und Chesterfield, hat diese beiden als Verstärkung geschickt und prompt werden sie Lieutenant-Colonel Pleasant zugeordnet. Dieser will einen Tunnel unter die feindlichen Linien graben und sprengen.
Cauvin gelingt es ausgezeichnet, den Irrsinn des Krieges, den Schrecken für die Beteiligten und die Widersprüche aufzudecken. Das Verhältnis der Weißen und Schwarzen in der „Befreiungsarmee“ lässt erhebliche Zweifel an der Motivation aufkommen. Trotzdem lebt diese Serie immer noch von ihrem Humor und der Situationskomik! Leider ist es zu spät, diese Serie einigen Herren zu empfehlen.
Halb-realistische Knollennasen
Willy Lambil zeichnet seine Helden mit Knollennasen. Er nimmt dadurch vielen Bildern ein wenig Brutalität und erinnert auch figürlich an die Idee einer lustigen Serie. Um die Nasen herum sind die Zeichnungen im Grenzbereich des typischen Marcinelle-Stils und einer realistischen Zeichnung angelegt.
Auch nach über 50 Bänden merkt man dem Zeichner den Spaß bei der Arbeit an. Viele Panels haben sehr unterschiedliche Tiere im Vordergrund, quasi als Symbol der unberührten, „reinen“ Natur. Sie werden auch durch den Krieg weder beschädigt noch in ihrem Fortbestand bedroht und bilden daher so etwas wie ein seelisches Gleichgewicht.
Eine der besten Westernserien überhaupt!
Für mich gehören die Blauen Boys zu dem allerbesten, dass das Genre zu bieten hat! Das liegt einerseits an der Verknüpfung der Kriegsthematik mit der humorigen Ebene. Niemand kann einen General ernst nehmen, der ständig trinkt, niemand den verrückten säbelschwingenden Kavalleristen. Zudem ist der ständige Konflikt um die Desertion eine perfekte Kabbelei der Helden im Stile jedes großen Pärchens!
Es bleibt daher nur die Wertung als Must-Have für jede*n, der/die klassische frankobelgische Comics mag! Man kann nur hoffen, dass Eckart Schott in seinem Verlag nicht nur die noch fehlenden aktuellen Bände bringt, was anzunehmen ist. Es wäre auch schön, wenn die Gesamtausgabe nun Fahrt aufnehmen würde und die bei Bastei und Carlsen erschienenen frühen Bände in vernünftiger Übersetzung und Aufmachung nachlieferte.
Dazu passen Country-Rock von The Bombpops und ein Westcoast IPA!
1954 erschienen in Spirou/Robbedoes die ersten Seiten einer neuen Serie über eine Gruppe von jungen Pfadfindern. Zeichnerisch anfangs noch nicht sehr ausgereift, entwickelte sich Die Biber-Patrouille schnell zu Lieblingen der Leser*innen und mauserte sich zu anspruchsvollen Geschichten mit ausgereiften Zeichnungen. Die hier präsentierten Folgen 17 bis 20 zeigen einerseits das viele Genres umspannende Können des Szenaristen, deuten aber auch an, wie lange der Zeichner auf die Texte warten musste.
Auf Hilfsmission in Afrika
Die ersten beiden Geschichten Das Land des Todes und Die Dämonen der Nacht spielen in einem imaginären afrikanischen Land. Obwohl der Boden eigentlich fruchtbar ist, leidet die Bevölkerung unter einer Hungersnot. Ohne ersichtlichen Grund scheinen ganze Landstriche plötzlich wie von einer Krankheit befallen und alle Pflanzen sterben ab. Der Präsident hat um europäische wissenschaftliche Hilfe gebeten und wie der Zufall es will handelt es sich um den Vater des Anführers der Biber. Natürlich machen sich die fünf Jungen auf den Weg nach Afrika, um zu helfen.
Es stellt sich allerdings sehr schnell heraus, dass nicht nur die Natur leidet; Kriminelle versuchen, die Situation zu nutzen und bereiten einen Putsch vor und die Pfandfinder haben sich gleich am Flughafen den mächtigsten General zum Feind gemacht. Sehr spannende Geschichte, die einerseits auf die Schwierigkeiten der europäischen, wissenschaftlich geprägten Sichtweise im Konflikt mit der traditionellen, Magie-orientierten Denkweise der Einwohner*innen hinweist. Andererseits wird aber natürlich auch deutlich, was die Organisation alles unternimmt. Charlier vermeidet aber eine allzu paternalistische Sicht und ist somit auch heute noch gut lesbar.
Kriminelle und Höhlen
Es folgt erneut ein Zweiteiler: 20 Milliarden unter der Erde spielt im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien. Das Gebirge ist voller verzweigter Höhlen und der Sage nach gibt es eine unterirdische Verbindung zwischen den zwei Ländern, die bereits früher von dem sagenumwobenen „El Demonio“ genutzt worden ist. Unsere Fünf Freunde wollen insbesondere das sogenannte Höllenloch erkunden. Sie müssen allerdings feststellen, dass ihr Trip unter keinem guten Stern steht: Ihre Ausrüstung wird beschädigt, die Vorräte gestohlen und die Polizei sucht einen entflohenen Verbrecher in just dieser Gegend.
Erneut entwickelt Charlier einen spannenden Handlungsbogen, der sich dieses Mal nicht um die Organisation der Scouts dreht, sondern klassische Abenteuer- und Krimimotive verknüpft. Die Geschichte bleibt dabei glaubhaft für Kinder, lässt aber die Erwachsenen als solche handeln.
Zeichnungen im realistischen Stil
MiTacqs Anfänge waren relativ einfach. Wie weit er sich im Laufe dieser Serie entwickelt hat, ist beachtlich! Sowohl die afrikanische Landschaft als auch die französisch-spanischen Pyrenäen geraten ausgesprochen detailreich und realistisch. Auch weil die einzelnen Teile der Szenarien so kleckerhaft eintreffen, ist genügend Zeit für Recherche und Skizzen. Letztere sind im Übrigen in großer Zahl Bestandteil der Illustrationen des großartigen Sekundärteils.
Die figürliche Darstellung der fünf Biber als auch der anderen Personen ist wesentlich realistischer als noch zu Beginn. Auch in den Zeichnungen ist zu bemerken, dass die Jugendlichen zwar als solche dargestellt werden, die Szenen aber nicht abgeschwächt werden. Als Beispiel dafür möge das Feuer dienen, dass das Labor vernichtet. Dadurch bleibt die Serie gut lesbar und ist keinesfalls nur als historisches Dokument zu betrachten!
Für die Fans klassischer Abenteuergeschichten
Natürlich hatte die Pfadfinderbewegung früher einen ganz anderen Stellenwert, insbesondere in katholischen Ländern. Die Identifikation von heutigen Jugendlichen mit den fünf Bibern würde daher nicht ganz so leichtfallen. Im Endeffekt geht es aber um eine Gruppe von Jugendlichen, die ihre Abenteuer erleben und insofern ist eine Vergleichbarkeit mit Fragezeichen, Wilden Hühnern oder 5 Freunden natürlich gegeben. Spannend ist die Geschichte allemal und die Zeichnungen sind zeitlos genug, um auch heute noch Spaß zu bereiten. Nur die Kommunikation ist heute natürlich eine komplett andere.
Die Gesamtausgabe der Bände, die auf Deutsch vor rund 40 Jahren letztmals bei Bastei erschienen sind, ist vorzüglich aufbereitet! Nicht nur die lange, ausgezeichnete Einführung von Gilles Ratier, die sehr informativ und lebhaft geschrieben, vor allem aber mit einer Unmenge an Illustrationen angereichert ist, trägt dazu bei. Das Papier passt zu dem Klassiker, die bibliographischen Informationen sind ausführlich und der Abdruck von Cover, Backcover und Frontillustration tut ein Übriges. Die Gesamtausgabe ist sicherlich in jeder Sammlung frankobelgischer Comics des letzten Jahrhunderts sehr gut aufgehoben!
Dazu passen Garage-Rock von The Sonics und eine Fruchtschorle eurer Wahl!
Immer noch Corona, meine persönlichen Favoriten und gute Wünsche
Wer hätte das gedacht? Die Pandemie hat uns auch das ganze letzte Jahr in Atem gehalten: Lockdown, Beschränkungen für Kulturveranstaltungen, Verlagerung des Einkaufsverhaltens von lokalen Läden hin zu Online- und Versandhändler*innen. Natürlich wird das Auswirkungen auf die Comic-Branche haben. So finden wir zunächst im Independent-Bereich, etwa dem ZEBRA, bereits Auseinandersetzungen mit den Folgen. Da wird sicherlich noch mehr kommen. Ausstellungen sind weniger geworden oder sie waren zu mindestens schlechter besucht. Auch ich war während des Jahres daher leider nur im MoCa in Noordwijk und im Jan Kruis-Museum in Orvelte.
Die Digitalisierung ist allerdings weiter fortgeschritten. Immer mehr Verlage bieten auch elektronische Ausgaben an. Für mich persönlich ist das allerdings nichts. So gerne ich elektronische Medien und Tools auch nutze, graphische Literatur lese ich immer noch am liebsten auf Papier, freue mich an der Haptik (wenn der Comic entsprechend dargeboten wird) und am Anblick einer Reihe im Regal.
Nachdem meine Winterpause jetzt vorbei ist wünsche ich uns allen für das kommende Jahr, dass mehr Normalität zurückkehrt. Dafür ist es allerdings wichtig, dass alle, denen es möglich ist, sich impfen lassen!
R.I.P.
Wie immer sind wieder viel zu viele Comic-Schaffende gestorben. Ein paar davon sollen hier eine letzte Erwähnung finden: Marcel Uderzo, Jean Graton, Benôit Sokal, Nikita Mandryka, Raoul Cauvin, Dieter Kalenbach und Gérald Forton.
Die besten Comics in 2021
Auch dieses Jahr wieder präsentiere ich hier meine Favoriten: subjektiv, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und unabhängig von Verlagsbemusterungen. Dem letzten Jahr folgend gibt es wieder die gleichen Kategorien: Alben, Graphic Novels, Gesamtausgaben, Sekundärwerke und Zeitschriften. Ein Sonderpreis geht an das „Comeback des Jahres“. Natürlich darf auch die Liste der meistgeklickten Beiträge des Jahres nicht fehlen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Leser*innen: Die Zugriffszahlen sind um rund 20% gegenüber 2020 gestiegen!
Album des Jahres
Der beste Comic des Jahres kommt für mich aus Deutschland: Ralf König hat sich einen Jugendhelden vorgenommen und ihm nicht nur Brustwarzen verpasst, sondern auch eine sehr liebevolle Hommage verfasst: Zarter Schmelz übernimmt alle klassischen Elemente von Lucky Luke, twisted aber das gesamte Setting. Seine schwulen, knollennasigen Cowboys, die lila Kühe und Calamity Jane sind so großartig, dass sie zurecht den Mainstream erobert haben.
Eine ganz andere Interpretation des „Wilden Westens“ kommt von Jean Dufaux und Rubén Pellejero. Ihr Regenwolf stellt eine Frau als Hauptakteurin in den Mittelpunkt einer Rachegeschichte. Blanche McDell steht im Schnittpunkt von Liebesgeschichten, Mythologie, Rassismus und Männlichkeitswahn. Obwohl die Vermischung dieser Themen in eine langweilige Political Correctness-Definition abgleiten könnte, ist den Autoren hier eine perfekte, spannende Geschichte ohne erhobenen Zeigefinger mit toller visueller Umsetzung gelungen.
Auffällig in diesem Jahr ist die Anzahl der Western unter den Top 5: Nur Mademoiselle J. von Yves Sente und Laurent Verron konnte sich auf Platz 3 dazwischenschieben. Die ursprünglich als Nebenfigur in einem Spirou-OneShot eingeführte wissbegierige junge Dame hat nun ihre eigene Reihe und bringt Zeitgeschichte in dem typischen, leicht modernisierten Marcinelle-Stil an ihre Leser*innen. Sie atmet gleichzeitig den Charme der 30-er Jahre als auch den des Aufbruchs in eine gleichberechtigtere Welt!
Einer meiner Lieblingszeichner ist Patrick Prugne. Obwohl er sich durchaus auch schon anderen Themen zugewandt hat, sind seine Geschichten aus dem westlichen Amerika/Kanada am besten. In Tomahawk erzählt auch er die Geschichte einer „Rache“, allerdings eingebettet in viel Natur und die spannende Vorgeschichte zu einem erbarmungslosen Krieg. Fast jedes Panel könnte gerahmt an einer Wand hängen!
Platz 5 geht an eine überlange Geschichte, die einen Helden einer Serie nach sehr langer Zeit gealtert und vollkommen verändert zurückbringt: Wenn der Tiger erwacht erzählt die Geschichte von Chinaman, seiner Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund der Schrecken des Sezessionskrieges und die Annäherung zwischen ihm und seinem Sohn. Serge Le Tendre und Olivier TaDuc sind nach fast 15 Jahren zu ihrer einstigen Erfolgsserie zurückgekehrt, haben alle Elemente übernommen aber sehr konsequent weitergeführt. So ist eine eigenständige Geschichte daraus geworden, die für sich alleine stehen könnte, aus ihrer „Vergangenheit“ aber noch mehr gewinnt.
Die besten Graphic Novels in 2021
Wie auch bei den Comics war es ein gutes Jahr für Graphic Novels. Die Platzierungen:
Ohne jeden Zweifel geht der erste Rang an Die Bestie von Zidrou und Frank Pé. Ihre Interpretation des Marsupilamis ist so faszinierend anders, dass eigentlich jede*r einen Blick hineinwerfen sollte. Einerseits ist die Story „erwachsen“ geworden: ein verängstigtes, wildes Tier kommt mit einem Schiff als Ware für den Zoo nach Brüssel. Es kann nichts anderes tun, als seiner Natur zu folgen, und sich zu befreien. Dazu passt die langsam wachsende, auf Vertrauen beruhende Beziehung zu einem kleinen Jungen, der seinerseits Ausgestoßener ist. Die Zeichnungen von Pé sind – wie immer – allesamt kleine Kunstwerke!
Platz 2 geht an Das Susan-Problem aus der Neil-Gaiman-Bibliothek. P. Craig Russel und Paul Chadwick haben Kurzgeschichten von Gaiman für das Medium Comic aufbereitet und zusammen mit Scott Hampton gezeichnet. Sie beweisen nicht nur, dass Stoffe von Gaiman wie auch die von Ray Bradbury perfekte Startpunkte für Comic-Kleinode sein können, sondern auch, dass sogar literaturtheoretische Abhandlungen so umgesetzt werden können. Der Preis geht aber auch an die Übersetzung und die vielen editorischen Hinweise für Nicht-Engländer*innen!
Beate und Serge Klarsfeld sind die Nazijäger! Was mit einer Ohrfeige begann, endete mit der erst durch die Beiden möglichen gerichtlichen Verurteilung von vielen Nazi-Kriegsverbrechern. Die spannende Geschichte, die Rückschläge aber auch die unermüdliche Aufopferung im Kampf für Gerechtigkeit und dadurch erst mögliche Freiheit schildern Pascal Bresson und Sylvain Dorange!
Platz 4 geht an die in diesem Jahr beendete Gesamtausgabe von Omaha, eine erotische Soap-Opera, die weit weg ist von jedem Schmuddelfaktor! Kate Worley (und nach ihrem Tod Jack Vance für den Abschluss der Serie) hat eine Geschichte im Schnittpunkt von Korruption, Machtmissbrauch, gesellschaftlicher Veränderung und Beziehungsproblemen geschrieben, die auch die Freuden des Sex nicht auslässt. Reed Waller, anfangs noch ihr Ehemann, später von ihr geschieden, hat das Ganze im Furry-Stil graphisch umgesetzt und damit einen der Klassiker des Independent-Comic gezeichnet. Auch heute noch lesenswert!
Der Reigen wäre nicht vollständig ohne die Kinder der Resistance! Auch hier ist die Geschichte an sich nicht neu, die Veröffentlichung in Deutschland ließ aber auf sich warten. Es gab im vergangenen Jahr einige Geschichten über die Resistance, das Schicksal von Kindern unter der deutschen Besatzung und die zaghaften, teils gescheiterten, teils erfolgreichen Versuche der Gegenwehr. Dazu zählen etwa die Bände von Émile Bravo oder Kris/Bailly. Die Kinder der Resistance von Vincent Dugomir und Benoît Ers beschreiben die anfängliche Naivität und Emotionalität und die Entwicklung hin zu wirklichem Widerstand aber auch wirklicher Gefahr für die Handelnden.
Die besten Gesamtausgaben in 2021
Trara! Platz 1 im Bereich der Gesamtausgaben geht an Caroline Baldwin! Schreiber & Leser fährt dabei zweigleisig: Einerseits erscheinen die bereits früher auf Deutsch veröffentlichten Geschichten (1 bis 16) in vier Sammelbänden von denen 3 bereits erschienen sind, andererseits veröffentlichen die Hamburger die bisher nicht erhältlichen Bände 17 bis 19 in Einzelbänden. Für das kommende Jahr sind dann noch Specials geplant! Die Heldin der in einer modernen Klaren Linie gezeichneten Geschichten von André Taymans ist tough, hat ein Alkoholproblem, ein selbstbestimmtes Sexualleben und ist HIV positiv. Das hält sie aber nicht davon ab, auf der ganzen Welt zu ermitteln und immer auf der Seite der Schwachen zu stehen. Zum Serienkompass.
Platz 2 geht an Jerry Spring. Der „Vater des europäischen Westerncomics“ war vor Jahren fast komplett in einer schwarz-weißen Integralausgabe erschienen. Nun hat der All-Verlag die erste farbige komplette Ausgabe gestartet, die nicht nur alle von Jijé gezeichneten Geschichten beinhalten wird, sondern auch den letzten Band von Festin und Franz, der in 2021 erstmals auf Deutsch im ZACK erschienen ist. Ohne Jerry Spring hätte es vermutlich weder Blueberry noch Comanche gegeben.
421 ist eine Serie über einen Geheimagenten von Stephen Desberg und Eric Maltaite. Der Held ist aber nicht nur von James Bond beeinflusst, sondern übernimmt auch Elemente von Indiana Jones und schreckt sogar vor Zeitreisethematiken nicht zurück. Erstaunlicherweise hat diese klassische Geschichte aus dem Spirou-Magazin in der Vergangenheit keinen Weg nach Deutschland gefunden. Das Integral präsentiert daher deutsche Erstveröffentlichungen: Platz 3!
Platz 4 teilen sich gleich drei Integrale von klassischen ZACK-Serien. Die Collector’s Edition von Greg/Hermanns Comanche war ein Meilenstein der jetzt in Sammelbänden angeboten wird. Édouard Aidans und Yves Duval haben mit Sven Janssen einen Abenteurer kreiert, der die ökologischen Aspekte in den Vordergrund stellt und bereits früh kolonialistische Missstände und Hunger in Beziehung gesetzt hat. Ebenfalls besonders ist, dass er alles zusammen mit Frau und kleinem Kind erlebt. Schließlich kommt auch die Collector‘s Edition von Michel Vaillant von Jean und Phillippe Graton erstmalig auf den deutschen Markt. Alle Kurzgeschichten und ungekürzten Geschichten in 20 Hardcovern mit einheitlichem Rückendesign und vielen editoriellen Notizen.
Die besten Sekundärwerke in 2021
Dieses Jahr haben es drei Werke über längst verstorbene Künstler in die Top 3 geschafft.
Das beste Werk ist mit Sicherheit der als Ausstellungskatalog entstandene aber auch perfekt solo zu genießende Band von Dr. Alexander Braun über Will Eisner. Graphic Novel Godfather führt ein in das Werk des amerikanischen Ausnahmekünstlers und beschreibt die Innovationen des Spirit sowie die Gebrauchsorientiertheit seiner Sachcomics die schließlich dazu geführt haben, dass Eisner zum Godfather der modernen Graphic Novel geworden ist. Viele Bildbeispiele belegen den leicht verständlichen, flüssig geschriebenen und extrem informativen Text. Wenn alle Sekundärliteratur so gut lesbar wäre gäbe es nur noch Expert*innen!
Platz 2 geht an die Fleißarbeit des Bremers Kai Stellmann und Science Fiction Pop Art Nick. Die im Selbstverlag erschiene Untersuchung ist nie fertig: Mit jeder neuen Auflage kommen Details hinzu. Stellmann belegt für alle Nick-Geschichten aus der Feder von Hansrudi Wäscher welche Quellen und Inspirationen eingeflossen sind und welche Absichten Wäscher damit verbunden haben könnte. Besser kann der Einblick in einen Entstehungsprozess nicht sein.
Platz drei geht erstmals an ein nicht gedrucktes Medium! Nun ja, es gibt eine kleine Begleitbroschüre, der Gewinner ist aber ein Film: Katzenjammer Kauderwelsch von Martina Fluck! Sie dreht die Annäherung eines Comic-Zeichners aus Heide – Tim Eckhorst – an die großen Söhne der Stadt, Rudolph und Gus Dirks, die in den USA Karriere gemacht haben. Katzenjammer Kids lief schlussendlich bis 2006 und ist einer der ganz großen Zeitungsstrips. 85 lohnende Minuten auf DVD!
Die besten Zeitschriften in 2021
Überraschenderweise heißt der Seriensieger bei Zeitschriften wieder ZACK! Das Magazin feiert in 2022 das Erscheinen der ersten Ausgabe von vor 50 Jahren und profitiert nach dem Verlagswechsel zu Blattgold davon, dass Verleger und Chefredakteur Georg F. W. Tempel nun frei schalten kann. Mit Blechschildern und Pins sowie einer neuen Albenreihe nur für Abonnent*innen expandiert der Kosmos. ZACK bringt sowohl erneuerte Klassiker wie Rick Master, Michel Vaillant oder Tanguy & Laverdue wie auch hochklassige europäische Comic-Kunst wie Amoras, Rani oder Millenium Saga! Die bei euch am häufigsten angeklickte Rezension war im Übrigen die Nummer 264.
Platz zwei geht an ein immer noch innovatives Medium aus den Niederlanden: StripGlossy präsentiert viermal im Jahr eine Mischung aus Sekundärliteratur, Interviews und aktuellen Comics mit und über Comicschaffende aus dem niederländisch/flämischen Raum! Definitiv das Highlight des Jahres war die Doppelnummer 21/22 über Suske en Wiske die sogar in eine zweite Auflage gehen musste!
Cover der ersten Auflage
Die Reddition ist wohl die bekannteste und anerkannteste Sekundärzeitschrift Deutschlands. Zweimal im Jahr erscheint eine Nummer, die sich tiefschürfend mit einem Thema beschäftigt. Durch die gewählte Breite der Artikel kann das gewählte Gebiet oder der Künstler im Fokus vielseitig beleuchtet werden. 2021 ging es um Tillieux und Comics und Musik (Rezension folgt).
Comeback des Jahres
Wie immer an dieser Stelle eine lobende Erwähnung eines – oft unerwarteten – Comebacks einer Serie oder eines Einzeltitels. Dieses Jahr fällt die Wahl schwer und daher sind es dieses Jahr zwei ganz unterschiedliche Gewinner, die es zu feiern gilt: Einerseits hat der Taschen Verlag gerade mit der Marvel Comics Library ein neues Projekt gestartet, das Meilensteine in einem XL-Format wieder zugänglich macht. Band 1 Spider –Man 1962 – 1964 ist gerade erschienen (und mittlerweile auch besprochen). Neben einer informativen Einführung präsentiert der limitiert Prachtband den unvergesslichen Run von Stan Lee und Steve Ditko über den wohl untypischten Superhelden aller Zeiten! Noch nie habe ich Spider-Man in diesem Format genießen können!
Andererseits hat Georg F. W. Tempel damit begonnen, bisher unentdeckte Perlen der ZACK-Geschichte aufzubereiten. Johnny Focus von Attilio Micheluzzi ist so eine! Vier schwarz-weiße Stories über den Reporter sind in Der Weg nach Mombasa bereits erschienen, eine weiter kommt in der diesjährigen Aprilausgabe des ZACK. Durch die fehlende Kolorierung sind die Fähigkeiten des Zeichners unverfälscht sichtbar. Erstaunlich, dass es noch so vieles von dieser Serie auf Deutsch zu entdecken gäbe.
Dahinter kommt eine ebenfalls dicht gedrängte Gruppe, angeführt von Johnny Focus: Serienkompass Bruno Brazil, Lucky Luke 99 und das Programm des All-Verlages.
Will Eisner von Alexander Braun, die Berichte über Asterix 39 und über den Abschluss der Michel Vaillant Reihe im MOSAIK-Verlag komplettieren die Top 10.
Immer für euch unterwegs
Was bleibt?
Auch dieses Mal verbleibe ich mit den besten Wünschen für ein tolles, erfolgreiches und von Gesundheit geprägtes Jahr! Stay safe and healthy! Ich freue mich über eure Kommentare.
Westernserien haben typischerweise weiße Helden! Frauen nehmen zwar mittlerweile größere Rollen ein, sind aber doch deutlich in der Minderheit. Daneben gibt es natürlich die amerikanischen Ureinwohner*innen die entweder den klassischen „edlen Wilden“ geben dürfen oder tatsächlich in eigener Rolle porträtiert werden. Aus Afrika Verschleppte haben üblicherweise die Sklav*innenrolle gepachtet. Selbst bei Lucky Luke brauchte es Jahrzehnte bis zur ersten farbigen Hauptrolle. Noch schwieriger allerdings sieht es bei Rollen für aus dem chinesischen Raum Eingewanderte aus, die nicht Wäschereibesitzer oder Schienenverleger darstellen sollen.
Hier spielte die Serie Chinaman eine rühmliche Ausnahme. Chen Long war auf der Flucht vor den Triaden nach Amerika gekommen und hatte seine Rolle gefunden. Die bisher nicht komplett auf Deutsch vorliegende Serie ist nun (endlich) bei Salleck Publications für das kommende Jahr angekündigt.
Next Generation
Mit Der Tiger erwacht ist aber ein Band bereits erhältlich, der die Geschichte weiterführt. Chen Long leidet an einer Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund seiner Erlebnisse im amerikanischen Bürgerkrieg. Natürlich war das damals keine anerkannte Krankheit und er flüchtet sich in einen Kreislauf aus Depression und Opiumrausch. Sein Freund Markus ist der Einzige, der versucht, ihn daraus zu befreien und immer wieder nach Hause zurückbringt. Auf einer dieser Touren geraten sie in eine Schießerei. Banditen versuchen, eine entflohene Frau wieder einzufangen – Markus wird dabei getötet.
Es stellt sich heraus, dass die Entführte als Druckmittel bei einer Erpressung verwendet worden ist. Die Agentur Pinkerton wird mit der Sache betraut und wie der Zufall es will ist auch ein Neuling dabei. Er hat eine weiße Mutter und einen chinesischen Vater und wird im Verlauf der Geschichte immer wieder mit rassistisch motivierten Situationen zu kämpfen haben. Er ist aber auch der uneheliche Sohn von Chen Long, der von dessen Existenz bisher allerdings nichts geahnt hatte.
Matt Monroe, so sein Name, hatte mit einem Jurastudium begonnen, war dann aber frustriert und wollte für das Gute arbeiten. Sein Adoptivvater versucht allerdings immer wieder, ihm einen zukunftsgerichteten Job anzudrehen, etwa bei einer der neuen Ölgesellschaften.
Wieder ist es Serge LeTendre gelungen, nicht nur eine überlange sehr spannende Geschichte zu schreiben in der sich Elemente aus Western und Krimi wiederfinden. Er thematisiert auch den rassistischen Grundton vieler Weißer, den Konflikt der traditionellen Farmer gegen die „modernen“ Erdölbarone und natürlich auch die Frage der berechtigten (?) Gewalt.
Realistische Zeichnungen mit großer thematischer Breite
Die realistischen Zeichnungen von Olivier TaDuc schließen an die Serie deren letzter Band 2007 erschien an. Natürlich ist dabei der Held älter geworden und haben Architektur und Kleidung einen Sprung gemacht. Sowohl Szenen in der Natur als auch in städtischem Umfeld wirken echt, die als Erinnerung wiederkehrenden Schlachtfeldszenen grausam genug um zu wirken aber nicht splattermäßig. Auch die Kampfszenen wirken glaubwürdig und lassen vermuten, dass TaDuc Ahnung von Martial Arts hat.
Entsprechend der eingangs erwähnten Rahmenbedingungen gelingen die Frauenfiguren ganz gut. Er darf hier handelnde Frauen zeichnen, die sich wehren und Verantwortung übernehmen und muss dementsprechend auch die Körperhaltung anpassen. Die Mischung aus Zurückhaltung, Angst und dem entschlossenen „aber-trotzdem“ gelingt!
Eine gelungene Reprise
Nach rund 15 Jahren zu einer abgeschlossenen Serie zurückzukehren ist nicht einfach. Das Thema muss noch stimmen, das Gefühl für die Figuren wieder neu und doch alt entwickelt werden und auch die Zusammenarbeit muss wieder/noch passen. Le Tendre und TaDuc haben hier einen sehr gut funktionierenden Ansatz gewählt. Durch den Zeitsprung von rund 20 Jahren können sie die Handlung modernisieren, die Figuren und die Stimmung anpassen und neue Aspekte hinzufügen, ohne das Konzept zu zerstören.
Handwerklich auf hohem Niveau erzählt die überlange Geschichte eine eigenständige Story, die zu der alten Serie passt und trotzdem neue Leser*innen möglich macht. Spannend, fragenstellend und der Westernideologie am Schluss einen Spiegel vorhaltend ist mehr als nur ein weiterer Western daraus geworden, der allen Fans des Genres zu empfehlen ist.
Dazu passen Laway mit „Laat Jö Nich Unnerkriegen!“ und ein Woodford Reserve Rye Whiskey.
In den 80-er Jahren prägte neben James-Bond-Filmen und Science-Fiction-Epen besonders Indiana Jones die Kinolandschaft. Was lag also näher als die Heldentypen genreübergreifend miteinander zu verbinden? Gleichzeitig musste der Comic-Mainstream selbst in „Spirou“ erwachsener werden um sich gegenüber der Konkurrenz behaupten zu können. Das ist der Hintergrund für 421.
Britisches Understatement und Action
Die aus dem Kino bekannte dreistellige Bezeichnung für Agenten hat Desberg für den eigenen Helden und seine Kolleg*innen übernommen: 421 und auch 428 sind im Auftrag ihrer Majestät unterwegs. Diese im französischen Raum durchaus erfolgreiche Serie hatte bisher den Sprung nach Deutschland nicht wirklich geschafft und so sind alle 4 Abenteuer dieser Gesamtausgabe Deutsche Erstveröffentlichungen.
Selbstmorde sind oft nicht ganz einfach. Es scheint, als hätte sich eine Organisation darauf spezialisiert, diese Dienstleistung für Reiche anzubieten. Es existiert ein Katalog mit einer Vielzahl von buchbaren Leistungen, die nicht nur den Tod garantieren, sondern auch noch angenehme letzte Stunden versprechen. Irgendetwas daran scheint aber faul zu sein und so beauftragt 421 zum Schein seinen eigenen Tod. Eine spannende Geschichte beginnt mit Laboratorien, skrupellosen Geschäftemachern und einer Vielzahl von Killern.
Danach geht es nach China! Eine wundersame Maschine die das gegnerische Atomwaffenpotential vernichten könnte ist verschwunden. Natürlich wollen die westlichen Geheimdienste verhindern, dass diese den Russen in die Hände fällt. Die Übergabe scheint während einer Rallye durch China stattfinden zu sollen und so muss 421 kurzfristig in ein existierendes Team eingeschleust werden. Nicht nur ist die dadurch verdrängte Pilotin sauer, auch die verbleibende fürchtet um ihre Chancen. 421 beweist im Reich der Mitte nicht nur seine Alleskönner-Fähigkeiten, sondern bemüht auch seinen Charme für amouröse Kontakte und folgt damit seinen Vorbildern.
Das folgende Abenteuer erstreckt sich über zwei Bände und vollzieht den Wandel in der Zielgruppe. Die Geschichten werden mit Scotch Malaria härter, die Anspielungen expliziter. Eine britische Archäologin wird in Kamerun entführt und 421 wird mit ihrer Befreiung beauftragt. Er schließt sich dafür einer Söldnertruppe an und muss sich zunächst einmal in einem brutalen Umfeld beweisen. Schließlich kann er die Zielperson sogar befreien, wird allerdings gefangengenommen bevor er sie in Sicherheit bringen kann. Die Kinder der Pforte beginnt damit, dass 421 als Sklave verkauft wird. Zwar gelingt ihm die Flucht, er stellt aber fest, dass die Welt um ihn herum plötzlich anders ist. Das im ersten Teil gefundene Artefakt ermöglicht Zeitreisen und die Aufgabe besteht nun darin, alles wieder „auf Normal“ zu setzen.
Ein Held entwickelt sich
Auch an den Zeichnungen von Eric Maltaite lässt sich die Entwicklung ablesen. Was als eine der vielen Serien im typischen Spirou-Stil begonnen hat, wird im Laufe der Zeit viel realistischer und moderner. Die Figuren gewinnen an Detail, Körper an Proportionen und Kampf-Szenen werden detailreicher. Der als Sklave gehaltene Held ist zwar muskulös, zeigt aber deutliche Spuren der Strapazen und wirkt schon fast verwahrlost.
Nicht zuletzt werden die Frauen im Laufe der Zeit verführerischer und körperlicher. Ein Auftritt einer verheirateten Frau im Negligé mit dem Ziel, jemand anderen ins Bett zu bekommen, wäre einige Jahre vorher noch an allen möglichen Zensurstellen gescheitert (vgl. den Artikel im ZACK 269 – 271). Sehr gut gelungen sind die alternativen Zukunftsentwürfe und das teilweise sehr innovative Seitenlayout.
Ein empfehlenswertes Kleinod
Es ist nicht wirklich zu erklären, warum diese Serie bisher in Deutschland so wenig Beachtung gefunden hat. Sowohl Eric Maltaite (Schock) als auch Stephen Desberg (Empire USA) sind hierzulande nicht nur nicht unbekannt, sondern durchaus geschätzt und die Serie 421 hat zwar ein wenig altmodisches Flair und erinnert mehr an Sean Connery und Roger Moore als an Daniel Craig. Die Geschichten sind spannend und stimmig erzählt sowie handwerklich prima illustriert!
Für alle, die einerseits klassische Abenteuerstories, auch aus dem Geheimdienstmillieu, mögen, ein klarer Tipp! Wieder hat es Eckart Schott geschafft, eine Perle aufzutreiben und zu verlegen und wie immer in perfekter handwerklicher Ausstattung. Auch die einführenden Worte und Illustrationen zusammengestellt von Didier Pasamonik sind gut zu lesen und extrem informativ!
Dazu passen die Bananafishbones und ein Schwarzriesling, etwa von Kallstadt.
Mittlerweile liegt mit dem dritten Band die gesamte Serie bei Salleck Publications auf Deutsch vor. Dabei hat Rider on the Storm durchaus eine interessante Entwicklung durchgemacht. In Band 1 stand eine junge Ermittlerin im Fokus: Ihre Kollegen waren keinesfalls bereit, einer Frau irgendwelche Zugeständnisse zu machen und die heute etwas verklärten 70-er ließen grüßen. Band 2 war dann eine Mischung aus Krimi und Drama. Immer schon lief die Vorliebe des Helden für Motorräder mit, für Band 3 darf sie in den Vordergrund treten.
Die Legende MV Augusta
Wer kann sich noch an „Ago“ erinnern? Kaum ein Motoradsportler hat sich so in die Herzen der westlichen Welt gefahren wie dieser Italiener, der Ende der 60-er bis Mitte der 70-er die Pisten auf einer MV Augusta dominierte. Gaspard, der Held dieser Serie, hat mittlerweile erfahren, dass sein echter Vater gar nicht gestorben ist, sondern in Italien lebt. Er macht sich also auf in den Süden nach Rom und versucht dort, einerseits seinen Vater aufzuspüren.
Da er aber auch leben muss und seine große Liebe sowieso den Rennmaschinen gilt, versucht er gleichzeitig, eine Einstellung bei MV Augusta als Rennfahrer zu bekommen. Viele Seiten dieses Bandes handeln davon, wie die Maschine reagiert, wie Fahrer und Motorrad zu einer Einheit werden können, aber auch müssen und was dabei behindert.
Daneben geht auch der Krimiplot weiter. Die Organisation Storm entpuppt sich als größer und internationaler als gedacht und es ist keineswegs ausgemacht, dass der hinter Gittern sitzende Raoul de Groot seinen Einfluss verlieren wird. Spannende Verknüpfung dieser beiden Stränge durch das Szenario von Géro!
Gezeichnete Bewegung
Baudovin Deville obliegt es, die Geschwindigkeit der MV Augusta und ihren Sound auf das Papier zu bringen. Einerseits verwendet er dafür klassische Elemente wie Bewegungslinien und Soundwords. Jede*r Liebhaber*in von Motorsportcomics wird hiervon ebenfalls begeistert sein. Er nimmt sich dabei aber selber nicht allzu ernst, wenn er etwa den erschrockenen Igel benutzt, um die Situation darzustellen. Mir gefällt das!
Personen werden bevorzugterweise nur bis zum halben Oberkörper gezeigt. Deville kann aber auch Bewegungen und ganze Körper darstellen, es passt ihm scheinbar einfach nicht so. Realistische Zeichnungen mit gut recherchiertem Ambiente, das die Luft der 70-er atmet.
Spannende Serie
Die in drei Bänden abgeschlossene, in sich sehr abwechslungsreiche Serie bedient verschiedene Geschmäcker. Zunächst einmal ist es ein gut gemachter Krimi. In allen Bänden bekommen Motorradfans ihre Spezialseiten, im dritten sogar auch viel Renngeschehen. Und auch die 70-er Jahre sind gut dargestellt und abgehandelt: Mode, gesellschaftliche Konflikte aber auch Lebensentwürfe!
Der Hardcoverband enthält nicht nur einen kurzen gezeichneten Rückblick auf die ersten beiden Teile, sondern auch Infomaterial zu MV Augusta und den Rennen. Der Einband ist sehr ansehnlich gestaltet und preislich ist der Band ebenfalls völlig in Ordnung. Im Regal steht er wahrscheinlich näher an Michel Vaillant als an Parker oder Caroline Baldwin.
Dazu passen The Knack (etwa My Sharona) und ein Dosenbier.
Harry und Platte waren schon etwas in die Jahre gekommen.
Ihren ersten Auftritt hatten sie 1938 und sie waren eine von vielen Comics, die
vom Slapstick lebten und bei denen der Humor deutlich über einem stringenten
Storyaufbau stand. Mitte der 50-er Jahre erlebte die Serie allerdings einen
rasanten Wechsel: Mit den Szenarios von Rosy
für die Zeichnungen von Will, der
Figur des Schock und spannenden Episoden erreichte die Serie ihren Höhepunkt.
Auch unter Tillieux und Desberg zeichnete Will fleißig weiter und erst mit seinem Rückzug begann der Niedergang.
Mit der ebenfalls bei Salleck
erschienenen dreibändigen Origin-Story des behelmten Verbrechers Schock Die Geister von
Knightgrave wurde der erste Versuch eines Relaunchs gestartet. Er war anscheinend
erfolgreich genug um jetzt mit dem aktuellen Album von Blutch und Robber einen
weiteren Mosaikstein hinzuzufügen!
Die Story
Es beginnt mit einem Einbruch; die beiden Täter können
entkommen und die herbeigerufene Polizei findet den gefesselten Besitzer der
Villa sowie einen Raum mit einer Vielzahl von gestohlenen Bildern und
Kunstgegenständen vor. Die Leser*innen können unschwer entdecken, dass Harry
und Platte hinter diesem Coup stecken.
Bei einer Lesung ihres neuen Buches über eben diesen Kunsthehler (das es auf französisch wirklich gibt!) erhält Harry ein Buch mit der Frage, wo Kiki sei, und versucht noch den Überbringer zu stellen. Tatsächlich stellt sich heraus, dass die Comtesse, häufige Begleiterin der beiden Helden, verschwunden ist, und viele Anzeichen deuten auf eine Entführung. Dazu kommt, dass sich die Tochter des Einbruchsopfers nicht damit abfinden will, dass ihr Vater im Knast sitzt. Sie versucht mit allen Mitteln, ihn zu befreien und schnell wird deutlich, dass es eine Verbindung geben könnte.
Robber gelingt es,
eine sehr ausbalancierte Geschichte zwischen Situationskomik und sogar Klamauk
auf der einen und einer raffinierten Kriminalgeschichte auf der anderen Seite abzuliefern,
die dazu noch ein phantastisches Element enthält. Sie passt sich daher sehr gut
an die Essenz der Originalserie an, modernisiert aber trotzdem.
Die Zeichnungen
Blutch ist ein hochdekorierter Künstler und einer der aktuellen Stars der französischen Szene. Seine bisherigen Arbeiten waren allerdings alles andere als leichter Mainstream und auch mit dieser Adaption bewegt er sich nicht in seichtem Fahrwasser. Seine Figuren sind auf den ersten Blick nicht gemäß der klaren Linie oder der Marcinelle-Schule, zu überzeichnet und zu „dunkel“ kommen sie daher. Während Harry seinem Vorgänger äußerlich noch sehr ähnlich sieht, ist Platte ohne ihn kaum einzuordnen. Dabei sind alle markanten Merkmale vorhanden und nur leicht verschoben. Das allein ist schon Grund genug für Fans, diesen Band zu kaufen und für alle, die dem momentanen Trend der “Hommage-Bände“ frönen, sowieso!
Für die betulichen 60-er Jahre wären die Zeichnungen zu krass, in den später aufkommenden Zeitschriften mit Comics für Erwachsene aber sicherlich hochwillkommen gewesen. Heute sind sie nicht mehr schockierend, die Bildsprache hat sich gewandelt und für die nachgewachsenen Leser*innen, die die Originale nicht aus ihrer Jugend kennen, ist der Stil sicherlich viel akzeptabler als das Original und so verwundert es auch nicht, dass das Album im französischen Spirou vorabgedruckt worden war.
Die Wertung
Für mich eine sehr gelungene Modernisierung einer schon
früher sehr guten Serie. Die alten Hasen werden viele kleine Hinweise und
Zitate auf das Original finden, den Neueinsteiger*innen wird eine schnelle,
leicht überdrehte Krimigeschichte mit Mystery-Elemente geboten!
Das übergroße Format im Hardcover, das feste, die Farben sehr gut zur Geltung bringende Papier und der dafür sehr angemessene Preis verhindern definitiv einen Fehlkauf und wer will, kann sogar zu einer limitierten Vorzugsausgabe greifen, die zusätzlich ein signiertes ExLibris und Zeichnungen enthält.
Cover der limitierten Vorzugsausgabe
Wer jetzt noch weiterlesen möchte: Nicht nur die oben
bereits erwähnte Serie um den Hintergrund des Schock erscheint bei Salleck Publications, auch die Originalserie
erscheint hier in chronologischer Abfolge als Gesamtausgabe!
Dazu passen die grandiosen Berurier Noir aus Frankreich und ein Triple Secret des Moines.
Harry und Platte
(oder auch Gin & Fizz zu Kauka– und Semic-Zeiten bzw. Tif et Tondue
im Original) war eine der bekanntesten Serien aus Spirou. Sie war schon in der ersten Ausgabe 1938 mit von der Partie
und lief fast 60 Jahre bis sie – wie wir heute wissen – vorläufig eingestellt
wurde. Das aktuelle Heft 4241 bringt dir Rückkehr der beiden Helden aus der
Feder der Gebrüder Blutch.
Bereits seit 2014 ist Schock zurück. Ursprünglich von Maurice Rosy in die Serie eingeführt, entwickelte sich der Bösewicht mit dem Ritterhelm schnell zu einem wesentlichen Bestandteil der Serie und führte als brutaler Gegenspieler die beiden Titelhelden oft genug an den Rand der Verzweiflung. Obwohl sich Herr Schock und seine Organisation Die Weiße Hand im Endeffekt nie als Sieger fühlen durften, haben sie doch in der ganzen Zeit nie wirklich verloren und so war die Identität des maskierten Verbrechers bisher nicht gelüftet worden.
Die dreiteilige Reihe Die
Geister von Knightgrave sollte genau mit diesem Pfund wuchern können,
beschreibt sie doch die Entwicklung eines jungen Mannes – Eden – , der unter
seinem Vater leidet, hin zu einem bösartigen Verbrecher. Besonderen Charme
zieht die Geschichte daraus, dass Éric
Maltaite, der Zeichner der neuen Abenteuer des Herrn Schock, der Sohn von Will Maltaite ist, der fast 40 Jahre
lang die Hauptserie gezeichnet hatte.
Die Geschichte
Der dritte Teil beginnt mit einer wilden Verfolgungsjagd in Istanbul Mitte der fünfziger Jahre. Der Text aus dem Off stammt von dem maskierten Schock und endet mit den Worten „Ich habe Frieden gefunden“.
Diese Sequenz ist auch schon typisch für einen Teil des
Comics: Viel Action, lautes Gedonner der Kanonen oder Bomben, schnelle Schnitte.
Die Umsetzung als Kinofilm ist hier bereits vorweggenommen und es wird ein pyrotechnisches
Spektakel erster Güte geboten. Andererseits ist die Geschichte aber auch sehr
ruhig erzählt, wenn sich die Inspektoren Allumette und Fixchusset nach einer
Beerdigung unterhalten. Insgesamt aber bestimmen die temporeichen Elemente die
Geschichte. Stéphan Colman bringt
aber auch viel Zeitgeschichte in seinem Szenario unter. Episoden spielen zu
Beginn des Hitlerregimes im Berlin der Olympischen Spiele oder auf dem
Obersalzberg bzw. zeigen die Hamburger Bombennacht, die zu dem Feuersturm
führte, der weite Teile der Stadt vollkommen zerstörte.
Die Geschichte springt dabei munter zwischen den verschiedenen Zeiten und vermischt das Ganze noch mit einer Entführung. Colman und Maltaite lassen sich aber viel Zeit für die einzelnen Handlungsbestandteile. Immerhin ist auch dieser dritte Teil wie die ersten beiden 86 Comicseiten lang.
Die Leser*innen erfahren im Übrigen nicht nur, wer der Schock
ist, sondern z. B. auch, dass sein Vater seine Soldatenspielfiguren verbrannt
hat, der Kleine und auch sein Vater von seiner Mutter sehr geliebt worden sind
und dass sich der Verbrecher trotz aller seiner Fehler um eine alte Nachbarin
kümmert. Niemand – und das ist das gute an der Geschichte – wird eindimensional
dargestellt und nichts ist so einfach, wie es scheint.
Dadurch hält sich die Story natürlich das Potential für weitere Geschichten offen. Viel wichtiger ist aber, dass es dadurch mehr Spaß macht, den Entwicklungen zu folgen und die Scheidepunkte zu reflektieren. Wäre eine andere Möglichkeit gegeben gewesen? Und fast immer lautet die Antwort „ja“.
Das letzte Panel, soviel sei verraten, bildet einen
perfekten Übergang zum ersten Auftreten des Verbrechers in der Originalserie.
Die Umsetzung
Dieser Abschlussband erscheint wie schon seine Vorgänger in etwas größerem Format als Hardcover und auf festem, leicht glänzendem Papier. Die ebenfalls erhältliche, auf 250 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe ist wegen der zusätzlichen Skizzen und Illustrationen sogar noch etwas dicker und beinhaltet ein signiertes Ex Libris sowie ein anderes Covermotiv. Der Preis von 25€ (bzw. 59 für die VZA) ist somit angemessen. Erschienen ist das Ganze beim rührigen Eckart Schott Verlag der nicht nur unter dem Namen Salleck Publications ein ums andere Mal Perlen der frankobelgischen Comickunst nach Deutschland bringt, sondern auch seit mehreren Jahrzehnten Zeichner*innen zu Comic Börsen, Messen und ähnlichen Veranstaltungen einlädt!
Variantcover der limitierten Ausgabe
Naturgemäß ist es bei einer von Anfang an auf drei Teile
angelegten Story nicht einfach, erst später einzusteigen und so würde ich für
den vollen Genuss tatsächlich die Anschaffung aller Bände empfehlen! Wenn, ja
wenn? Es lohnt sich für diejenigen, die Fans der ursprünglichen Geschichten um Harry und Platte sind und wissen wollen,
warum der Herr Schock wurde was er ist. Die Story selbst ist eine lange aber
spannende Geschichte über den Reiz des Verbrechens im Vergleich mit dem schnöden
Leben des Gesetzestreuen – aber keine Angst für die Moraltreuen: Verbrechen
lohnt sich im Endeffekt dann doch nicht, denn der Ritterhelmträger siegt ja
nicht wirklich (siehe oben). Es ist ein sowohl gut konstruierter als auch gut
gezeichneter Beitrag des aktuellen frankobelgischen Schaffens (abseits von
Fantasy jeglicher Spielart) und die Ausgabe ist herstellerisch schön gemacht.
Dazu passen viele Sachen und dann doch wieder nichts
richtig. In Anbetracht des Schlusses empfehle ich dazu ein englisches Ale und
ein wenig Britpop von Pulp.