Im schauraum: comic + cartoon in Dortmund läuft bereits die
zweite Ausstellung unter der Leitung von Dr.
Alexander Braun, dem aktuell wohl profiliertesten Kurator in diesem
Bereich. Unter dem Titel „Nimm das,
Adolf!“ wird in dem kleinen, rund 160 m² großen Raum gegenüber vom Dortmunder
Hauptbahnhof der Zweite Weltkrieg im Comic thematisiert. 80 Jahre nach Beginn
des Krieges werden fast 100 seltene, zumeist erstmals ausgestellte
Originalzeichnungen und Dokumente gezeigt.
Superhelden gegen Adolf
Die USA waren zunächst nicht bereit, in das (europäische) Kriegsgeschehen einzugreifen. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und der daraufhin erfolgten Kriegserklärung Nazi-Deutschlands an die USA änderte sich die Situation grundlegend. Nun begannen auch die sich gerade in ihrer ersten Blüte befindenden Superhelden den Kampf gegen die faschistischen Staaten Deutschland und Italien sowie gegen Japan aufzunehmen. Auch der Zeitungsstrip konnte und wollte das Thema nicht länger ignorieren. – Im schauraum sind viele Beispiele zu sehen, der aktuelle Katalog gibt allerdings noch einen viel tieferen Einblick und ist unbedingt zu empfehlen!
Es wird aber nicht nur die amerikanische Seite gezeigt, denn
auch in Deutschland nahmen sich Zeichner und Journalisten des Themas an. Eine noch
heute nicht ganz überwundene Folge des Ganzen ist die Verfemung der Sprechblase
als dekadent, kulturlos und „entartet“.
Spirou und Tintin – zwei Strategien
Der Situation in dem von den Deutschen besetzten Belgien sind gleich zwei Themenblöcke gewidmet: Während sich die Zeitschrift Spirou in zivilem Ungehorsam übte und verboten wurde, wechselte Hergé mit Tintin zur deutsch kontrollierten Le Soir, verdoppelte deren Auflage und sorgte damit für eine bessere Verbreitung der deutschen Ideologie. Die Diskussion ist in dem beschränkten Raum der Ausstellung sicherlich nicht zu führen, auch hier sei aber der Hinweis auf die vertieften Inhalte im Katalog erlaubt.
Von den 70-ern bis heute
Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Enthistorisierung des Themas: Nazi-Zombies, Pornos und Satire verwenden den Hintergrund nur noch als einen Bestandteil der Pop-Kultur. Andere Wege gehen graphic novels wie etwa Maus oder aber Wannsee, die sich bemühen, historisch korrekt Aufarbeitung in einer besonderen Kunstform, dem Comic, zu ermöglichen. Auch hier werden Originale und Werke aus Italien gezeigt wie auch zwei Originale von Fabrice Le Hénanff.
Gerade in heutigen Zeiten in denen Populisten weltweiten Zulauf
haben und die jüngere deutsche Geschichte massiv umgedeutet wird kann es nicht
schaden, sich diesem Thema zu widmen. Es muss ja nicht gleich ein 1000-Seiten
Wälzer sein.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. März 2020 täglich außer Montags ab 11:00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der bereits mehrfach erwähnte Katalog von Alexander Braun (ISBN: 978-3-9820732-1-7) ist nur im schauraum erhältlich und ist jeden Cent seiner 20 EURO wert! Er umfasst 224 Seiten und enthält rund 340 Abbildungen.
Zum Katalog passen eine Kanne fair gehandelter Biokaffee und Banda Bassotti aus Italien.
Schwerpunkt der aktuellen StripGlossy ist Asterix, der kleine Gallier, der gerade
seinen 60-sten Geburtstag feiert und mit seinem in Kürze erscheinenden Album
wieder die Buchumsätze retten wird. Zu diesem Jubiläum ist bereits eine
offizielle Hommage erschienen, die mal mehr Strips und Texte (französische Ausgabe)
mal nur Strips (deutsche Ausgabe) enthält. Wer sich diesen Band gekauft hat,
sollte unbedingt auch hier einen Blick riskieren denn das Glossy enthält sechs
weitere Strips!
Schwerpunkt 60 Jahre Asterix
Wie üblich ist der den Iconen der Comic-Welt gewidmete
Bereich vielgestaltig gefüllt und beginnt mit einem großen Artikel über die
Väter von Asterix. Auch andere Künstler, etwa Fred de Heij kommen zu Wort und dürfen ihre Geschichte über Goscinny und Uderzo oder aber Asterix und Umpah-Pah erzählen. Natürlich werden
auch Ferry und Conrad befragt und es wird gerätselt, ob das kommende 38. Album das
letzte sein könnte. Schließlich hat Albert
Uderzo mehr als einmal verlauten lassen, dass seine Figuren ihn nicht
überleben sollen und er die Fäden nicht weggeben möchte. Mal sehen, ob sich der
finanzielle Hunger der Erben oder die letzte Verfügung durchsetzen werden. Zum
Glück lebt der Meister ja noch.
Die Artikel sind ausführlich bebildert aber auch wieder mit reichlich Comic-Material versehen. Von Goscinny und Uderzo gibt es neben Zeichnungen eine Seite des aufgegebenen Versuches mit „Roman de Renart“ und „Hoempa Pa“ (deutsch Umpah-Pah), zwei Vorläufern des Galliers. Auch Ferri und Conrad steuern einen Streifen bei (auf Deutsch), der schon in der WELT zu sehen war. Spannend wird es aber mit den Hommagen: Fred De Heij, Frans Hasselaar/Daan Jippes, Meinte Strickwerda, Willem Ristier/Apriyadi Kusbiantoro und Vick Debergh lassen ihrer Fantasie freien Lauf und liefern hohe Qualität ab! Natürlich kann es bei einigen nicht schaden, die jeweils eigene Figur zu kennen, notwendig ist es aber nicht.
Und wem das immer noch nicht genug ist, darf in reichlich Bildmaterial
schwelgen, das den Besuch Supermans im
Gallien des Jahres 53 in Action Comics 579 zeigt. Sollte mich nicht wundern,
wenn dieses Heft in der nahen Zukunft häufiger gesucht werden würde.
Seb und Mirjam van der Kaden haben es sich zum
Prinzip gemacht, Themen wirklich ausführlich darzustellen und so wird zum
Vergleich auch ein anderer „Erbe“ einer großen Serie vorgestellt: Achdé!
Neben dem lesenswerten Bericht und vielen Fotos gibt es zwei Strips von Kid
Lucky und eine schon etwas ältere Zeichnung mit Asterix und Lucky Luke von dem
sympathischen Franzosen.
Comics
Auch sonst bietet die 14. Folge der Glossy wieder eine Menge
an Comics von Cartoons oder Streifen (Madelfried),
Einseitern wie Z-Man hin zu Kurzgeschichten
und albenlangen Stories.
Zu Ende gehen die Vorabdrucke von Saul, einer Science-Fiction in Storm-Tradition von Willem Ristier und Apriyadi Kusbiantoro sowie von Jelmer, einer Kreuzfahrergeschichte von Josse Pietersma & Roelof Wijtsma. Eine Rezension des gerade erschienenen Softcover-Bandes von Jelmer folgt in Kürze. Es gibt aber auch Neues von Spaghetti (siehe StripGlossy 13), dem General, dem kleinen General und Sjors & Sjimmie, diverse andere Kurzgeschichten unter dem groben Thema Halloween, eine Fortsetzung der neuen Abenteuer von Tom Poes (siehe StripGlossy 10) und eine neue Ausgabe des Strip-Battles! In der neuen Runde treten Ralph Dikmans und Wouter Winter gegeneinander an. Die Gewinner*innen der Battles der letzten Jahre sind natürlich auch wieder mit Arbeiten vertreten!
Tatsächlich gibt es noch mehr in diesem Heft aber ein wenig Überraschendes
soll ja noch verbleiben! StripGlossy ist eine perfekte Mischung aus
Information, die nicht trocken daherkommt, sondern immer versucht, den Menschen
hinter dem/der Künstler*in zu präsentieren, modernen Comics aus dem
niederländischen Sprachraum und News! Da der Comic-Anteil rund 50% ausmacht helfen
die Bilder auf der Hälfte aller Seiten dem Verständnis. Für die übrigen 50% ist
es sinnvoll, niederländisch lesen zu können. Trotzdem volle Punktzahl!
Dazu passen erst ein Chocomel
und dann ein Weizen der Brouwerij
Groninger und The Pioneers.
Eintritt: 10,50 €, ermäßigt 6,50 €; Kinder und Jugendliche sowie am letzten Donnerstag jeden Monats Eintritt frei
Moebius, so das Pseudonym des Zeichners und Szenaristen Jean Henri Gaston Giraud für die Science-Fiction orientierte Hälfte seines Schaffens, wird in einer großen Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR gewürdigt. Moebius ist Wegbereiter, Pionier und Meister des modernen französischen Erwachsenencomics zugleich und hat Psychologie, Architektur, (Natur-)Religionen und Avantgarde in den Comic gebracht als der große Bruch erfolgte zwischen den klassischen, religiös geprägten Magazinen Tintin und Spirou auf der einen und Pilote und Metal Hurlant auf der anderen Seite.
Die Location ist durchaus passend gewählt, war doch Max Ernst als Expressionist, Dadaist und
Surrealist ebenfalls immer auf der Suche nach neuen, noch besseren Ausdrucksmöglichkeiten.
Für 10,50€ können beide Ausstellungen besucht werden. Der Keller ist dabei dem
jüngeren gewidmet: Eine große, etwas unterteilte Fläche ermöglicht die
Präsentation von verschiedenen Aspekten des Schaffens in Originalen oder
vergrößerten Abbildungen der Zeichnungen.
Die Exponate
Besonders heraus stechen die großformatigen Bilder, die mit Hilfe eines kostenlosen WLANs und einer ebenfalls kostenlosen App namens Artivive animiert werden. Diese Augmented Reality passt zu dem Science-Fiction Sujet perfekt und macht zudem Spaß. Überall stehen Betrachter*innen, die auf ihr Smartphone starren… Da sich die Sequenzen teilen lassen, haben auch die zuhause gebliebenen Freunde und Verwandten etwas von der Ausstellung – ein großes Plus!
Dabei ist die Aufteilung der einzelnen Räume sehr durchdacht;
acht Themenbereiche bieten einen Einblick in die verschiedenen Themenspektren,
die jeweils von einem oder zwei Zitaten begleitet werden. Sie zeigen etwa in
den Bereichen „Spiritualität und Alchemie“ oder „Abstraktionen“ das Moebius mehr ist als „nur“ ein Comiczeichner
und nicht nur der Subgattung der Neunten Kunst, sondern der gesamten Kunst neue
Aspekte hinzugefügt hat.
In „Der doppelte Mensch“ setzt sich Giraud mit der Schizophrenie auseinander. Seiner Meinung nach ist
sie ein sehr menschlicher, positiver Zustand, der hilft zu überleben. Sie werde
allerdings erst dann als Schizophrenie benannt, wenn sie beginne zu entgleisen.
Diese Haltung wird in den gezeigten Werken, insbesondere in der Kampfszene
deutlich. Aber auch hier gilt: Ohne Katalog oder Vorwissen eigentlich unverständlich.
Trotzdem ist dieser Teil für mich der beeindruckendste, vielleicht weil er
soviel persönliches beinhaltet und für jede*n Betrachter*in nachvollziehbar
ist.
Die Präsentation
Wie so oft in Deutschland ist die Präsentation ansonsten
aber nur etwas für Profis. Wer sich mit dem Thema und dem Künstler auskennt,
wird den Besuch genießen: Viele Originale hängen an den Wänden und sind auch
tatsächlich aus geringer Distanz betrachtbar. Informationen oder gar eine
Erklärung, warum eben dieser Moebius so
berühmt geworden ist, welche Techniken, Themen oder Gedanken er in den modernen
französischen/europäischen Comic eingebracht hat (oder gar, wie der Comic
vorher ausgesehen hat), fehlen vollkommen und auch das eine Bild mit der
Abbildung von Mike S. Blueberry
erklärt nicht wirklich den Unterschied zwischen Gir und Moebius…
Dazu kommt die Tatsache, dass Max Ernst zwar in Brühl geboren worden ist, wesentliche Teile seines Lebens aber in den USA und Frankreich verbracht hat. Dementsprechend sind die Texte zu seiner Ausstellung auch dreisprachig. Solche Übersetzungen der Texte des französischen Künstlers aus dem Original der Abbildungen ins Deutsche oder aber der deutschen Zitate in Englische/Französische vermisst man leider im Keller bei der Moebius gewidmeten. Auch wenn Europa immer mehr zusammenwächst, der gegenseitige Museumsbesuch außerhalb von Großstädten scheint weiterhin nicht vorgesehen zu sein.
Es werden aber einige Veranstaltungen und Führungen angeboten; das Programm ist unter der Seite des Museums abrufbar.
Das Drumherum
Wer übrigens vor oder nach dem Kunstgenuss ein Getränk oder
eine Speise zu sich nehmen möchte sollte tunlichst auch bei Starkregen ein paar
Schritte in Richtung Bahnhof gehen und dort einkehren! Dort ist man in der
Lage, auch bei größerem Andrang schnell und freundlich qualitativ hochwertige Produkte
feilzubieten.
Fazit: Die Moebius-Schau sollte man als Fan von modernem europäischem Comic auf jeden Fall gesehen haben. Die Mitnahme eines/einer Gelegenheitskonsument*in erfordert aber eine eigene hohe Erklärungs- und Vermittlungsbereitschaft oder die Investition in einen Katalog (vor dem Verlassen). Dieser ist mit fast 50€ aber nicht billig. Eine Besprechung erfolgt in Kürze.
Dazu passen ein aktuell im Ausschank befindliches
Oktoberfestbier (s.o.) und Musik von Charles Mingus.
Zeichner*innen sind die Aushängeschilder der Neunten Kunst. Sie werden gefeiert, gewürdigt und mit Dossiers gewürdigt. Szenarist*innen dagegen führen ein Schattendasein, werden vergessen, ignoriert oder bestenfalls als Teil eines Duos gesehen. Trotzdem wurde der siebzigjährige PierreChristin im Januar 2019 in Angoulême für sein Lebenswerk ausgezeichnet und mit „Ost-West“, gezeichnet von Philippe Aymond, liegt auch seine Biographie vor. Eben jenes Werk war seine 99. Veröffentlichung; genug Stoff also, um zurückzublicken, einzuordnen und zu werten.
Der Autor
Pierre Christin ist in Paris aufgewachsen und hat bereits als Kind Jean-Claude Mezieres kennengelernt. Jener sollte später seine Karriere als Comic Zeichner ausschließlich auf Szenarios von Christin aufbauen, insbesondere die ursprünglich im Koralle-ZACK und später bei Carlsen veröffentlichte Science-Fiction Reihe „Valerian und Veronique“ machte die beiden in Deutschland bekannt. Der Szenarist hat aber auch mit vielen anderen Stars wie Enki Bilal, Annie Goetzinger, Jean Vern oder eben Philippe Aymond zusammengearbeitet. Die wichtigsten Stationen dieses langen Schaffens werden in der Reddition 70 in gewohnt ausführlichen Artikeln mit reichlich ergänzendem Bildmaterial vorgestellt.
Ein wesentliches Moment der Dossiers von Volker
Hamann ist immer eine Bibliographie
der Werke, die einerseits die Originalveröffentlichung nachweist,
andererseits aber auch alle deutschen Ausgaben auflistet und dabei sogar noch
auf die Unterschiede hinweist. Gerade bei einem so vielschichtigen Autor, der
zudem noch nur sehr unvollständig übersetzt worden ist und keinen deutschen „Haus“-Verlag
besitzt, hilft die Liste, Übersicht zu gewinnen.
Christin gehört zu der französischen Generation Intellektueller, deren Denken marxistisch geprägt ist. Nicht, dass sie Kommunist*innen wären, aber Dialektik, Verankerung von Politik in Ökonomie und Akzeptanz eines Klassenmodells sind Bestandteil ihres Wissens. Er hat in Politikwissenschaften an der Sorbonne graduiert und unter anderem in Salt Lake City gelehrt. Seine Erlebnisse während des USA Aufenthaltes aber auch während seiner Reisen in den östlichen Teil der Welt beschreibt die oben angesprochene Biographie sehr gut. Sie erlaubt ein besseres Verständnis seiner Werke. Er hat im Übrigen nicht nur Comicszenarien verfasst sondern auch wissenschaftliche Publikationen und Romane.
Als Szenarist schreibt er zunächst einige Kurzgeschichten, die in Umsetzung von Mezieres in Pilote erscheinen. Schon bald folgen auch Umsetzungen anderer Künstler in Total Journal und bereits 1967 die erste Geschichte von Valerian (et Laureline, wie Veronique im Original heißt) in GoscinnysPilote. Das definitiv letzte Abenteuer dieser Beiden wird im Herbst auf Deutsch veröffentlicht werden. Die Begründung dafür gibt es im Magazin! Obwohl es sich auf den ersten Blick um eine SF-Serie für jugendliche Leser handelt, wird auch hier deutlich, dass Christin etwas zu sagen hat und nicht nur banale Geschichten erzählt. Seine Themen sind Macht(missbrauch), Umweltzerstörung, Sexismus oder Religionskritik. Während anfangs der Zeigefinger noch deutlicher zu spüren ist, verblasst der moralische Impetus später etwas.
Neben dieser Serie, die sich im Zukünftigen abspielt,
allerdings aufgrund der Zeitreisen auch oft genug in der Gegenwart ankommt, hat
sich Christin in der Zusammenarbeit
mit Jaques Tardi und Annie Goetzinger der Vergangenheit zugewendet.
Insbesondere mit letzterer stellt er Frauenschicksale in den Vordergrund, die
exemplarisch Unterdrückung und Entwicklung zeigen. Aus dieser Zusammenarbeit
entstehen auch die Geschichten über die Detektivin Hardy und ihre Fälle.
Die Gegenwart – und hier fallen die gleichen politischen
Themen wie bereits erwähnt an – wird dann mit Aymond, vor allem aber mit Enki
Bilal und in der gemeinsam mit Andreas
C. Knigge veröffentlichten Anthologie Durchbruch
zerlegt. Hier zeigt sich auch, dass der materialistisch geprägte Autor in keiner
Weise als linientreu zu bezeichnen wäre.
Das Dossier
Ein großer Teil dieser Ausgabe wird von Andreas C. Knigge bestritten. Er führt zunächst ausführlich in die Thematik ein und beschreibt den Menschen mit seinen Ecken und Kanten. Bereits hier wird deutlich, wie vielschichtig das (nicht nur künstlerische) Leben des Szenaristen ist und wie akribisch er seinen beruflichen Herausforderungen begegnet. Er steuert dazu noch kurze Beiträge über die Zusammenarbeit Christins mit Jean Vern und André Juillard sowie ein Interview mit Mezieres bei.
Die Würdigung der wohl bedeutendsten (europäischen) SF-Comic-Serie Valerian übernehmen Volker Hamann und Roland Mietz. Ergänzt wird dieser Teil durch eine sehr persönliche Auseinandersetzung Georg Seeßlens mit der filmischen Umsetzung von Valerians durch Luc Besson. Lesenswert aber sicherlich nicht von allen geteilt.
Michael Hein beschreibt die Zusammenarbeit mit Bilal und ihr Scheitern während Falk Straub die Kollaboration mit Annie Goetzinger darstellt. Das Zusammenwirken mit Aymond, der der letzte „Ziehsohn“ Christins ist, wird ebenfalls gewürdigt und zwar von Bernd Frenz.
Abgerundet wird das Ganze durch die bereits erwähnte Bibliographie und die Beilage für Abonnent*innen: In deutscher Erstveröffentlichung gibt es im Querformat die Geschichte „Der Mühe gerechter Lohn“ aus dem Jahr 1966. Mezieres setzt ein Szenario von Linus (so das damalige Pseudonym des um seine Reputation fürchtenden Wissenschaftlers Christin) aus der Schauerromantik um!
Insbesondere in Ergänzung zu Ost-West eine sehr gelungene Würdigung des großen Szenaristen. Viele Details, Abbildungen und Fotos erlauben einen Einblick in Schaffen und Arbeitsweise aber auch den Menschen dahinter.
Dazu passen eine Kanne (fair gehandelter) Kaffee und Musik
im Spannungsfeld von Blues und Jazz, etwa von Chet Baker.
Im Mittelpunkt der 13. Ausgabe der StripGlossy
aus Leens bei Groningen steht der italienischstämmige Dino Attanasio. Attanasio arbeitete zunächst in Italien in
der Zeichentrickfilmbranche, emigriert aber schon 1948 zusammen mit Vater und
Bruder nach Brüssel. Nach kurzer Zeit wechselte er von dem Zeichentrickfilm zum
unbewegten Comic. Da Belgien (mindestens) zweisprachig ist, kommt er dort auch
ohne Kenntnisse des Holländischen gut zurecht und wenn es doch einmal von Nöten
ist, übersetzt seine Frau.
Dino Attanasio
Dino Attanasio hat nie den Sprung in die erste Reihe der frankobelgischen Künstler*innen geschafft; umso mehr bleibt jetzt (wieder) zu entdecken. Seine Comic-Karriere began zunächst bei Spirou/Robbedoes doch schon bald erfolgt der Wechsel zu Tintin/Kuifje wo er unter anderem Ton en Tineke (auf Deutsch Mausi und Paul) von André Franquin übernimmt. Daneben entwickelte er Bob Morane und zeichnete nach Texten von René Goscinny den Funny Spaghetti. Ab 1964 kommen dann der Detektiv-Funny Johnny Goodby nach Szenarios u.a. von Martin Lodewijk für Pep/Eppo und gegen Ende der 60-er Jahre die Serie „Macaroni’s“ über einen italienischen Fußballverein im Spannungsfeld der (amerikanisch/italienischen) Mafia. Letztere erschien in Deutschland in dem Taschenbuch 1.FC Fußball & Comic, das die Möglichkeit bot, die Bundesligaergebnisse einzutragen und sich daher bei Jungen einer großen Beliebtheit erfreute.
Dino Attanasios Serien stehen aber fast noch mehr im Licht dieser Ausgabe. Schon das Titelbild
ist eine Hommage von Danier (d.i. Daan Jippes) an die Serie Spaghetti und es folgt im Heft noch ein
aktueller Vierseiter von Jippes nach
einem Text von Frans Hasselaar.
Daneben gibt es aber aus der Originalserie die (Sjors-)Einführungsseite von 1974 sowie die dort referenzierte erste
Geschichte. Und da die Liebe (auch zu einer Comicfigur) ja bekanntlich durch
den Magen geht, ermöglicht man den Leser*inneneinen ersten Einblick in das Ende
des Jahres erscheinende Stripkookboek
mit einem Rezept für Entenbrust in Limoncello!
Auch die Macaroni’s bekommen ihre Neuinterpretation, gezeichnet und getextet von Dick Matena. Zum Schluss darf natürlich auch Johnny Goodbye nicht fehlen: Neben dem Reprint einer Originalseite von Attanasio dürfen Robbert Damen und Michiel Offerman ihre Version zum Beste geben. Moderner, den Ton aber treffend!
StripGlossy bietet damit eine umfangreiche Mischung aus Informationen über den
Künstler Dino Attanasio und Comics
entweder von ihm selbst oder aber von anderen als Hommage ausgestaltet. Die
informativen Beiträge sind dabei sowohl als Interview als auch als Artikel gestaltet
und daher wiederum sehr abwechslungsreich. Durch diese ergibt sich ein gutes
Bild des Wahlbelgiers. In den meisten Magazinen gibt es oft entweder nur das
Eine oder das Andere und das alleine ist schon ein Grund, diese Ausgabe zu
kaufen (auch für diejenigen Leser*innen ernst gemeint, die des Niederländischen
nicht soo mächtig sind).
Die Comics
Wie gehabt enthält das StripGlossy aber auch eine ganze Reihe an anderen Comics. Das Spektrum reicht dabei von Ein-Bild-Karikaturen über klassische Strips wie Gilles de Geus, der großartige de Generaal oder Tom Poes und aktuelle Helden wie Beterman (von vanO, dessen Serie Rhonda in ZACK publiziert worden ist) über die regelmäßigen Serien wie FFlint (eine Detektivgeschichte von Ger Apeldoorn und Fred de Heij), Saul (eine Storm-ähnliche Serie von Willem Ritstier und Apri Kusbiantoro), den Noir-Krimi Nick Name von Alex van Koten und die Kreuzfahrergeschichte Jelmer von Josse Pietersma und Roelof Wijtsma.
Dazu kommen noch kürzere, von Artikeln begleitete Comic-Seiten etwa von den WiRoJas, Claire oder sogar einer Disney-Geschichte. Wer einen Überblick über die Entwicklung der Neunten Kunst in unserem Nachbarland abseits der Standaard Uitgeverij gewinnen möchte, kommt eigentlich an StripGlossy nicht herum.
Insgesamt also wieder 132 Seiten prall gefüllt
mit aktuellen und klassischen Comics aus dem Niederländisch-sprachigen Raum (bzw.
in der entsprechenden Übersetzung), Artikeln, Interviews und News über das
aktuelle Geschehen, ein paar weiterführenden Anzeigen die mehrere Stunden
lesevergnügen bereiten sollten und sich zudem auch noch für das Archiv eignen!
In Kürze erfahrt ihr mehr über das StripGlossy und das neue Albenprogramm der
Herausgeber auf comix-online – stay tuned!
Dazu passen ein eisgekühltes Peroni und italienischer Ska von Banda Bassotti.
Hugo
Pratt ist einer der bekanntesten Comicschaffenden
Europas, gleichzeitig sperren sich viele seine Werke der einfachen Rezeption.
Ende der 60-er Jahre wurde in Italien mit Sgt. Krk ein Comic-Magazin
ausschließlich zu dem Zweck, Pratts Werke
publizieren zu wollen, gegründet. In den 70-ern veröffentlichte Pratt Millionen-Auflagen in Frankreich
und Italien und war gleichzeitig der einzige Autor, dessen Geschichte im
damaligen ZACK noch während des Abdrucks des ersten Bandes von Corto Malteses Südseeballade abgebrochen
werden musste.
Aktuell sind sowohl bei Schreiber & Leser mustergültige Ausgaben von Corto Maltese (in Schwarz-Weiß und in Farbe) und anderen Titeln aus der Zeit in Italien als auch z.B. beim avant-VerlagEternauta oder Ticonderoga aus seiner Zeit in Argentinien erhältlich.
Über den 1995 gestorbenen Ugo Eugenio Pratt ist bereits viel geschrieben worden, zuletzt über
die argentinischen Künstler Oesterheld,
Breccia, Munoz aber eben auch Pratt
in der Reddition 68.
Seine Autobiographie war aber auf Deutsch bisher nicht verfügbar.
Die Gespräche
Nun gibt es die Möglichkeit, ihn im
(übersetzten) Originalton kennen zu lernen. In Warten auf Corto erfahren wir, was der Autor seinem Freund Antonio de Rosa während einiger Autofahrten
1970 erzählt hat. War ursprünglich noch versucht worden, den Wortschwall irgendwie
aufzubereiten, entschied man sich nach einigen erfolglosen Versuchen, die 10 Tonbandspulen
zwar zeitlich sortiert, ansonsten aber unbearbeitet zu veröffentlichen. Mehr Original
geht nicht! Die Geschichten fordern den/die Leser*in aber auch, denn sie sind
nicht redaktionell geglättet, sondern sprunghaft, mal ernst mal angeberisch
aber immer authentisch.
In sechs Kapiteln berichtet der Autor von
seiner Jugend im faschistischen Italien und im italienisch besetzten Äthiopien,
seinen Kriegserlebnissen, seiner Überfahrt nach Argentinien und seinen dortigen
Erlebnissen mit Freund*innen, Kollegen und auch seinen Liebschaften.
Dr. Peter Pohl hat es übernommen, die Texte in das Deutsche zu übertragen. Im gelingt es ausgezeichnet, den erzählenden Menschen wiederzugeben. Man hört die Empathie, das Engagement und den Stolz aus den Zeilen heraus und ist fast mit in dem kleinen Fiat Millecento dabei.
Ergänzt wird der dritte Band der Texte zur graphischen Literatur durch
eine Unzahl von Skizzen Pratts und
Fotos und weiteren Abbildungen aus persönlichen Archiven. Der Text ist
ursprünglich 1971 erschienen, 1986 und 1987 wurde er neu aufgelegt. Jeweils
wurde neues Bildmaterial hinzugefügt und diese Veröffentlichung enthält nicht
nur alle Abbildungen der bisherigen Ausgaben, sondern noch weiteres Material
darüber hinaus! Dazu kommen noch eine Zeittafel und eine erneut überarbeitete
Bibliographie der Comics von Hugo Pratt
inklusive der deutschen Ausgaben.
Die Reihe
Volker
Hamann bringt, oft zusammen mit Matthias Hofmann, in seinem Verlag Edition Alfons nicht nur die
Magazine Alfonz und Reddition heraus, sondern mit den Texten
auch Monographien zu bedeutenden Meilensteinen der Neunten Kunst. Im Vordergrund
stehen dabei nicht wissenschaftliche Gründlichkeit, sondern populärwissenschaftliche
Verständlichkeit.
Wer sich mit den Hintergründen von Pratts Geschichten beschäftigen oder aber Eindruck in die Entwicklung des Zeichners von jugendlichen, pubertären Skizzen hin zu einem der bedeutendsten italienischen Künstlern der Neuzeit gewinnen möchte, wird an diesem Band nicht vorbeikönnen!
Dazu passen ein gut gekühlter Aperol Spritz
und als musikalische Untermalung die Geräusche der Stadt, die man hört, wenn
man auf dem Balkon sitzt und liest.
Heft Din A 4 | 44 Seiten | Farbe | 8 € ISSN: 0165-845X
Das Magazin STRIPSCHRIFT aus Rotterdam
erscheint mittlerweile im 52. Jahrgang, es ist also eine echte Institution
unserer westlichen Nachbarn. Viermal pro Jahr bietet es Interviews, News und
fachlich fundierte und reich bebilderte Artikel über Comics und Karikaturen.
2011 erhielt es dafür den P. Hans
Frankfurther Prijs für besondere Verdienste. Wer Interesse daran hat, kann
es auch außerhalb der Niederlande abonnieren.
Die hier besprochene Ausgabe 456 vom November 2018 soll als ein Beispiel für die wirklich lesenswerte Zeitschrift dienen. Zugleich ist es eine perfekte Ergänzung zur Reddition 69 über Peyo und sein Atelier. Neben einem längeren Interview mit Vittorio Giardino, auch in Deutschland bekannt durch Jonas Fink und Max Friedmann, enthält es ein langes Interview mit dem seit 30 Jahren für das Studio Peyo arbeitenden Jeroen de Coninck. Jeroen hat nicht nur einige der aktuellen Schlumpf-Alben gezeichnet, sondern auch Merchandise-Figuren, Poster und Kinderbücher mit den kleinen blauen Kobolden gezeichnet und entworfen. Die Rezension zum 36. Album gibt es hier.
Das Interview bietet einen Einblick in seine Laufbahn und Arbeitsweise im Studio und auch Ausblicke auf das bereits angekündigte neue Abenteuer.
Dazu kommt ein Artikel des Theologen Frank G. Bosman aus Tilburg. Er
entwickelt aus seiner Sicht eine Analyse der theologischen und philosophischen
Grundmuster die bei den Schlümpfen verwendet werden – Lesenswert und anregend!
Dieser Artikel beweist wieder einmal, dass gute Geschichten oft ihren
Hintergrund in alten Mythen haben. Leider ist das Wissen darum oft genug
vergessen.
Giardino erzählt in den zweiten Schwerpunkt des Heftes, warum er seinen
ursprünglichen Beruf aufgegeben hat um als Autodidakt Comics zu zeichnen und
mit welchen Schwierigkeiten er anfangs zu kämpfen hatte. Mittlerweile kann er
es sich leisten, Comics zu zeichnen und erst danach nach einem Verleger zu
suchen. Er begründet außerdem, warum er sich für seine Comics so lange Zeit
nimmt und erklärt seine Arbeitsweise sehr ausführlich.
Auch wenn bei der STRIPSCHRIFT natürlich der
niederländisch-flämische Markt im Vordergrund steht sind die dort abgedruckten
Interviews auch für deutsche Leser*innen interessant und einen Versuch wert.
Zudem sind viele der abgedruckten Illustrationen hier so nicht verfügbar.
Dazu passen ein traditionelles Leffe und The Selecter!
Dortmund hat einen neuen Schauraum für comics und cartoons – Gestern wurde die neue Institution untern anderem durch den Kurator Dr. Alexander Braun eröffnet. Geplant sind zunächst sechs jeweils halbjährige Ausstellungen sowie „das Bespielen des öffentlichen Raums“ in Dortmund mit weiteren Aktionen. Der Raum ist dem Museum für Kunst und Kulturgeschichte angegliedert und soll auch die Comicforschung unterstützen.
Das Konzept
Um eine möglichst breite Wirkung zu erzielen und viele Menschen zu erreichen ist der Schauraum selbst gegenüber dem Dortmunder Hauptbahnhof auf dem direkten Weg in die Innenstadt nur montags geschlossen, sonst aber bei freiem Eintritt zu besichtigen. Da dieses neue Programm ohne Förderung der Stadt ohnehin nicht existieren könnte, soll keine künstliche Barriere durch ein Eintrittsgeld aufgerichtet werden. Man möchte lieber, dass die Besucher*innen das Geld (wenn vorhanden) in einen Katalog investieren und so Inhalte auch mit nach Hause nehmen können. Der aktuelle Katalog, das sei hier schon vorweggenommen, bietet auf 144 Seiten im Hardcover sehr viele Abbildungen und Texte des Kurators, so dass sich der Besuch alleine deswegen lohnt. Der Katalog wird nämlich nur in der Ausstellung selbst erhältlich sein!
Das Projekt ist zunächst auf drei Jahre befristet und wird als erstes „Partizipationsprojekt“ das Thema Umweltzerstörung und Klimawandel angehen. Der Schauraum wird dabei eng mit anderen Dortmunder Kulturinstitutionen zusammenarbeiten. Von dieser Stelle aus dazu viel Glück! Comix-online wird sicherlich über das eine oder andere kommende Event berichten!
Die aktuelle Ausstellung – Ente Süss Sauer
Carl Barks war einer der bedeutendsten Geschichtenerzähler der modernen Literatur und blieb doch fast während seines gesamten Arbeitslebens unbenannt, denn er war einfach „The Good Artist“. Von seinen 6700 Seiten haben nur knapp 200 als Originale überlebt. Sein Arbeitsprozess, die Genauigkeit seines Werkes, das soweit man das aus den Überbleibseln vermuten kann kaum Korrekturen aufwies, und sein Federstrich lassen sich heute daher nur sehr selten in Augenschein nehmen. Umso wichtiger sind Möglichkeiten, seine Werke, die sich oft im Privatbesitz befinden, tatsächlich sehen zu können.
Barks arbeitet zunächst für Disney direkt, wechselte dann aber zu Western Publishing und schuf zwischen 1942 und 1966 fast den gesamten Entenhausener Kosmos aus seiner kleinen, abgelegenen Zeichnerstube: Dagobert, Gustav Gans, die Panzerknacker, Daniel Düsentrieb und Helferlein aber auch zum Beispiel den Geldspeicher und viele weitere Personen und Gebäude, die mittlerweile alle den Einstieg in das Alltagswissen fast der gesamten Welt genommen haben.
„Carl Barks und die Folgen“ bietet insgesamt 35 Originalzeichnungen! 10 davon sind von Carl Barks, naja, fast. Fünf sind von ihm selbst, 5 weitere basieren auf seinen Vorzeichnungen. Immerhin sind unter den von ihm stammenden Originalen 2 (von nur 30 existierenden) aus seiner Blütezeit in den 50er Jahren.
Neben Barks finden sich Werke von seinen besten Nacheiferern, die alle einen eigenen Stil entwickelt haben, die Einflüsse von Carl Barks aber deutlich machen und teilweise anhand von Barks Scribbles gearbeitet haben: Romano Scarpa aus Italien, Daan Jippes aus den Niederlanden, Vicar aus Chile und William Van Horn sowie Don Rosa aus den USA werden oft als seine Schüler bezeichnet. Ganz passend ist dieser Begriff nicht, haben sie doch nicht in seinem Atelier gearbeitet. Ihre inhaltliche Nähe drückt dieser Begriff aber gut aus.
Der Katalog
Wie bereits oben erwähnt: der Katalog ist ein Must-have! Er erzählt nicht nur anhand der Originale die Geschichte von Barks, er führt auch ein in seine Arbeitsweise und die Unterschiede zum damaligen Mainstream und verdeutlicht an den Werken seiner Schüler die Alleinstellungsmerkmale des „guten Künstlers“.
Mit dem Preis von 15 € sind wir fast bei 10 Cent pro Seite, also dem Preis, den Comic-Hefte damals gekostet haben. Die Auflage der Hefte betrug in ihrer Höchstzeit rund drei Millionen Stück (pro Ausgabe!). Von all diesem Geld hat Barks wenig gesehen. Auch diese Geschichtewird in dem Katalog thematisiert.
Dazu passen eine Flasche Wasser (natürlich keine Throw-away sondern nachfüllbar) und Amy Winehouse für den Weg zum Schauraum!
Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift für Graphische LiteraturREDDITION widmet sich
ganz dem Künstler Peyo, seinem
Atelier und den Schlümpfen.
Auch dieses Mal erhalten Abonnenten wieder
ein Schmankerl, nämlich eine auf 500 Stück limitierte Broschüre mit neun
halbseitigen Werbecomics für Kellogg’s
Corn Flakes von 1965 in deutscher Erstveröffentlichung.
1958 hatten die blauen Kobolde ihren ersten Auftritt als Gäste in Johann und Pfiffikus auf den Seiten des belgischen Comic-Magazins Spirou doch schon bald sollte ihre Popularität die aller anderen Serien von Pierre Culliford, der als Peyo veröffentlichte, übertreffen.
Über die Entstehung ihres Namens in
Verbindung mit Wortfindungsstörungen für einen Salzstreuer ist schon oftmals
geschrieben worden. Die Reddition bleibt aber nicht bei dieser Anekdote stehen,
sondern beschreibt in einem Artikel von Volker
Hamann auch die Wortkreationen für die verschiedenen Sprachen und die
Entwicklung in Deutschland. Anfangs wurden die Wesen nämlich auch hierzulande
noch unter einem ganz anderen Namen vertrieben.
Überhaupt bilden die Schlümpfe eine Besonderheit im Comic-Kosmos, waren sie doch die ersten, die ihren Siegeszug nicht (nur) im Comic, sondern vor allem im Merchandisebereich antraten und so gibt es wohl keinen Haushalt, der nicht schon einmal eine der Schleich-Figuren (oder eine der kurzfristigen Bully-Varianten) ihr Eigen genannt hat. Die Geschichte der Figuren beschreibt Falk Straub, wie immer reich bebildert und mit unzähligen kleinen Fakten angereichert.
Um die Popularität der Schlümpfe komplett zu verstehen, ist es aber ebenso wichtig, einen Blick auf ihre TV- und Filmkarriere zu werfen. Thorsten Hanisch erlaubt einen Überblick in die europäischen und vor allem amerikanischen Umsetzungen und ihre Verbreitungen. Dazu kommen Artikel über die Schlümpfe in Deutschland – hier ist vor allem zunächst wieder einmal Rolf Kauka und Fix und Foxi zu erwähnen – und in den USA. Natürlich findet auch Vader Abraham mit seinem Gassenhauer eine Erwähnung.
Da Peyo
aber neben ungezählten Aufträgen für neues Schlumpf-Material auch seine anderen
Serien (die bereits erwähnte Ritter-Story Johann
und Pfiffikus aber auch Pussy und
Benny Bärenstark) zu bedienen hatte,
blieb ihm keine andere Möglichkeit als die Errichtung eines eigenen Ateliers
mit ihm zuarbeitenden Künstlern. Diese nicht immer ganz rühmlich verlaufene
Geschichte wird von Peter Osteried
und Volker Hamann geschildert.
Das Dossier beginnt mit mehreren Artikeln
über Peyo selbst, seiner Entwicklung
von Jugendtagen an bis zu seinem Tod und der Übersetzung seines letzten
Interviews aus dem Jahr 1992 und wird mit einer Bibliographie der Comics von Peyo und seinem Studio und ihrer
deutschen Veröffentlichungen, die einzig die Erwähnung der limitierten Beilage
„vergessen“ hat, abgerundet.
Was aber wäre die Reddition, wenn es nicht auch eine Auseinandersetzung mit den Inhalten gäbe? Uwe Zimmermann nähert sich analytisch auf zwei Weisen den Inhalten des Schlumpf-Universums. Während die Schlümpfe einerseits klassische Charaktere der Mythen und Abenteuergeschichten im niedlichen Gewand darstellen, symbolisieren ihre Konflikte andererseits typische Menschheitsprobleme. Diese inhaltliche Tiefe geht allerdings im Laufe der Entwicklung immer mehr verloren und am Ende sind es einfach (nur noch) routiniert erzählte aber austauschbare Geschichten.
Wieder einmal beweist das Team der Reddition, dass es ein
Thema umfassend bearbeiten kann. Das Konzept, zwei Mal im Jahr einen Komplex zu
analysieren und darzustellen, also Breite und Tiefe anzubieten, geht auch in
diesem Fall auf und belegt die Alleinstellung dieser Zeitschrift. Auch wenn
nicht jedes Dossier für jede*n gleich interessant sein mag, es gibt keine
andere Möglichkeit in Deutschland, Informationen über Comics, ihre
Künstler*innen, Inhalte und Rezeptionen, so geballt und gut layoutet, zu
bekommen.
Dazu passen eine Kanne Tee oder aufgebrühte
Sarsaparille und BritPop, etwa von Blur.
Hardcover mit Leseband | 496 Seiten | 29 x 39,5 cm, in Kartonverpackung mit Tragegriff | 150 €
ISBN: 978-3-8365-5283-7
Der neunzigste Geburtstag der berühmtesten Maus der Welt hat seinen Höhepunkt erreicht und beschert uns einen Prachtband: das mehr als sechs Kilo schwere und überformatige Werk aus dem Taschen Verlag ist das ultimative Weihnachtsgeschenk für alle Mickey Mouse Enthusiasten!
Die Chronik von Gerstein und Kaufmann beinhaltet eine Auflistung sämtlicher Kinoauftritte von Micky Maus, seine Entwicklung in anderen Medien und seine Vermarktung durch Walt Disney bzw. den Disney Konzern. In Anlehnung an die Superhelden-Zeitalter wird auch in diesem Werk zwischen dem Golden (1928-1940), dem Silver (1941 – 1959) und dem Modern-Age (ab 1960) unterschieden. Die einzelnen Teile werden durch Model-Sheets und festeren Karton unterteilt. Ein weiteres Gimmick ist das Lesebändchen, das mit einem Micky-Kopf versehen ist. Die ultimative Chronik führt zunächst durch die ersten drei Jahre der Maus, erklärt ihren Hintergrund in den Problemen des Walt Disney Studios mit den Rechten an der Vorgängerserie und den Herausforderungen, eine Zeichentrickfolge, noch dazu mit Ton, in allen US-Bundesstaaten gleichzeitig zu starten. Alle diese Voraussetzungen zusammen ergaben eine einmalige Melange, die es ermöglichte, eine unverbrauchte und eigene Kreatur zu entwickeln, anarchistische und slapstickhafte Inhalte zu starten und im monatlichen Rhythmus neue Sachen auszuprobieren. Im Vordergrund stand dabei die Verbindung aus Film und Ton in einer bisher nie gesehenen Weise: Mickey und Minnie schienen selber zu sprechen und zu singen! Neben einer Vielzahl von Bildern, Fotos, Drehbuchauszügen und Werbematerialabbildungen glänzt das Werk dabei mit einer Mischung aus Überblick und detaillierter Information über jeden einzelnen Trickfilm.
Bereits ein Jahr nach dem berühmten und heute als Geburtsstunde zählenden Auftritt in Steamboat Willie 1928 wurden die ersten Comic-Beispielseiten an King Features versendet. Auch hierzu gibt es wieder zahlreiche Abbildungen. 1930 erschienen die ersten Mickey-Comics in England und Italien in Lizenz und somit waren schon nach zwei Jahren die Grundlagen für die unvergleichliche weltweite Karriere in verschiedenen Medienformen gelegt.
Schon damals benötigte man zu der kreativen Idee und der gefälligen Umsetzung aber ein weiteres Merkmal um den Erfolg dauerhaft zu sichern: Das Marketing und damit einhergehend ein gutes Merchandising. Nur dadurch konnte der Name (oder in Neudeutsch: der Brand) dauerhaft im Alltag verankert werden: Puppen und anderes Spielzeug, Uhren, Kleidung und schließlich Werbeauftritte mit Mickey und Co für andere Produkte! Und auch hier zeigt sich, wieviel Material die Autoren in jahrelanger Arbeit zusammengetragen haben und wie gut sie diese Bruchstücke in einen lesbaren und lesenswerten Text übertragen konnten!
Im zarten Alter von sieben Jahren entwickelte sich die chaotische und bisweilen boshafte Maus zu einem freundlichen, fröhlichen und bescheidenen Charakter weiter. Das cholerische Element durfte nun im Wesentlichen von Donald Duck verkörpert werden. Parallel wurde Mickeys Filmen neben dem Ton eine weitere Neuerung spendiert: Farbe! Und auch in der Beschreibung dieser Ära punktet die vorliegende Chronik wieder mit einer vortrefflichen Mischung aus detaillierten Infos, Überblickseinordnungen und einer unglaublichen Menge an Illustrationen. Die Größe der Abbildungen schwanken dabei zwischen 45 cm² und 4582 cm², also fast einem halben Quadratmeter!
Insbesondere die parallelen Vorbereitungen für den ersten abendfüllenden Spielfilm, der später Fantasia heißen sollte, werden ausführlich und in all ihren Irrungen und Wirrungen beschrieben.
Neben der Entwicklung im Film machte Mickey auch im Bereich des Comics enorme Weiterentwicklungen durch: Zusätzlich zu den Zeitungsstrips gab es immer mehr Magazine und schließlich sogar mit Walt Disney’s Comics and Stories das erste echte Comic-Heft und auch die Anzahl der internationalen Lizenzen stieg ständig und führte 1937 mit der Micky Maus Zeitung aus der Schweiz auch zu einem ersten deutschsprachigen Produkt.
War bisher alles mehr oder weniger bekannt und konnte aus vielen unterschiedlichen Quellen zusammengesucht werden, bietet die chronologisch aufgebaute Zusammenstellung ein erstes Unikat, nämlich eine Sammlung unveröffentlichter oder nicht realisierter Ideen mit einer unglaublichen Menge an Cells, Storyboards und einzelner Zeichnungen. Dieser unbekannte Mickey bietet noch einmal neue Einsichten.
In den 30-er und 40-er Jahren wurden die USA immer mehr durch das sich ausbreitende und immer erschwinglicher werdende Radio geprägt. Folgerichtig entwickelte sich auch der Hauscharakter des Disney-Konzerns in diesem Medium weiter und auch dieses lässt sich detailliert nachvollziehen.
Der zweite Teil über das sogenannte Silver-Age beginnt mit dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg und dem erstaunlich geringen Einfluss dieses Ereignisses auf die Mickey-Filme. Einiges war bereits vorproduziert und konnte nicht mehr geändert werden. Vielleicht war Mickey auch schon zu „nett“ geworden, die Filme aus dem Universum von Mickey und Minnie liefen eher ohne das Kriegsthema weiter. Andere Helden wie Donald hatten hier eine deutlich andere Entwicklung. Im Comic spielte der Krieg dagegen sehr wohl eine Rolle und Mickey durfte als Geheimagent seinen Beitrag leisten. Nach dem Krieg waren Mickey und Minnie etabliert aber langweilig und die notwendige Modernisierung fand nicht mehr im Film sondern in den Comics statt. Wichtig ist dabei vor allem der italienische Einfluss, denn die Italiener durften schon von Anfang an eigene Geschichten entwerfen und taten das auch mit erstaunlicher Qualität.
Der Bereich des Merchandising fand in diesem „Zwischenzeitalter“ seine Vollendung mit Disneyland, der Verknüpfung von Ferien und Mickey! Auch der Bereich der kommerziellen Werbung wurde noch einmal vergrößert.
Trotzdem begann die Karriereentwicklung erstmals nach unten zu zeigen. Erstausstrahlungen wurden immer mehr von Wiederholungen verdrängt, Mickey selbst war ein Langweiler geworden und mit dem Tod von Walt Disney schien das Schicksal besiegelt. Es gelang dem Konzern aber schließlich, Mickey zu modernisieren und auch wieder innovative Ideen zu entwickeln. Die Mischung aus Real- und Trickfilm, die in den 30-ern noch gefloppt war, war jetzt aufgrund der technischen Entwicklung realisierbar und erschuf wieder neue Märkte und Konsumentengruppen. Und so ist es nur folgerichtig, dass sich mit Mickey alsDesign auf der Apple-Watch ein Kreislauf schließt.
Ist Mickey damit für die nächsten 10 Jahre gerüstet? Nein! Der Disney-Konzern wird auch weiterhin nicht nachlassen dürfen, die Figur weiter und immer wieder neu zu entwickeln, Modeentwicklungen zu erkennen und zu adaptieren und die Erfolgsgeschichte weiterzuschreiben.
Für die letzten 90 Jahre gilt aber, dass es keinen Filmstar gibt, der oder die über diese lange Zeit so unangefochten eine Starrolle ausüben und sich dabei immer wieder modernisieren konnte. Das typische Gesicht und die Posen werden überall auf der Welt erkannt und damit stellt Mickey den vielleicht universellsten Charakter der Welt dar. Natürlich spielt auch der Zufall immer eine Rolle. Wie viel Aufwand und Planung aber hinter dieser Erfolgsgeschichte gestanden haben und wie viele Details punktgenau stimmen mussten, wird erstmals in dieser Fülle durch diesen Band deutlich.
Wer auch immer sich mit der Entwicklung beschäftigen möchte und alle Facetten mit Beispielen illustriert im Detail aber auch als Entwicklung verfolgen möchte, ist mit diesem opulenten Band richtig bedient! Auch für Sammler*innen, die schon das eine oder andere Buch über die Mäuse oder den dahinterstehenden Konzern zu Hause haben, bietet der Band Neues und das nicht nur aufgrund der wunderschönen Präsentation. Der Preis mag auf den ersten Blick hoch erscheinen. Wenn aber schon Konzertkarten dreistellige Beträge kosten, sind 150 Euro für dieses Nachschlagewerk nicht zuviel und der Kilopreis liegt unter dem für ein gutes Steak!
Meine Top-Empfehlung als Weihnachtsgeschenk für Comic-Fans!
Neben der regulären Ausgabe ist übrigens auch eine auf 995 Exemplare limitierte Art Edition mit einem Faksimile eines Mickey-Mouse-Merchandise-Katalogs von 1936 und einem Portfolio mit fünf Drucken erhältlich.