ZACK wird 50 – Fragen an Georg F. W. Tempel

Das Jubiläum wirft seine Schatten voraus

Im April jährt sich die erste Ausgabe des damals neuen Comicmagazins ZACK zum 50sten mal. Der zum Springerkonzern gehörende Koralle-Verlag bot frankobelgische Kunst nicht als erster, auch Kauka, Semrau und die Mickyvision hatten das schon getan. Das ZACK brachte aber erstmals nur frankobelgische Ware, verstand es, seine Leser*innen mit Aktionen, Club-Geschehen und redaktionellen Seiten zu binden und erhielt schließlich sogar einen europäischen Award dafür.

50 Jahre ZACK - Cover ZACK 274
Das Jubiläumscover

Zu Hochzeiten hatte das Heft Ableger in mehreren Ländern und Künstler, die ihre Serien nicht mehr bei Tintin, Spirou oder Pilote ablieferten sondern hier. Man war also vom Lizenznehmer zum Lizenzgeber geworden. Das Heft wurde von ZACK-Alben und ZACK-Paraden im Taschenbuch begleitet und schaffte es, den Markt nachhaltig zu prägen („Generation ZACK“). Trotzdem war irgendwann die Luft raus und das Konzept und die Marke verschwanden 1980 vom Markt.

Die Jahre vergingen und verschiedene Magazine versuchten immer mal wieder vergeblich, an die alten Erfolge anzuknüpfen. 1999 schließlich war es soweit, im Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag erschien eine neue Nummer 1 und unterschiedliche Chefredakteure entwickelten das Konzept des „neuen“ ZACK weiter. Nach 255 Ausgaben schließlich wechselte das ZACK in den Blattgold Verlag. Der Chefredakteur Georg F.W. Tempel ist seitdem auch Herausgeber und Verleger.

Comix-online hat das ZACK schon immer begleitet und so war es nur logisch, nachzufragen, wie das Jubiläumsprogramm aussehen wird und was die Leser*innen in 2022 sonst noch erwarten wird. Wie schon in den 70-ern gibt es neben dem Heft auch wieder zusätzliche Aktivitäten: Ein Album-Programm exklusiv für Abonennt*innen, Blechschilder und Pins und bald sogar eine Comic-Reihe für alle. Vorhang auf!

Cover ZACK 01
Das erste „neue“ ZACK

Das Interview

c-o: Hallo Georg, 2022 ist für das ZACK ein ganz besonderes Jahr, ist es doch 50 Jahre her, dass die erste Ausgabe im damaligen Koralle-Verlag erschien. Du hast schon mehrfach angedeutet, dass besonderes geplant ist. Kannst du hier den aktuellen Planungsstand nochmal zusammenfassen?

GT: Genau, im April 1972 ist das erste ZACK-Heft im Koralle Verlag erschienen. Ich denke, es ist nicht übertrieben, wenn man sagt,  dass die Nachbeben dieses Starts auch heute noch in der deutschen Comic-Szene zu spüren sind. Deshalb planen wir für die April-Ausgabe von ZACK eine Umfangserweiterung auf 100 Seiten, die wir vor allem mit Comics füllen wollen und weniger mit Selbstbeweihräucherungen. Über die Historie von ZACK ist schon so viel geschrieben worden, dass man das nicht noch einmal wiederkäuen muss. Wir haben uns für die Jubiläumsausgabe einen Mix aus Alt und Neu einfallen lassen. Neben den Fortsetzungen von „Harmony“, „Die Bank“, „Rani“ und dem alten ZACK-Helden Mick Tanguy, wird es den Neustart eines weiteren ZACK-Veteranen geben. Mit „Bob Morane – Die 100 Dämonen des Gelben Schatten“ kommt das brandneue Abenteuer aus der Feder von Christophe Bec, Éric Corbeyran (beide Autoren) und Paolo Grella (Zeichnungen) zum Abdruck. Dazu gesellen sich dann noch Dan Cooper in einer frühen Kurzgeschichte, die es bisher nur im Taschenbuch gab, sowie Johnny Focus, dessen Abenteuer im Goldenen Dreieck nicht nur eine deutsche Erstveröffentlichung ist, sondern auch das letzte, das Attilio Micheluzzi gezeichnet hat. Außerdem werden wir das Cover der Ausgabe am Layout des ersten Heftes von 1972 anlehnen.

50 Jahre ZACK - Detail Johnny focus

c-o: Wow, das bedeutet also, dass sowohl die „Generation ZACK“ auf ihre Kosten kommt wie auch die Fans des aktuellen europäischen Comics!

GT: Ich denke, dass wir hier eine ganz gute Mischung gefunden haben. Allerdings werden am Ende die Käufer entscheiden, ob sie damit zufrieden sind. Aber die leicht steigenden Absatzzahlen scheinen auf eine gewisse Zufriedenheit der Leser hinzudeuten.

Besondere Ausgaben, aber ohne Zwang

c-o: Wir hatten schon mal die Diskussion über Leser*innenbindung. Ist es wirklich sinnvoll und gewünscht, einzelne Lieferungen an alle oder nur an Abonnent*innen mit Goodies zu versehen? Oder ist es nicht vielmehr besser, nicht alle mit diesen versteckten Kosten zu belasten, sondern Angebote zu schaffen, die z.B. nur Leute mit einem Abo wahrnehmen können, wenn sie denn wollen. Das ist ja der Weg, den ihr mit dem Blechschild von Martin Frei und ZACK-Spezial geht bzw. dem ZACK-Pin für alle.

GT: Ja, da gebe ich dir Recht. Auch Abonnenten sollten frei in ihren Entscheidungen sein und Dinge dann erwerben können, wenn sie es wollen. Deshalb werden wir auf Goodies, die nur den Heften für Abonnenten beigelegt sind, oder Variant-Cover nur für Abonnenten in Zukunft nicht mehr produzieren, sondern weiterhin den Weg gehen, den Abonnenten ein Angebot – wie etwa die Spezial Alben  – zu unterbreiten, das sie annehmen können oder eben auch nicht. Parallel dazu werden wir aber auch Produkte produzieren, die alle Leser erwerben können wie etwa das Silberstern-Blechschild.

50 Jahre ZACK -Cover Bob Morane 100 Démons

ZACK-Held*in des Jahres

c-o: Wie auch im letzten Jahr die Frage nach dem/der „Zack-Held*in“ des Jahres. Ist das nicht ein liebgewonnenes Feature für einige? Und die Möglichkeit, Zustimmung oder Ablehnung relativ einfach kundzutun?

GT: In der Tat ist das so. Dementsprechend groß war auch die Empörung, als ich die Wahl absagen wollte. Dafür habe ich sie in diesem Jahr vergessen, weshalb es in der Februar-Ausgabe noch nicht zur Wahl kommen wird. Das holen wir dann in der März-Ausgabe nach. Ich schätze, dass es dieses Jahr spannend werden kann, da wir im Jahr 2021 relativ viele neue Serien gestartet haben.

ZACK-Spezial geht weiter

c-o: Ich habe das Gefühl, dass der Wagemut, ausgefallene Sachen im ZACK-Spezial anzubieten, ganz gut funktioniert: schwarz-weiße Ausgaben von Micheluzzi und Forton, eine sehr unbekannte Serie wie Patrick Leman. Wie sehen das Feedback und die Absatzzahlen aus? Kannst du evtl. schon einen Tipp auf weitere Schmankerln geben?

50 Jahre ZACK - Detail Patrick Leman

GT: Die Rückmeldungen, die wir auf die Reihe erhalten, sind eigentlich alle begeistert. Wie ich in einem Editorial mal geschrieben habe, war ich aber ursprünglich zu euphorisch. Die anfangs angenommene Zahl von 999 Exemplaren für den ersten Band – die Michel-Vaillant-Werbecomics – ist zu hoch gegriffen gewesen. Deshalb haben wir die Limitierung auf 555 Exemplare zurückgefahren, was auch ziemlich gut funktioniert. Und es kommen immer noch neue Käufer für die Backlist hinzu. Ich bin also guten Mutes, dass wir irgendwann „vergriffen“ melden können.

Neben dem „Patrick Leman“-Band von Christian Denayer, der im April oder Mai erscheinen wird, stehen immer noch zwei Bände mit Dan Cooper-Kurzgeschichten auf meiner Liste, die nicht in der Splitter Gesamtausgabe zum Abdruck gekommen sind. Die Alben sind kompiliert, der Übersetzer hat den Auftrag, die Druckdaten liegen auf dem Server, aber die Rechtslage ist unklar. Das ist sehr unglücklich gelaufen. Nachdem mir Mediatoon signalisiert hatte, dass es keine Probleme mit den Rechten gäbe, habe ich alles in die Wege geleitet, nur um kurz darauf von Mediatoon zu erfahren, dass sie just für diese Storys die Rechte gar nicht hätten, sondern diese bei Weinberg bzw. seinen Erben liegen. Dumm nur, dass mein Kontakt zu Weinbergs Witwe nicht mehr funktioniert, da die alte Dame entweder irgendwo im Heim lebt oder sogar verstorben ist. Und Weinbergs Tochter, die in Kanada lebt, scheint daran nicht interessiert zu sein, da sie sich nicht zurückmeldet. Mal schauen, wie sich das weiter entwickelt.

50 Jahre ZACK - Cover Alain Cardan

Geplant als Spezial Album – wenn es mit „Dan Cooper“ nicht klappt – ist nach „Patrick Leman“ die Science-Fiction-Serie „Alain Cardan“ von Yvan Delporte und Gérald Forton. Die Geschichten sind in Frankreich in den Magazinen „Risque-Tout“ und „Spirou“ erschienen und atmen den Flair der frühen „Dan Cooper“-Storys.

Das ZACK im Jubiläumsjahr

50 Jahre ZACK - verworfenes Cover
Dieser Entwurf wurde verworfen

c-o: Du hast vor kurzem ankündigen müssen, dass der Preis pro Ausgabe steigen wird. Gleichzeitig soll aber auch der Seitenumfang erhöht werden. Auch hier bin ich gespannt auf die ersten Reaktionen.

GT: Tja, leider lassen sich fast 20% Prozent Druckpreiserhöhung nicht einfach wegstecken. Und da der Coverpreis von ZACK zum letzten Mal von über 13 Jahren von € 5,90 auf € 7,90 erhöht wurde, haben wir uns dafür entschieden, den Preis auf  9,- hochzusetzen, gleichzeitig aber den Umfang auch von 80 auf 88 Seiten zu erhöhen. Ich hoffe, dass wir damit alle irgendwie glücklich machen können.

c-o: Zurück zum wichtigsten, den Comics: Was dürfen die Leser*innen dieses Jahr erwarten?

50 Jahre ZACK - Vorschau MADI

GT: Vor allem werden wir alle angefangenen Serien fortsetzen. Dann starten wir mit „MADI“ das große Science-Fiction-Epos von Duncan Jones – David Bowies Sohn … also quasi unser Beitrag zu Bowies 75. Geburtstag … hahaha … – und Alex di Campi, das von verschiedenen englischen Zeichnern wie Glen Fabry oder Simon Bisley grafisch umgesetzt wurde. Und es wird ein weiteres Bob-Morane-Abenteuer von Gérald Forton in ZACK geben. Außerdem habe ich gerade die Zusage bekommen, dass wir die „Johnny Focus“-Gesamtausgabe veröffentlichen können. Da ich selbst ein großer Fan von Attilio Micheluzzi bin, freue ich mich sehr darüber. im Moment plane ich drei bis vier HC-Bände für die weit über 400 Seiten. Unsere ersten Comic-Bücher, die wir über den regulären Comic-Fachhandel vertreiben werden. Außerdem plane ich zum Jubiläum eine auf 122 Exemplare – 50 Jahre Zack und ‘72 erscheinen = 122 😉 – limitierte ZACK-Box. Eine wirkliche Box, in der sich alle vier Spezial Alben, ein von Christian Denayer signierter Druck zu „Patrick Leman“, die Jubiläumsausgabe sowie ein ZACK-Pocket befinden sollen. Über den Inhalt des Taschenbuchs bin ich noch am Verhandeln. Ich hoffe, dass das alles klappt. So wollen wir auch Nicht-Abonnenten die Möglichkeit geben, an die Spezial Alben heranzukommen.

Vielen Dank für dieses Gespräch! Ich glaube, dass für jede*n etwas dabei sein wird. Das „alte“ ZACK hat zwischen 1972 und 1980 291 Ausgaben geschafft, das aktuelle geht im April mit der Nummer 274 an den Start. Der nächste Meilenstein ist also gar nicht mehr so lange hin. Keep the Faith!

© der Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Autor*innen c/o Blattgold Verlag

70 Jahre Panzerknacker

Der Jubiläumsband

Story: Barks, Lokman, Carpi, Geradts, Cimino, Jensen, Troelstrup, Farley, Gatto, Davie/Gentilini, McGreal
Zeichnungen: Barks, Strobl, Carpi, Rota, Cavazzano, Nunez, Ferraris, Pérez, Gatto, Scarpa, Vicar

Originalausgabe

Egmont Comic Collection

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-7704-0195-6

Cover 70 Jahre Panzerknacker
© 2021 Disney/Egmont Comic Collection

Fragt man irgendjemand auf der Straße nach Disney-Comichelden sind sie immer in den Top-5: Die Panzerknacker! Im amerikanischen Original sind es die Beagle Boys, in Italien banda bassotti (Die Dackel-Bande). Wie auch immer, im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass es mehr gibt als die Herren mit der 167- auf dem Pullover, die das Cover des Albums zum 70. Jahrestag zieren.

70 Jahre und der Geldspeicher steht immer noch

„Erfunden“ wurde die Verbrecherbande 1951 von Carl Barks. Anfangs war sie übrigens durchaus erfolgreich und konnte Dagobert regelmäßig um Teile seines Goldes bringen. Schon ein Jahr später scheiterten die Panzerknacker dann erstmals und etablierten sich damit in ihrer Rolle. Bereits seit 1952 waren sie Bestandteil des Kanons und wurden auch von anderen Texter*innen und Zeichner*innen eingesetzt. 1964 bekamen sie in den USA ihre eigene Heftreihe, 1986 auch in Deutschland.

Waren es anfangs nur Männer im besten Räuberalter gesellten sich Verwandte aller Altersstufen und Geschlechter dazu. Selbst ein Hund (ja, ein Dackel) mit Namen Achtmalacht gehört inzwischen dazu. Hier haben insbesondere die italienischen Kolleg*innen für eine Vermehrung des Personals gesorgt. Die Geschichten erscheinen im typischen Magazinformat genauso wie im Taschenbuch und auch die Leinwand bzw. Mattscheibe haben die Möchtegerngangster erobert.

War es zum 50 Jubiläum noch ein Standard-Album, wird dieses Jubiläum in einem Hardcover mit Glanzlackumschlag gefeiert! Selbstverständlich ist nicht nur der erste Erfolg der Bande von 1951 abgebildet, es findet sich auch eine Barks’sche Story von 1959: Hans Hackebeil. Drei Geschichten aus diesem Band werden hier erstmals der deutschen Öffentlichkeit präsentiert: Moderne Methoden mit Zeichnungen von Tony Strobl aus dem Jahr 1966, Die große Dürre von Luciano Gatto von 1974 sowie Der Goldtopf des Kobolds von Romano Scarpa aus dem Jahr 1968.

Internationales Flair

Tatsächlich ist der Querschnitt, der hier geboten wird, sehr international denn neben den erwähnten aus USA und Italien sind auch Geschichten aus Norwegen, den Niederlanden, Deutschland und sogar Indonesien vertreten. Und noch etwas sei angemerkt: Don Rosa ist nicht dabei, es wäre aber auch schwierig, hier noch nicht allzu bekanntes zu finden.

Cover 70 Jahre Panzerknacker Titel
Alles zum Thema © 2021 Disney/Egmont Comic Collection

Insgesamt macht der Band mit seinen 11 Geschichten auf über 170 Seiten einen guten Eindruck! Er schließt mit einem Festmahl und damit mit einem seltenen Moment des Erfolges für die sympathischen, meistens erfolglosen und doch nie verzweifelnden Helden des Alltags. Ihr Erfindungsreichtum für maschinelle Unterstützungen, Verkleidungen oder Finten ist legendär, die Gegenmaßnahmen allerdings auch.

Weihnachtsduft, sanfte Klänge und … Geschenke

Also: Ein feiner Band, der rechtzeitig zum Fest erscheint, und sicherlich in dem einen oder anderen Stiefel landen oder eingepackt unter dem Baum liegen wird. Die Geschichten sind gut gemischt, enthalten auch Erstveröffentlichungen und die Aufmachung ist so gediegen, dass niemand an Heftchen oder Taschenbücher erinnert wird.

Dazu passen natürlich banda bassotti aus Italien und ein Absolut Gangster Cocktail.

© der Abbildungen 2021 Disney/Egmont Comic Collection

Andolfo – Mercy 3

Die Mine, die Erinnerungen und die Sterblichkeit

Story: Mirka Andolfo
Zeichnungen: 
Mirka Andolfo

Originaltitel: Mercy – Terzo Volume

Panini Comics

Hardcover | 68 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 
978-3-7416-2162-8

Andolfo - Mercy 3 Cover

Die Horrorserie der gefeierten italienischen Künstlerin Mirka Andolfo geht in die entscheidende Runde. Andolfo arbeitet für DC und Marvel, ist weltweit erfolgreich mit der Serie Contronatura und veröffentlicht Mercy in mehreren Ländern fast zeitgleich. Sie arbeitet fast komplett digital und stellt – speziell in ihren eigenen Serien – Frauenfiguren etwas anders dar. Oft queer, immer aber aktiv und selbstbewusst.

Liebe geht durch den Magen

Band 1 erzählte die Geschichte der Ankunft in Woodsburgh, Band 2 erklärte den Konflikt mit den Jägern. Nun ist es soweit, dass es an die Familiengründung geht. Wesen haben den Wirt gewechselt und Erinnerungen schwinden nicht komplett. Es geht um Verantwortung, Selbstsucht und „Mutterliebe“. Und natürlich auch um die Mine, denn ohne sie gibt es kein Tor in die Heimat.

Andolfo - Mercy 3 page 3

Werden Gregor und Lady Nolwen tatsächlich heiraten? Welche Rolle spielt Goodwill wirklich? Geht Lady Hellaines Plan auf? Und schließlich: Welche Rolle hält das Schicksal für die kleine Rory bereit? Es gibt ein famoses Finale Furioso, soviel sei versprochen!

Romantische Alpträume

Die Story ist rasant, wie bei diesem Genre üblich allerdings nicht ganz widerspruchsfrei. Die Bilder aber müssen keinem roten Faden folgen, sondern dürfen schwelgen. In Blut, in Tentakeln und in großformatigen Alpträumen von fressenden, tentakelschwingenden Geschöpfen. Mirka Andolfo öffnet ihre gesamte Farbpalette, um Gemälde zu erschaffen, die sich als Panels aneinanderreihen. Was früher in den 60-ern in SF-Horror-Klassikern nur angedeutet worden war, findet hier seine grafische Umsetzung: der von Wesen übernommene Mensch als Hülle.

Andolfo - Mercy 3 page 6

Das Album ist in vielen Teilen Splatter-lastig und entspricht damit in gewisser Weise den Erwartungen an eine bestimmte image-Richtung. Er birgt aber trotzdem auch noch Romantik, und zwar nicht nur in den beigefügten (echten) Zeichnungen und Variant-Cover-Abbildungen.

Nichts für schwache Nerven

Die Serie ist nichts für schwache Nerven und auch nichts für kleine Kinder. Wer an dieser Art von Geschichten aber seinen Spaß hat, wird auch hier auf seine Kosten kommen. Gut konstruierte Zeichnungen mit viel Action von der zurecht gefeierten Mirka Andolfo.

Andolfo - Mercy 3 page 10

In den USA erscheinen die sechs Teile als Hefte im kleinen Format. Hierzulande durften wir drei großformatige Hardcover entgegennehmen – meiner Meinung nach die bessere Darbietung. Die Präsentation mit Zusatzmaterial als Hardcover und glänzendem Papier hat seinen Preis, der aber nicht überborden ist.

Dazu passen Maid of Ace, etwa mit „Repent“ und eine Bloody Mary.

© der Abbildungen 2021 Mirka Andolfo / Panini Verlags-GmbH

Serpieri – West

Artbook

Story:  Paolo Eleuteri Serpieri
Zeichnungen: 
Paolo Eleuteri Serpieri

Herausgeber: Roberto Guarino, Matteo Pollone

Originaltitel: Paolo Eleuteri Serpieri – West

Schreiber und Leser

Hardcover | 108 Seiten | Farbe | 39,80 € | 
ISBN: 978-3-96582-067-8

Cover Paolo Eleuteri Serpieri West

Paolo Eleuteri Serpieri wurde im Februar 1944 in Venedig geboren. Schon sein Geburtsdatum ließ erahnen, dass der kleine Junge etwas besonderes werden könnte, kam er doch am Schalttag zur Welt. Nach dem Studium von Malerei und Architektur widmete er sich immer mehr dem Zeichnen von Comics und erlangte in zwei Gebieten Weltruhm: Kurzgeschichten und ein paar längere Bände aus dem Wilden Westen sowie die erotische Horror-Science-Fiction-Serie Druuna. Das erste von zwei Artbooks des Künstlers aus dem Hamburger Verlag, bei dem auch das übrige Werk des Italieners erscheint, ist dem Western gewidmet.

Wie ein Junge aus Italien auf den Western kam

Der Band wird eingeleitet durch ein längeres Interview von Roberto Guarino und Matteo Pollone mit dem Künstler. Darin wird deutlich, dass Paolos Vater beruflich öfter in den USA gewesen war und seine Liebe für den Westen und die amerikanischen Zeichner an den Jungen weitergegeben hat. Zusätzlich hat er die Liebe zum Zeichnen gefördert und sein eigenes Talent zur Schulung genutzt. Wieder einmal bestätigt sich also hier die Regel, dass erfolgreiche Zeichner*innen schon als Kinder ständig gezeichnet haben.

Detail Serpieri - West page 6

Serpieri führt des Weiteren aus, wie sich sein Stil entwickelt hat und welche Unterschiede zwischen Feder und Pinsel bestehen. Seine Art mit extrem vielen Schraffuren das Bild zu gestalten ist mittlerweile zu seinem Markenzeichen geworden, hat sich aber auch erst entwickeln müssen. Er wurde aber nicht nur von Gemälden beeinflusst, sondern auch vom Western-Film und entwickelte schon früh eine Liebe zur grandiosen Weite. Während seiner Reisen in die USA hat er viele der Kulissen für seine späteren Erzählungen quasi in sich aufgenommen.

Dabei interessieren den Zeichner verschiedene Dinge: Zunächst einmal bewundert und liebt er Pferde und zeichnet diese extrem gerne. Im Interview erläutert er dabei den Einfluss der bewegten Bilder auf die grafische Darstellung. Eine weitere Freude ist das Zeichnen von möglichst authentischen Dekors und Kleidung/Schmuck, auch wenn es nicht immer genau die historische Wirklichkeit abbilden muss. Und dann sind da natürlich auch noch Frauenkörper. Bei diesen erlaubt er sich nach eigener Auskunft die größten künstlerischen Freiheiten.

Ein Prachtband

Schon die Reihe mit seinen Western-Geschichten hatte gezeigt, dass Serpieri nicht nur gerne Western zeichnet, sondern auch ein Meister darin ist. In diesem quadratischen, großformatigen Bildband haben die einzelnen Bilder noch viel mehr Gelegenheit, um zu wirken. Damit sind sowohl die Zeichnungen und Entwürfe im originalen Schwarz-Weiß gemeint als auch die kolorierten Bilder. Teilweise steht sogar beides direkt nebeneinander und erlaubt so den Vergleich.

Detail Serpieri - West page 36

Serpieri gibt seinen Figuren und Settings Tiefe und Ausdruck durch eine Unzahl von Schraffuren. Dadurch erhalten sie eine Plastizität, die an Fotographien erinnert. Der Künstler selbst bezeichnet sich auch als Realisten, lehnt die Einordnung als Veristen aber ab, da es ihm nicht um die Wahrheit geht. Ein Coffee-Table-Book ist typischerweise noch etwas größer als der vorliegende Bildband. Auch dieses Artbook lädt aber dazu ein, auf den einzelnen Abbildungen zu verweilen und Details zu erkennen und erfüllt daher den gleichen Zweck.

Fazit

Für Fans des Italieners ohne Frage ein Must-Have! Das Interview ordnet mehrere Werke aus diesem Genre für verschiedene Verlage ein, beschreibt Intentionen und Herausforderungen und lässt auch das Marvel-Kapitel nicht aus. Die Zeichnungen sprechen für sich und bekommen genau den benötigten Raum. Serpieri ist auch klar, dass er als Nicht-Kulturangehöriger nie die Geschichte der First Nations erzählen kann und will das auch gar nicht. Der einzige Kritikpunkt, der kommen könnte, ist die Darstellung der Frauen. Zwar sind sie durchaus auch in aktiven Rollen zu sehen, es gibt aber genügend Bilder, die sie in eine Opferrolle zwingen. Es ist aber keineswegs intendiert, damit die Unterjochung zu verherrlichen.

ExLibris Paolo Eleuteri Serpieri West

Neben dem guten Papier und der entsprechenden Bindung hat sich der Verlag entschieden, allen Käufer*innen der Erstauflage einen beigelegten Kunstdruck zu spendieren. Mehr kann man nicht verlangen! Da der Western-Comic momentan zu neuer Blüte erwacht, ist das sicherlich genau der richtige Zeitpunkt, um ein solches Artbook auf den Markt zu bringen! Sehr lesenswert sind auch die Ausführungen zu „General“ Custer.

Dazu passen Musik von Siouxsie and the Banshees und ein Rye Whiskey.

© der Abbildungen 2021 Verlag Schreiber & Leser, Hamburg / Lo Scarabeo – Paolo Eleuteri Serpieri

Andolfo – Mercy 2

Die Jäger, die Blumen und das Blut

Story: Mirka Andolfo
Zeichnungen: 
Mirka Andolfo

Originaltitel: Mercy – Secondo Volume

Panini Comics

Hardcover | 68 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 
978-3-7416-1948-9

Mirka Andolfo gehört zu den aktuell erfolgreichsten italienischen Comic-Exporten: Ihre Fur-Serie Contronatura erscheint in 15 Ländern und Mercy zeitgleich in Italien, Frankreich, den USA und Deutschland! Mehr dazu bei Band 1.

Das Setting

Das nächtliche Grauen hat den kleinen Ort Woodsburgh befallen: Dinge geschehen und niemand traut sich mehr auf die Straße. Gleichzeitig erkennt Lady Hellaines kleines Mündel, das Mädchen Rory, dass ihre „Mutter“ kein Mensch wie alle anderen ist. In bedingungslosem Vertrauen versucht sie, sie vor Entdeckung zu beschützen und als Alibi bei ihrer Nahrungsaufnahme zu dienen.

Auch das andere Wesen, das sich Goodwill nennt, beginnt sich zu akklimatisieren. Er steht auf Männer und würde sie nach dem Akt zu gerne verspeisen. Doch hat eine Gruppe von erbarmungslosen Jäger*innen die Spur nicht nur aufgenommen, sondern die Gesuchten auch gefunden.

Diese Gruppe ist hinter das Geheimnis der Blumen und ihrer psychischen Verbindung gekommen und hofft nun durch die Folter des gefangengenommenen Goodwills an den Rest zu gelangen.

Die Zeichnungen

Mirka Andolfo kann sowohl die romantischen Abendkleider der Epoche und das überbordende Innenambiente darstellen als auch die Monster, die sich aus der schönen Hülle plötzlich ausstülpen sowie das Blut, das vom Opfer übrigbleibt. Gerade diese Gegensätze machen die Story aus und man weiß beim Lesen eigentlich nie, wann wieder etwas hervorbricht. Zuckersüß und klebrig geht anstandslos über in eine eiskalte, emotionslose und unmenschliche Stimmung.

Die ganze Zeit geht es aber nicht um Gewalt oder grausame Detail-Darstellungen. Die Wesen sind einfach da und ernähren sich und die Menschen sind eben auch da und ergeben sich ihren alltäglichen Pflichten und Laster. Gerade diese Normalität macht das Grauen dieser creator owned Geschichte aus.

Fazit

Noch ein aus weiblicher Sicht geschriebener Horror-Plot – lohnt sich das? Ja! Andolfo entwickelt ein eigenständiges Universum in der Mischung aus Großgrundbesitzer-Adel-Luxuswelt vergangener Jahrhunderte und außerirdischen Monstern, die den altbekannten Mustern neue Details hinzufügt. Eine gewisse Art von unterschwelliger Erotik ist in diesem Genre immer vorhanden und die modernen Bilder wirken durch das übergroße Format viel besser als etwa in einem amerikanischen Heftchen denkbar.

Dazu gibt es dann noch ein paar Skizzen mit einführenden Worten und eine Covergalerie mit Variants. Wer mehr sehen will kann bei www.gotmercy.me vorbeischauen.

Dazu passen die Franzosen von Banane Metalik und ein Glas trockener Sekt!

© der Abbildungen 2020 Mirka Andolfo / Panini Verlag

Andolfo – Mercy 1

Die Dame, die Kälte und der Teufel

Story: Mirka Andolfo
Zeichnungen: 
Mirka Andolfo

Originaltitel: Mercy – Prima Volume

Panini Comics

Hardcover | 68 Seiten | Farbe | 20,00 €
ISBN: 
978-3-7416-1756-0

Mercy ist eine neue Serie der Italienerin Mirka Andolfo die gleichzeitig in vier Ländern, Italien, Frankreich, USA und Deutschland, erscheint. Andolfo ist fast schon ein Star der Szene: Einerseits hat sie für die großen Verlage in den USA (Marvel, DC und Image) gearbeitet, andererseits ist ihr „Tier-Comic“ Contronatura – Tierisch menschlich auch hierzulande ganz erfolgreich. Ihre neue Serie hat weder etwas mit Superheld*innen noch mit Tieren zu tun, sondern ist eine Mischung aus Mystery und Horror! Und wie fast immer in diesem Genre hat der Horror auch eine sexuelle Komponente.

Das Setting

Der Schauplatz der Geschichte sind die USA zu einer Zeit da die Entfernungen noch in Pferdekutschen überbrückt wurden und Nachrichten sich nicht in Sekundenschnelle um die halbe Welt verbreitet haben. Lady Nolwenn Hellaine und ihr Begleiter, der sich als Butler ausgibt, kommen mitten in der Nacht während der Ausgangssperre in ein kleines Fleckchen namens Woodsburgh um das Herrenhaus wieder in Beschlag zu nehmen. Wir als Leser*innen wissen, dass die Lady nicht sehr menschlich ist: Weder nimmt sie normale Nahrung zu sich noch braucht sie Schlaf. Viel deutlicher ist allerdings, dass sie sich von Menschen ernährt!

Ebenfalls in diesem Städtchen lebt ein garstiger alter Mann der Waisen zu sich nimmt um sie für sich arbeiten zu lassen. Dazu gehört auch die kleine „Rothaut“, die übersinnliche Fähigkeiten zu haben scheint. Mindestens hat sie Visionen und erkennt auch die Lady in einer davon. Auf der ersten Gesellschaft der neuen adligen Bewohner kommt es zum Eklat…

Die Zeichnungen

Panini Deutschland bringt die Geschichte im Albenformat auf glänzendem Papier was den Zeichnungen mit ihren kräftigen Farben gut zu Gesicht steht. Im kleineren Heftformat würden einige der Details übersehen werden. Gerade die ganzseitigen Illustrationen mit eingestreuten kleineren Panels passen gut zu der Horror-Atmosphäre. Insgesamt wirkt die Kolorierung am Computer manchmal etwas flächiger als die per Hand, aber das ist nun mal ein Zeichen der Zeit.

Die Entwicklung der Figuren über verschiedene Stadien hinweg wird im Anhang netterweise vorbildlich aufgezeichnet; mehrere Entwürfe und Studien sowie die Entwicklung einer Seite vom ersten Entwurf bis zur Druckdatei finden sich als Extra in diesem schönen Hardcover.

Spannender Serienstart der Lust auf mehr macht! Hoffen wir, dass sich die Gute nicht zu viel Zeit mit dem nächsten Band lässt!

Dazu passen Kate Bush und italienischer Rotwein!

© der Abbildungen 2020 Mirka Andolfo / Panini Verlag

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