All Verlag – Programm 2021 Teil 1

Ansgar Lüttgenau zum Programm des All Verlag im ersten Halbjahr 2021

Wenn etwas zum dritten Mal passiert ist es eine Serie, oder? Nun, jedenfalls hat sich Ansgar wieder unseren Fragen zum Programm vom All Verlag gestellt. Vielen Dank!

Neuheitenoffensive im Anmarsch

c-o: Ansgar, das Jahr 2020 war alles andere als geplant: Ladenschließungen, keine Veranstaltungen, mehr online Bestellungen. Wie hat sich covid-19 auf den All Verlag ausgewirkt? Und wie wirkt sich das auf das 10-jährige Jubiläum aus. Ich könnte mir vorstellen, dass trotzdem das eine oder andere in Planung ist.

Konkrete Auswirkungen, was die Arbeit betrifft gab es eigentlich gar nicht, da sowieso alles über Telefon und E-Mail läuft. Der Umsatz ist leicht gestiegen und in unserem Online Shop wurde etwas mehr bestellt. Das kann aber auch an den Neuerscheinungen liegen. Was wir speziell zum 10 – jährigen Verlagsjubiläum machen, überlege ich noch. Wenn wir was machen, dann sowieso erst im 2. Halbjahr. Ich sage nur „Neuheitenoffensive“.

c-o: Das letzte Jahr hat aber auch gezeigt, dass klassische französische Alben Konjunktur haben und nachgefragt werden, wenn denn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt. Bei Dir wird alles im Hardcover verlegt, oft genug auch noch mit informativem Teil und erscheint als Vorzugsausgabe für Sammler. Was für Reaktionen erhältst du von deinen Kunden?

Die Reaktionen halten sich in überschaubaren Grenzen. Man kann das sehr schön im Comicforum verfolgen. Bis die Bücher erscheinen gibt es oftmals viele Beiträge, wenn die Bücher erschienen sind nur wenige. Ich denke, das ist auch ein Ausdruck dafür, dass die Kunden zufrieden sind.

c-o: Mit Messalina kommt jetzt erstmals eine Serie nur für Erwachsene im All Verlag. Kannst Du etwas über Deine Motivation verraten?

Zum einen gehts um Autorenpflege. Zu anderen finde ich es immer spannend auszutesten, was so geht. Im 2. Halbjahr starten wir z.B. auch eine Gesamtausgabe einer Zeitungsstripserie. Das ist dann mehr etwas für den klassischen Buchhandel. Mal schauen, wie das so läuft.

ZACK-Klassiker bekommen Zuwachs

c-o: Bruno Brazil kommt im Original und in der neuen Serie, Luc Orient, Alain Chevallier, im Winter Dani Futuro und nun auch noch Bob Morane – die Herzen der Generation ZACK schlagen immer höher. Dieses Segment ist mittlerweile ein echter Schwerpunkt. Wie schaffst du es als immer noch relativ junger Verlag all diese Lizenzen zu bekommen?

Es kommen ja noch einige mehr. Die Lizenzen dafür zu bekommen ist oftmals eine Herausforderung und zieht sich oft über Monate, manchmal sogar über Jahre. Allein einen Kontakt mit den Rechteinhabern, oftmals die Künstler selbst oder deren Erben, herzustellen, bedarf einiger detektivischer Fähigkeiten. Eine schöne Nische, weil so etwas für jeden „normalen“ gewinnorientierten Verlag zu aufwändig ist.

c-o: Du hältst weiterhin ein ausgewogenes Verhältnis ein von Gesamtausgaben in Sammelbänden und in Einzelausgaben. Nach welchen Kriterien triffst Du die Entscheidung für das eine oder andere Format?

Ich schaue mir an, in welcher Form es die Serie bereits gab und welche Form ich selbst bei der Serie bevorzugen würde.

Tops’n‘Flops

c-o: Wie immer kommt die Frage nach den Tops und Flops des letzten Jahres – was hat dich am meisten überrascht?

Am besten verkaufen sich immer noch die Wunderwaffen. Aber auch mit Hombre und Valentin bin ich sehr zufrieden.

Nicht so gut sah es bei Alwilda, Hel’Blar und Malefosse aus.

c-o: Und worauf freust du dich am meisten?

Am interessantesten finde ich ja immer die Neustarts. Und da kommt im 2. Halbjahr ein Western auf den ich mich besonders freue. Es hat über ein Jahr gedauert bis der Vertrag unterschrieben war, weil da fast ein Dutzend Erben der beteiligten Künstler involviert waren und überzeugt werden mussten. 

Das Programm im Überblick

Februar 2021 
Bruno Brazil – Die neuen Abenteuer 2Black Program 2
Bruno Brazil 9Alles oder nichts für Alak 6
Hombre 3Gesamtausgabe
März 2021 
Alain Chevallier 2Ein teuflisches Rennen
Alain Chevallier 9Das Todeskommando
Messalina 1Der Tempel des Priapos
Messalina 2Lust und Tod
Mai 2021 
Luc Orient 924 Stunden für die Erde
Luc Orient 10Der 6. Kontinent
Die Wege voon Malefosse 5Gesamtausgabe
Juni 2021 
Bob Morane 1Die Atom-Schmuggler
Bob Morane 9Guerilla in Tumbaga
Valentin 2Gesamtausgabe

© aller Abbildungen 2021 All Verlag und jeweilige Lizenzgeber

Diaz Canales/Pellejero – Corto Maltese 15

Tarowean – Tag der Überraschungen

Story: Juan Díaz Canales nach Hugo Pratt
Zeichnungen: 
Rubén Pellejero nach Hugo Pratt

Originaltitel: El Día de Tarowean

Schreiber und Leser

Hardcover | 88 Seiten | S/W oder Farbe | je 24, 80 € |

ISBN:  978-3-96582-035-7 oder 978-3-96582-034-0

Es gibt Comics oder Filme, die einen Spannungsbogen aufbauen, der darauf beruht, dass die Leser*innen nicht wissen, WAS geschehen wird. Und es gibt solche, bei denen das Resultat vollkommen klar ist, der Weg dahin aber das mit Spannung erwartete ist. Tarowean gehört zu der zweiten Kategorie, denn das Cover enthält schon die Information der Schlussszene: Corto treibt an ein Andreaskreuz gebunden in der Südsee und wartet auf seine Rettung in der Südseeballade. Mehr zu Corto Maltese im Allgemeinen im dazugehörigen Serienkompass!

Ein Ende kann ein Anfang sein

In seinem Vorwort beschreibt der Szenarist Juan Díaz Canales eine der Ideen, die zur Entstehung dieses Albums geführt hat: Wie alle Corto-Fans wollte der Zeichner Pellejero wissen, wie Corto an das Kreuz gekommen war, mit dem der so bahnbrechende erste Teil 1967 begonnen hatte. Wer, wenn nicht die aktuell Verantwortlichen der Serie hätten das beantworten können? Da das Konzept der aktuellen Bände daraus besteht, Lücken zu füllen, stand dem nichts weiter im Wege!

Wie immer stehen verschiedene literarische Momente aber auch echte Ereignisse quasi als Paten zur Seite um der Geschichte Tiefe und Verwandtschaft zu geben. Das war schon bei Hugo Pratt so und glücklicherweise haben Canales und Pellejero diese Tradition adaptiert und fortgesetzt. Um die Leser*innen ein wenig mitzunehmen und einen Einstieg in die Umgebung zu bieten gibt es bei den Hamburger Ausgaben von Schreiber & Leser immer auch ein oder zwei Vorworte, die Hinweise geben. Zudem ist die Geschichte auch ohne selbst die kleinste Erinnerung an irgendeine gelesene oder geschichtliche Information verständlich, stimmig und spannend!

Corto und Rasputin bekommen den Auftrag, den letzten in einer fast verlassenen Strafkolonie einsitzenden Gefangenen zu befreien. Dieser spielt in den Visionen der dort lebenden Völker eine Rolle und sollte deshalb weggeschlossen bleiben. Nach seiner Befreiung erblickt er eine junge teilweise gelähmte Frau und macht sich zu ihrem ständigen Begleiter und Beschützer. Sie ist die Tochter des weißen Radschas und spielt ebenfalls eine mythologische Rolle in den Kämpfen um Macht und Freiheit in der Südsee.

Und dann gibt es da noch die Gruppe der Mönche unter denen einer heraussticht und andere Ziele zu verfolgen scheint. Natürlich wissen wir aus der Südseeballade schon um den einen, hier erfahren wir aber auch wie er zu dem geworden ist der er dann sein wird.

Die Zeichnungen

Rubén Pellejero hat von dem Pratt’schen Stil so viel übernommen, dass die Verwandtschaft gut zu erkennen ist, er hat aber soviel eigenes hinzugefügt, dass niemand von einem Kopisten sprechen würde. Er spielt etwas weniger stark mit Schatten und hat etwas mehr Detail, bleibt aber dabei, dass die Zeichnung aus ihrer Stimmung heraus spricht. Ein ganzes Panel kann Begleitwerk sein für einen Augenaufschlag, der sich kringelnde Zigarettenrauch die abwartende Haltung ausdrücken, und so brauchen viele Bilder auch gar keinen Text und transportieren die Geschichte trotzdem weiter.

Bei allem, was an eigener Bearbeitung in den Figuren steckt, Cranio, der ikonografische Mönch, Rasputin bleiben auch dann erkennbar, wenn sie nur in Ausschnitten gezeigt werden. Für mich ist das das Kriterium für eine gute Fortsetzung einer Geschichte: eigene Akzente, neue Handlungsrahmen aber Respekt vor der Vergangenheit.

Die Wertung

Ja, was soll ich sagen: Auch diesen Band gibt es in einer farbigen und in einer schwarz-weißen Klassik-Edition. Die Vorworte sind informativ, die beigefügten Vorzeichnungen und Studien geben den Hardcover-Bänden einen sehr wertigen Rahmen und das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt auch! Mehr zu der ersten vollständigen deutschen Edition auch im Serienkompass. Die Saga um den romantischen Kapitän ohne Schiff bleibt einfach eine der besten Graphic Novels überhaupt!

Falls der eine oder die andere also noch ein Weihnachtsgeschenk sucht, hier wäre ein prima Tipp! Und obwohl es sich um den 15. Band einer Reihe handelt, wäre es auch eine Möglichkeit, hiermit zu beginnen, denn ein Ende ist immer auch ein Anfang!

Dazu passen ein Chinin-haltiges Getränk eurer Wahl und Musik von Tommy Guerrero!

© der Abbildungen 2019 Cong S. A. Switzerland / 2020 Schreiber & Leser, Hamburg

O´Barr – The Crow

Ultimate Edition

Text: James O´Barr

Zeichnungen: James O´Barr

Originaltitel: The Crow

dani books

Hardcover | 272 Seiten | S/W, Farbe | 25,- €

ISBN: 978-3-95956-130-3

Der Hintergrund – Tragik im Doppelpack

The Crow ist im eigentlichen Sinne (Selbst-)Therapie. James O´Barr konnte es sich nicht leisten, mit seinem kaputten Auto noch einmal von der Polizei angehalten zu werden und hatte deshalb seine Freundin gebeten, ihn abzuholen. Diese war auf dem Weg zu ihrem Auto angefahren und tödlich verletzt worden. O´Barr rutschte daraufhin in eine Spirale aus Selbstmitleid und Selbsthass und konnte sein Tief nur dadurch überwinden, dass er begann The Crow zu zeichnen.

Diese düstere Graphic Novel hatte erstaunlicherweise großen Erfolg und sollte verfilmt werden. Am Set starb Brandon Lee auf tragische Weise und wieder begann die Spirale von neuem. Natürlich ist im weiteren Sinn der Autor des verfilmten Werkes der Anlass für eine Verfilmung, von persönlicher Schuld wird man aber in beiden Fällen nicht sprechen können. Trotzdem ist es natürlich richtig, dass man sich selber vergeben muss auch wenn man unberechtigte Schuldgefühle loswerden muss. Die Story ist daher in mehreren Teilabschnitten entstanden, hat sich entwickelt und liegt jetzt erstmals in dieser kompletten Fassung auf Deutsch vor.

Die Story – Ein Wutbürger sieht rot

Die Geschichte lässt sich auf zweierlei Weisen lesen:  Die eine ist eine zutiefst romantische. Der Held ist so voller Liebe, dass er nicht loslassen kann. Die beiden sind nicht nur für immer sondern sogar für ewig verbunden. Dazu passen dann auch einige der melodramatischen Szenen dieses Comics und natürlich auch das Kostüm, das sich der tote Eric gibt.

Die andere ist eine selbstsüchtige, Gesellschaft und Rechtsstaat verachtende, zutiefst reaktionäre Männlichkeitsideale feiernde Rachestory. Wie etwa auch in ein Mann sieht rot oder in Rambo stellt sich ein Mann über die Regeln, ernennt sich zum Ankläger, Richter und Vollstrecker in einer Person und zieht mordend und brandschatzend durch die Gegend. Nicht nur die fünf Crack-Junkies die Eric und seine Freundin vergewaltigt und ermordet haben unterfallen dem Richtspruch, weitere (zugegebener Weise nicht Unschuldige) werden ebenfalls hingerichtet. The Crow nimmt es sich sogar heraus, zu entscheiden ob sein Gegenüber einen schnellen oder langsamen, qualvollen Tod verdient habe.

Ich will jetzt nicht sagen, dass das Lesen eines Comics wie diesem irgendwelche Mordbrenner inspiriert auf Amoktour zu gehen. Ich muss aber zugeben, dass ich den Comic, den ich das letzte Mal vor 25 Jahren gelesen habe, damals anders bewertet habe und nun den Hype darum nicht mehr wirklich nachvollziehen kann.

Die Ausgabe

Jano Rohleder hat sich sehr viel Mühe gegeben und es hat sich gelohnt! Das Cover hat eine leicht weiche Anmutung, der Band enthält mehrere Vorworte, alle im Nachhinein erschienenen Zeichnungen und wurde komplett neu übersetzt. Es gibt gleich zwei verschiedene limitierte Ausgaben mit einem oder zwei signierten ExLibris und für alle, die beweisen können, dass sie das Werk legal erworben haben, sogar eine digitale Ausgabe als Gratiszugabe!

Die Zeichnungen von O´Barr sind zum Teil wirklich hochklassig und transportieren sowohl die Brutalität als auch die Romantik. Durch die farbigen Zeichnungen im Anhang wird noch einmal ein ganz anderer Zugang ermöglicht und O´Barr muss seine Fähigkeiten keinesfalls in Zweifel ziehen. Insgesamt bleibt also ein sehr zwiespältiger Eindruck: gutes Artwork in guter Aufmachung aber grottenüberflüssige Machostory.

Dazu kann eigentlich nur Musik passen, die sich selbst nicht ernst nimmt und dadurch die Balance wieder herstellt: Kapelle Petra und als Getränk ein Root Beer.

© der Abbildungen © 2020 James O’Barr. All Rights Reserved/ dani books

Madsen/Kure – Walhalla 2

Die gesammelte Saga Band 2

Story: Peter Madsen nach Hans Rancke, Per Vadmand & Henning Kure
Zeichnungen: 
Peter Madsen

Edition Roter Drache

Hardcover | 196 Seiten | S/W und Farbe | 40,00 € |

ISBN:   978-3-96815-006-2

Tja, zur Gesamtausgabe und den Hintergründen der Serie habe ich alles schon in der Besprechung des guten ersten Bandes gesagt. Die nordischen Götter stehen im Mittelpunkt wie auch die Göttinnen, Riesen und einige Menschen natürlich auch. Es geht den Autoren vor allem um eine moderne Darstellung der nordischen Mythen, abseits von verstaubten Texten und mit Schalk im Nacken neu erzählt.

Ein Film versetzt den Schwerpunkt ein wenig

Und doch kommt im Leben alles immer anders. Der große Erfolg der Serie hat damals (wie heute) alle überrascht und so verwundert es nicht, dass der Wunsch nach laufenden Bildern aufkam. Was im Comic funktioniert muss aber auf der Leinwand noch lange nicht passen und andersrum natürlich genauso. So musste erst einmal viel Arbeit in die Planung des Films gesteckt werden. Das eigentliche Konzept, für ein Album auf ein oder zwei Mythen aufzusetzen, wollte für den Film nicht so recht passen, und so kam es, dass eine eigentlich als Nebenfigur erdachte Figur plötzlich im Mittelpunkt stand: Quark! Der kleine Riese ist nervig, quirlig, einfallsreich und somit perfekt für eine generationenübergreifende Hauptrolle geeignet.

Für den Comic musste die Filmstory überarbeitet werden um dem Serienkonzept wieder näher zu kommen und so wurde ein Zweiteiler daraus: Quark trumpft auf und Im Reich der Riesen erschienen als Band 4 und 5. Zunächst einmal lässt Loki, der immer mal ein bisschen über den Durst trinkt und dann mit den Folgen leben muss, sich reinlegen und muss den kleinen Quark mit nach Hause nehmen. Eigentlich soll natürlich er sich um die Erziehung kümmern, er schafft es aber, andere mit der Aufgabe zu belasten und auch noch Unfrieden zu säen. Das Ende vom Lied ist, dass alle Erwachsenen Quark so schnell wie möglich wieder loswerden wollen, die kleine Röskva aber seine wahre Natur erkennt und auch Tjalfi auf ihre Seite ziehen kann.

Schlussendlich beschließen Thor, Loki und die Kinder aufzubrechen um Quark Utgardloki zurückzubringen. Dabei werden sie von einer List der Riesen getäuscht (und hier ist dann wieder eine Mythe der Hintergrund) und müssen sich geschlagen geben. Dabei spielen ein Feuer, das Meer, die Midgardschlange und das Alter große Rollen. Und auch die Sache mit Quark findet ein positives Ende; die Autoren hatten keine Lust, den Quirl auch noch die Serie aufmischen zu lassen.

Den Abschluss dieses Bandes machen Die Goldenen Äpfel. Die Bewohner*innen Asgards sind keinesfalls vor den Unbillen des Alterns gefeit. Nur wenn sie jährlich von den goldenen Äpfeln Iduns essen bleiben sie jung. Es gibt eine Mythe über die Tochter eines Riesen, Skadi, die die Asen herausfordert und die Göttin Idun entführt. Eben diese Geschichte wird hier neu erzählt. Natürlich bringt Loki wieder alle in Gefahr und ebenso natürlich wird die Situation im Endeffekt wieder glücklich bereinigt werden.

Die Zeichnungen

Dankenswerterweise enthält die Gesamtausgabe so viel zusätzliches Material, dass einerseits Vorzeichnungen und Studien den Werdegang der Akteure nachvollziehbar machen. Es wird aber auch deutlich, welche Unterschiede zwischen Film und Comic bestehen und wieviel Arbeit notwendig war, beides glaubwürdig darstellen zu können.

Ansonsten lassen die Illustrationen erahnen, dass die Zeichnungen auch ganz anders hätten ausfallen können: erwachsener und düsterer. Man hat sich aber bewusst für diese familienfreundliche Version entschieden, die dem Inhalt eine möglichst weite Verbreitung erlaubt. Auch das ist eine Entscheidung, die nicht hochgenug gewertschätzt werden kann! Es geht nicht um Selbstverwirklichung wie in so mancher modernen Graphic Novel sondern um das gesteckte Ziel.

Trotzdem zeigen die Zeichnungen einerseits die Kinder und ihre Emotionen aber auch gleichwertig daneben die Ränke Lokis und die Unbeherrschtheit Thors und sind daher vielschichtiger zu lesen!

Die Wertung

Ich bin immer noch begeistert über den zusätzlichen Inhalt dieser Gesamtausgabe. Nicht nur werden die Hintergründe der Geschichten erklärt, die Illustrationen ermöglichen auch einen tiefen Einblick in Arbeitsweise und Entwicklung! Dazu kommt, dass alles neu übersetzt worden ist.

Die enthaltenen Originalbände

Es ist der Edition Roter Drache zu wünschen, dass die Ausgabe den Absatz findet, den sie verdient. Inhaltlich passt die Geschichte natürlich perfekt in das Verlagsprogramm, es ist aber in Deutschland immer noch ein Wagnis, Text und Bilderzählung nebeneinander zu stellen ohne die Purist*innen beider Seiten gegen sich aufzubringen. Danke für diesen verlegerischen Mut!

Dazu passen der Glühwein zuhaus und Musik von Rebecca Lou.

© der Abbildungen Edition Roter Drache, Peter Madsen, Henning Kure & Carlsen Verlag 2020

Serienkompass Corto Maltese

Corto Maltese – Der Kapitän ohne Schiff

Texter: 1 – 12 Hugo Pratt, ab 13 Juan Diaz Canales; neue Reihe: Martin Quenehen

Zeichner: 1 – 12 Hugo Pratt, ab 13 Ruben Pellejero; neue Reihe Bastien Vivès

Reihentitel: Corto Maltese

Verlage Deutschland: Koralle, Carlsen, Ullstein, FAZ, Kult Editionen, Schreiber & Leser

Verlage Original: Erstveröffentlichung in diversen Zeitschriften in Italien und Frankreich; aktuell Editions Casterman

Aktuell 16 + 1 Bände; von 1967 – 1991; 2015 bis heute

Veröffentlichungsstatus in DE: Serie komplett erschienen

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Corto Maltese gilt international als eine der literarischen, herausforderndsten und besten Graphic Novels überhaupt. Ihre ersten Seiten wurden 1967 in dem Magazin Sgt. Kirk veröffentlicht. Der Aufbruch der Gesellschaft zu neuen Ufern war in vollem Gange und die Menschen waren nicht mehr bereit, alles unhinterfragt zu akzeptieren. Esoterik, Freie Sexualität, neue Lebensentwürfe, aber auch Interesse für Befreiungsbewegungen, Musik und Kunst aus anderen Kulturen abseits vom Kolonialismus brachen sich Bahn!

© 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium; 1974 Koralle Verlag

In Deutschland hat Corto Maltese eine bewegte Veröffentlichungsgeschichte. Den Anfang machte das (Koralle)ZACK 1974 mit einer farbigen Variante des ersten Teils. Hier scheiterte die anspruchsvolle Novel aber grandios und war bis heute die einzige Serie, die aufgrund von Leser*innenreaktionen abgebrochen wurde. Eine schwarz-weiße Fortsetzung im Comic-Forum brachte die Geschichte nach mehr als sechs Jahren Pause immerhin zu Ende. Anfang der 80-er erschienen bei Carlsen dann in falscher Reihenfolge insgesamt neun schwarz-weiße Ausgaben denen in den 90-er farbige Ausgaben folgten. In den 2000-ern folgten dann einige vierfarbige Bände bei Kult-Editionen, die die teilweise sehr voluminösen Sammlungen splitteten. Auch dieser Versuch endete aber vor einer Komplettierung.

2015 schließlich wagte der Hamburger Verlag Schreiber & Leser einen Neustart und startete sowohl eine farbige Reihe als auch eine parallele schwarz-weiße Klassik-Edition die im November 2020 mit dem Band 12 „Mu“ abgeschlossen wurden. Parallel dazu werden seit 2016 auch die neuen Abenteuer des Seefahrers aus der Feder von Juan Diaz Canales, gezeichnet von Ruben Pellejero in gleichen Aufmachungen veröffentlicht. Die bisher erschienenen drei Geschichten sortieren sich wie etwa auch bei Blake & Mortimer in die Chronologie der Pratt’schen Stories ein.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

„Es gibt immer etwas zu entdecken, immer ein Stück weiter weg, bis man wieder an seinem Ausgangspunkt ankommt…“

Die erste Geschichte Una ballata del mare salato, auf Deutsch Südseeballade, erzählt auf 200 Seiten die Erlebnisse des Kapitäns ohne Schiff zwischen 1913 und 1915. Cortos erster Auftritt ist dabei keineswegs der eines strahlenden Helden, denn er treibt, an ein hölzernes Kreuz gefesselt, hilflos im Pazifik. Von Anfang an ist damit klar, dass sich hier kein „Macher“ präsentiert, sondern eher einer, der seinen Platz sucht, den der anderen aber nicht schmälern will. Wir treffen hier auch schon auf Rasputin, eine Gestalt, deren Wege sich immer wieder mit denen des Titelhelden kreuzen werden. Beide sind in krumme Geschäfte verwickelt; der eine skrupellos und über Leichen gehend, der andere im Grunde romantisch veranlagt. Die zwischen 67 und 69 erschienenen Seiten wurden 1976 als Album produziert und sofort in Angoulême ausgezeichnet.

Nach dem überlangen ersten Band verlegte sich Pratt für eine Zeit darauf, Geschichten für Pif Gadget, ein kommunistisch orientiertes französisches Comicmagazin, zu verfassen. Da dort die Stories nicht über mehrere Ausgaben verteilt publiziert wurden, hatten sie jeweils eine Länge von 20 Seiten. Die so entstandenen 21 Kurzgeschichten wurden in den Alben Im Zeichen des Steinbocks, Und immer ein Stück weiter, Die Kelten und Die Äthiopier veröffentlicht. Diese Bände decken den Zeitraum des Ersten Weltkrieges ab.

Corto ist auf seinen Reisen immer dort, wo die große Weltgeschichte gerade auch ist. Er ist aber immer nur Randfigur und fügt sich somit in bekannte Settings ein, ohne zu stören, erlaubt aber trotzdem detaillierte, neue Blicke. Seine Reise führt zunächst in die Karibik, über Südamerika nach Europa und an das Horn von Afrika. Nie lässt Pratt seinen Helden einfach nur Abenteuer erleben; immer muss mindestens Romantik dabei sein. Diese kann sich dabei sowohl auf die direkt erlebte Natur beziehen, schließt aber auch amouröse Geschichten nicht aus. Natürlich enden diese niemals glücklich. Dazu kommen religiöse Fragen, politische und kriegerische Auseinandersetzungen (und damit die Frage nach dem Sinn derselben), Freundschaften und immer wieder Traumsequenzen. Die Reihe fordert die Leser*innen und verschließt sich dem einmaligen „Nebenbei-Lesen“ komplett.

Eine Sache steht aber ganz klar im Fokus: The Great War bzw der Erste Weltkrieg als solcher. Immer wieder gerät Corto zwischen die Fronten. Allerdings ist er nie Partei, sondern immer irgendwie daneben. Und so kann er mit Deutschen genauso Geschäfte zu Lasten der Engländer machen wie mit den Schotten und Italienern zulasten der Österreicher. Und so kann er genauso gut der IRA zu Waffen verhelfen wie den revolutionären Montenegrinern den Schatz ihres geflohenen Königs zurückbringen.

„Aber du lebst ständig eine Fabel und merkst sie nicht mehr. Wenn ein Erwachsener in die Welt der Fabeln eintritt, kann er sie nicht verlassen. Wusstest du schon?“

Neben den Action-Inhalten gibt es immer wieder Traumszenen, teilweise künstlich erzeugt, in denen klassische Sagengestalten wie Merlin auftauchen und die Realität hinterfragen. Diese Szenen sind auch grafisch anspruchsvoll umgesetzt und verbinden die schattenhaften Andeutungen mit einer Art von Flirren.

Die Weltgeschichte lässt den Seemann nicht los: In Sibirien hat gerade eine die Welt für immer verändernde Revolution stattgefunden und Corto trifft dort alte Bekannte und neue Frauen. Er wird allerdings auch verwundet als er versucht, den legendären Zug mit dem Goldschatz des Zaren an sich zu bringen. Über Umwege über die Mandschurei und Hongkong gelangt er wieder nach Europa um eine Venezianische Legende zu erleben! Etwas untypisch ist die Geschwindigkeit der Handlung, die Freimaurer, Schlägereien und die Suche nach einem Schmuckstück mit geheimnisvollen Kräften beinhaltet. Ja, und auch Träume, Diskussionen und Frauen.

Das Goldene Haus von Samarkand ist erneut eine Schatzsuche, diesmal führt uns Pratt auf die Spuren Alexander des Großen, aber auch wieder in ein politisches Großereignis. Kemal Atatürk versucht, eine moderne Türkei zu errichten. Wider Willen wird Corto in die Ereignisse hineingezogen, in denen sein Doppelgänger schon agiert. Nach all diesen Weltereignissen ist es gut, etwas Ruhe zurückzugewinnen. Band 9 springt daher zeitlich zurück in das Jahr 1904 und das Abenteuer einer Jugend. Wieder ist es allerdings ein Krieg, der den Hintergrund bildet für die einzige nicht vollendete Geschichte Pratts. Sie bietet trotzdem die erste Begegnung mit Rasputin und für die Literaturliebhaber einen an sich zweifelnden Jack London. Die aktuelle Ausgabe enthält auch die ersten Seiten der geplanten Fortführung.

„Sie haben noch immer nicht verstanden, dass die besten Antworten dann erfolgen, wenn niemand eine Frage gestellt hat. Das kapiert einfach keiner!“

1923 verschlägt es den Helden erneut nach Südamerika, genauer nach Argentinien. Der Ausgangspunkt ist natürlich eine der vielen Frauen im Leben des Kapitäns. Keine wird ihn binden können, doch immerhin eilt er aufgrund eines Briefes von Louise Brookszowyc zur Hilfe. Buenos Aires ist dann der finale Schauplatz sowohl einer Krimigeschichte als auch einiger titelgebender Tänze: Tango. Pratt versteht es meisterlich, die Stimmung dieses Tanzes in Bilder zu gießen. Dabei ist der Vergleich der beiden Versionen hier besonders ergiebig da die Farbe ganz andere Akzente setzt!

In vielen Maltese-Geschichten war Literatur allgegenwärtig und wurden immer wieder Anspielungen aufgeworfen. Wenn also Corto 1924 die Schweiz durchquert, darf eine Begegnung definitiv nicht fehlen und so ist Hermann Hesse mit von der Partie! Pratt verbrachte die letzten 11 Jahre seines Lebens in der Schweiz und setzte seiner Wahlheimat ein Denkmal. Den Beginn der Reise macht er zusammen mit Professor Steiner, doch dann tritt wieder einmal eine Frau dazwischen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Jungbrunnen.

Die letzte Suche ist die nach dem verlorenen, irdischen Paradies und sie findet statt mit alten Freunden: Golden Rosemouth, Tristan Bantam, Soledad Lokäarth und selbstverständlich Rasputin. Das gerade erschienene Mu ist ein Stück Abschied für einen, der immer noch erwartet, gleich überrascht zu werden und nie aufgehört hat, zu suchen. Eine gewisse Unterstützung bieten dabei ein paar Pilze. Wir wissen aber aus anderen Quellen, dass Corto noch lebt. Eine Referenz lässt ihn am Spanischen Bürgerkrieg teilnehmen und das Ende der Südseeballade zeigt einen Brief über Onkel Corto. . .

„Was du wieder redest! In deinem Alter lesen vernünftige Leute nicht Gedichte wie kleine Mädchen.“

25 Jahre mussten vergehen bevor der verschollene Seemann wieder zwischen Buchdeckeln auftauchen durfte. Juan Diaz Canales schreibt seitdem die Szenarien und schickt Corto in die Lücken, die Hugo Pratt gelassen hat. Unter der Mitternachtssonne spielt 1915 und schließt an die Südseeballade an. Es verschlägt den Helden in die eiskalten arktischen Gefilde der USA und Kanadas. Passend zur Umgebung steht ein alter Bekannter erneut im Licht: Jack London. Damit folgt auch der Neustart des alten Narrativs der zyklischen Wiedernutzung bekannter Charaktere! Auch sonst gelingt es, den Ton zu treffen.

Äquatoria geht noch einmal weiter in die Vergangenheit und lässt Corto 1911 im Norden Afrikas agieren. Dabei stehen wieder eine schöne Frau und eine Schatzjagd im Mittelpunkt und die harmlos Kolonialismus genannte Vernichtungspolitik des alten Europas bietet den kriegerischen Rahmen. Tarowean ist die direkte Vorgeschichte zur Südseeballade, die schon auf dem Cover mit dem an das Andreaskreuz gefesselten Corto die Erwartungen weckt.

Nacht in Berlin spielt 1921 in Berlin und Prag und zeigt das Erstarken des Nationalsozialismus. Cortos Freund Prof Steiner wird ermordet und auf der Suche nach den Tätern gerät der Kapitän in eine Jagd auf eine besondere Tarot-Karte, die Aufnahmen für einen expressionistischen Film, politische Kämpfe und wird für einen anderen gehalten!

Unsterblich? – The next generation

In dem One-Shot Schwarzer Ozean von 2021 bringen Martin Quenehen und Bastien Vivès die ganze Entourage in die Jetztzeit. 2001 verdingt sich Corto als Pirat. Da er nicht für Geld Menschen töten will gerät er aber zwischen die Ränke einer politischen Sekte, eines Drogenkartells und zweier Geheimdienste. Auf der Suche nach einem sagenumwobenen Schatz spielen selbstverständlich auch zwei Frauen ihre Rolle.

Der Folgeband Die Königin von Babylon spielt weiterhin im Umfeld der Piraterie. Während einerseits ein Coup gegen internationale Waffenschmuggler gelingt, bleiben andererseits Wünsche unerfüllt. Den Hintergrund bilden die Kriege auf dem Balkan!

Die Zeichnungen

Pratt hat in gewisser Weise den europäischen Comic revolutioniert. Realistische Comics waren bis dato sehr detailreich angelegt und oft in hohem Tempo erzählt. Zudem war die schiere Länge der Südseeballade eine Art Affront. Corto Maltese brachte ganz neue Stimmungen mit sich, denn die Handlung stand weniger im Vordergrund als das Erleben der Natur, etwa wenn der Hai den Weg des Bootes lenkt oder wenn die Entdeckung eines sich nähernden Schiffes weniger relevant erscheint als die Tatsache, dass der Ausguck Stunden auf einer schwankenden Palme zugebracht haben muss. Pratts Figuren lesen Romane und unterhalten sich, die Panels sind nicht voll, denn die Umgebung ist oft genug nur angedeutet und doch ist die Natur in jeder Sekunde spürbar.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Noch deutlicher wird das natürlich in den als „Klassik-Edition“ bezeichneten schwarz-weiß Ausgaben. Kein farbiger Hintergrund lenkt von den Zeichnungen ab; oft sind es allein schwarze Flächen, die die Geschichte erzählen. Wer wirklich alles aus der Geschichte herausholen möchte ist daher gut beraten, sich beide Ausgaben zuzulegen!

Das bedeutet aber nicht, dass Pratt nicht akribische Vorarbeiten getroffen, das Material nicht ausgiebig gesichtet hätte. Das beweisen schon allein die vielen kleinen Vignetten, Zeichnungen und Skizzen die sicherlich auch zum Ruhm von Corto beigetragen haben. Und so ist der Start mit einem Vorwort und einer Vielzahl an eben diesen kleinen Bildern eine perfekte Einführung in die aktuellen Alben des Hamburger Verlages. Als Leser*in wird man so direkt in die Stimmung hineingezogen und eingegroovt.

Ruben Pellejero hat eine fast unmögliche Aufgabe übernommen. Purist*innen sind immer der Meinung, dass eine stilbildende Serie von niemand anders gezeichnet (und getextet) werden kann. Jede Rezension wird versuchen, Unterschiede zu finden und eine Besser/Schlechter-Wertung abzugeben. Fronten verhärten schnell. Meiner Meinung nach trifft Pellejero den Stil Pratts gut genug, um einen harten Bruch zu vermeiden und entwickelt sich langsam hin zu eigenen Markierungen. Die Zeichnungen sind etwas detailreicher, spielen etwas weniger mit Schatten, nehmen aber die Stimmung gut auf. Also: Eine gute Wahl der Lizenzinhaber die uns Leser*innen weitere Mischungen aus Abenteuer und Spiritualität verspricht!

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Die komplette Reihe bei Schreiber & Leser

NrTitelOriginaltitelzeitliche Einordnung
1SüdseeballadeUna ballata del mare salato1913 – 15
1Südeseeballade Klassik Edition
2Im Zeichen des Steinbocks (2 – 7)Sous le signe du Capricorn2-5: 1916
6-7: 1917
2Im Zeichen des Steinbocks Klassik Edition
3Und immer ein Stück weiter (8 – 12)Corto toujours un peu plus loin1917
3Und immer ein Stück weiter Klassik Edition
4Die Kelten (13 – 18)Les Celtiques13-16: 1917
17-18: 1918
4Die Kelten Klassik Edition
5Die Äthiopier (19 – 22)Les Èthiopiques1918
5Die Äthiopier Klassik Edition
6In SibirienCorto Maltese en Sibérie1918 – 20
6In Sibirien Klassik Edition
7Venezianische LegendeFable de Venise1921
7Venezianische Legende Klassik Edition
8Das Goldene Haus von SamarkandLa Maison dorée de Samarkand1921 – 22
8Das Goldene Haus von Samarkand Klassik Edition
9Abenteuer einer JugendLa Jeunesse 1904 – 19051904 – 05
9Abenteuer einer Jugend Klassik Edition
10TangoTango1923
10Tango Klassik Edition
11Die SchweizerLes Helvétiques1924
11Die Schweizer Klassik Edition
12Mu1925
12Mu Klassik Edition
13Unter der MitternachtssonneSous le soleil de minuit1915
13Unter der Mitternachtssonne Klassik Edition
14ÄquatoriaÈquatoria1911
14Äquatoria Klassik Edition
15Tarowean – Tag der ÜberraschungenLe jour de Tarowean1912 – 13
15Tarowean – Tag der Überraschungen Klassik Edition
16Nacht in BerlinNocturno Berlinés1921
16Nacht in Berlin Klassik Edition
NNSchwarzer OzeanOcéan Noir2001
NN2Die Königin von BabylonLa Reine de Babylone2002

Jeder Band hat zudem zusätzliche Illustrationen und einen Artikel in einem stabilen Hardcover und angenehm festen Papier. Die Seitenzahlen der farbigen und Klassik-Editionen weichen teilweise erheblich voneinander ab wenn die Geschichten mit der Kolorierung auch einen Layout-Wechsel zwischen drei- und vierreihiger Anordnung vollzogen haben.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Weiterführendes Material

Natürlich gibt es gerade zu diesem Ausnahmekünstler und seiner bekanntesten Serie eine Unmenge an Material!

Die aktuellste Bibliografie der Veröffentlichungen (auch in Deutschland) findet sich als Anhang eines Bandes von Erinnerungen des italienischen Künstlers. Warten auf Corto enthält die deutsche Übersetzung von Gesprächen Pratts mit seinem Freund de Rosa. Aus dem gleichen Verlag, der Edition Alfons, stammt auch die beste regelmäßige deutsche Sekundärzeitschrift, die Reddition. Die Ausgaben 26 und 41 widmen sich ausschließlich Ugo Eugenio Pratt, die 68 thematisiert Comics aus Argentinien und in diesem Zusammenhang eben auch Pratts entsprechende Schaffensperiode.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Tja, und dann gibt es noch Micky Maltese von Giorgio Cavazzano, Bruno Enna und Alessandro Zemolin aus der Reihe der Disney-Hommagen von europäischen Künstlern. Fast schon selbstverständlicherweise referenzieren auch unzählige andere Comics, Romane und sogar Filme diese Serie und ihren Helden. Die verschiedenen (mehr oder weniger direkten) Umsetzungen in bewegten Bildern wären das Thema eines anderen Artikels.

Die Empfehlung

Über 1700 Seiten warten auf potenzielle Leser*innen! Nicht alle haben die gleiche Qualität, ja, vielleicht noch nicht einmal die gleiche Zielgruppe. Aber sie alle ermöglichen ein Lesevergnügen, das Anspielungen auf Literatur und Geschichte bietet, Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischt, Helden und Antihelden ganz neu definiert und damit höchste Unterhaltung liefert! Da die Serie erstmals komplett vorliegt, kann jede*r selbst entscheiden, einzelne Titel antiquarisch zu erwerben oder die Serie peu a peu einheitlich zu vervollständigen. Ich würde empfehlen, dabei sowohl die farbige als auch die schwarz-weiße Klassik-Ausgabe zu begutachten und sich einzelfallbezogen zu entscheiden da sie sehr unterschiedliche Einblicke und Lesarten ermöglichen.

Corto Maltese nimmt an vielen Kriegen (passiv) teil – in den Wüstenskorpionen wird er erzählt, dass er im spanischen Bürgerkrieg ebenfalls anwesend war – er bleibt aber ein Gegner des von Regierungen befohlenen Schlachtens, ohne dabei zum Pazifisten zu werden. Er hat ein inniges Verhältnis zu Frauen und Literatur, ohne sich binden zu können und fordert Widerspruch heraus!

Kurzum: eine der besten Graphic Novels aus einer Zeit, in der dieses Wort noch keinen Hype bezeichnete!

Detail aus Band 6: In Sibirien – © 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Auf den letzten Seiten des Albums „Die Kelten“ erklärt Corto, dass er eigentlich nur nach Frankreich gekommen sei, um die Weine zu probieren. Dementsprechend sollte ein guter französischer Rotwein, vollmundig aber nicht zu schwer, exzellent als Begleitung dienen können. Musikalisch passt eigentlich immer entsprechende Folk-Musik zu den einzelnen Bänden – etwas romantisch, etwas schwermütig, verwurzelt in alten Geschichten aber gerne auch in moderner Interpretation!

© der Abbildungen 2015 – 2022 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995, 2016 – 2019, 2021 – 2022 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium; 1974 Koralle Verlag

Jul/Achdé- Lucky Luke 99

Lucky Luke 99 – Fackeln im Baumwollfeld

Story: Jul nach Morris
Zeichnungen: 
Achdé nach Morris
Originaltitel: 
Un cow-boy dans le cotton

Egmont EHAPA Media
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 € | Hardcover 12,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-4127-3

(c) 2020 Lucky comics

In der Westernserie Lucky Luke gab es schon immer „Gastauftritte“ von berühmten Persönlichkeiten aus der Zeit des Wilden Westens, die mit dem Helden und seinem Pferd Jolly Jumper zusammen agiert haben. Dabei waren Outlaws wie Billy the Kid oder Jesse James genauso willkommen wie Richter Roy Bean oder zuletzt Gustave Eiffel. Ihnen allen war aber eines gemeinsam: Noch nie gab es eine Berühmtheit mit schwarzer Hautfarbe!

Die Geschichte – Black Lives Matter!

Fackeln im Baumwollfeld präsentiert schon auf dem Titelbild Baas Reeves der, noch als Sklave geboren, der erste farbige US-Marshall werden sollte und in seiner Karriere mehr als 3000 Gesuchte festgenommen hat. Er wird eingeführt als er die mal wieder ausgebrochenen Daltons in ihr Gefängnis zurückbringt und dabei auf den urlaubenden Lucky Luke trifft. Bei dieser Gelegenheit erfährt Luke, dass er eine Baumwollplantage in Louisiana geerbt hat. Sein Ziel ist es, das Erbe möglichst schnell an die auf der Plantage arbeitenden Schwarzen und ihre Familien zu übergeben.

Auf dem Weg dorthin muss er feststellen, dass der Bürgerkrieg zwar beendet und die Sklaverei abgeschafft ist, die weiße Bevölkerung im Süden dieses aber keineswegs gutheißt. Immer wieder kommt es zu Situationen, die für den gesetzestreuen Cowboy unerträglich sind, etwa wenn zwei Weiße einen Arbeiter lynchen wollen, weil er ihnen nicht aus dem Weg gegangen ist. Dabei spielt Jul in seinem Szenario sehr geschickt auf bekannte Figuren aus Literatur oder Politik an und verknüpft alleine mit einem Vornamen eine Assoziation bei den Leser*innen.

Nach einem bemerkenswerten Fest auf der Nachbarranch beschließen die Männer der weißen Oberschicht, in ihrer Eigenschaft als Klansmen an Luke ein Exempel zu statuieren. Es kommt zu einem sehr spannenden Showdown, der an beste Hollywood-Produktionen mit Megabudget erinnert!

Schon Band 97 war als ein Plädoyer für die Freiheit zu verstehen und dieser Impetus ist noch einmal deutlicher geworden! Achdé und Jul lassen ihre Helden sehr deutlich machen, dass jedes Leben gleich viel wert ist, dass Hautfarbe kein Kriterium sein kann („…wenn eine Klapperschlange dich umbringt, dann wenigstens nicht wegen der Farbe deiner Haut.“) und dass es Zeit wird, zu verstehen, dass Zeiten sich geändert haben!

Jul erklärt dazu „Im Wilden Westen war jeder vierte Cowboy schwarz. Ich fand die Idee wunderbar, das mithilfe einer Geschichte zu erzählen, in der es um die Freundschaft zwischen Lucky Luke und einem realen Helden geht, einem ehemaligen Sklaven, der tatsächlich gelebt hat. Die Bezüge zu aktuell drängenden Fragen sind eher zufällig. Die Absicht war, eine gemeinschaftsstiftende Geschichte zum Thema Rassismus zu erzählen und Figuren mit schwarzer Hautfarbe in den Mittelpunkt einer Comicreihe zu stellen, die zu den wichtigsten ihrer Art zählt und von einem sehr breiten Publikum aus Jung und Alt gelesen wird.

Die Zeichnungen

Achdé ist ein würdiger Nachfolger des großen Morris und die Kraft seiner Zeichnungen liegt darin, dass er nicht einfach nur kopiert, sondern eigenständige Impulse hinzugefügt hat. Die Daltons und Luke sehen im Wesentlichen aus wie immer, die Nebenfiguren wie etwa der Klanchef Quarterhouse oder der etwas unrasierte Baas Reeves haben viel mehr Details und Tiefe als frühere Figuren. Dadurch wird der Funny etwas realistischer, verliert aber nichts von seinem Charme! Und natürlich stellt sich angesichts der aktuellen Diskussionen um Vorurteile die Frage, ob rassistische Stereotype verwendet worden sind. Ich denke, dass sich Achdé hier viel Mühe gegeben hat, diese zu vermeiden.

In seinen eigenen Worten formuliert Achdé das so: „Von Morris und auch von Uderzo habe ich gelernt, wie wichtig die Charakterisierung einer Figur ist: Der Leser muss auf den ersten Blick wissen, mit wem er es zu tun hat. Die Gefühle der Figur müssen ihr ins Gesicht geschrieben stehen, und das geht häufig über die Augen und den Mund. Natürlich hätte ich gern noch mehr bekannte Personen einfließen lassen, zum Beispiel Morgan Freeman oder Forest Whitaker. Aber diese Vorschläge wurden verworfen. Immerhin konnte ich den echten Bass Reeves zeichnen mithilfe einer der einzigen beiden Ganzkörperaufnahmen, die von ihm existieren. Die reichen Weißen zu verunglimpfen, die Großgrundbesitzer, die kein Erbarmen mit den schwarzen Farmern haben – das ist mir dagegen eher leichtgefallen. Bei meinem letzten Aufenthalt in den USA habe ich einen Eindruck davon bekommen, was echter Rassismus ist, und das hat mich nachhaltig geprägt. In das Album habe ich all das gepackt, was ich am meisten hasse: Dummheit, Hass und unbegründete Boshaftigkeit.

Sogar das Layout ist etwas flexibler geworden und verlässt das strikte vierreihige Raster für eine vertikale Anordnung! Selbst die kleinen Nebenfiguren, etwa der Frosch im Sumpf oder die Krokodile, sind liebevoll gezeichnet und nicht etwa nur Dekoration. Im humoristischen Bereich für mich die bisher beste Publikation des Jahres!

Die Ausgaben

Aktuell gibt es nur die Kiosk-Softcover-Variante der ab dem 5. November ein Hardcover (für 12,00 €) folgen wird. Fast alle LL-Abenteuer eignen sich für das mehrmalige Lesen und bieten genügend Details, die beim letzten Mal noch unentdeckt geblieben sind. Das trifft übrigens sowohl auf die textlichen Hinweise als auch die grafischen „versteckten“ Elemente zu! Jede*r möge also selbst entscheiden, welche Variante dafür besser geeignet erscheint!

Im Vorwort bedankt sich Achdé bei dem vor Kurzem verstorbenen Albert Uderzo für alle Inspiration und Hilfe. Lucky Luke hat sich mittlerweile zu einer Serie entwickelt, die Asterix an parallelen Anspielungen und Hinweisen für unterschiedliche Altersgruppen noch übertrifft und die wie keine andere Spannung, Spaß, Unterhaltung und politisches Eintreten für die Freiheit Aller kombiniert!

Also: Fackeln im Baumwollfeld ist ein absolutes Lesevergnügen, das in diesen sehr stark auf Corona fixierten Zeiten den Blick auf nicht minder wichtige Herausforderungen lenkt. Natürlich darf (und soll) man die beschrieben Zustände nicht 1:1 auf die heutige Situation übertragen, Leser*innen dürfen sich aber fragen, ob alle Probleme schon erledigt wären.

Dazu passen ein Bier aus der Cajun Fire Brewing Company und The Specials -Encore!

© der Abbildungen 2020 Lucky Comics/Egmont Ehapa Media

Goscinny/Uderzo – Der Goldene Hinkelstein

Der Goldene Hinkelstein – Ein Abenteuer mit Musik

Story: René Goscinny
Zeichnungen: 
Albert Uderzo
Originaltitel: 
Asterix – Le Menhir D´Or

Egmont EHAPA Media www.asterix.com
A4 | 48 Seiten | Farbe | Softcover 6,90 €  | Hardcover 13,00 €
ISBN: 
N/A | 978-3-7704-4128-0

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Geschichte

Seit einigen Jahren sind wir es gewohnt, im Oktober jedes ungeraden Jahres ein neues Abenteuer der Gallier serviert zu bekommen. Die Presse schlägt Kopf, die Druckmaschinen kochen und seit dem unsäglichen Gallien in Gefahr sind zwar nicht alle zufrieden, die Qualität der Stories hat aber wieder deutlich zugelegt und vermag alte und neue Leser*innen zu begeistern. Zu den Anfängen der Serie und der Tochter des Vercingetorix hat comix-online bereits berichtet.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

In geraden Jahren jedoch fehlt Neues von Asterix und so kommt der Fund einer bisher in Deutschland noch unveröffentlichten Geschichte aus der Frühzeit der Serie gerade recht! Wir treffen die bekannten Figuren, bis auf Idefix, und das bekannte Szenario: Der Barde Troubadix glaubt, dass er ein begnadeter Sänger wäre und möchte daher den Gesangswettbewerb der gallischen Barden im Karnutenwald gewinnen.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Asterix und Obelix beschließen, ihn zu begleiten und ihn vor dem möglicherweise aufgebrachten Publikum zu beschützen. Und dann ist da noch der römische General Eucalyptus: Ihm fehlt die Kultur Roms und so beauftragt er seinen Zenturio, den besten Sänger zu entführen.

Die Darbietung

Wer einen Comic erwartet hatte ist möglicherweise etwas enttäuscht. Wie angekündigt handelt es sich um Illustrationen zu einem Hörspiel, das ursprünglich auf Vinyl von einem Beiheft begleitet worden war. In Deutschland war dieses Hörspiel bisher unbekannt. Jetzt ist nicht nur das Beiheft etwas großzügiger layoutet und dem Format der „Großen Asterixbände“ angepasst, auch den Text (und vor allem den Gesang der Helden gibt es zeitgemäß als Stream! Der Link per QR-Code befindet sich im Album.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Die Zeichnungen von Uderzo sind wie gewohnt nahezu perfekt und erst vor kurzem restaurieret worden. Durch die großflächige Darbietung wirken sie sogar noch besser als als kleines Panel im Seitenlayout! Der Meister hatte diese Überarbeitungen noch beaufsichtigen können und so ist sichergestellt, dass die Zeichnungen wirklich Uderzo enthalten. Der Text ist locker, flockig und witzig! Die Fans von Goscinny werden sich bestätigt fühlen und ihn weiterhin als den größten Asterix-Texter verehren.

Für jeden Asterix-Fan ein Muss! Auch das Hörspiel lohnt sich durchaus, hat der Barde doch ähnliche Qualitäten wie viele andere der gerade angesagten deutschsprachigen Künstler, zeitbedingt fehlt allerdings der Tontechniker. Wie immer gibt es eine Kiosk-Ausgabe und ein Hardcover für den Buchhandel.

Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Dazu passen eine lauwarme Cervisia, alternativ ein Pils mit dem Zusatz Gold oder Mild, und das aus dem gleichen Jahr stammende I’m a Believer von The Monkees!

© der Abbildungen Asterix® – Obelix® – Idefix ® / © 2020 Les Éditions Albert René / Goscinny – Uderzo

Gratis Comic Tag 2020 – Western

GCT 2020 zum Ersten – Western – eine Übersicht

Wie mittlerweile bekannt sein dürfte findet der ursprünglich für Mai geplante Gratis Comic Tag in diesem Jahr Corona bedingt im September statt. 34 Hefte warten auf Euch! Um Euch ein wenig Entscheidungshilfe zu geben werden hier in den kommenden Wochen peu a peu unter einer sinngebenden Überschrift einige der Hefte vorgestellt. Wo in eurer Gegend welche Händler*innen mitmachen könnt ihr hier herausfinden.

Das erste Themengebiet für heute lautet „Western“. Comics aus diesem Genre sind überhaupt erst das vierte Mal dabei und noch nie waren es so viele wie in diesem Jahr! Noch bemerkenswerter wird die Statistik hinsichtlich der Titel denn bei den vier bisherigen Heften waren gleich drei Lucky Luke dabei.

Hintergründige Kurzgeschichte in schwarz-weiß

Für mich eines der Highlights der diesjährigen Auswahl ist Der Bote von Paolo Eleuteri Serpieri (und R. Ambrosio). Im Verlag Schreiber & Leser sind im Rahmen der Serpieri Collection bereits drei Bände mit Kurzgeschichten aus der Zeit der Inbesitznahme Nordamerikas durch die Weißen erschienen. Die meisten sind – wie auch diese Story – in schwarz-weiß und erlauben so einen tiefen Einblick in die Kunst des Italieners. Serpieri ist vom Kino in seiner Erzählweise geprägt, anders als die meisten Filme ist sein Werk aber von tiefer Achtung der indianischen Kulturen und ihrer Lebensweisen durchdrungen.

Auch seine Sicht auf die Weißen ist speziell, denn er achtet stark auf die treibenden Motive: Ehre, Treue, Geschicklichkeit aber auch konfliktbehaftete wie das Verhältnis zu Vorgesetzten, Eltern oder korrupten Institutionen. Hier geht es um einen jungen Kerl der seinen ersten Ritt als Teil des Pony Express absolviert. Witterung, Hunger und selbst Krieger auf dem Kriegspfad können ihn nicht aufhalten doch seine Post birgt eine Überraschung!

Guter Spannungsaufbau, interessantes und flexibles Seitenlayout und natürlich vor allem die detailgenauen Zeichnungen machen dieses Heft genau zu dem, was es auch sein soll: einem Appetitanreger für den Rest!

Ein Militär als Ordnungshüter

Der zweite Western ist ebenfalls ein Klassiker: Blueberry von Jean-Michel Charlier und Jean Giraud ist seit seinem ersten Auftritt in Pilote im Jahre 1963 für viele „der“ europäische Westerncomic schlechthin. Das hier veröffentlichte sechste Originalalbum Der Sheriff steht zwischen dem ersten und dem zweiten Zyklus der Alben und bietet daher eine gute Möglichkeit, die Serie kennen zu lernen! Die unterschiedlichen Serien bringen es mittlerweile auf über 50 Bände, die auf Deutsch eine lange Veröffentlichungsgeschichte hinter sich haben. Vollständig sind sie bei der Egmont Comic Collection erschienen aber längst nicht mehr komplett lieferbar. Aktuell wird gerade eine Collector’s Edition genannte Gesamtausgabe verlegt, die in Originalkolorierung daherkommt.

Silver Creek, ein kleines Städtchen, wird von einer korrupten Bande terrorisiert. McClure, der dem Trinken nicht abgeneigte Sidekick des Helden, wird Zeuge des Mordes an dem Sheriff und verspricht den Honoratioren des Ortes, Leutnant Blueberry als Interimslösung zu besorgen. Tatsächlich gelingt es, ihn zur Übernahme dieser Aufgabe zu bewegen, doch wie soll er mit einer Lehrerin, einem Grünschnabel und einem Trunkenbold die Gangster besiegen?

Der auch als Moebius zeichnende Giraud beweist sein Gespür für Panelaufbau, kristallisierte Emotionen, großartige Landschaften und detailgenauen Realismus. Beim Seitenaufbau darf man zeitbedingt keine Experimente erwarten aber das Ergebnis ist immer noch die Messlatte für das gesamte Genre! Wer noch nie einen Band aus dieser Serie gelesen hat sollte jetzt unbedingt zuschlagen!

Ein unsterblicher Stinkstiefel mit Humor

Der bunte Reigen wird durch einen etwas aus der gewohnten Art fallenden Titel komplettiert: Lincoln ist faul, unleidlich und immer darauf aus, seinen Schnitt zu machen. Zudem wettet er auch noch gerne und trinkt dazu. Eine etwas unerwartete Folge daraus ist die von Gott höchstselbst verliehene Unsterblichkeit. Natürlich äußert dieser mehr als einmal Kritik an der Richtung, die Lincoln einschlägt, aber er hat in gewisser Weise auch Spaß daran.

Die Serie wurde geschaffen von Olivier, Jérôme und Anne-Claire Jouvray und wird vom Verlag als „Gegenentwurf zu Lucky Luke“ beworben. Mittlerweile fünf deutsche Bände bei Schreiber & Leser beweisen, dass dieser Entwurf durchaus die Bedürfnisse des Marktes trifft. Auf Teufel komm raus, der erste Band, ist eine witzige Abwechslung, denn selbst die harten Männer werden hier durch den Kakao gezogen und liebgewonnene Klischees mit Augenzwinkern hinterfragt. Natürlich ist Lincoln kein Funny für Kinder, für Heranwachsende taugt er aber sehr wohl!

Das nächste Mal geht es um beteiligte Künstler*innen aus dem deutschsprachigen Raum.

Zu den heutigen Heften passen stilecht Bourbon oder Rye, auf Wunsch mit Cola, und Johnny Cash!

© der Abbildungen 2020 Gratis Comic Tag und den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen

Reddition 71 – Zeitungscomics in Deutschland

Reddition 71 – Juli 2020

Herausgeber: Volker Hamann
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISSN: n/a

Es ist ein paar Monate her seit die letzte Reddition erschienen ist. Das Warten hat sich aber gelohnt denn Volker Hamann und Team haben wieder einmal einen Bereich von Grund auf erschlossen! Das Thema der aktuellen Ausgabe sind Zeitungscomics in Deutschland, also eine alltägliche Begegnung für die meisten von uns.

Die Tradition der Strips begann in den Zeitungen

Während Comics in Heft- und Albenform immer noch ein wenig mit dem Vorurteil zu kämpfen haben, doch eigentlich nur Kinderkram wenn nicht gar Schund zu sein, sind Strips in Zeitungen als Mittel der Kund*innenbindung akzeptiert und haben eine lange Tradition. Über die Ursprünge in den Vereinigten Staaten mit den Kampf zwischen Pulitzer und Hearst ist schon viel geschrieben worden und so verzichtet Michael Hein glücklicherweise darauf, alles zu wiederholen. Sein einführender Essay enthält genau die richtige Menge an Information um die Alleswisser nicht zu langweilen, den Einsteigern aber ein gutes Gerüst für den Rest des Dossiers zu bieten.

Der Fokus liegt auf der Entwicklung in Deutschland und so werden in einer guten Mischung einerseits Serien vorgestellt die hier eine gewisse Relevanz gehabt haben oder hatten. Es gibt daher Artikel etwa zu The Phantom (Empfehlung für alle, die zu wenig Zeit haben um alles zu lesen!) von Bernd Frenz, Rip Korby (sic!, so hieß der Gute hier) Modesty Blaise aber auch zu den Peanuts, Hägar oder Zits.

Etwas allgemeiner gehalten sind dagegen die Beiträge zu James Bond, Star Wars, Star Trek oder Doonesbury, die eher auf die Serien an sich eingehen. Natürlich dürfen auch Ausflüge in die europäischen Serien nicht fehlen und so finden sich auch die Vandersteen-Serien (Suske & Wiske, Bessy), Petzi und Tim und Struppi sowie die unvergesslichen Munins in diesem Heft.

Wie kommen die Folgen in meine Zeitung?

Was wäre ein Dossier zu Zeitungscomics ohne Artikel zu den Vertreibern der Strips? Nichts, genau! Deshalb werden auch Bulls Pressedienst und das presse-illustrations-büro vorgestellt. Zu ersterem gibt es sogar drei Artikel die sich verschiedenen Aspekten widmen. In einem Interview erläutert Markus Schindler von Bulls das Geschäft, das längst nicht mehr auf gedruckte Strips beschränkt ist.

Ich gehöre zu den glücklichen Lesern die noch Strips geboten bekommen: täglich Hägar und Magnus, montags zusätzlich die Schlümpfe und am Samstag Sherman’s Lagoon.Nicht die beste Auswahl aber immerhin. Was ist euer Favorit? Hinterlasst gerne einen Kommentar.

Die Reddition beweist erneut, dass das aktuelle Team sich in eine Vielzahl von Themen nicht nur einarbeiten kann sondern es auch schafft, das Ganze ansprechend und lesbar zu präsentieren. Hut ab! Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es im deutschsprachigen Bereich keine andere regelmäßige Sekundärpublikation mit der Reddition aufnehmen kann.

Ein einziger Wermutstropfen sei zum Schluss dann doch noch vermerkt: Während des Lesens möchte zumindest ich immer wieder mehr Originalmaterial sehen/lesen. Zwar ist schon begleitend das eine oder andere abgedruckt, einen wirklichen Eindruck kann man damit aber nicht gewinnen. Wie schön wäre es, einen abgestimmten Reader zu haben der zu jedem Artikel 5-6 Seiten Beispiele präsentieren würde. Dass das Ganze weder betriebswirtschaftlich zu kalkulieren wäre noch der Aufwand für die ganzen Rechte in einem angemessenen Verhältnis stehen dürfte ist mir klar. Schön wäre es trotzdem.

Nur für Abonnenten gibt es wenigstens einen kleinen Schmankerl: Eine als Poster aufgezogene Sonntagsseite und einen Artikel über die Comic-Produktion aus dem Jahr 1950.

Dazu passen ein Indian Summer aus dem MalzKultWerk und The Slackers mit traditionellem Ska!

© der Abbildungen Verlag Volker Hamann, Edition Alfons 2020 und die Autoren

Duchâteau/Denayer – Alain Chevallier 8

Die Rivalen

Story: André-Paul Duchâteau 
Zeichnungen: Christian Denayer 

Originaltitel: Les rivaux

All Verlag

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-946522-98-0

Alain Chevallier ist ein französischer Rennfahrer und Formel 1-Pilot, der sich im Laufe der Zeit immer mehr verbessert hat und mittlerweile zur Weltspitze gehört. Er hat keine große Firma im Familienbesitz hinter sich, sondern muss sich Erfolge und Weiterkommen selbst erarbeiten. Alain lebt in einer festen Beziehung mit einer erfolgreichen jungen Filmschauspielerin, die ihn zwar liebt und unterstützt, aber auch ihr eigenes Leben lebt.

Insgesamt 17 Alben sind erschienen und werden nun vom All Verlag in Form von einzelnen Hardcoveralben erstmals komplett auf Deutsch veröffentlicht. Siehe dazu auch die Rezi zum zeitgleich erschienenen Band 1. Noch ein Hinweis: einige könnten sich an einen gewissen Rolf Thomsen erinnert fühlen; Das war der Name des Helden während seines Auftritts im Koralle-ZACK.

Der Inhalt

Alain ist nicht der erste Rennfahrer in seiner Familie, denn auch sein Vater saß am Steuer eines Boliden bis er schließlich bei einem Unfall während des Rennens auf dem Nürburgring 1962 tödlich verunglückte. In den Unfall war ein englischer Fahrer namens Nick Hayward verwickelt, Alain hatte den Unfall als kleiner Steppke aus der Box verfolgt.

1976 sitzt nun der Junge von damals selbst am Steuer als der Große Preis von Deutschland ausgefahren wird und wie der Zufall es will kommt es erneut zu einem Unfall. Zwar kommt Alain ungeschoren davon, der Sohn von Hayward aber scheidet aus. Zwischen den Beiden entwickelt sich eine Feindschaft auf und neben der Piste die gefährlich auszuufern scheint. Natürlich ist die Situation ein gefundenes Fressen für die Hyänen der Sensationspresse.

André-Paul Duchâteau beweist erneut seine Fähigkeit, eine spannende Story zu konstruieren und dabei einen Mix aus Tragödie, Drama und ein wenig Krimi zu kreieren. Die Figuren sind glaubwürdig dargestellt und auch der Handlungsablauf benötigt keine Unwahrscheinlichkeiten um zu funktionieren. Die Rivalen sind dabei gleichzeitig emotionsgesteuert als auch getrieben von den Umständen.

Die Zeichnungen

Hatte Christian Denayer im Vorwort zu Band 1 noch mitgeteilt, dass er selbst mit der Qualität seiner Zeichnungen nicht wirklich zufrieden sei, hat sich das im Laufe der Jahre deutlich verändert. Der Panel-Aufbau war schon anfangs ziemlich gut und hat sich nur leicht verändert. Die Gesichter und überhaupt die Körper der Akteure haben dagegen einen qualitativen Sprung gemacht. Sahen einige Körper anfangs noch aus wie aus einem übertriebenen TV-Cartoon lassen sich jetzt die Proportionen auch im richtigen Leben wiederfinden.

Auch die Gesichter lassen nicht nur Emotionen erkennen, sondern sind mittlerweile auch einer Person zugeordnet. Spaß beiseite: Denayer hat wie jeder Zeichner ein wenig gebraucht, an seinen Schwächen zu arbeiten. In vielen anderen Projekten und auch bei Alain Chevallier beweist er seit Jahrzehnten seine Klasse. Schöner Klassiker des frankobelgischen Comics aus der Blütezeit der wöchentlichen Magazine.

Die Ausgabe

Alle Comics aus Ansgar Lüttgenaus All Verlag zeichnen sich durch eine hohe herstellerische Qualität aus: Gutes Papier mit passenden Farben, gute Bindung, wertiges Hardcover und für die Sammler*innen auch noch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Gimmick: Ein Schutzumschlag und ein von Christian Denayer signiertes ExLibris lohnen sich durchaus.

signiertes Ex Libris der Vorzugsausgabe

Die ursprüngliche Zielgruppe bestand sicherlich aus Jungen. Einige 14-jährige werden sich immer noch für Motorsport interessieren, die meisten Käufer werden mittlerweile erwachsen sein, ihr ursprüngliches Faszinosum für Technik und Spannung aber bewahrt haben und nun auch das entsprechende „Taschengeld“ besitzen.

Dazu passen The Maytals und ein gekühlter Chardonnay.

© der Abbildungen 2020 All Verlag GmbH / 1978 by André-Paul Duchateau und Christian Denayer 

error: Content is protected !!