Ein Kunstband in einem Comic-Magazin, ja, passt das denn? Die Antwort kann nur lauten „Ja!“, ist doch die Neunte Kunst selber nur eine unter vielen anderen Kunstformen, unter denen es eine Unmenge an Überschneidungen gibt. Dabei sind immer wieder Trendsetter zu beobachten, die neue Wege eröffnet haben. Diese Wege breiten sich dann aber über viele Ausdrucksformen aus. So entstehen in der gestaltenden Kunst, der Malerei, im Film und eben auch im Comic Artefakte, die von dem Neuen inspiriert worden sind. Einer dieser Freigeister war Hans Rudolf Giger, dessen Todestag sich 2024 zum zehnten Mal jährte.
BLACK!
Der Schweizer Künstler, 1940 in Chur geboren, absolvierte nach dem Abitur zunächst eine Bauzeichnerlehre, bevor er Innenarchitektur und Industriedesign studiert. Bereits während dieser Zeit veröffentlicht er eigene Zeichnungen in Untergrundzeitungen. Seine späteren Themen lassen sich schon erkennen, die Stilrichtungen ändern sich allerdings noch. Ab 1968 arbeitet er nicht mehr als Angestellter und kann von seiner Kunst leben.
Der Weg führt weg von den Zeichnungen hin zu Öl und Acryl-Gemälden und Airbrushkunstwerken. Immer wieder tauchen Verbindungen von biologischen und mechanischen Bestandteilen auf. Die sogenannten Biomechanoiden zeigen einen düsteren Blick auf die Zukunft, sollen verstören und kommen gleichzeitig eigenartig morbid daher. Außerdem enthalten sie immer wieder sexuelle Komponenten, die sich auch auf den katholischen Hintergrund Gigers zurückführen lassen.
Wesentlicher Bestandteil seines Schaffens sind seine Filmdesignbeiträge, insbesondere natürlich für Alien von 1979. Die ikonographische Figur ist mittlerweile Allgemeingut der Pop-Kultur, Giger wurde dafür mit einem Oscar (Visual Effects) belohnt. Und natürlich ist sie auch der Star einer Vielzahl von Comic-Stories und Cross-Overs. Der Band zeigt aber auch seine teilweise nicht einmal verwendeten Arbeiten für andere Filme, wie etwa Dune. Immer wieder zeigt sich darin seine Ausbildung im Möbeldesign, die er in sehr spezieller Weise mit seinen biomechanischen Themen verknüpft.
Die Ausgabe
Ich weiß nicht, wer schon einmal versucht hat, ein Kunstwerk durch das Betrachten einer Postkarte zu erschließen. Ich bin der Meinung, dass das gar nicht funktioniert. Das vom Taschen-Verlag gewählte Format geht einen anderen Weg: das Coffee-table-book im XXL-Format erlaubt tatsächlich eine Seitengröße von 29 x 39,5 cm und lässt sich durch Doppel- und Ausklappseiten noch deutlich erweitern. Natürlich sind es immer noch nicht die echten Kunstwerke, sie kommen dem Original aber schon sehr nahe.
Nun ist das Betrachten der Werke die eine Sache, die Erklärung der Werke (und ihrer Auswahl) sowie die Einordnung in das Weltgeschehen die andere. Hier ist es Andreas J. Hirsch zu verdanken, dass er die Leser*innen mit großem Sachverstand, aber eben auch in einer nicht abgehobenen Art und Weise durch das Werk des verstorbenen HR Giger führt. Obwohl dieses Buch kein Ausstellungskatalog ist, merkt man ihm doch an, dass der Autor bereits Ausstellungen, auch von Giger, kuratiert hat!
Nicht jede*r ist des Englischen so weit mächtig, dass der gleiche Genuss in der fremden Sprache erzielt werden könnte. Das Werk ist daher komplett dreisprachig. Die einzige Schwierigkeit: Arme oder Unterlage müssen in der Lage sein, 6,2 Kg auf längere Zeit halten zu können.
Was lange wärt …
Dieses Buch wurde noch zu Lebzeiten des Künstlers begonnen. Nun hat sich sein Todestag bereits zum zehnten Mal gejährt. Alle hier aufgezeigten Befürchtungen sind in diesem Jahrzehnt allerdings keineswegs obsolet geworden. Im Gegenteil: Mit dem Einzug von Generative AI hat das Thema der künstlichen Intelligenz und der Bedrohung des „natürlichen“ Lebens eine neue Dimension bekommen. Umweltverschmutzung und Klimakrise sind nicht mehr nur noch globale Bedrohungen, die aktuellen Kriege haben gezeigt, dass ökologische Katastrophen als Folgeerscheinung geplant werden.
Wann also wäre diese Mischung aus Horror, psychedelischen Fragestellungen und Surrealismus relevanter als heute? Das Buch gibt natürlich einen Einblick in die Werke, vernachlässigt aber auch die Wirkung auf andere nicht und stellt dadurch immer wieder die Verbindung zu Politik, Kunst und Unterhaltung her. Anstatt jetzt sehr lange aufzuzählen, für welche Zielgruppen der Band geeignet wäre, entscheide ich mich für das Gegenteil: Wer auf Romantik und Liebe steht, ist hier möglicherweise falsch.
Dazu passen „Chrome“ von Debbie Harry (mit einen Album-Cover von Giger) und ein poor man’s Black Velvet.
Seit 1934 ist Donald Duck eine der beliebtesten Comicfiguren, und er war in mehr Filmen zu sehen als jeder andere Protagonist von Disney. Dieser Band zeigt seltene Zeichnungen, Originalausgaben und Schnappschüsse aus der Produktion, charmante Sammlerstücke, unvollendete Filmprojekte sowie unveröffentlichte Arbeiten vom „Duck Man“ Carl Barks.
Was passiert, wenn ein Kunst-Verlag, ein passionierter Fan, und ein 90. Geburtstag zusammenkommen? Die ultimative (und wohl unüberbietbare) Chronik über die erfolgreichste erfolglose Ente der Welt!
Aus der Pressemitteilung:
Nichts ist so erfolgreich wie der Erfolg, sagt das Sprichwort, aber bei Donald Duck ist das Gegenteil der Fall: Die Offenheit, mit der Donald seine Schwächen preisgibt, gewinnt unsere Herzen und bleibt unvergesslich.
Erleben Sie Donalds Lebenswerk aus neun Jahrzehnten in einer der umfangreichsten illustrierten Publikationen über das Disney-Universum. Nach TASCHENs Mickey Mouse: Die ultimative Chronik verfolgen wir nun die Karriere von Mickeys einzigem Rivalen im Kampf um den Titel der beliebtesten Disney-Figur. Beginnend mit seinem Debüt im Kurzfilm The Wise Little Hen in der Reihe Silly Symphony am 9. Juni 1934 dokumentiert dieser Band Donalds über 170 Zeichentrickfilme, seine Abenteuer im Comic und im Fernsehen sowie seine Auftritte in Themenparks. Als besonderes Schmankerl für seine Fans sind die Autoren zudem tief in Disneys Schatzkammern eingetaucht, um die Geschichte seiner unvollendeten Filmprojekte zu erzählen.
Dank des beispiellosen Zugangs zu den umfangreichen historischen Archiven und Sammlungen von Disney sowie zu öffentlichen und privaten Sammlungen konnten seltene Konzeptzeichnungen, Story-Skizzen, Hintergrundbilder, Animations- und Comic-Zeichnungen sowie historische Fotos zutage gefördert werden. Wir begegnen dem Werk aller wichtigen Künstler in Film und Comic, die die Figur Donald geprägt haben. Eine umfassende Würdigung erfährt der als „Duck Man“ verehrte, legendäre Comicerzähler Carl Barks, dessen noch nie gezeigte frühe Storyboard-Zeichnungen hier zu sehen sind.
Das Must-Have für Fans
Comix-online durfte bereits einen Vorab-Blick in das großformatige Werk werfen und ich muss sagen, dass ich begeistert bin! Mehr Fakten sind nicht möglich und das Layout ist wie schon bei der Mickey-Mouse Chronik perfekt. Es lädt dazu ein, die Abbildungen (die bei diesem Seitenformat groß genug sind!) zu betrachten, erlaubt einen guten Lesefluss dank der gut strukturierten Texte und bietet selbst für Spezialist*innen noch Neues!
Man merkt dem Taschen-Verlag bei all seinen Publikationen an, dass die gesamte Mannschaft großen Respekt vor Kunst und Künstler*innen hat. Natürlich ist der Sinn eines Unternehmens, Geld zu verdienen. Aber man kann das eben auch mit dem gebührenden Maß an Hochachtung tun. Genau solche Kleinigkeiten sind es, die das Werk für die Leser*innen zu einer Besonderheit werden lassen!
Übrigens sei gesagt, dass Weihnachten vor der Tür steht …
Das Werk wird am 19. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt. Dabei werden sowohl Daniel Kothenschulte als auch Ulrich Schröder anwesend sein und Bücher signieren!
Dazu passen Bad Guy von den Interrupters und ein Kaffee für die Wartezeit in der Signierschlange …
Es ist nicht immer einfach, einen langen Atem zu haben. Viele Projekte sind schon (zu) schnell wieder gescheitert. Die XXL Marvel Comics Library jedoch ist jetzt schon in ihrem dritten Jahr! Die Library wurde gleich mit dem ersten Band mit einem Eisner-Award ausgezeichnet und hat es sich zum Ziel gesetzt, die herausragenden Anfänge der Marvel-Comics zu präsentieren. Das gewählte Format entspricht den Originalzeichnungen, bietet also eher den Blick der Künstler als den der damaligen Leser*innen. Alle Originale wurden sorgfältig digital reproduziert und auf einem Papier gedruckt, dass die Haptik des damaligen Papiers mit heutiger Qualität widerspiegelt.
Ein Team steht füreinander ein?
The Avengers war ursprünglich so etwas wie ein Schnellschuss. Einerseits sollte die Popularität der Hauptfiguren ausgenutzt werden, andererseits waren Autor und Zeichner mit den Figuren bereits vertraut. Christopher Priest weist in seinem einführenden Essay allerdings klar auf ein Problem hin. Zwar waren die Avengers-Stories fortlaufend, was zur damaligen Zeit alles andere als üblich war, die eigenen Reihen der Held*innen aber eben auch. Daher hatten sich viele damalige Fans in Briefen an Marvel gewandt, um nachzufragen, wie sie gleichzeitig in so unterschiedlichen Konflikten involviert sein könnten.
Bis auf Cap wurde das Team daraufhin neu besetzt und Hawkeye, Scarlet Witch und Quicksilver durften sich bewähren. Während in den meisten anderen Serien die Held*innen aber immer gut waren, war bei den Avengers der Wurm drin. Die Führungsrolle war streitig, persönliche Konflikte kamen hinzu und so hatte die Enchantress ein leichtes Spiel, die Avengers öffentlich fertig zu machen. Nicht nur waren sie nicht mehr ein Team, sie wurden sogar gesucht! Obwohl diese Herausforderung schlussendlich gemeinsam gelöst wurde, war das doch der Anfang vom Ende für dieses Team.
Im weiteren Verlauf kehrten The Wasp und Giant-Man zurück und versprühten noch einmal der Geist der Anfangsjahre! Die Stories werden wieder lustiger und sind erneut darauf ausgerichtet, ein Wir-für-die-Welt-und-gegen-den-Rest-Gefühl zu vermitteln. Dazu kommen Black Widow und Hercules, die das Team verstärken. Die Bedrohungen bleiben dabei im üblichen Rahmen: außerirdische Gegner haben außergewöhnliche Kräfte, lokale Gegner eher ein zu großes Selbstvertrauen.
Während die Verdienste von Stan Lee schon damals unbestritten waren, ist der Schritt zu Roy Thomas doch beachtlich. Zwar war er schon eine Zeitlang involviert, die The Avengers Ausgabe 35 (Cover date Dezember, Sales-date Oktober 1966) nennt den jungen Künstler allerdings erstmals als Script-Verantwortlichen. Eine lange Karriere sollte folgen!
Monat für Monat eine Überraschung!
Leser*innen von comix-online sind eher mit Comics aus dem frankobelgischen Raum sozialisiert worden. Zwar wurden und werden Geschichten oftmals in Magazinen vorangedruckt, die Frequenz ist aber relativ eindeutig: ein Album pro Jahr. Es gibt zwar Ausnahmen, etwa Sammy oder Amoras, grundsätzlich haben die Leser*innen aber Zeit, die Geschichten zu verdauen. Im amerikanischen Comic-Business ist das komplett anders! Im Normalfall erscheinen die Hefte monatlich, teilweise mit mehren parallelen Serien und zusätzlichen Kombinationen/Team-Ups.
Um die meist männlichen jugendlichen Leser zu fesseln ist daher etwas mehr nötig: Das Layout war bereits in den 60-er Jahren deutlich offener und flexibler, die Splash-page ein notwendiges Gestaltungselement. Und auch Elemente des Pulp flossen immer wieder ein, denn die Spandex-Anzüge der Heldinnen waren nicht unbedingt dazu geeignet, ihre Körper nicht herauszustellen. Und so finden wir auch bei Don Heck immer wieder Posen, die nur diesem Zweck dienen, in der Realität aber unerreichbar wären.
Grundsätzlich ist Heck aber ein Meister seines Faches: viel Action, die teilweise sehr vollen Textblasen sind gut eingearbeitet und die Perspektiven wechseln ständig, so dass beim Lesen kaum eine Atempause forciert wird. Für Hintergründe ist nicht wirklich viel Platz. Wenn sie aber doch vorhanden sind, bieten sie ein gutes Setting sowohl in der Großstadt, im Labor oder im Weltall.
Und auch für Fans des unvergleichlichen Wallace Wood lohnt sich im Übrigen ein Blick in diese Gesamtausgabe, zeichnet er doch für die Inks der ersten Ausgaben verantwortlich!
Eine voluminöse und wertige Sammlung
Warum kaufen wir uns heute noch/wieder Comics, die wir in unserer Jugend gelesen haben? Natürlich ist einer der Faktoren die Qualität der damaligen Sachen. Während vieles zu Recht vergessen wurde, hat einiges eben doch überdauert und bewiesen, dass es nicht nur auf seine Zeit bezogen war. Es gehört aber auch ein wenig Nostalgie dazu, die schönen Erinnerungen an die Fluchten der Kindheit und Jugend wiederholen zu wollen. Wenn man sich das heute leisten kann (und die meisten von uns können das), dann möchte man das auch in einer angemessenen Form präsentiert bekommen!
Die Taschen Marvel Comics Library macht genau das: die besten Marvel-Geschichten, die die Grundlage für die heutigen Blockbuster gelegt haben, in einer ultimativen Präsentation! Mit einem Seitenpreis von etwas über 22 Cent ist das Kompendium im Übrigen deutlich unter aktuellen Albenpreisen und der extra angefertigte Karton ist noch ein schöner Bonus!
Wer es ganz besonders mag, kann eine limitierte Luxusausgabe in einem sehr speziellen Schuber für 500 € erwerben. Natürlich macht sich der zweite Band im Regal besonders gut, wenn Band 1 daneben steht. Es sind aber auch bereits Ausgaben von Spider-Man, Silver Surfer oder Fantastic Four erschienen.
Dazu passen Musik von Donovan (Sunshine Superman) und ein Rusty Nail bzw. ein Pink Squirrel.
Meine Jahresbestenliste und ein paar Worte zum Geleit
Dann wollen wir mal … Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Vieles ist gleichgeblieben, München ist zum Beispiel zum elften Mal hintereinander Deutscher Meister geworden. Vieles hat sich aber auch geändert: das politische Klima ist rauer geworden, Emanzipation und Bekämpfung der Klimakrise sind nur noch Worthülsen, während zum Beispiel ein Tempolimit in weite Ferne gerückt ist.
Im Comic-Bereich durften wir dagegen einiges erleben: angefangen mit Magazin-Neustarts etwa bei Zauberstern oder mit dem neuen Independent-Blättchen Graphica über das 50jährige Jubiläum des ZACK bis hin zur erstmaligen Veröffentlichung frankobelgischer Klassiker in Deutschland!
Auch für comix-online gab es einen neuen Rekord: Erstmals waren es mehr als 100.000 direkte Zugriffe auf einzelne Artikel, also ohne die Startseite! Vielen Dank für dieses Vertrauen! Die Charts mit den am häufigsten aufgerufenen Seiten der letzten 30 Tage bzw. der „All-Time-Favourites“ zeigen durchaus Bewegung und lassen eure Präferenzen deutlich werden. Trotzdem freue ich mich über Kommentare oder Feedback, gerade auch bezüglich Informationen, die euch fehlen.
Die besten Comics
Grundsätzlich sind sich die meisten Seiten in diesem Jahr einig: Der neue Asterix, Die weiße Iris, ist seit Jahrzehnten der beste „neue Asterix“. Dem kann ich mich durchaus anschließen. Der neue Szenarist Fabcaro hat es geschafft, ein altbekanntes Thema (Die Römer versuchen das gallische Dorf von innen heraus zu zerstören) völlig neu zu inszenieren und dabei eines der modernen Streitthemen, Wokeness, satirisch zu erfassen. Die Zeichnungen von Conrad stehen für sich!
Platz 2 geht für mich an den ersten Band der neuen Reihe Wikinger im Nebel. Lupano und Ohazar haben mit ihrem sehr witzigen und teils schwarzen Humor das Sujet umgekrempelt und neben den Schlachtengemälden und Hägars Familienstrip eine eigenständige Welt aufgemacht, die filosofische Fragen stellt (Plündern ja, Kirchen abfackeln nein?) und Rollenbilder neu definiert!
Platz 3 geht an einen Altmeister: Francois Bourgeon hat mit Die Zeit der Blutkirschen 2 vermutlich sein letztes Werk vorgelegt. Es schließt den letzten Zyklus der Saga Reisende im Wind ab und endet während der Revolution. Diese Serie gilt nicht zu Unrecht als Startpunkt für die historizierenden Comics.
Knapp danach ein weiterer Titel aus dem Splitter-Verlag: Carbon und Silizium von Mathieu Bablet ist die Geschichte zweier KI, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch beide verloren sind. Gerade im Zuge der Diskussionen um ChatGPT, Bard und Co ein wichtiger Ansatz, der auch grafisch überzeugt.
Auf Platz 5 folgt ein weiterer melancholischer Beitrag über künstliche Wesen: Rostige Herzen von dem Duo, dem fast alles gelingt, BeKa und Munuera, ist der Einstieg in eine neue Reihe, die böse Menschen und gute Roboter als Symbole für vieles, was bei uns nicht mehr stimmt, benutzt.
Die besten Graphic Novels
Was kein Comic ist und auch kein Strip, das muss wohl eine Graphic Novel sein … In diesem Sinne die Top 3!
Platz 1 geht mit einem Tusch an Ein unerwarteter Todesfall von Dominique Monféry. Toxische Männlichkeit im Hohen Norden zeigt brutale männliche Gewalt, die nicht immer nur unter Druck entsteht und eine trotz allem erfolgreiche Überlebensstrategie einer jungen Frau.
Ein deutscher Titel konnte sich an zweiter Stelle platzieren: Der Zeitraum von Lisa Frühbeis schildert die Ängste und Nöte einer zwangsläufig alleinerziehenden Frau. Zwar ist das Thema keinesfalls neu, die grafische Umsetzung ist jedoch vollkommen anders als gewohnt und vereinbart persönliche Betroffenheit und „Nicht-Kunst“ mit genialen Farbakzenten.
Knapp dahinter eine Biografie auf Platz 3: In Fritz Lang schildern Arnaud Delande und Èric Liberge die Lebensgeschichte des deutschen Regisseurs, seiner Auseinandersetzung mit dem aufkeimenden Faschismus und seine teils skandalösen Beziehungen.
Die besten Gesamtausgaben
Einer meiner Lieblinge unter den frankobelgischen Zeichner*innen war schon immer Pierre Seron. Umso mehr freut es mich, dass nun endlich auch seine poetischste Serie, Die Zentauren, erstmals komplett auf Deutsch erscheint! Es darf allerdings nicht verheimlicht werden, dass der Verfasser als Übersetzer des redaktionellen Teils beteiligt war.
Auch in diesem Jahr sind drei neue Bände der Marvel Comics Library bei Taschen erschienen. Die XXL-Bände haben rund 700 Seiten, sind mehrere Kilo schwer, und präsentieren im Coffee-Table-Format die bahnbrechenden ersten Ausgaben der Marvel-Klassiker, die etwas ganz Neues erschaffen hatten. Sorgfältige Reproduktionen erlauben einen 100%igen Genuss, der von sachkundigen Einführungen abgerundet wird! Ein stolzer, aber berechtigter Kaufpreis ist der einzige, kleine Wermutstropfen!
Der dritte Platz steht ein wenig stellvertretend für ein ganzes Albenprogramm: Georg F. W. Tempel, der Herausgeber von ZACK und ZACK-Edition, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Perlen neu oder erstmals komplett auf Deutsch herauszugeben. Dazu zählen etwa Reihen wie Jari oder Alain Cardain. Preiswürdig ist aber die Reihe Bob Morane Classic, in der erstmals alle 19 Abenteuer von Dino Attanasio und Gerald Forton erscheinen werden!
Die besten Sekundärwerke
Es gibt kaum jemanden, der so gut lesbar so viele Informationen und Debattenbeiträge zwischen zwei Buchdeckel packen kann wie Dr. Alexander Braun. Dementsprechend führt er auch dieses Jahr wieder die Liste der besten Werke über Comics an: Staying West! ergänzt, was in seinem ersten Werk über Comics und den Wilden Westen außen vor bleiben musste, nimmt Stellung in der Debatte über Politische Korrektheit und grenzt Notwendiges von Übertriebenem ab und erzählt ganz nebenbei noch vieles über Italienische Westerncomics, Karl-May-Adaptionen und den Streit im Studio Vandersteen. Ein Muss!
Platz 2 gehört der Reddition, die Jahr für Jahr erscheint! Im Frühjahr hieß der Schwerpunkt Schweiz, das Winterheft war der neuen Generation der Spirou-Künstler gewidmet (Besprechung folgt!). Anregende Artikel, ausführliche Listen und meistens gute Einordnungen machen das Magazin ebenfalls zu einem Must-Have!
Platz drei geht an Burkhard Ihme und das ICOM Comic!-Jahrbuch. Ebenfalls Jahr um Jahr schafft es der Verein, nicht nur seine Preisträger*innen ausführlich darzustellen und zu Wort kommen zu lassen, sondern präsentiert Informationen, stößt Debatten an und macht Spaß!
Die besten Magazine
Vor mittlerweile über 50 Jahren ist die erste Ausgabe des ZACK erschienen. Die Namensgebende Zeit (Generation ZACK) endete dann aber doch und jahrelang war es düster; frankobelgische Magazine kamen und gingen. Seit 295 Ausgaben läuft aber das „neue ZACK“, das es mittlerweile auf mehr Ausgaben geschafft hat als das alte Koralle-ZACK. Jeden Monat ein bunter Querschnitt durch das frankobelgische Spektrum (und Angrenzendes) und erneuerte Klassiker wie Rick Master oder Michel Vaillant sind den ersten Platz in dieser Sparte wert!
Gleich dahinter kommen die Magazine des Zauberstern Verlages. Was mit dem Phantom begonnen hatte, hat mittlerweile durch Mikros, Flash Gordon, Van Helsing und Savage Dragon Verstärkung bekommen! Hut ab und weiterhin viel Erfolg!
Platz 3 ist dagegen ein Nachruf! Leider musste die Comixene mit der Nummer 146 ihr Erscheinen einstellen. Lesenswerte Informationen, streitbare Meinungen und tolle Illustrationen werden allerdings nicht ganz verschwinden, sondern sollen Alfonz ein wenig aufpeppen!
Und dann ist da noch …
… ein geglückter Relaunch! Das Universum um Spirou drohte unterzugehen. Jetzt allerdings ist die erste Folge eines Mehrteilers aus der Hauptserie erschienen (Der Tod von Spirou), die Spezial-Bände enthalten Variationen von unterschiedlichen Teams, dem Meister Franquin wird vielfältig gehuldigt, unter anderem mit einer Neuausgabe der Gesamtausgabe, und die Freunde von Spirou (Rezension folgt) bringen erneut die politische Dimension während des Zweiten Weltkrieges zurück! So kann man es machen!
Eure Lieblinge in 2023
Eure Charts, basierend auf den Abrufzahlen:
Platz 1 geht an Hägar und die Gesammelten Chroniken von 1973, gefolgt von dem ZACK-Spezial 7 und dem zweiten Bob Morane-Sonderband von Forton. Sehr knapp dahinter Mitton und Messalina 1/2.
Die weiteren Plätze: ZACK-Spezial 6 – Jari 1, Asterix – Die weiße Iris, Sammy & Jack Integral 3, Michel Vaillant Collector’s Edition 1, Michel Vaillant Legendes 1 (die NL-Ausggabe! Wenn man die deutsche Ausgabe dazu addiert, wäre das mit weitem Abstand die Höchstmarke!), Asterix – Im Reich der Mitte und Lakota von Serpieri.
Das erste ZACK (284) folgt auf Platz 12, der erste Sekundärtitel (Staying West!) auf Platz 32.
Die XXL Marvel Comics Library nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Eisner-gekrönte Serie präsentierte zunächst die fabelhaften Anfänge der goldenen Marvel-Zeit und legte sowohl einzelnen Helden wie Spider-Man und den Silver Surfer als auch Teams wie Fantastic Four und Avengers auf. Damit waren prinzipiell die ersten zwei Jahre abgedeckt. Nun also mit Spider-Man Vol. 2 erstmals ein zweiter Band: Die Serie hat sich bereits etabliert, erste Routinen haben sich eingeschliffen und nun kommt es darauf an, den Erfolg zu verstetigen!
Die Bürde, ein Superheld zu sein
Superheld*innen sind heroisch, kämpfen für das Gute und wissen, was sie tun! Nun ja, für die meisten kostümierten Heroen der damaligen Comics mag das stimmen, für einen mittellosen Teenager eher nicht. Es fängt schon damit an, dass erwachsene Gangster möglicherweise nicht so überzeugt davon sind, dass eine halbe Portion ihnen wirklich gefährlich werden kann. Abhilfe konnte nur eine Maske schaffen, die das gesamte Gesicht verdeckt und damit nicht nur Identität, sondern auch Alter verschleiert.
Und so sind auch die Gegner des Netzschwingers etwas anders als üblich. Natürlich bekommt er es mit üblen Superschurken zu tun, etwa dem Goblin, Dr. Octopus oder dem Skorpion. Oft genug muss er sich aber auch mit einfachen Kleinkriminellen und Gangmitgliedern prügeln. Die wichtigsten „Gegner“ aber sind seine Hormone und sein Verantwortungsgefühl. Beide Themenlinien werden in dieser Compilation entscheidend ausgebaut.
Zunächst ist da die Krankheit seiner Tante. Der Waise hatte schon den Tod seines Onkels verschuldet und befürchtet nun, seiner erkrankten Tante nicht helfen zu können. Dieser Plot beginnt mit vorübergehenden Schwindelanfällen und endet mit einem Krankenhausaufenthalt, der über mehrere Hefte in der Schwebe gehalten wird. Und auch in Sachen Liebe kommt der Einzelgänger in seinem Privatleben nicht weiter, denn seine Geheimidentität scheint zwischen ihm und seinem Glück zu stehen. Nachdem er die High School ohne Beziehung beendet hat, versucht er natürlich dies in der Collegezeit zu ändern…
Die beiden ersten Bände der Spider-Man Library enthalten den kompletten Lee/Ditko-Run inklusive der Annuals.
Zwischen Genialität und Massenware
Steve Ditko ist einer der besten Zeichner der damaligen Zeit. Seine Panels sind teilweise auf den Punkt gebracht und fangen genau den richtigen Moment der Action ein. Das Tempo der Kampfszenen ist stimmig und viele der Panels haben Verwendung gefunden als T-Shirt Motiv, Plakat oder Werbebild. Natürlich ist eine Superheldenseite vom Aufwand her nicht mit einer europäischen Comicseite zu vergleichen. Trotzdem ist eine monatliche Leistung von 20 Seiten plus Annual nicht zu unterschätzen. Es ist daher klar, dass manchmal auch ein wenig Zeit eingespart werden musste.
Ditko ist dabei nicht nur für die Zeichnungen verantwortlich gewesen. Stan Lee folgte bereits generell dem Prinzip, Zeichnern nur grobe Vorgaben zu machen. Hier hat er Ditko noch größere Freiheiten gelassen und so taucht der Zeichner auch offiziell als Co-Creator auf. Das Vorwort geht auch noch auf die Serie ein, die Ditko nach seinem Zerwürfnis mit Lee geschrieben hat und bewertet sie als „Spidey-Stories“ mit einem anderen Kostüm.
Das gewählte XXL-Format entspricht im Übrigen der Größe der originalen Artboards. Wir sehen also das, was auch Steve Ditko gesehen hat, als er die Seiten erschuf. Die Vorlagen stammen aus der per Guiness World Record definierten größten Comic-Sammlung der Welt.
Geniale Momente in einer Library für die Ewigkeit
Nicht umsonst ist die Marvel Comics Library mit einem der wichtigsten Preise der Comicwelt ausgezeichnet worden. Auf den ersten Blick sammelt sie nur vergessene Kioskmassenware, um sie an heute potente Ex-Käufer erneut zu verkaufen. Auf den zweiten Blick erlaubt sie aber einen einzigartigen Rückblick auf die damalige Zeit und die grandiosen Innovationen, die erst im Rückblick ihre Bedeutung erkennen lassen. Die Tatsache, dass der Band international vermarktet wird und deshalb komplett auf Englisch ist, sollte heutzutage nicht mehr stören.
Die Kombination aus einer gehaltvollen Einführung und Einordnung von Jonathan Ross und der übergroßen, sorgfältigen Reproduktion der damaligen Spider-Man Seiten lässt die Leser*innen eintauchen in den Spirit der Serie aber eben auch in die Details, die damals gar nicht sichtbar waren. Begleitet wird das von sehr ausführlichen editorischen Informationen. Lesebändchen und die Leinenbindung machen das extragroße Coffeetable-Buch zu einem Hingucker, egal ob es (neben den anderen Bänden der Reihe) im Regal steht oder tatsächlich auf einem Tisch liegt und zum Lesen einlädt. Dazu passt auch die Nummerierung der Bände der „Famous First Edition“.
Wer es noch exklusiver mag, kann im übrigen auf die auf 1000 Exemplare limitierte Luxusausgabe setzen!
Dazu passen Musik von George Harrison (etwa My Sweet Lord) und eine Erdbeerbowle mit Altbier.
Famous First Edition limited to 5000 numbered copies ISBN: 978-3-8365-9651-0
Das Marvel Universum hat im Laufe der Zeit eine ganze Menge an Charakteren kommen (und teilweise auch wieder gehen) gesehen. Einige davon sind Bestandteile der kollektiven Populärkultur geworden und haben einen deutlich höheren Bekanntheitsgrad als mancher Staatslenker. Die Marvel Comics Library bringt die Anfänge der bekanntesten und beliebtesten Reihen in XXL-Wälzern zurück! Die Eisner-Award-prämierte Serie besteht aus reproduzierten und digital überarbeiteten Originalserien im Riesen Coffee-Table Format und gewährt neue Einblicke in die großartigen Geschichten der 60-er und 70-er Jahre.
Aus großer Verantwortung erwächst große Kraft
Norrin Radd war einer der Bewohner von Zenn-La, einem Planeten dessen Zivilisation fast alles erreicht hatte. Armut und andere Bedrohungen waren besiegt worden, einem luxuriösen Leben stand nichts mehr im Wege. Norrin war in Shalla-Bal genauso verliebt wie sie in ihn und die Geschichte hätte hier ihr langweiliges Ende finden können. Doch es gab Galactus, den Weltenverschlinger, dem keine Zeit blieb, unbewohnte Welten zu finden, wenn er sich rechtzeitig ernähren wollte. So opferte Norrin sich selbst für seinen Planeten und bot an, Galactus künftig als Herald zu dienen und geeignete Planeten zu finden. Soweit die Originstory des Silver Surfer, des kosmischen Heralds, die als erste Ausgabe der Silver-Surfer-Reihe 1968 auf den Markt gekommen war.
Das Heft und ihr Held waren anders. Zunächst einmal kostete ein Heft mit 25 ct mehr als das Doppelte eines regulären Comics, war aber auch doppelt so dick. Zudem war der Silver Surfer, der seine „Karriere“ bei den Fantastischen Vier begonnen hatte, alles andere als ein typischer weiterer Super-Held! Kein Kostüm (teilweise ein angedeutetes Höschen) sondern ein weißer Überzug, der ihn im Weltall überleben lies, kosmische Superkräfte, aber verbannt auf die Erde, und vor allem ständig über die Verderbtheit und Beschränktheit der menschlichen Rasse philosophierend, entsprach sein Inneres so gar nicht der coolen Surfer-Pose.
Der Silver Surfer war ein Charakter für die älteren Leser*innen, durfte ein wenig Romantik in die gewaltorientierte Welt bringen und das Leiden aller Weltverbesserer auf seinen Schultern tragen. Dieser Ansatz trug zunächst und machte den galaktischen Wanderer zu einem Erfolg, führte wegen seiner Beschränktheit aber gleichzeitig auch zur Einstellung der Serie, da die Jungen eben nicht auf diesen Zug aufspringen wollten.
Epische Schlachten und totale Verkennung
Kaum ein anderer Held der Marvel-Ära musste gegen so viele mächtige Gegner bereits in den ersten Ausgaben antreten: Er wird von Galactus auf die Erde verbannt, rettet die Welt vor bösen Außerirdischen, der Brotherhood of Badoon, kämpft gegen Mephisto und wird von Loki in einen Kampf mit Thor verwickelt. Trotz aller guten Taten für die Erdbewohner sind diese allerdings der Meinung, dass er ein Außerirdischer sei, der nur eine einzige Aufgabe habe, nämlich zu Verschwinden. Und so finden sich immer ein paar Durchschnittsbürger, die diese Aufforderung auch mit körperlicher Gewalt durchsetzen wollen.
Gerade die Überlegungen des mit gewaltiger Macht ausgestatteten Wesens sind ein Schwerpunkt der Inhalte. Wie oft sinnt der Kerl über die schlechten Menschen und verzweifelt ob seines Schicksals, ausgerechnet auf diese Welt verbannt zu sein. Schließlich will er doch eigentlich nur zwei Dinge: Gutes tun und seine große Liebe wiedersehen. Dieser Wunsch ist natürlich eine offensichtliche Schwäche, die seine Gegner mehr oder weniger bösartig ausnutzen. Großartig ist die Szene, in der er wütend wird und ausrastet, sich kurze Zeit später dafür aber am liebsten geißeln würde.
Außergewöhnliches Artwork
John Buscema ist ein weiterer großer Zeichner, der für Marvel an vielen verschiedenen Serien tätig war. Aufgrund der Eigenarten von Stan Lee, der seine Skripte meistens gar nicht ausarbeitete, sondern mehr oder weniger umfassend andeutete und später nur den Text in die vorbereiteten, leeren Blasen einsetze, musste er die Serie nicht nur zeichnen, sondern auch weiterentwickeln. Seine Surfer-Zeichnungen sind dabei sowohl dazu geeignet als Postermotiv oder aber als alleinstehende Illustration in einer Werbung ikonografisch zu wirken, als auch die Emotionen des gemarterten Wesens wiederzugeben.
Niemand sonst war in der Lage, den Verzweifelten auf seinem Bord durch die Lüfte gleiten zu lassen und ihn so verloren aussehen zu lassen. Nicht vergessen darf man in diesem Zusammenhang das kongeniale Inken durch Sal Buscema! Das XXL-Format bringt Details zum Vorschein, die ansonsten untergegangen wären. Diese zeigen die Qualität der Arbeiten und machen das Lesen selbst für ein durch die heutigen technischen Möglichkeiten verwöhntes Auge zu einem Genuss. Ein besonderes Vergnügen wird das bei den späteren Ausgaben, die grafisch die Umwälzungen der end-60-er aufnehmen!
Interessanter Redaktioneller Teil
Ein großes Plus dieser Reihe ist der großartige, zweigeteilte redaktionelle Teil, der den Comics vorausgeht. Wie schon bei den anderen Teilen (Spider-Man, Avengers, Fantastic Four) eröffnet zunächst ein sehr persönlicher Beitrag das Buch. In diesem Fall ist es Sal Buscema, der in diesem doch sehr familiären Setting die Seiten seines Bruders John geinkt hat und seine Sicht auf die Zeit schildert.
Daran anschließend führt Douglas Wolk in die Historie des Silver Surfer ein. Er erzählt nicht nur von den Auftritten des Sentinels, die der eigenen Serie vorangingen, er weist auch auf die jeweiligen Besonderheiten der einzelnen Storys hin. Ohne diese Einführung wäre mir jedenfalls die Verbindung zum Shakespeare-Englisch und -Duktus nicht aufgefallen. Wolk selbst ist ebenfalls Eisner-Preisträger und lehrt Comics-History in Portland.
Natürlich enthält der Band auch eine Unmenge an Abbildungen, teilweise seitenfüllend, die noch mehr Details entblößen, Kurzbiographien aller beteiligten Künstler und ausführliche bibliographische Angaben zu den 18 Heften.
Für Fans ein Muss! Oder als Geschenk!
Dieser leinengebundene Prachtband enthält die komplette erste Silver Surfer Serie, also alle 18 Hefte, die zwischen 1968 und 1970 erschienen sind in Reproduktionen von Originalheften. Natürlich beinhaltet das die Titelbilder, Werbeanzeigen und Leserbriefseiten. Ebenfalls notwendigerweise ist der Band daher komplett in Englisch. Die Famous First Edition ist nummeriert und auf 5000 Exemplare limitiert und kommt in einem bedruckten, stabilen Karton. Die Rückeneinbände der Marvel Comics Library haben jeweils eine andere Farbe und ein Signet, sehen also auch geballt gut im Regal aus.
Der Preis mag einigen relativ hoch erscheinen, ergibt aber nur einen Seitenpreis von 21 ct bzw einen Preis von 3 ct pro Gramm. Für Fans des Surfers ein absolutes Muss. Nie gab es die Möglichkeit, den ersten Run in dieser Auflösung genießen zu können! Der Band wird sicherlich aber auch auf der einen oder anderen Liste für Weihnachten seinen Platz finden. Verdient hat er ihn dort allemal! Und wer es noch exklusiver mag, kann zur Luxusausgabe greifen!
Dazu passen Why?(Am i Treated so Bad) von den Staple Singers und ein Kaffee, denn der hilft immer…
Meine Jahresbestenliste und ein paar Worte zum Geleit
Es ist wieder so weit, das Jahr nähert sich dem Ende. Niemand hätte sich träumen lassen, dass die „Katastrophe“ Corona/COVID von viel Schlimmeren abgelöst werden würde. In diesem Sinne wünsche ich allen Leser*innen von comix-online Frohe Festtage und einen guten Start in ein hoffentlich gutes Neues Jahr.
Wie immer folgt eine rein persönliche Übersicht über meine Favoriten in den schon bekannten Kategorien. Dazu ein paar Worte über einige Künstler, die uns in diesem Jahr verlassen haben. Ihr könnt gerne die Kommentarmöglichkeit am Ende des Artikels nutzen, um entweder eure Favoriten mitzuteilen oder aber eure Gedanken zu meiner Auswahl zu posten.
Für comix-online war das Jahr sehr erfolgreich. Mehr als 83.000 gezielte Aufrufe einzelner Seiten (also ohne die Startseite) sind ein neuer Rekord. Die Charts mit den am häufigsten aufgerufenen Seiten der letzten 30 Tage bzw. der „All-Time-Favourites“ zeigen durchaus Bewegung und lassen eure Präferenzen deutlich werden. Trotzdem freue ich mich über Kommentare oder Feedback, gerade auch bezüglich Informationen, die euch fehlen.
Die besten Comics
Die Königskategorie ist in gewisser Weise schwierig: Eigentlich erwartet wahrscheinlich jede*r hier, das Marsupilami-Abenteuer von Flix zu sehen. Mit Sicherheit ein toller Titel, ein Verkaufserfolg und eine Anerkennung des deutschen Zeichners und Szenaristen durch die belgischen Markeneigner. Aber ich möchte hier trotzdem das Spotlight auf fünf andere Titel werfen:
Platz 1 geht an eine Künstlerin aus Deutschland: Jennifer Daniel mit Das Gutachten! Die Autorin wirft einen Blick auf die deutsche Geschichte der 70-er Jahre. Während die einen es die bleierne Zeit nennen, war es für andere die Zeit des Erwachens. Mit sehr persönlichem Blick seziert Jennifer Daniel das Gebilde, in dem der Held funktionieren soll, und das doch immer mehr Risse bekommt!
Knapp dahinter ein ebenfalls politischer Titel: Rorschach 4. 35 Jahre nach den Watchmen verkleidet sich jemand als Rorschach und verübt zusammen mit einer als Cowgirl verkleideten Begleiterin ein Attentat auf den Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei. Das FBI versucht, diesen Anschlag aufzudecken und Autor Tom King führt uns immer tiefer in eine Mischung aus Wahrheit und Fiktion, die kaum noch auseinander zu halten sind. Jorge Fornés setzt das in tolle Bilder um.
Adventureman ist eine sehr spannende Mischung aus Pulp und moderner Geschichte. So würde die Gattung wohl aussehen, wenn sie heutzutage entwickelt werden würde. Hohes Tempo, viel Action, eine große Prise Humor und ein Stückchen Irrwitz. Matt Fractions Story treibt Terry Dodson zu rasantem Tempo und macht sehr viel Spaß.
Platz 4 geht an einen wiederentdeckten Klassiker, Alain Cardain von Yvan Delporte und Gérald Forton. In der Reihe ZACK-Spezial, wofür dieser Band auch ein wenig stellvertretend steht, werden frankobelgische Klassiker, die es aus unterschiedlichen Gründen nicht nach Deutschland geschafft haben, ansprechend präsentiert. Hier geht es um die Anfänger der Eroberung des Weltalls. Die Ausgaben sind limitiert und nur für ZACK-Abonennt*innen erhältlich.
Platz 5 ist ein Doppelband: Die Fälle von Lord Harold dem Zwölften spielt im London während des Übergangs zur Moderne. Der junge Lord begeistert sich für die wissenschaftlichen Aspekte der Kriminologie und möchte sein Wissen anwenden. Dem Adel war damals eine Beschäftigung allerdings komplett fremd. Im Mittelpunkt steht der Stadtteil Blackwater, der modernisiert werden soll, gleichzeitig aber die Heimat auch der Kleinkriminellen ist. Sehr witzig, spannend und doch mit ernsthaftem Hintergrund erzählt von Philippe Charlot mit Bildern von Xavier Fourqemin.
Die besten Graphic Novels
Es ist immer ein wenig schwierig, Graphic Novels und „reguläre“ Comics voneinander abzugrenzen. Ich versuche mich gar nicht erst an einer Definition, habe aber klare Vorstellungen.
Platz 1 geht an die Literaturadaption Nur noch Stille aus dem All-Verlag. Fabrice Colin hat die Geschichte von R. J. Ellory für das Comicformat umgearbeitet, Richard Guérineau kongenial umgesetzt. Eine trügerische Kleinstadtidylle wird durch den brutalen Mord an kleinen Mädchen empfindlich gestört. Es gibt falsche Verdächtigungen, Alpträume und eine 60-Jahre lange Verfolgung!
Der folgende Platz geht an das Biopic Anaïs Nin von Léonie Bischoff. Die berühmt-berüchtigte Schriftstellerin wird in all ihren Widersprüchen porträtiert. Bischoff konzentriert sich dabei auf die Seele von Nin und ihre frühkindlich geprägte Verlassensangst, die später zu dem unstillbaren Bedürfnis nach körperlicher Zuneigung geführt hat. Leichte Zeichnungen mit Buntstiften schaffen ein Klima der Annäherung ohne Vorurteile.
Platz drei wird von wieder einer anderen Spielart eingenommen. bestemming: canada erzählt 10 Geschichten über Menschen, die aus den Niederlanden nach Kanada ausgewandert sind. Da die Berichte von zehn sehr unterschiedlichen Zeichner*innen umgesetzt werden, kommt dabei nicht nur eine interessante Sammlung von Schicksalen zum Ausdruck, der Band bietet auch noch einen guten überblick über die aktuelle niederländische Szene.
Die besten Gesamtausgaben
Gesamtausgaben von Klassikern waren schon immer im Programm auch von Verlagen, die ansonsten kein großes Comic-Segment hatten. So auch bei meinem diesjährigen Favoriten, der Marvel Comics Library aus dem Taschen-Verlag! In bisher drei Bänden im XXL-Format, jeweils mehrere Kilo schwer, mit Lesebändchen versehen, in einem speziellen Karton ausgeliefert und auf weltweit 5000 Exemplare limitiert, wurden die jeweils ersten 20 Ausgaben der bahnbrechenden Serien Spider-Man, Avengers und Fantastic Four publiziert. Neben kompetenten, persönlichen Einleitungen von Experten sind die Hefte in fantastischer Reproduktionsqualität abgedruckt, inklusive Werbung, Cover und Leserbriefseiten. Eine Vielzahl an Abbildungen und editorischen Notizen runden die Werke ab, die zurecht mit dem Will Eisner-Award ausgezeichnet worden sind. Coffetable books at their best!
Platz zwei wird gehalten von der Gesamtausgabe einer klassischen Westernserie, die in der Vergangenheit eine sehr wechselhafte Veröffentlichungsgeschichte in Deutschland erlebt hatte und trotzdem nie komplettiert worden war: Chinaman von Serge Le Tendre und Olivier TaDuc. Im Mittelpunkt steht der aus China ausgewanderte Chen Long Ann. Der ursprüngliche Triaden-Killer wendet sich gegen seinen Herren und kämpft fortan gegen Rassismus und Unterdrückung jeder Form. Man kann immer darüber streiten, ob Gesamtausgaben Geldschneiderei sind oder nicht. Solange sie Käufer*innen finden, sind sie für mich legitim. In diesem Falle jedoch wird es Zeit, dass das Highlight des Western-Genres jetzt endlich angemessen auf Deutsch vorliegt.
Auch Platz 3 wird von der Neuausgabe einer Western-Serie erobert: Die Blauen Boys haben in Deutschland nie die Wertschätzung wie bei unseren westlichen Nachbar*innen erfahren. Dabei stellen sie mit ihrer Mischung aus Komik und ernsthafter, faktenbasierter Kritik an Kriegen und Armee eine sehr seltene Mischung dar. Band 1 der Integral-Reihe ist schon vor geraumer Zeit erschienen, die Fortsetzung lag lange auf Eis. In diesem Jahr nun erfolgte mit den Bänden 2 und 3 der Re-Start! Die ersten Bände waren in Deutschland nur in heute fragwürdigen Übersetzungen erschienen.
Ein Novum in der Geschichte: Ein Szenarist nimmt gleich zwei Plätze hintereinander in der Rangliste ein. Cauvin ist nicht nur für die Blauen Boys verantwortlich, sondern auch für die Geschichten mit den Gorillas aus dem Chicago der Prohibitionszeit: Sammy & Jack. Die auf 10 Bände angelegte Reihe kommt mit ausführlichen redaktionellen Beiträgen und setzt auf Humor. Die Zeichnungen stammen von Berck. Auch diese Serie hat eine bewegte Publikationshistorie in Deutschland.
Platz 5 ist eine „echte“ Gesamtausgabe: Miss October von Stephen Desberg und Alain Queireix erzählt einen Krimi über eine junge Frau, die ein Trauma aufzuarbeiten hat und nebenbei als Diebin arbeitet, einen Bullen, der sich in die falschen Leute verliebt, und einen Serienkiller. Alle vier Bände sind jetzt in einem Integral wieder aufgelegt worden.
Die besten Sekundärwerke
Das beste Sekundärwerk in diesem Jahr hat bisher auf dieser Seite keine Rezension erhalten. Trotzdem hat der Ausstellungskatalog Horror im Comic von Alexander Braun jede*n Leser*in verdient! In verständlicher Sprache, trotzdem aber voller Details wird die Geschichte dieser Spielart hergeleitet, psychologisch erklärt und über die verschiedenen Varianten und Epochen sehr anschaulich präsentiert. Die dazugehörige Ausstellung im Dortmunder schauraum: comic und cartoon war für sechs Monate zu sehen und ist mittlerweile beendet. Der Katalog ist aber regulär beim avant-Verlag erhältlich.
Die deutsche Independent-Szene steht im Fokus des ICOM. Dabei geht es sowohl um Marketing nach außen als auch um Unterstützung für die Mitglieder nach Innen. Ein Schwerpunkt der jährlichen Comic!-Jahrbücher ist die Vorstellung der ICOM Preisträger*innen. Der inhaltliche Aspekt stand in diesem Jahr unter dem Motto Comics und Umwelt. Ein verdienter zweiter Preis!
Der dritte Platz geht eindeutig an das Team der Reddition. In 2022 ist leider nur ein Dossier erschienen, das dem Szenaristen André-Paul Duchâteau gewidmet war. Die Dezember-Ausgabe 2021 war eine Doppelnummer gewesen, insofern ist der Regelmäßigkeit des Erscheinens Genüge getan. Wer auch immer zu einem Thema der Comicwelt Informationen sucht, ist gut beraten zunächst im Archiv der Reddition-Ausgaben zu suchen. Für Abonnent*innen gibt es jeweils eine limitierte Extrabeilage.
Die besten Magazine
Auf Platz 1 in diesem Jahr das ZACK! Jeden Monat liefert Georg F. W. Tempel einen guten Querschnitt aus aktuellen Comics, Gags und Informationen ab, der nicht nur die „Generation ZACK“ bedient, sondern auch über den Tellerrand schaut und Comics nach Deutschland bringt, die hier (meistens) nicht als Alben erscheinen. Hervorzuheben ist dabei, dass angefangene Serien auch beendet werden, selbst wenn sie über Jahre laufen. Dabei stehen neben den runderneuerten Klassikern wie Michel Vaillant oder Rick Master auch spannende Projekte wie Amoras oder MADI im Fokus. Serien aus Deutschland haben dort ebenfalls ihren Platz, aber nicht um eine Quote zu erfüllen, sondern weil sie wie etwa die Frau mit dem Silberstern einfach gut sind! 50 Jahre ist es nun her, dass die erste Ausgabe erschienen ist und das Jubiläumsjahr hat unter anderem eine Erweiterung des Umfanges auf nun 92 Seiten gebracht. Weiter so!
Kann eine Zeitschrift, die nur alle drei Jahre erscheint und außerdem noch in der aktuellen Nummer keine einzige Comic-Seite enthält, den zweiten Platz im Ranking von Comic-Magazinen einnehmen? Ja! CAMP erscheint zwar nur selten und hat ein deutlich breiteres Spektrum, ist aber definitiv sehr unterhaltsam, anregend und die eigenen Lesegewohnheiten herausfordernd. Da es zudem viele Artikel enthält, die dem Comic-Segment zuzuordnen sind, stehe ich zu dieser Auswahl. Da wären etwa die Adaptionen der Nestor-Burma-Romane oder Nosferatu im Comic, aber auch Überlegungen zur Cancel-Kultur, zu Isaac Asimov oder dem Sammeln von Spielzeugrobotern. Rezension folgt!
Platz 3 geht an den Relaunch des Wandelnden Geist: Das Phantom ist zurück auf dem Kiosk-Markt! Alle zwei Monate werden Geschichten aus den unterschiedlichen internationalen Veröffentlichungen präsentiert. Dabei kommen sowohl „alte“ Sonntagsseiten von Lee Falk zum Abdruck wie auch aktuelle Stories aus Schweden oder den USA! Die Hefte haben in der Mitte jeweils ein Poster zum herausnehmen. Zauberstern Comics haben damit allen Phans einen Wunsch erfüllt.
Und dann ist da noch …
das Jubiläum des Jahres! Während in der realen Welt Superreiche wesentliche Teile ihres Einkommens spenden, aufgrund einer Scheidung riesige Summen abgeben müssen und trotzdem superreich bleiben oder sich aus Spaß eine Software mit blauen Häkchen kaufen, feiert die wahrlich reichste Ente der Welt bereits ihren 75. Geburtstag! Comix-online gratuliert Onkel Dagobert!
Ein vollständiger Nekrolog ist an dieser Stelle nicht möglich. Ein guter Anlaufpunkt dafür sind die entsprechenden Seiten von Wikipedia in den jeweiligen Landessprachen. Den vollständigsten Überblick findet man sicherlich auf der englischsprachigen Variante. Trotzdem soll hier an ein paar erinnert werden:
Jean-Claude Mézières, Neal Adams, George Pérez, Tim Sale, Alan Grant, François Corteggiani und viele mehr !
Auf comix-online ist es ein guter Brauch, Rezensionen mit einem Vorschlag für ein passendes Getränk und musikalische Begleitung abzuschließen. An dieser Stelle darf daher der Hinweis nicht fehlen, dass Im Dezember Terry Hall, der Sänger und Songwriter der Specials, Fun Boy Three und vieler weitere Combos von uns gegangen ist. In diesem Sinne: „Ghost Town“!
Aktuell ist der Weltraum tatsächlich wieder zu einem Schauplatz geworden: die Amerikaner*innen haben mit Artemis eine zwar noch unbemannte Mission gestartet, sie soll aber auf eine Mondlandung hinauslaufen. Und auch das chinesische Programm hat mit der Mission Shenzhou 15 gerade drei Astronauten für sechs Monate zur Vorbereitung auf ein ähnliches Ziel hin in das All geschickt. Zudem sind die Aufnahmen des neuen Weltraumteleskopes ein perfektes Marketingmittel. Passenderweise hat der Taschen-Verlag im Rahmen seiner Kooperation mit Marvel Comics vor kurzem das dritte Schwergewicht seiner XXL Marvel Comics Library auf den internationalen Markt gebracht: Die Fantastischen Vier, resp. The Fantastic Four!
Vom Astronauten zum Superhelden
Anfang der 60-er Jahre waren Superheld*innen ziemlich aus der Mode. Der Weltkrieg war vorbei und Kämpfe gegen die Nazis fanden nur noch als Rückblick in den Kriegscomics statt. Western und Romance waren die aktuellen Zugpferde und jeder Verlag war gezwungen, mitzuschwimmen. Aufgrund einer verunglückten Vertriebsstrategie war Atlas (so der damalige Name des heutigen Marvel) zu einer sehr reduzierten Anzahl von Titeln gezwungen und konnte somit nicht jede Welle mitnehmen. Der Verlag hatte allerdings auch einen Vorteil, denn mit Stan Lee gab es jemanden, der eine einheitliche Ausrichtung aller Titel vorgeben, Verbindungen zwischen ihnen herstellen und somit Cross-Selling-Chancen aufbauen konnte.
Außerdem begann sich das Konzept als äußerst innovativ zu erweisen. The Fantastic Four, die 1961 als erste von vielen weiteren gelaunchte Serie, hatte kein weiteres Superheld*innenteam zu bieten. Die Protagonist*innen waren einfach nur amerikanische Astronaut*innen, die „die Commies schlagen wollten“. Der gescheiterte Jungfernflug hatte sie der kosmischen Strahlung ausgesetzt und das Ergebnis waren Mutationen, die aus ihnen die Fantastischen Vier gemacht hatten. Damit waren sie ein Team mit gemeinsamer Geschichte, Verwandschafts- und Liebesbeziehungen und somit eher eine Familie.
Die Wirkung dieser neuen Saga auf die damalige Jugend beschreibt Mark Waid in seiner Einleitung sehr ausführlich. Jungen waren damals begeistert vom Weltraum und dem Wettlauf zwischen den Systemen und natürlich auch noch viel offener unbekannten Phänomenen gegenüber. Die neuen Comics von Atlas (und ab FF 14 Marvel) hatten andere Superheld*innen: Sie lebten in der realen Welt, besuchten sich gegenseitig in ihren Titeln und „redeten“ mit ihren Leser*innen. Nicht zuletzt unterhielten sich auch Stan Lee und Jack Kirby auf den Fan Pages mit den Käufer*innen!
Echte Probleme
Die meisten Super Heroes waren einfach super. Sie hatten kaum persönliche Probleme, ihre geheimen Identitäten erlaubten ihnen, inkognito zu recherchieren oder aber auch einfach in Ruhe zu relaxen und echte Beziehungen gab es eigentlich auch nicht. Die FF brachen damit gleich mehrfach: Zwar lebten sie in Central City, also ebenfalls einer nicht ohne Weiteres realen Stadt. Dafür kannte die Öffentlichkeit ihre Namen und ihre Geschichte. Susan und Johnny Storm waren Geschwister, Susan in Reed Richards verliebt und Ben Grimm in Susan. Zusätzlich belebten die durchaus heftigen Streiche zwischen dem jugendlich übermütigen Johnny und dem aufbrausenden Ben die Szenerie.
Gleich die erste Nummer bringt neben der Originstory einen typischen Gegner, den Moleman. Dieser hat es nicht leicht gehabt, niemand wollte wegen seines Aussehens etwas mit ihm zutun haben und schließlich entwickelte er in selbstgewählter Verbannung seine Kräfte. Er nutzt sie, um Monster zu befehligen und will – natürlich – die Welt unterjochen. Durch die Kombination ihrer Kräfte können die FF ihn schlagen und ihr Gegner bleibt zurück. Nie wird einer sterben, sie alle kommen irgendwann stärker zurück.
Die FF bleiben immer menschlich, auch wenn sie gegen Außerirdische, Zauberer und Superschurken kämpfen: sie gehen ins Kino, kommen aus der Dusche, streiten sich oder rauchen Pfeife. Reed ist ein grandioser Wissenschaftler dessen Erfindungen nicht immer funktionieren, immer aber einen zumindest ungefähren echten Hintergrund haben. Damit ähneln sie der Physik von Star Trek. Dabei wird auch der Humor, der so viele der Marvel-Titel auszeichnet, nie vergessen!
Die Tücken der gegenseitigen Anziehung
Und noch ein Beispiel, das die Serie von anderen abhebt: ein beliebter Marvel Anti-Held ist der Sub-Mariner Namor. Obwohl eigentlich nicht böse, verachtet er doch die Menschheit und steht ihr oft feindselig gegenüber. Dabei kommt es zu einer ambivalenten Beziehung zwischen ihm und Susan Storm. Für die damaligen Zeiten und unter dem Comics Code war das durchaus beachtenswert!
Vor allem sind natürlich die Zeichnungen von Jack Kirby ein echtes Faustpfand! Dynamisch, detailliert wo nötig und simpel (sprich zeitschonend) wo möglich. Die eingestreuten Pin-Ups erfordern zudem, dass der Zeichner sozusagen die „Schokoladenseite“ der Figuren trifft.
Der Weihnachtstipp!
Vor kurzem hat ein Freund von mir den Band bei einem Besuch entdeckt und war für die nächste Zeit nicht mehr ansprechbar: „Ja, dieses Heft hatte ich“, „ja, so war das“, … Einfacher kann man die Wirkung auf die Generation der Baby Boomer nicht beschreiben. Diese Bibliothek von Marvel Klassikern erlaubt einigen die Rückkehr in vergangene Zeiten, allerdings in einer der heutigen Zeit angemessenen Qualität. Jüngeren bietet sich die Möglichkeit, diese bahnbrechenden Stories erstmals zu erleben und den damaligen Umbruch nun nachvollziehen zu können.
Die Marvel Comics Library The Fantastic Four enthält die ersten 19 regulären Ausgaben der Serie sowie das erste Annual (das bei Marvel im Gegensatz zu den damaligen DC-Gepflogenheiten fast ausschließlich neues Material enthielt). 700 Seiten und fast 5 Kilogramm bringen den Start dieser Serie im XXL-Format in nie gekannter Weise zu den Fans und erlauben neben dem Schmökern auch das Vertiefen in Details. Die Hefte sind komplett reproduziert, kommen also mit den originalen Werbeanzeigen und Fanseiten, allerdings auf gutem Papier. Die Umschläge sind aus glänzendem, festem Papier während die Comicseiten haptisch die Anmutung der Hefte wiedergeben.
Durch die Details zu den Produktionen, die vielen zusätzlichen Abbildungen und die einführenden Texte ist daraus ein Kompendium geworden, dessen Schwesterpublikation zu den ersten Ausgaben von Spider-Man zu Recht mit dem Eisner Award ausgezeichnet worden ist. Da es sich um Reproduktionen handelt und der Band zudem weltweit vertrieben wird, ist allerdings alles auf Englisch. Die erste Auflage ist auf 5000 nummerierte Exemplare limitiert.
Wer es gerne etwas exklusiver hätte, kann zur Vorzugsausgabe greifen: Kunstledereinband, Schuber und eingefasster Aluminiumprint in 1000 Exemplaren. Taschen ist halt ein Verlag, der aus dem Kunstsegment kommt und sich in diesem Format bestens auskennt!
Taschen lässt nicht locker! Wie angekündigt, ist vor kurzem ein weiterer XXL-Band aus der Marvel Comics Library erschienen. Präsentiert werden im Coffee-Table-Format die ersten zwei Jahre der Avengers, die in ihren frühen deutschen Ausgaben noch „Die Rächer“ hießen. Was damals auf holzigem Papier für den amerikanischen Massenmarkt publiziert wurde, ließ viele Details der Zeichnungen untergehen. Nun gibt es die Möglichkeit, die ersten 20 Ausgaben in einer wohlfeilen Ausgabe zu genießen.
Avengers, assemble!
Wie schon bei der Neuausgabe der ersten Spider-Man Stories gibt es auch hier zunächst eine Einführung eines Fachmannes: Kurt Busiek. Kurt ist seit 40 Jahren erfolgreicher Autor von Comics, unter anderem für Marvel. Marvel war 1963 bereits ein sehr erfolgreicher Verlag, der seine Anfänge als Timely weit hinter sich gelassen hatte und mit DC auf Augenhöhe war. Die Konkurrenz unter den Verlagen war allerdings mörderisch, erfolgreiche Titel wurden gnadenlos kopiert, erfolglose eingestellt. Die Superhelden waren nicht mehr so erfolgreich wie früher, schickten sich aber an, in das Silver-Age zu gehen. Marvel hatte mit seinem eigenen Stil, seiner Jugendlichkeit wie etwa bei Spider-Man schon einige Erfolge erzielt. DC konnte aber mit einem sehr erfolgreichen Titel mit einem Team von Helden punkten.
limitiert auf 5000 Exemplare
Auch Stan Lee hatte mit den Fantastic Four eine erfolgreiche Marke, es fehlte aber ein Comic, der existierende Einzelheld*innen vereinen würde und somit bestenfalls zu gegenseitigem Upsell führen würde. Lee war für die Ideen zuständig und Jack Kirby sollte trotz seiner hohen Auslastung die Zeichnungen übernehmen. Was also lag näher als Held*innen zu vereinen, die der Künstler sowieso schon zeichnete? Keine Einarbeitung nötig, Plots waren bereits vor der Umsetzung bekannt und die Kontinuität konnte somit störungsfrei gewährleistet werden.
Abgesehen von dieser hilfreichen Komponente entwickelten die Avengers aber sehr schnell ganz eigene Beiträge zu diesem Team-Genre. Zunächst einmal waren nicht alle Mitglieder „gut“. Insbesondere Hulk, der zur Startformation gehörte, war eher unkontrolliert und gewalttätig. Und der Ton der Recken untereinander war nicht immer freundlich. Eine weitere Überraschung kam schon mit der zweiten Ausgabe, denn das Team war variabel. Mitglieder konnten ausscheiden, sich gar gegen das alte Team stellen. Als dann auch noch der re-aktivierte Captain America ab der Nummer 4 mitmachen durfte, standen dem potenziellen Erfolg alle Türen offen.
Nuff said
Und noch ein weiterer Punkt war nicht unbedingt üblich: Die anderen Teams kannten ihre Geheimidentitäten und waren eine mehr oder minder glückliche Art von Familie. Die Avengers aber trafen sich im Gebäude von Tony Stark, ohne zu wissen, dass dieser in seiner Identität als Iron Man mit am Tisch saß. Aus heutiger Sicht gibt es allerdings auch eine Bemerkung zu machen: Wir kennen Thor, Ant Man, Hulk und Iron Man als die erste Besetzung, die ebenfalls dazugehörende Wasp wird gerne verschwiegen!
Die meisten Leser*innen dieser Rezension dürften den Auftritt damals allerdings verpasst haben. Es gab zwar 1974 eine deutsche Ausgabe im Williams Verlag, viele der Hintergründe fehlten hier aber und es wurden auch nicht alle Serien, zudem nicht in der richtigen zeitlichen Einordnung veröffentlicht. Nicht zuletzt waren die Übersetzungen nicht immer glücklich. Und so dürfen wir hier natürlich auch lesen, dass der sagenhafte Nuff gar kein Kerl war, sondern nur ein Slangausdruck!
Die XXL-Library bietet nun die Möglichkeit, die ersten beiden Jahre am Stück im Original zu verfolgen. Wer jetzt stutzt, der/dem sei gesagt, dass sowohl der einführende Text als auch die Comics weltweit in einer einzigen, auf 5000 Stück limitierten Ausgabe, und damit zwangsläufig auf Englisch erscheinen. Es werden aber tatsächlich die kompletten Hefte faksimiliert, also inklusive der Werbeanzeigen, die für sich selbst schon ein witziges Stück Zeitgeschichte sind.
Vengeance is ours!
Es bleibt jeder/m selbst überlassen, ob er/sie die Avengers für die mächtigsten (Super)-Held*innen der Welt hält. Sie waren auf jeden Fall ein einzigartiges Team, das schon früh seine eigenen Feind*innen hatte, die einzeln oder als Team teilweise auch einfach nur Lust auf eine ordentliche Prügelei hatten. Während heute vieler der Stories, insbesondere die großen Events, mit sehr viel Pathos aufgeladen sind, war damals viel mehr Humor im Spiel.
Zudem sind – zumindest für mich – die von Jack Kirby gezeichneten Held*innen genau diejenigen, die ich immer noch suche, wenn ich ein Marvel-Heft öffne. Natürlich ist heute alles viel diverser, korrekter und multidimensionaler. Der Reiz des „Neuen“, Unbekannten, sehnsüchtig Erwarteten war damals aber größer!
Die letzte enthaltene Nummer hat dabei noch ein besonderes Schmankerl bereit, wird sie doch von keinem geringeren als dem „großartigen Wallace Wood“ geinkt!
Must Have für den Marvel Fan
Marvel, das House of Wonder, hat sich immer wieder neu erfunden. Das aktuelle MCU sorgt für einen Blockbuster nach dem nächsten und hat als Teil der Streaming Plattform Disney+ erneut ganz eigene, neue Maßstäbe gesetzt. Die Anfänge aber, ohne die alles nicht möglich gewesen wäre, liegen in der Neudefinition des in die Jahre gekommenen Konzeptes von Super-Held*innen zu Beginn der 60-er Jahre. Ansonsten hätte das Genre vielleicht das Schicksal so vieler Spielarten geteilt: Wer kennt heute denn noch amerikanische Westerncomics, Romance-Titel oder Kriegsgeschichten?
Wer verstehen möchte, wie alles begann, wer das kongeniale Zusammenspiel von Stan Lee und Jack Kirby erleben möchte, der muss in die Vergangenheit eintauchen. Was gäbe es Besseres als eine Sammlung, die alle Details zugänglich macht, die eine historische Einordnung aus erster Hand bietet, und zudem noch einen sichtbaren Ehrenplatz im Regal genauso selbstverständlich ausfüllt wie die Ablage auf einem Tisch für alle Gäste. Eine Bibliothek der Superlative im XXL-Format.
riesige Abbildungen
Dazu passen Mike Oldfield und „Tubular Bells“ sowie ein klassischer Coktail: Whiskey Sour.
Oops, they did it again! Und wieder bringt der Taschen-Verlag ein rund 5 Kilo schweres XXL-Comic-Book heraus. Es gab unter anderem bereits Titel über das Golden und Silver Age, eine Chronik zum 90. Geburtstag von Mickey Mouse und das ultimative Kompendium über EC Comics. Nun startet eine neue Reihe, die Marvel Comics Library. Band 1 präsentiert einen der erfolgreichsten Charaktere des amerikanischen Comics, Spider-Man.
Update 17.08.2022: Dieses Buch hat gerade den 2022 Will Eisner Comic Industry Award for Best Publication Design gewonnen. comix-online gratuliert!
Die Anfänge von Spider-Man
Zunächst einmal dürfen David Mandel und Ralph Macchio den Netzschwinger in die Geschichte der Superheldencomics einordnen. Ersterer, in den Staaten ein renommierter Schreiber für Sit-Coms und TV-Shows und Super-Sammler, beschreibt seine eigenen Erfahrungen beim ersten Lesen der Stories als 13-jähriger und „eröffnet“. Macchio war von 1996 an fast 10 Jahre verantwortlich für die Spider-Man Titel und kommt daher vom Fach. Er beschreibt sehr ausführlich und faktenreich die Geschichte des Helden. Den Comic hatte es eigentlich gar nicht geben sollen, er war zu anders als die damalige Marvel-Linie, zu jugendlich, zu unheldisch, zu Real-Life-orientiert.
Glücklicherweise hatten sich Stan Lee und Steve Ditko davon allerdings nicht abhalten lassen als sie den jugendlichen Peter Parker erfanden. Er war ein unscheinbarer, etwas nerdiger Schüler mit allen Alltagsproblemen der Teenager: zu wenig Geld, von Mädchen kaum beachtet, schmächtig. Als er nach dem Biss einer radioaktiv verseuchten Spinne seine neuen Kräfte realisierte, wollte er sie zunächst auf Jahrmärkten verwenden. Erst der gewaltsame Tod seines Onkels und das Wissen, dass er es hätte verhindern können, machen ihn zu einem Kämpfer für die Gerechtigkeit und gegen das Böse.
Zu diesem Setting passen die Tatsachen, dass seine Flamme Peter ignoriert, Spidey aber anhimmelt, sein Boss Jonah Jameson Peters Fotos von Spider-Man kauft, um Artikel gegen den Maskierten zu bebildern, aber auch, dass die Gegner keine Aliens sind. Gerade für Jugendliche wurde Peter Parker somit eine Figur, in die sie sich hineinflüchten konnten.
Die Besonderheiten
Die Feinde der ersten Jahre waren so brillant, dass die meisten von Ihnen über Jahrzehnte hinweg Parkers Leben schwer machten. Es waren die menschlichen Aspekte, die sie so beliebt machten: nicht perfekt, nicht beliebt, irgendwie begabt, aber gleichzeitig gestört. Dazu kam, dass die Geschichten in New York angesiedelt waren, einer existierenden Stadt und der Möglichkeit, im Urlaub bestimmte Schauplätze aufzusuchen.
Und noch ein weiterer Schachzug machte sich bezahlt: Auch DC, der größte Verlagskonkurrent, hatte Annuals im Programm, allerdings waren die dicken Extrahefte typischerweise mit Nachdrucken gefüllt. Das erste Spider-Man Annual brachte eine 40-seitige, neue Geschichte mit gleich sechs Erzfeinden (The Sinister Six), gemeinsam agierenden Superhelden und zusätzliche noch kurze Geschichten „aus dem Alltag“. Da dieses Heft im Sommer publiziert worden war, hatte jede*r Jugendliche genügend Zeit, das Heft (mehrfach) zu verschlingen.
Vor allem die Sprache ist anders als in den „normalen“ Comicheften der damaligen Zeit. Hier gab es weder Hochsprache noch Kauderwelsch. Spidey redete wie ein Teenager und Stan Lee „sprach“ mit seinen Leser*innen. Beides war fantastisch neu und erfolgreich!
Die große Verantwortung aufgrund von großen Kräften
Wer große Kräfte sein eigen nennt, muss auch akzeptieren, dass daraus große Verantwortung erwächst. Dieser Leitsatz wird – so erwähnt es das Vorwort – viel zu oft missverstanden als ob das zweite quasi automatisch aus dem ersten folge. Gemeint ist aber, dass mit einer Kraft bedachte aktiv dafür kämpfen müssen, Verantwortung für ihre Kräfte und den richtigen Einsatz zu übernehmen. Die Fähigkeit, Atomwaffen herzustellen oder Gentechnik anzuwenden, befreit die Wissenschaftler*innen nicht davor, über den Einsatz sorgfältig nachzudenken.
Lee und Ditko waren nicht immer einer Meinung über ihre Schöpfung. Ditko glaubte daran, dass der Reiz der Serie gerade darin liege, dass Parker falsche Entscheidungen treffen könne, die ständige moralische Keule mit der Verantwortung vielleicht eine Nummer zu groß sei. Im Endeffekt war er es, der die Serie verließ. Bis dahin allerdings haben die beiden einen grandiosen Run hingelegt, der in diesem ultragroßen Prachtband erneut abgefeiert wird!
Die ersten Jahre: Der Reprint von Lee/Ditko – The Amazing Spider-Man
Bevor wir mit der ersten Spider-Man-Serie beginnen können, muss natürlich die Initiation erfolgen: Amazing Fantasy # 15! Peter Parker wird gleich auf der ersten Seite von seinen Mitschüler*innen als einziges professionelles Mauerblümchen der High School eingeführt. Er ist schüchtern, nerdy und bringt Wunsch und Wirklichkeit nicht wirklich übereinander, kurzum: er ist ein typischer männlicher Teenager. Nachdem er von einer radioaktiv verseuchten Spinne gebissen worden war, erkennt er, dass er plötzlich Spinnenkräfte besitzt. Zunächst mit einer einfachen Maske, schnell aber schon mit einem Spinnenkostüm beginnt er, auf dem Rummel Geld zu machen.
Schon der zweite Teil in eben dieser ersten Ausgabe lässt ihn allerdings einen schweren Schicksalsschlag erleiden: Sein Onkel Ben wird von einem Gangster erschossen. Hätte Peter seine Kräfte nicht für Varieté-Vorstellungen verschwendet, hätte er ihn vielleicht retten können.
Nun ist die Bühne bereit für die eigene Serie: Amazing Spider –Man. Der Held ist weder außerirdischen Ursprungs noch Besitzer eines riesigen Vermögens. Er ist ein Junge mit Problemen in der Schule, hat gerade einen Todesfall in der Familie verkraften müssen und muss erkennen, dass seine Tante, bei der er lebt, Schmuck versetzt, um essen und Miete bezahlen zu können. Die öffentliche Meinung ist gespalten. Besonders der Daily Bugle möchte den maskierten Helden enttarnen und sogar festsetzen. Pikanterweise arbeitet der Held in seiner richtigen Identität für eben diese Zeitung.
Fast 60 Jahre sind vergangen
So ganz glaubt Marvel noch nicht an den neuen Helden, denn schon in der ersten Nummer kommt es zu einem Unterstützungs-TeamUp mit den Fantastischen Vier. Allerdings schreibt die Serie auch Geschichte, denn mit den Superschurken des ersten Jahres muss sich Spider-Man teilweise noch heute auseinandersetzen: Das Chamäleon, der Geier, Dr. Oktopus aber auch Mysterio, der Grüne Goblin und viele andere kreuzen seinen monatlichen Weg.
Peter bleibt dabei verhaftet in seinen Rollen als unbeliebter Teenager und bewunderter Superheld. Sein Arbeitgeber will Fotos um Spider-Man zu vernichten, die Flamme von den Fantastischen Vier liebt die Auseinandersetzung nur mit dem Maskierten und Mary Jane liebt Spider-Man fast mit der gleichen Inbrunst, mit der sie Peter Parker verachtet.
Alles hat ein Ende! Hier kam es als Stan Lee beschlossen hatte, die Serie in ein neues Setting zu überführen und Parker die High School beenden zu lassen. Steve Ditko verließ die Serie daraufhin. Spider-Man ist ein Top Umsatzbringer geblieben. Die Ansiedlung in der Realen Welt (New York), die Bodenständigkeit des Charakters, der Dialog-Witz bilden nach mittlerweile fast 60 Jahren immer noch Bestandteile des (neudeutsch) USP der Serie.
Der Prachtband
In diesem Prachtband können wir aber feststellen und erneut genießen, warum das alles so gekommen ist. Einerseits sprechen natürlich die Comics für sich! Die Idee war genial! Das Überformat ermöglicht es aber auch, festzustellen, wie Ditko die Eigenarten grafisch umgesetzt hat. Die Kampfszenen zeigen teilweise den Netzschwinger von unten und damit in einer unbekannten Dynamik (vgl. Seite 15 von Return oft he Green Goblin). Außerdem ermöglichen die Leser*innenseiten ein Verständnis der direkten Reaktionen. Dies betrifft nicht nur die Briefe, sondern auch die Antworten des Teams darauf.
Noch mehr Einblick in die Welt des Kostümierten bietet einerseits das erste, superdicke Annual, das die Hauptgegner detailliert vorstellt, andererseits der Abdruck der nicht kolorierten Seiten aus Amazing Fantasy 15!!
Mit seinen fast 5 Kilogramm Gewicht ist der Band nicht für das abendliche Lesen im Bett geeignet! Er wird aber nicht nur im Regal Eindruck machen, sondern als coffee-table book auch zum Blättern verleiten! Vielleicht verschafft er einem ja auch ein wenig benötigte Zeit und beschäftigt den Besuch für eine Weile. Wer das nicht möchte, wird das Prachtstück in seinem speziell designten Pappkarton lassen wollen.
Selbstverständlich ist die erste Auflage weltweit auf 5000 Stück limitiert und wird auch nur auf Englisch vertrieben. Wer es ein wenig exklusiver haben möchte, greift zur Collector’s Edition! Ab Februar werden 1000 Stück des in Kunstleder gebundenen und mit eingefasstem ChromaLuxe-Aluminiumprint versehenen Buches im Schuber verkauft werden. Da dies erst der Anfang der Marvel Comics Library ist, kann bei dieser Ausgabe die Nummer für die Folgebände reserviert werden.
Eindeutig das „Comeback des Jahres“ von 2021 – noch nie wurden die Anfänge der wichtigsten Marvel-Helden besser präsentiert!
Dazu passen Six Pence non the richer und ein der Wertigkeit angemessener Bordeaux.