Es ist ein paar Monate her seit die letzte Reddition erschienen ist. Das Warten hat sich aber gelohnt denn Volker Hamann und Team haben wieder einmal einen Bereich von Grund auf erschlossen! Das Thema der aktuellen Ausgabe sind Zeitungscomics in Deutschland, also eine alltägliche Begegnung für die meisten von uns.
Die Tradition der Strips begann in den Zeitungen
Während Comics in Heft- und Albenform immer noch ein wenig mit dem Vorurteil zu kämpfen haben, doch eigentlich nur Kinderkram wenn nicht gar Schund zu sein, sind Strips in Zeitungen als Mittel der Kund*innenbindung akzeptiert und haben eine lange Tradition. Über die Ursprünge in den Vereinigten Staaten mit den Kampf zwischen Pulitzer und Hearst ist schon viel geschrieben worden und so verzichtet Michael Hein glücklicherweise darauf, alles zu wiederholen. Sein einführender Essay enthält genau die richtige Menge an Information um die Alleswisser nicht zu langweilen, den Einsteigern aber ein gutes Gerüst für den Rest des Dossiers zu bieten.
Der Fokus liegt auf der Entwicklung in Deutschland und so werden in einer guten Mischung einerseits Serien vorgestellt die hier eine gewisse Relevanz gehabt haben oder hatten. Es gibt daher Artikel etwa zu The Phantom (Empfehlung für alle, die zu wenig Zeit haben um alles zu lesen!) von Bernd Frenz, Rip Korby (sic!, so hieß der Gute hier) Modesty Blaise aber auch zu den Peanuts, Hägar oder Zits.
Etwas allgemeiner gehalten sind dagegen die Beiträge zu James Bond, Star Wars, Star Trek oder Doonesbury, die eher auf die Serien an sich eingehen. Natürlich dürfen auch Ausflüge in die europäischen Serien nicht fehlen und so finden sich auch die Vandersteen-Serien (Suske & Wiske, Bessy), Petzi und Tim und Struppi sowie die unvergesslichen Munins in diesem Heft.
Wie kommen die Folgen in meine Zeitung?
Was wäre ein Dossier zu Zeitungscomics ohne Artikel zu den Vertreibern der Strips? Nichts, genau! Deshalb werden auch Bulls Pressedienst und das presse-illustrations-büro vorgestellt. Zu ersterem gibt es sogar drei Artikel die sich verschiedenen Aspekten widmen. In einem Interview erläutert Markus Schindler von Bulls das Geschäft, das längst nicht mehr auf gedruckte Strips beschränkt ist.
Ich gehöre zu den glücklichen Lesern die noch Strips geboten bekommen: täglich Hägar und Magnus, montags zusätzlich die Schlümpfe und am Samstag Sherman’s Lagoon.Nicht die beste Auswahl aber immerhin. Was ist euer Favorit? Hinterlasst gerne einen Kommentar.
Die Reddition beweist erneut, dass das aktuelle Team sich in eine Vielzahl von Themen nicht nur einarbeiten kann sondern es auch schafft, das Ganze ansprechend und lesbar zu präsentieren. Hut ab! Ich bleibe bei meiner Meinung, dass es im deutschsprachigen Bereich keine andere regelmäßige Sekundärpublikation mit der Reddition aufnehmen kann.
Ein einziger Wermutstropfen sei zum Schluss dann doch noch vermerkt: Während des Lesens möchte zumindest ich immer wieder mehr Originalmaterial sehen/lesen. Zwar ist schon begleitend das eine oder andere abgedruckt, einen wirklichen Eindruck kann man damit aber nicht gewinnen. Wie schön wäre es, einen abgestimmten Reader zu haben der zu jedem Artikel 5-6 Seiten Beispiele präsentieren würde. Dass das Ganze weder betriebswirtschaftlich zu kalkulieren wäre noch der Aufwand für die ganzen Rechte in einem angemessenen Verhältnis stehen dürfte ist mir klar. Schön wäre es trotzdem.
Nur für Abonnenten gibt es wenigstens einen kleinen Schmankerl: Eine als Poster aufgezogene Sonntagsseite und einen Artikel über die Comic-Produktion aus dem Jahr 1950.
Dazu passen ein Indian Summer aus dem MalzKultWerk und The Slackers mit traditionellem Ska!
European Song Contest – eine Tradition in vielen europäischen Ländern, die für Party, ausgelassene Stimmung, mehr oder weniger gute Musik und das Warten auf 12 Punkte steht. Deutschland hatte in den letzten Jahren durchwachsenen Erfolg, darf als eines von vier (Zahl-)Ländern aber immerhin jedes Mal in der Hauptrund mitmachen. Die Niederlande haben es da schwerer und müssen sich jeweils qualifizieren. Umso größer war die Freude über den Gewinn im letzten Jahr nach 44 Jahren des Wartens.
Margreet de Heer
Jede Ausgabe des StripGlossy wird von einem/einer Künstler*in betreut und hat daher einen besonderen und persönlichen Schwerpunkt. Margreet de Heer hat für „ihre“ Ausgabe den ESC – bzw. auf Niederländisch das „Songfestival“ – gewählt, das im Mai in Rotterdam hätte stattfinden sollen. Wegen Corona musste es allerdings leider abgesagt werden und so bleibt für dieses Jahr nur die Konserve übrig. Das ist besonders Schade, denn man sieht dieser Ausgabe an, mit wie viel Liebe und Sorgfalt sie gestaltet worden ist.
Das Titelbild ist ein Klappcover, das den Sänger des niederländischen Beitrags Jeangu Macrooy und seine Fans zeigt. Er hat auch noch weitere Auftritte im Heft; der schönste ist ein gemeinsamer mit Lucky Luke in einer Art Rätselcomic! Margreet de Heer hat daneben aber auch noch weitere ESC-Iconen verewigt, etwa Lenny Kuhr, die Gewinnerin von 1969 oder Getty Kaspers, die 1975 mit Teach In gewonnen hatte. Neben weiteren kleinen Strips zu diesem Thema gibt es dann noch eine bildgewaltige Umsetzung des letztjährigen Gewinnersongs „Arcade“ von Duncan Laurence und Floor de Goede.
Margreet de Heer ist aber nicht nur ein Songfestival-Fan, sie ist auch die erste „Stripmaker des Vaderlands“ und somit offizielle niederländische Botschafterin für Comics. Als solche bildet sie wie andere Literat*innen oder bildende Künstler*innen bedeutende Ereignisse der Niederlande ab, nur eben in ihrem Medium. Für Deutschland wäre das wohl noch undenkbar! Das lange und ausführliche Interview mit ihr gibt auch darin weitere Einblicke.
Comics
StripGlossy ist aber auch ein Magazin für Comics: Die hier vorpublizierten Meimoorden erscheinen gerade im ZACK in deutscher Übersetzung und auch Spaghetti hatte hier sein Comeback. Aktuell laufen der lesenswerte Historiencomic über die Kreuzzüge Jelmer mit seinem zweiten Teil, der auf Deutsch bereits bei Splitter erschienene Endzeitthriller von Peter Nuyten Metro 2033, der Krimi Scarlet Edge von Anco Dijkman, die neuen Abenteuer von Tom Poes und Co, die in ein Computerspiel versetzt worden sind sowie eine weiter Geschichte des Klassiker De Generaal von Peter de Smet.
StripGlossy hat viel Text und erfordert daher schon ein wenig Kenntnisse der Sprache um es komplett zu genießen. Dadurch, dass Serien aber teilweise bereits auf Deutsch vorliegen oder aber nachträglich in Übersetzung erscheinen, eignet es sich auch als „Lernhilfe“ der besonderen Art. Für alle in Deutschland, die ein wenig Niederländisch können, der Toptipp! Für die Niederlande und Flandern inzwischen unverzichtbar und gut etabliert! Und diese Ausgabe ist natürlich ein Muss für alle Songfestival/ESC-Fans in jedem Land!
Dazu passen ein Duvel Tripel Hop und natürlich Jeangu Macrooy mit „Grow“, dem diesjährigen Song der Niederlande.
Ihr sitzt wegen Corona zuhause und wisst nicht, was ihr tun
sollt? Das Comic! Jahrbuch 2020
bietet genügend Lesestoff auf 272 Seiten!
Kurz zum Hintergrund: Der Interessenverband
Comic, Cartoon, Illustration und Trickfilm e.V. ICOM existiert bereits
seit 1981 und bemüht sich darum, Zeichner*innen und Autor*innen ein Forum für
Meinungs- und Informationsaustausch zu bieten um dadurch ihre berufliche
Situation zu verbessern. Der ICOM ist anerkannter Berufsfachverband und bietet
für seine Mitglieder nicht nur Infos, sondern auch konkrete Beratung und Hilfestellung. Das
Jahrbuch ist also auch als Werbung zu verstehen für den Verband, vor allem aber
auch für seine Mitglieder und hat daher einen extrem niedrigen Verkaufspreis!
Die Becker/König/Crumb-Kontroverse
War das letzte Jahrbuch noch von der Diskussion um die Juryzusammensetzung für den 25. ICOM Independent Comic-Preis geprägt, bewegt dieses Jahr eine andere Auseinandersetzung die Gemüter: Franziska Becker, langjährige Karikaturistin und EMMA-Zeichnerin, wird vorgeworfen, Islamophob zu sein indem sie muslimische Frauen mit Kopftuch verunglimpfe, Ralf König soll auf seinem Wandbild für das Brüsseler Rainbow-Haus transphobe und rassistische Vorurteile transportiert haben und auf internationaler Bühne wird Robert Crumb gewaltverherrlichender Sexismus und Rassismus vorgeworfen. Ein großer Teil dieses Jahrbuchs versucht mit Artikeln und Interviews Sachlichkeit in der Diskussion zu ermöglichen und fragt, ob sich Bewertungsmaßstäbe ändern können oder müssen!
Den Hintergrund bildet immer wieder die Frage, was Satire
darf oder sogar muss, ob Grenzen des guten Geschmackes auch Grenzen der Moral
sind und wo Überspitzung zu Hate Speech wird. Ist es noch ein Stilmittel, wenn
große Lippen zur Kennzeichnung von People of Colour gezeichnet werden? Wie groß
ist der Unterschied zu einer Hakennase oder anderen antisemitischen Klischees? Wenn
ich religiösen Fanatismus kritisieren möchte, muss ich dann immer mindestens drei
Religionen gleichzeitig kritisieren oder kann ich mich in der Auswahl
beschränken? Und darf ich dann immer wieder die gleiche einschränkende Auswahl
treffen? Schwierige Fragen, die auf Stammtisch-Niveau nicht zu beantworten sind!
Der Ansatz, sachliche Informationen aus erster Hand durch Interviews und
verschiedenste Artikel zu bieten, ist dabei meiner Ansicht nach als sehr
positiv zu bezeichnen!
Das Jahrbuch bietet auf mehr als 50 (Din A-4) Seiten O-Töne
von Crumb und König sowie viel Hintergrundinfo und Zusammenfassungen der Kritik!
Die deutsche Comicszene
Was wäre das Jahrbuch des ICOM ohne eine ausführliche Beschreibung der Entwicklung des deutschen Marktes… Würdigungen des Münchner Comicfestes und der „Cons“ machen den Anfang der thematischen Artikel; Berichte über I. Astalos und seine Beiträge für das deutsche MAD und ein Bericht zum 50. Geburtstag der U-Comix folgen. Es geht aber auch um ein neues Magazin über SF-Comics und eine Internetplattform verschiedenster Künstler*innen namens Toonsup. Leider auch ein Thema sind Nachrufe.
Im Bereich Atelier werden fünf Kreative etwas ausführlicher
vorgestellt, viele andere dagegen mit einer Aktualisierung der Werkschau!
Unverzichtbar für alle, die einen Überblick über die deutsche Independentszene
gewinnen oder behalten wollen!
Niederlande, USA und andere Länder
Alles andere als provinziell zu sein war schon immer der Anspruch
des ICOM! Die Berichte über andere Länder sind aber dreifach anders als normal:
Neben Berichten aus Frankreich und den USA gibt es auch noch die Niederlande,
Italien und Japan; die Betrachtungen konzentrieren sich auf Entwicklungen der Independents
und sie sind ebenfalls nicht nur reich bebildert, sondern auch sehr persönlich verfasst!
Lesenswert sind sie alle, als Anlesetipp möchte ich die Geschichte der StripSchrift
nennen. Dazu kommt noch mein Favorit in dieser Rubrik: historische Vorbilder
für Comiczeichnungen. Vor allem die Ähnlichkeiten zu Märklin-Katalogen sind verblüffend!
Die Preisträger*innen
Eine vierköpfige Jury hat die Aufgabe übernommen, den ICOM Independent Comic-Preis 2019 für Eigenproduktionen zu bestimmen. Für 2020 sind weitere Veränderungen geplant. Wie immer sind im Jahrbuch die Preisträger*innen mit Begründung und Leseproben versammelt und schon das sollte ein Grund für das Kaufen und Lesen dieses Jahrbuches sein!
Als Bester Independent-Comic wurde im Juni 2019 „Don’t touch it!“ von Timo Grubing, erschienen bei Zwerchfell ausgezeichnet. Horror bleibt preiswürdig! Der Verlag konnte noch zwei weitere Preise abräumen, unter anderem für die beste Newcomerin Natalie Ostermaier, die sich in Kramer mit Religion und Hexenverfolgung auseinandersetzt. Alle Preisträger*innen gibt es hier.
Der Sonderpreis für Guido Weißhahn soll noch kurz Erwähnung finden: Guido baut seit Jahren an einem Archiv für in der DDR erschienene Comics oder besser Bildgeschichten und leistet einen großen Beitrag zur Aufarbeitung und Bewahrung dieses Teils der deutschen Comic-Geschichte!
Das Fazit
Auch wenn der Trickfilm dieses Jahr etwas kurz gekommen ist, bleibt das ICOM Comic!-Jahrbuch unverzichtbares Rüstzeug für alle, die auch jenseits des Mainstreams nach guten Comics suchen, über die Entwicklungen auf dem Laufenden bleiben wollen und bereit sind, über das Gelesene vielleicht auch noch mal zu reflektieren! Diskussionen sind schmerzhaft und das Ändern liebgewonnener Gewohnheiten weder von vornherein richtig noch falsch. Die Diskussion darüber ist aber notwendig.
Dazu passen neben einem kühlen Kopf und Wasser für die
diskursiven Teile und ein Ipanema für die anderen sowie Musik von Blaggers ITA!
Möglicherweise ist Jacques Tilly namentlich gar nicht so vielen Bewunder*innen seiner Kunst bekannt. Tatsächlich sehen Jahr für Jahr Millionen Menschen seine Kunstwerke, entweder live beim Düsseldorfer Karneval oder aber weltweit in der Berichterstattung darüber. Nun hat er es endlich geschafft, auch museal gewürdigt zu werden!
Der 1963 geborene Düsseldorfer hat Kommunikationsdesign studiert und eigentlich nur aufgrund der hohen Papierkram-Hürden für das BAFöG mit einem Nebenjob in der Düsseldorfer Wagenbauhalle angefangen. Dieses Thema hat ihn aber nie wieder losgelassen und so ist er nun der mit Abstand bekannteste Wagenbauer Deutschlands. Aber nicht nur das, er ist auch der Wagemutigste unter ihnen. Ralf König brachte es in seiner Eröffnungsrede auf den Punkt: Während Köln versucht, den (nicht existenten) Kompromiss aus Witz und Harmlosigkeit zu finden, darf Jacques Tilly in Düsseldorf mittlerweile unter der Herrschaft der Narrendiktatur seine Satire wehtun lassen.
Die Ausstellung
Die LUDWIGGALERIE im Schloss Oberhausen hat sich schon immer im Bereich Comic und Satire engagiert. So ist es auch passend, dass der 3D-Karrikaturist hier erstmals eine Bühne für seine Pappmache-Plastiken, vor allem aber auch für seine Skizzen und Entwürfe findet. Die Exponate zeigen, dass sich der Urheber keinesfalls verstecken muss. Auch die gemalten Entwürfe haben bereits alles, was sich später auf den Wagen wiederfinden wird: eine ganz klare, international verständliche Bildsprache, beißenden Humor und eine tiefe humanistisch geprägte Grundhaltung gegen Rassismus, Egomanie und Gewaltherrschaft!
Im Schlosshof
Die Ausstellung im Kleinen Schloss bedeutet keinesfalls eine
Limitierung des Angebotes, allein der zur Verfügung stehende Platz ist
begrenzt: So befinden sich 6 Großplastiken, mehrere kleinere Plastiken und über
200 bildliche Exponate in dem Saal. Das passt dann auch wieder zum Karneval als
Ausgangssituation. Zwar werden hier keine altbierlustigen, singenden
Menschenmassen erwartet, es geht aber auch nicht um eine einschüchternde,
stille Atmosphäre wie vor alten Meistern. Die Kunst von Jacques Tilly soll aufrühren, zu Diskussionen anregen, ja,
vielleicht sogar verstören! Und dazu braucht es dann auch die Diskussion!
Dankeswerterweise gibt es übrigens noch einen zweiten Ausstellungsraum mit über 500 Zeitungsausschnitten, Berichten und sonstigen Reaktionen aus aller Welt auf die von Tilly kreierten Wagen. Besser kann man nicht zeigen, dass ein Künstler Einfluss hat. Vielleicht trägt diese Ausstellung ja dazu bei, dass er nun auch als Karikaturist seine verdiente Anerkennung bekommt.
Die Eröffnung
Die Eröffnung am 2. Februar war jedenfalls schon mal ein hoffnungsvoller und gelungener Auftakt. Viel zu viele Interessierte waren gekommen um der Bürgermeisterin der Stadt Oberhausen, Frau Albrecht-Mainz, der Kuratorin der Ausstellung Frau Dr. Vogt und dem Initiator der Ausstellung Ralf König zu lauschen und erste Blicke auf die Exponate zu werfen. Ralf König erinnerte in seiner Laudatio noch einmal daran, dass die Frage, was Satire dürfe, völlig falsch und überflüssig sei. Niemand wolle in einem Land leben, in dem Satire aus politischen oder religiösen Gründen nicht alles dürfe, eine Antwort erübrige sich daher. Mir ist es bei dieser Gelegenheit gelungen, mit Ralf ein Interview zu führen das in Kürze auf comix-online verfügbar sein wird.
Ralf König und Jacques Tilly während der Eröffnungsrede
Abschließend muss noch auf den zur Ausstellung erschienenen
Katalog hingewiesen werden (96 farbige Seiten | ISBN 978-3-932236-43-3 |
14,90€). In einem schön gemachten Hardcover finden sich nicht nur Texte von Ralf König und Christine Vogt über Jacques Tilly,
sondern vor allem natürlich Abbildungen seiner Zeichnungen und Entwürfe! Besonders
gelungen finde ich dabei die Seiten, die den Weg vom gezeichneten Entwurf über
Konstruktionspläne zum Foto des Wagens und damit der 3D-Karrikatur abbilden!
Klarer Tipp nicht nur für verregnete Wochenenden, sondern ein Muss für alle an der politischen Karikatur interessierten!
Die besten Comics des Jahres, Abschiede und alles Übrige
Und wieder ist ein Jahr vergangen, sind alte Bekannte von
uns gegangen und haben andere ein Comeback erlebt. Ein persönlicher Rückblick
mit meinen Favoriten und meinen Gedanken!
Zunächst ein Dank an alle Leser*innen für die Treue im Laufe
des Jahres. Die Zahl der Abrufe hat sich verdoppelt, insofern trifft die Seite
zumindest den Nerv von einigen. Vielen Dank auch an die Verlage, die die
Berichterstattung mit Leseexemplaren oder PDFs, Interviews oder Bildmaterial
unterstützen! Natürlich bespreche ich eher Titel, die mir gefallen oder
interessant klingen. Ich werde Kritik aber auf jeden Fall wie auch in der
Vergangenheit äußern und bleibe daher unabhängig.
Meine Wahl der besten Comics 2019
Reisende im Wind 8.1
Der Altmeister Bourgeon wollte es noch einmal wissen und hat seine Sage um die Freiheit um ein weiteres Kapitel ergänzt. Schauplatz ist das (nach-)revolutionäre Paris. Die Zeichnungen sind nicht mehr ganz so flüssig wie zu seinen Hochzeiten, die Charaktere aber immer noch gut getroffen und das Thema bleibt aktuell. Besonders lobend (und auch Begründung für den ersten Platz) ist die Veröffentlichungspolitik von Splitter: nicht nur die farbige Ausgabe fand den Weg in die Läden sondern auch eine vierteilige schwarz-weiße Magazinform, die neben den unkolorierten Seiten auch zusätzliche Informationen und Bildmaterial enthielt!
Batman – Catwoman – Das Hochzeitsalbum
Das Batmanuniversum hat in dem vergangenen Jahr viele Highlights erleben dürfen und ist somit erstmals seit Jahren wieder ein Ort für spannende Geschichten geworden. Neben dem kontroversen Joker-Film war dafür die Rückführung des Dunklen Ritters auf menschliche Tragödien ausschlaggebend. Das Black Label versammelt entsprechende Geschichten ohne Götter, Superkräfte oder Megaevents dafür aber mit den inneren Abgründen und persönlichen Albträumen! Die andere Seite war das romantische Intermezzo des Kapuzenträgers mit der Feline Fatale das kurz vor der Hochzeit dann doch ein Ende fand. Das Hochzeitsalbum fasst die wesentlichen Elemente in einer tollen Sonderausstattung zusammen.
Post/Heuvel – Meimoorden
Eric Heuvel ist ein bei uns in Deutschland viel zu unbekannter Vertreter der ligne claire und hat eine geniale Umsetzung eines Romans von Jacques Post abgeliefert. Rotterdam wird 1940 von den Deutschen besetzt. Während dieser aufregenden Tage werden auch alte Rechnungen beglichen und neue aufgemacht. Die deutsche Übersetzung erfolgt ab März im ZACK!
Conan der Cimmerier 5
Als Beispiel für das erstaunliche x-ste Leben des Barbaren sowohl in seiner Marvelinkarnation als vor allem aber in der europäischen Interpretation durch wechselnde Kreativteams soll dieser Band gelten! Es geht dabei nicht um Kämpfe muskelbepackter Helden, sondern um erstaunlich aktuelle Parallelen zu heutigen Ereignissen, innovativ umgesetzt und spannend präsentiert!
Pietersma/Wijtsma – Jelmer
Und noch ein Titel von unseren westlichen Nachbarn hat es in die Bestenliste geschafft: Jelmer nimmt an einem Kreuzzug teil und stellt sich zwangsläufig den Fragen ob Glaube und Gottesfürchtigkeit in einer Verbindung zu diesem Unterfangen steht!
Graphic Novels des Jahres
Ich habe ein wenig mit mir gerungen, ob ich Comics von Graphic
Novels separieren sollte. Im Endeffekt glaube ich aber, dass es thematisch und
stilistisch Sinn macht. Nicht, dass Comics keine Inhalte transportieren könnten
(siehe etwa Jelmer oder Reisende im Wind) aber der Fokus ist einerseits
Unterhaltung und andererseits irgendetwas anderes.
Le Hénanff – Wannsee
DIE Veröffentlichung des Jahres ist sicherlich die Umsetzung der Konferenz von Wannsee in eine graphische Erzählung. Unsagbaren Schrecken, unsagbare Grausamkeit und unzweifelhafte Effizienz in Worte und Bilder zu fassen ist schwierig und sicher auch nicht widerspruchslos. Hier gelingt es aber eindrucksvoll!
Schwarwel – Gevatter
Auch das Thema „Tod“ ist ein wenig sperrig und bietet sich nicht unbedingt als Massenkompatibel an. Schwarwel versucht trotzdem, sich damit auseinanderzusetzen, Unsagbares in das Gespräch zu holen, Ängste zu thematisieren und Alternativen aufzuzeigen!
Mikolajczak/Möller – die spinne
Wie schwierig die Abgrenzung zwischen Comic und Graphic Novel ist, beweist dieser Titel: die spinne ist ein Thriller, ein Film noir, eine Abrechnung mit provinziellem Rassismus, eine Beschreibung unterdrückter Sexualität und zudem noch spannend! Zurecht ein toller Erfolg für die vorher nicht so wirklich bekannten Künstler!
Christin/Aymond – Ost-West
Die Biographie eines Szenaristen kann natürlich nichts anderes sein als ein Szenario. Dieser Band beschreibt das Leben eines der besten „Texter“ und wird von einem langjährigen Gefährten umgesetzt. Natürlich hilft es, ein spannendes Leben gehabt zu haben und ein Publikum, das wissen möchte, wie bestimmte Ideen zustande gekommen sind… Lesenswert!
Comeback des Jahres
Der All Verlag hat zwei klassischen ZACK-Helden eine mustergültige Gesamtausgabe in einzelnen Hardcover spendiert: Luc Orient und Bruno Brazil sind also wieder da, letzterer sogar auch mit neuen Abenteuern. Die Gesamtausgabenwelle ist zwar im Verebben, es erscheinen aber immer noch Schätze die es Sammler*innen erlauben, Jugendträume erneut (und qualitativ auf einem vieeel höheren Niveau) zu durchleben.
Magazine
ZACK
Platz eins geht in diesem Jahr an DAS deutsche Comic-Magazin. Das ZACK hat gerade sein zwanzig-jähriges Jubiläum gefeiert und bietet immer noch eine spannende Mischung aus runderneuerten alten Helden (wie Michel Vaillant, Rick Master oder Bob Morane), neuen Serien wie die Bank, Rhonda oder Harmony oder Experimenten wie Giant! Unbedingt empfehlenswert!
Reddition
Platz zwei geht an die Reddition die mittlerweile siebzigmal ein Heft einem oder höchstens zwei Themen gewidmet hat und so für vertiefte Information sorgt. Immer lesbar, immer gut und sinnvoll illustriert und immer spannend!
Strip Glossy
Quasi in der Mitte steht die Strip Glossy: einerseits randvoll mit Comics, andererseits voll mit Informationen, Interviews und Bewertungen! Die Strip Glossy ist unverzichtbar für alle, die im Bereich niederländischer Comics und Künstler*innen auf dem Laufenden bleiben wollen!
Sekundärliteratur
Der Zweite Weltkrieg im Comic
Der Titel des Jahres ist der Katalog zu der Ausstellung im Dortmunder schauraum: comic + cartoon „Nimm das, Adolf!“. Alexander Braun seziert die Comics aus dem amerikanischen Raum und ihrer Darstellung des Krieges vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg, die noch heute wirksamen Auswirkungen in Deutschland, den Konflikt in Belgien zwischen dem sich anpassenden Hergé und dem auf Konfrontation und Widerstand setzenden Spirou und wirft einen Blick auf die 68er-Rezeption! Nur erhältlich im Schauraum!
Hugo Pratt – Warten auf Corto
Platz 2 geht an die autobiographischen Gesprächsnotizen von Hugo Pratt die erstmals auf Deutsch erschienen sind! Wer auch immer Fragen zu diesem Thema hat, hier sind Informationen zu finden!
CAMP 3
Platz 3 geht ebenfalls an die Edition Alfons: Das Magazin CAMP widmet sich der Trivialkultur, ist eher ein Buch im Din-A4-Format und springt von Taschenbuchcovern über die Frage des Anteils von Bob Finger an der Figur Batman zu der Form von Weltraumraketen. Genau diese Mischung verspricht kurzweilige Aufnahme nutzlosen Wissens und damit genau das, was wir alle so lieben, oder?
Verabschieden mussten wir uns neben anderen von Tome, d. i. Phillipe Vandevelde. Der sympathische Szenarist verstarb am 5.
Oktober. Er war im Hause Dupuis für viele Serien verantwortlich, am
bekanntesten bei uns wohl mit Der Kleine
Spirou und Soda – R.I.P.
Noch eine Bemerkung in eigener Sache: Der Klassiker des
Monats nimmt mehr Zeit in Anspruch als ich aktuell habe! Ich möchte aber nicht
ganz damit aufhören und ändere den Titel deswegen in Klassiker des Quartals.
Viermal wird es also auch in 2020 die Vorstellung eines Titels geben, der neben
dem Fokus auf die Neuerscheinungen eines Hinweises würdig erscheint! Schreibt
mir eure Wünsche so vorhanden!
Zum Schluss wünsche ich Euch ein tolles, erfolgreiches neues Jahr!
Der Untertitel „Magazin für Comic, Illustration und Trivialkultur“ gibt ziemlich genau wieder was Leser*innen von CAMP erwarten dürfen! 148 prall gefüllte, stabile und mit unzähligen Abbildungen versehene Seiten entführen in völlig unterschiedliche Spielarten der Populärkultur und laden – jahreszeitlich passend – zu gemütlichen Stunden am Kaminfeuer ein. Das Schwesterprojekt „Reddition“ widmet sich dagegen seit über 30 Jahren jeweils einem oder zwei Themen aus der Welt der Comics.
Man mag bei der CAMP möglicherweise eine gewisse Konstanz vermissen, erschien doch die erste Ausgabe bereits 2014, die zweite dann 2016 und gerade noch in diesem Jahrzehnt nun die dritte! Das Konzept wurde aber beibehalten und nur modernisiert: lange, in die Tiefe gehende Artikel, auch, aber nicht ausschließlich über fast vergessene Comicschätzchen. Dazu kommen Beiträge über die (fast vergessenen) Illustrator*innen, die in der ersten Nachkriegsjahren mit ihren Titelbildern für den Siegeszug des Taschenbuchs gesorgt haben und neue Literatur in das geistig verdorrte Deutschland transportierten oder eine Untersuchung über die Form und Gestalt der Raumschiffein der Science-Fiction-Literatur bzw. wiederum in ihren Titelillustrationen.
Comic-Geschichte
Der Schwarze Wolf hat es bei Bastei auf immerhin 119 übersetzte Episoden gebracht; Im Original bei Vaillant/Pif Gadget gab es 161. Durch die hier abgedruckte Geschichte reduziert sich die Lücke um eine weitere Geschichte. Ulrich Wick erzählt aber auch die Geschichte dahinter, den etwas anderen Anspruch des französischen Magazins aus dem Verlag der Kommunistischen Partei, und die Referenzen auf eben diese Serie in der französischen Literatur.
Bob Kane ist sicherlich den meisten ein Begriff, gilt er doch als der Erfinder von Batman. Wieviel wirklich von ihm stammt und welchen Anteil andere wie Bill Finger oder die verschiedensten Geisterzeichner gehabt haben könnten, untersucht Will Murray.
Dazu gibt es eine Übersicht über die verschiedensten Laurel & Hardy-Comics. Durch den Film im letzten Jahr wurden die Beiden wieder in das (Massen-)Bewusstsein gebracht; die Comics über sie sind eher keine Erfolgsgeschichte.
S. Clay Wilson ist ein Vertreter des amerikanischen
Underground. Eine Zeitlang war er auch in Deutschland „hip“ und durfte etwa für
2001 Burroughs illustrieren. Seit
2008 ist der Künstler ein Pflegefall und auf Spenden angewiesen.
Den Grenzbereich vom Comic zur Illustration nimmt Loriot
ein. Dietrich Grünewald erzählt, warum
Loriot hier trotzdem richtig ist und führt in seine Werke ein.
Illustration
Magische Postkarten sind old-school. Sie lassen sich nur einmal in einen neuen Zustand versetzen, erlauben es dadurch aber eine sequentielle Geschichte zu erzählen. Man braucht nur eine Wärmequelle… Anfang des letzten Jahrhunderts waren diese auch im Comic-Bereich ein beliebtes Werbemittel. Sie sind aber leider ziemlich in Vergessenheit geraten. Hier erfolgt der blick zurück.
Bei Dave McKean sind die Ansichten
durchaus geteilt: Während die einen von seinen neue Wege beschreitenden
Bildern/Collagen schwärmen, die dem Comic etwa in Arkham Asylum neue Horizonte
erschlossen hätten, halten andere es für artifiziellen überflüssigen Krams. Unzweifelhaft
hat McKean aber eine völlig neue
Darstellungsform in den US-Mainstream gebracht.
Trivialkultur
Abschließend wird noch der amerikanische Fanzine-/Magazin
Herausgeber Charles N. Brown gewürdigt der das „Locus“ von 1968 bis zu seinem Tod im Jahre 2000 gemacht und geprägt
hat. Das Locus gibt es immer noch und es ist immer noch eine der wichtigsten
Informationsquellen in, über und für Science-Fiction!
Der Blick nach Japan darf nicht fehlen. Hier geht es aber nicht um eine der vielen Manga-Serien oder Richtungen, sondern um „ero guro“, ein zugrunde liegendes Kunstphänomen, das schon älter ist und viele Wildheiten mit sich bringt.
Fazit
Tiefergehende Information ist heute nicht unbedingt selbstverständlich und oft fehlt dafür auch wirklich die Zeit. Umso schöner, dass das CAMP unregelmäßig (und deshalb umso willkommener) dieses Bedürfnis befriedigt und „unnützes Wissen“ in seiner besten Form darbietet!
Viele, tiefgehende Artikel und sorgfältig ausgewählte
ergänzende Illustrationen in einem stimmigen Layout sind die 15 € allemal wert!
Mein Tipp für die anstehenden Urlaubstage zur Flucht in triviale Welten, gerne
auch ohne einen Kamin!
Dazu passen irgendwie schräge und unbekanntere Klänge: Grabt
doch mal nach deutscher Mod-Musik (zur falschen Zeit am falschen Ort) oder nach
Northern Soul Perlen! Ein Bordeaux sollte dabei unterstützend wirken können.
Wo: Im Museumsshop des Max Ernst Museum Brühl des LVR, Comesstraße 42/Max-Ernst-Allee 1, 50321 Brühl noch bis zum 16. Februar 2020 (montags geschlossen) – VERLÄNGERT bis zum 29. März!!
Es gibt zwei Arten von Ausstellungskatalogen
Auf der einen Seite stehen diejenigen, die ein Thema aufnehmen,
Leser*innen abholen wo auch immer sie stehen mögen und die gezeigten Exponate
im Kontext des Textes präsentieren. Im comic-Bereich wären Beispiele dafür etwa
die Kataloge von Dr. Alexander Braun
(Going West oder die beiden Dortmunder
Ausstellungen zu Carl Barks und dem
Zweiten Weltkrieg im Comic) oder zur Ausstellung in Oberhausen über Rolf Kauka und sein Universum. Bei
diesen handelt es sich eher um bebilderte Sekundärwerke.
Auf der anderen Seite stehen die Kataloge, die sich eher am traditionellen Kunstbetrieb orientieren. Die Ausstellung, also die ausgestellten Werke stehen im Vordergrund und sollen in möglichst farbechter, angemessener Weise die Ausstellungsbesucher*innen noch Jahre später an den Besuch erinnern. Auch hier gibt es natürlich begleitenden Text. Dieser richtet sich aber nicht an die Masse, sondern führt einen kunsthistorischen oder kunstphilosophischen Diskurs (fort).
Beide habe ihre Vor- und Nachteile, bedienen sie doch
vollkommen unterschiedliche Segmente der Besucher*innen und schließen sich in
gewisser Weise sogar aus.
Der Katalog zur Moebius-Ausstellung
gehört eher in die zweite Kategorie. Hochpreisig und auf gutem Papier präsentiert er die meisten Exponate der Ausstellung und ist in gewisser Weise selbst Kunst, keinesfalls aber ein Gebrauchsgegenstand. Natürlich enthält er die notwendigen Fakten über den Künstler Jean Giraud und ebenso natürlich ist ihm die Begründung zu entnehmen, warum die Exponate des Visionärs genau hier im Max-Brühl-Museum gezeigt werden; welche Verbindungslinien können zwischen dem als entartet beschimpften Mitbegründer der Moderne und dem Träumer und visionär gezogen werden, wo sind Grenzen? Moebius ist also einer der Comicschaffenden, der den Sprung vom Alltagsvergnügen bereitenden zum Künstler (der 9. Kunst) geschafft hat.
Viele dieser Verbindungen laden möglicherweise sogar zu
einem zweiten, jetzt informierteren Besuch in die Ausstellungen ein!
Auch das Informationsbedürfnis des Comicfans wird aber bedient. In verschiedenen Beiträgen wird auf die Inhalte, die Motive und Inspirationen eingegangen und nicht nur analysiert, sondern auch erklärt. Insbesondere wird auf Moebius als Wanderer zwischen Innen- und Außenwelt eingegangen, seine Reisen, die die Welten ermöglicht haben und das ständige Bedürfnis, ‚aus dem Rahmen zu fallen‘.
Im Mittelpunkt aber stehen die Abbildungen: großformatig,
manchmal allerdings über zwei Seiten ausgeführt, erlauben sie es, den Genuss zu
verlängern.
Für Fans sicherlich kaum eine Entscheidungsfrage. Gelegenheitsbesucher*innen, die sich vertieft mit Moebius beschäftigen wollen, finden mit dem Katalog einen soliden Startpunkt! Da der Katalog zweisprachig ist (deutsch/english) kann man ihn guten Gewissens auch allen Besucher*innen empfehlen!
Im schauraum: comic + cartoon in Dortmund läuft bereits die
zweite Ausstellung unter der Leitung von Dr.
Alexander Braun, dem aktuell wohl profiliertesten Kurator in diesem
Bereich. Unter dem Titel „Nimm das,
Adolf!“ wird in dem kleinen, rund 160 m² großen Raum gegenüber vom Dortmunder
Hauptbahnhof der Zweite Weltkrieg im Comic thematisiert. 80 Jahre nach Beginn
des Krieges werden fast 100 seltene, zumeist erstmals ausgestellte
Originalzeichnungen und Dokumente gezeigt.
Superhelden gegen Adolf
Die USA waren zunächst nicht bereit, in das (europäische) Kriegsgeschehen einzugreifen. Nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor im Dezember 1941 und der daraufhin erfolgten Kriegserklärung Nazi-Deutschlands an die USA änderte sich die Situation grundlegend. Nun begannen auch die sich gerade in ihrer ersten Blüte befindenden Superhelden den Kampf gegen die faschistischen Staaten Deutschland und Italien sowie gegen Japan aufzunehmen. Auch der Zeitungsstrip konnte und wollte das Thema nicht länger ignorieren. – Im schauraum sind viele Beispiele zu sehen, der aktuelle Katalog gibt allerdings noch einen viel tieferen Einblick und ist unbedingt zu empfehlen!
Es wird aber nicht nur die amerikanische Seite gezeigt, denn
auch in Deutschland nahmen sich Zeichner und Journalisten des Themas an. Eine noch
heute nicht ganz überwundene Folge des Ganzen ist die Verfemung der Sprechblase
als dekadent, kulturlos und „entartet“.
Spirou und Tintin – zwei Strategien
Der Situation in dem von den Deutschen besetzten Belgien sind gleich zwei Themenblöcke gewidmet: Während sich die Zeitschrift Spirou in zivilem Ungehorsam übte und verboten wurde, wechselte Hergé mit Tintin zur deutsch kontrollierten Le Soir, verdoppelte deren Auflage und sorgte damit für eine bessere Verbreitung der deutschen Ideologie. Die Diskussion ist in dem beschränkten Raum der Ausstellung sicherlich nicht zu führen, auch hier sei aber der Hinweis auf die vertieften Inhalte im Katalog erlaubt.
Von den 70-ern bis heute
Ein weiterer Schwerpunkt widmet sich der Enthistorisierung des Themas: Nazi-Zombies, Pornos und Satire verwenden den Hintergrund nur noch als einen Bestandteil der Pop-Kultur. Andere Wege gehen graphic novels wie etwa Maus oder aber Wannsee, die sich bemühen, historisch korrekt Aufarbeitung in einer besonderen Kunstform, dem Comic, zu ermöglichen. Auch hier werden Originale und Werke aus Italien gezeigt wie auch zwei Originale von Fabrice Le Hénanff.
Gerade in heutigen Zeiten in denen Populisten weltweiten Zulauf
haben und die jüngere deutsche Geschichte massiv umgedeutet wird kann es nicht
schaden, sich diesem Thema zu widmen. Es muss ja nicht gleich ein 1000-Seiten
Wälzer sein.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 15. März 2020 täglich außer Montags ab 11:00 Uhr. Der Eintritt ist frei. Der bereits mehrfach erwähnte Katalog von Alexander Braun (ISBN: 978-3-9820732-1-7) ist nur im schauraum erhältlich und ist jeden Cent seiner 20 EURO wert! Er umfasst 224 Seiten und enthält rund 340 Abbildungen.
Zum Katalog passen eine Kanne fair gehandelter Biokaffee und Banda Bassotti aus Italien.
Schwerpunkt der aktuellen StripGlossy ist Asterix, der kleine Gallier, der gerade
seinen 60-sten Geburtstag feiert und mit seinem in Kürze erscheinenden Album
wieder die Buchumsätze retten wird. Zu diesem Jubiläum ist bereits eine
offizielle Hommage erschienen, die mal mehr Strips und Texte (französische Ausgabe)
mal nur Strips (deutsche Ausgabe) enthält. Wer sich diesen Band gekauft hat,
sollte unbedingt auch hier einen Blick riskieren denn das Glossy enthält sechs
weitere Strips!
Schwerpunkt 60 Jahre Asterix
Wie üblich ist der den Iconen der Comic-Welt gewidmete
Bereich vielgestaltig gefüllt und beginnt mit einem großen Artikel über die
Väter von Asterix. Auch andere Künstler, etwa Fred de Heij kommen zu Wort und dürfen ihre Geschichte über Goscinny und Uderzo oder aber Asterix und Umpah-Pah erzählen. Natürlich werden
auch Ferry und Conrad befragt und es wird gerätselt, ob das kommende 38. Album das
letzte sein könnte. Schließlich hat Albert
Uderzo mehr als einmal verlauten lassen, dass seine Figuren ihn nicht
überleben sollen und er die Fäden nicht weggeben möchte. Mal sehen, ob sich der
finanzielle Hunger der Erben oder die letzte Verfügung durchsetzen werden. Zum
Glück lebt der Meister ja noch.
Die Artikel sind ausführlich bebildert aber auch wieder mit reichlich Comic-Material versehen. Von Goscinny und Uderzo gibt es neben Zeichnungen eine Seite des aufgegebenen Versuches mit „Roman de Renart“ und „Hoempa Pa“ (deutsch Umpah-Pah), zwei Vorläufern des Galliers. Auch Ferri und Conrad steuern einen Streifen bei (auf Deutsch), der schon in der WELT zu sehen war. Spannend wird es aber mit den Hommagen: Fred De Heij, Frans Hasselaar/Daan Jippes, Meinte Strickwerda, Willem Ristier/Apriyadi Kusbiantoro und Vick Debergh lassen ihrer Fantasie freien Lauf und liefern hohe Qualität ab! Natürlich kann es bei einigen nicht schaden, die jeweils eigene Figur zu kennen, notwendig ist es aber nicht.
Anmerkung: der Scanner ist gerade nicht funktionsfähig…
Und wem das immer noch nicht genug ist, darf in reichlich Bildmaterial
schwelgen, das den Besuch Supermans im
Gallien des Jahres 53 in Action Comics 579 zeigt. Sollte mich nicht wundern,
wenn dieses Heft in der nahen Zukunft häufiger gesucht werden würde.
Seb und Mirjam van der Kaden haben es sich zum
Prinzip gemacht, Themen wirklich ausführlich darzustellen und so wird zum
Vergleich auch ein anderer „Erbe“ einer großen Serie vorgestellt: Achdé!
Neben dem lesenswerten Bericht und vielen Fotos gibt es zwei Strips von Kid
Lucky und eine schon etwas ältere Zeichnung mit Asterix und Lucky Luke von dem
sympathischen Franzosen.
Comics
Auch sonst bietet die 14. Folge der Glossy wieder eine Menge
an Comics von Cartoons oder Streifen (Madelfried),
Einseitern wie Z-Man hin zu Kurzgeschichten
und albenlangen Stories.
Zu Ende gehen die Vorabdrucke von Saul, einer Science-Fiction in Storm-Tradition von Willem Ristier und Apriyadi Kusbiantoro sowie von Jelmer, einer Kreuzfahrergeschichte von Josse Pietersma & Roelof Wijtsma. Eine Rezension des gerade erschienenen Softcover-Bandes von Jelmer folgt in Kürze. Es gibt aber auch Neues von Spaghetti (siehe StripGlossy 13), dem General, dem kleinen General und Sjors & Sjimmie, diverse andere Kurzgeschichten unter dem groben Thema Halloween, eine Fortsetzung der neuen Abenteuer von Tom Poes (siehe StripGlossy 10) und eine neue Ausgabe des Strip-Battles! In der neuen Runde treten Ralph Dikmans und Wouter Winter gegeneinander an. Die Gewinner*innen der Battles der letzten Jahre sind natürlich auch wieder mit Arbeiten vertreten!
Tatsächlich gibt es noch mehr in diesem Heft aber ein wenig Überraschendes
soll ja noch verbleiben! StripGlossy ist eine perfekte Mischung aus
Information, die nicht trocken daherkommt, sondern immer versucht, den Menschen
hinter dem/der Künstler*in zu präsentieren, modernen Comics aus dem
niederländischen Sprachraum und News! Da der Comic-Anteil rund 50% ausmacht helfen
die Bilder auf der Hälfte aller Seiten dem Verständnis. Für die übrigen 50% ist
es sinnvoll, niederländisch lesen zu können. Trotzdem volle Punktzahl!
Dazu passen erst ein Chocomel
und dann ein Weizen der Brouwerij
Groninger und The Pioneers.
Moebius, so das Pseudonym des Zeichners und Szenaristen Jean Henri Gaston Giraud für die Science-Fiction orientierte Hälfte seines Schaffens, wird in einer großen Ausstellung im Max-Ernst-Museum Brühl des LVR gewürdigt. Moebius ist Wegbereiter, Pionier und Meister des modernen französischen Erwachsenencomics zugleich und hat Psychologie, Architektur, (Natur-)Religionen und Avantgarde in den Comic gebracht als der große Bruch erfolgte zwischen den klassischen, religiös geprägten Magazinen Tintin und Spirou auf der einen und Pilote und Metal Hurlant auf der anderen Seite.
Die Location ist durchaus passend gewählt, war doch Max Ernst als Expressionist, Dadaist und
Surrealist ebenfalls immer auf der Suche nach neuen, noch besseren Ausdrucksmöglichkeiten.
Für 10,50€ können beide Ausstellungen besucht werden. Der Keller ist dabei dem
jüngeren gewidmet: Eine große, etwas unterteilte Fläche ermöglicht die
Präsentation von verschiedenen Aspekten des Schaffens in Originalen oder
vergrößerten Abbildungen der Zeichnungen.
Die Exponate
Besonders heraus stechen die großformatigen Bilder, die mit Hilfe eines kostenlosen WLANs und einer ebenfalls kostenlosen App namens Artivive animiert werden. Diese Augmented Reality passt zu dem Science-Fiction Sujet perfekt und macht zudem Spaß. Überall stehen Betrachter*innen, die auf ihr Smartphone starren… Da sich die Sequenzen teilen lassen, haben auch die zuhause gebliebenen Freunde und Verwandten etwas von der Ausstellung – ein großes Plus!
Dabei ist die Aufteilung der einzelnen Räume sehr durchdacht;
acht Themenbereiche bieten einen Einblick in die verschiedenen Themenspektren,
die jeweils von einem oder zwei Zitaten begleitet werden. Sie zeigen etwa in
den Bereichen „Spiritualität und Alchemie“ oder „Abstraktionen“ das Moebius mehr ist als „nur“ ein Comiczeichner
und nicht nur der Subgattung der Neunten Kunst, sondern der gesamten Kunst neue
Aspekte hinzugefügt hat.
In „Der doppelte Mensch“ setzt sich Giraud mit der Schizophrenie auseinander. Seiner Meinung nach ist
sie ein sehr menschlicher, positiver Zustand, der hilft zu überleben. Sie werde
allerdings erst dann als Schizophrenie benannt, wenn sie beginne zu entgleisen.
Diese Haltung wird in den gezeigten Werken, insbesondere in der Kampfszene
deutlich. Aber auch hier gilt: Ohne Katalog oder Vorwissen eigentlich unverständlich.
Trotzdem ist dieser Teil für mich der beeindruckendste, vielleicht weil er
soviel persönliches beinhaltet und für jede*n Betrachter*in nachvollziehbar
ist.
Die Präsentation
Wie so oft in Deutschland ist die Präsentation ansonsten
aber nur etwas für Profis. Wer sich mit dem Thema und dem Künstler auskennt,
wird den Besuch genießen: Viele Originale hängen an den Wänden und sind auch
tatsächlich aus geringer Distanz betrachtbar. Informationen oder gar eine
Erklärung, warum eben dieser Moebius so
berühmt geworden ist, welche Techniken, Themen oder Gedanken er in den modernen
französischen/europäischen Comic eingebracht hat (oder gar, wie der Comic
vorher ausgesehen hat), fehlen vollkommen und auch das eine Bild mit der
Abbildung von Mike S. Blueberry
erklärt nicht wirklich den Unterschied zwischen Gir und Moebius…
Dazu kommt die Tatsache, dass Max Ernst zwar in Brühl geboren worden ist, wesentliche Teile seines Lebens aber in den USA und Frankreich verbracht hat. Dementsprechend sind die Texte zu seiner Ausstellung auch dreisprachig. Solche Übersetzungen der Texte des französischen Künstlers aus dem Original der Abbildungen ins Deutsche oder aber der deutschen Zitate in Englische/Französische vermisst man leider im Keller bei der Moebius gewidmeten. Auch wenn Europa immer mehr zusammenwächst, der gegenseitige Museumsbesuch außerhalb von Großstädten scheint weiterhin nicht vorgesehen zu sein.
Es werden aber einige Veranstaltungen und Führungen angeboten; das Programm ist unter der Seite des Museums abrufbar.
Das Drumherum
Wer übrigens vor oder nach dem Kunstgenuss ein Getränk oder
eine Speise zu sich nehmen möchte sollte tunlichst auch bei Starkregen ein paar
Schritte in Richtung Bahnhof gehen und dort einkehren! Dort ist man in der
Lage, auch bei größerem Andrang schnell und freundlich qualitativ hochwertige Produkte
feilzubieten.
Fazit: Die Moebius-Schau sollte man als Fan von modernem europäischem Comic auf jeden Fall gesehen haben. Die Mitnahme eines/einer Gelegenheitskonsument*in erfordert aber eine eigene hohe Erklärungs- und Vermittlungsbereitschaft oder die Investition in einen Katalog (vor dem Verlassen). Dieser ist mit fast 50€ aber nicht billig. Eine Besprechung erfolgt in Kürze.