Cartoons gegen Rassismus

Virtuelle Ausstellung im
schauraum: comic + cartoons

Caught in Hate: Get out!

„Caught in Hate: Get out!“ ist der Titel einer neuen virtuellen Ausstellung
im bzw. am schauraum: comic + cartoon: Vom 13. Dezember 2021 bis
30. April 2022
werden Cartoons gegen Rassismus von 50
Zeichner*innen aus aller Welt präsentiert. Zu sehen sind sie nonstop
rund um die Uhr: Die Ausstellung läuft auf einem Monitor, der im großen
Außenfenster des Comic-Schauraums angebracht ist. Alle Bilder stammen von internationalen Comiczeichner*innen und
Cartoonist*innen, die ihre Arbeiten im weltgrößten Social Network für
Cartoons „toonpool.com“ hochgeladen und veröffentlicht haben. Zum
Thema „Cartoons gegen Rassismus“ hat Toonpool-Gründer Bernd
Pohlenz
aus über 300.000 Bildern von allen Kontinenten Zeichnungen
ausgewählt. Das virtuelle Ausstellungsprojekt ist ungekürzt auch
abrufbar unter www.dortmund.de/comic und topticker.de.

Bild: Sven Krantz-Knutzen

schauraum: comic + cartoon, Max-von-der-Grün-Platz, 44137
Dortmund

Kleist – Starman

David Bowie’s Ziggy Stardust Years

Story und Zeichnungen: Reinhard Kleist

Originalausgabe

Carlsen Comics

Hardcover |176 Seiten | Farbe | 25,00 €
ISBN: 
978-3-551-79362-1

Cover Kleist Starman

Comics über Musik bzw. Musiker*innen sind seit einigen Jahren in. Lange gab es so etwas nur in kleinen Fanzines für Bands aus verschiedensten Subkulturen. Doch wie immer hat der Mainstream bisher noch jede Innovation vereinnahmt und zu Geld gemacht. Nicht, dass das immer schlimm oder verwerflich wäre! Hier haben wir es mit einem Künstler zu tun, der eine ganze Stilrichtung beeinflusst hat und einem Zeichner, der seine Einfühlungsvermögen in Musiker schon mehrfach bewiesen hat. Allerbeste Voraussetzungen also!

Der langsame Weg in den Wahnsinn

Welcher jugendliche Musiker kennt nicht den Wunsch, erfolgreich, berühmt und reich zu werden? Selbst wenn das Talent ausreichend ist, braucht es viel Glück zur richtigen Zeit. Und: Das Showbusiness verlangt vollen Einsatz. Was aber, wenn das Konzept sich irgendwann verselbstständigt?

Auschnitt aus Kleist Starman 1

Reinhard Kleist beschränkt seine Comic-Biografie über David Bowie auf die Ziggy Stardust-Jahre. Es beginnt Anfang 1972: The Spiders werden am Ende eines Konzertes noch mit Flaschen beworfen. Die Themen stehen aber schon zur Verfügung: Die Welt wird sich selbst vernichten, Gewalt, Chaos, Umweltzerstörung, Atomwaffen und alles, was sich der menschliche Geist sonst noch überlegt hat, werden dafür sorgen. Doch es gibt Hoffnung: Außerirdische werden uns retten! Und David Bowie aka Ziggy Stardust ist genau dieser jene, der die Hoffnung verkörpert.

Im Weiteren geht es immer mehr darum, wie Ziggy fast schon zum Messias aufgebaut wird und seine Fans ihn und die Spiders from Mars vergöttern. Die Geschichte des langsam steigenden Ruhms wird erzählt, die Verbindungen zu Iggy Pop, Andy Warhol und allen Groupies, die um die Helden herumschwirren. Es geht aber auch um den langsam anwachsenden Wahnsinn, den Verlust der eigenen Persönlichkeit im künstlichen Konzept Ziggy und den Versuch, trotz allem Ruhm ein eigenes, ehrliches Leben mit Kind und Frau, Mutter und krankem Bruder zu führen.

Auschnitt aus Kleist Starman 2

Dieser Widerspruch zwischen dem Idol und dem Leben, der schockierenden Androgynität im Drogenrausch und dem kleinstädtischen Leben der Mutter ist das, was Kleists Werk auszeichnet. Es ist nicht die tausendste Lobhudelei, es ist der Versuch, den Menschen zu entdecken, freizulegen und verständlich zu machen.

Die Explosion der Farben und Formen

Nicht nur der Text ist von großem Respekt gekennzeichnet, auch die Bilder zeigen immer wieder einen verletzlichen Bowie. Einerseits kann nichts schrill genug sein, wenn es um Kostüme oder Frisuren geht und auch die Zeichnungen übernehmen das mit grellbunten Farben und Formen. Andererseits ist der Mensch vor dem Spiegel ängstlich und leise.

Auschnitt aus Kleist Starman 3

Sepiatöne für das Private, grelle, schreinernde Farben für das Öffentliche. Stärker können die Gegensätze nicht sein. Dazu kommen teilweise Übernahmen aus dem Pulp mit grob gerasterten Zeichnungen und immer wieder Umsetzungen der Bühnenauftritte, die fast schon an eine filmische Dokumentation erinnern. Reinhard Kleist beweist erneut seine Wandlungsfähigkeit und sein Einfühlungsvermögen!

Nicht nur für Bowiefans eine Empfehlung

Vermutlich wird der Band bei vielen Bowie-Fans unter dem Weihnachtsbaum liegen. Wer sich für die Musik der 70-er Jahre interessiert, wird daran definitiv seine Freude haben, die Zielgruppe ist also weiter als „nur“ die Ziggy-Fans. Wer erst mit den 90-ern angefangen hat, wird sich allerdings fragen, was denn dieser Mainstream-Künstler früher so alles gemacht hat.

Illustration Kleist Bowie

Die Graphic Novel ist aber auch psychologisch Interessierten zu empfehlen: Dr. Jekyll & Mr. Hyde, Dorian Gray und Artverwandtes findet hier eine Entsprechung in der Erschaffung eines Idols für die Massen. Kann ein Mensch den Musikzirkus eigentlich überstehen? (Und natürlich: es geht! Viele haben es aber erst nach Entziehungskuren oder Psychiatrieaufenthalten geschafft.) Zum Glück ist ein weiterer Teil bereits angekündigt.

Das Werk ist im Übrigen auch als Luxusausgabe mit limitiertem handsigniertem Druck erhältlich. Auch die reguläre Ausgabe enthält aber bereits im Anhang ganzseitige Illustrationen.

Cover Kleist Starman Vorzugsausgabe
Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Dazu passen logischerweise nur Ziggy Stardust and the Spiders from Mars und ein Korn mit Kirsch.

© der Abbildungen Reinhard Kleist/Carlsen Verlag GmbH · Hamburg 2021.

70 Jahre Panzerknacker

Der Jubiläumsband

Story: Barks, Lokman, Carpi, Geradts, Cimino, Jensen, Troelstrup, Farley, Gatto, Davie/Gentilini, McGreal
Zeichnungen: Barks, Strobl, Carpi, Rota, Cavazzano, Nunez, Ferraris, Pérez, Gatto, Scarpa, Vicar

Originalausgabe

Egmont Comic Collection

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-7704-0195-6

Cover 70 Jahre Panzerknacker
© 2021 Disney/Egmont Comic Collection

Fragt man irgendjemand auf der Straße nach Disney-Comichelden sind sie immer in den Top-5: Die Panzerknacker! Im amerikanischen Original sind es die Beagle Boys, in Italien banda bassotti (Die Dackel-Bande). Wie auch immer, im Laufe der Zeit hat sich herausgestellt, dass es mehr gibt als die Herren mit der 167- auf dem Pullover, die das Cover des Albums zum 70. Jahrestag zieren.

70 Jahre und der Geldspeicher steht immer noch

„Erfunden“ wurde die Verbrecherbande 1951 von Carl Barks. Anfangs war sie übrigens durchaus erfolgreich und konnte Dagobert regelmäßig um Teile seines Goldes bringen. Schon ein Jahr später scheiterten die Panzerknacker dann erstmals und etablierten sich damit in ihrer Rolle. Bereits seit 1952 waren sie Bestandteil des Kanons und wurden auch von anderen Texter*innen und Zeichner*innen eingesetzt. 1964 bekamen sie in den USA ihre eigene Heftreihe, 1986 auch in Deutschland.

Waren es anfangs nur Männer im besten Räuberalter gesellten sich Verwandte aller Altersstufen und Geschlechter dazu. Selbst ein Hund (ja, ein Dackel) mit Namen Achtmalacht gehört inzwischen dazu. Hier haben insbesondere die italienischen Kolleg*innen für eine Vermehrung des Personals gesorgt. Die Geschichten erscheinen im typischen Magazinformat genauso wie im Taschenbuch und auch die Leinwand bzw. Mattscheibe haben die Möchtegerngangster erobert.

War es zum 50 Jubiläum noch ein Standard-Album, wird dieses Jubiläum in einem Hardcover mit Glanzlackumschlag gefeiert! Selbstverständlich ist nicht nur der erste Erfolg der Bande von 1951 abgebildet, es findet sich auch eine Barks’sche Story von 1959: Hans Hackebeil. Drei Geschichten aus diesem Band werden hier erstmals der deutschen Öffentlichkeit präsentiert: Moderne Methoden mit Zeichnungen von Tony Strobl aus dem Jahr 1966, Die große Dürre von Luciano Gatto von 1974 sowie Der Goldtopf des Kobolds von Romano Scarpa aus dem Jahr 1968.

Internationales Flair

Tatsächlich ist der Querschnitt, der hier geboten wird, sehr international denn neben den erwähnten aus USA und Italien sind auch Geschichten aus Norwegen, den Niederlanden, Deutschland und sogar Indonesien vertreten. Und noch etwas sei angemerkt: Don Rosa ist nicht dabei, es wäre aber auch schwierig, hier noch nicht allzu bekanntes zu finden.

Cover 70 Jahre Panzerknacker Titel
Alles zum Thema © 2021 Disney/Egmont Comic Collection

Insgesamt macht der Band mit seinen 11 Geschichten auf über 170 Seiten einen guten Eindruck! Er schließt mit einem Festmahl und damit mit einem seltenen Moment des Erfolges für die sympathischen, meistens erfolglosen und doch nie verzweifelnden Helden des Alltags. Ihr Erfindungsreichtum für maschinelle Unterstützungen, Verkleidungen oder Finten ist legendär, die Gegenmaßnahmen allerdings auch.

Weihnachtsduft, sanfte Klänge und … Geschenke

Also: Ein feiner Band, der rechtzeitig zum Fest erscheint, und sicherlich in dem einen oder anderen Stiefel landen oder eingepackt unter dem Baum liegen wird. Die Geschichten sind gut gemischt, enthalten auch Erstveröffentlichungen und die Aufmachung ist so gediegen, dass niemand an Heftchen oder Taschenbücher erinnert wird.

Dazu passen natürlich banda bassotti aus Italien und ein Absolut Gangster Cocktail.

© der Abbildungen 2021 Disney/Egmont Comic Collection

MOSAIK – Anna, Bella & Caramella – 50/2021

Flucht in die Wolken

Story: Jens U. Schubert
Zeichnungen: 
Kollektiv

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Kleinformat | 52 Seiten | Farbe | 3,60 € 
ISSN: 
1867-1721

Cover mosaik Anna, Bella, Caramella 50

Wow, das letzte Mal, dass ich über diese Serie geschrieben habe, war es zum 10-jährigen Jubiläum und nun haben die Drei schon 50 Hefte hinter sich – erneut also ein Trommelwirbel und eine Gratulation! Wie auch die Abrafaxe gehen Anna, Bella und Caramella auf Zeitreisen in die Weltgeschichte. Mit ihrem weiblichen Blick erlauben sie aber andere Perspektiven auf oft Vernachlässigtes.

Können Frauen Flugzeuge fliegen?

Unsere Heldinnen müssen Mexiko fluchtartig verlassen. Auf einem Rollfeld treffen sie auf Opal Kunz, eine berühmte Fliegerin, und ihr Flugzeug. Allein die Tatsache, dass eine Frau, noch dazu in Hosen, behauptet, ein solches Gefährt bedienen zu wollen, treibt den eigentlichen Mechaniker bereits fast in den Wahnsinn. Als dann auch noch Anna, Bella und Caramella das Flugzeug warten wollen, verbessert das seine Laune nicht.

mosaik Anna, Bella, Caramella 50 page 3

Bevor aber das Militär ihm zu Hilfe kommen kann, muss erstmal exerziert werden. Durch solch militaristischen Unsinn mit viel Zeit versehen, können die vier Frauen tatsächlich das Land verlassen, müssen allerdings einen weiteren Passagier, den deutschen Schauspieler Emil Jannings, mitnehmen. Hier darf die Redaktion dann mal wieder politisch korrekt handeln und ein Statement zum Thema Beutekunst absetzen. – Gut gemacht!

Detaillierte, humorvolle Zeichnungen

Zielgruppe dieser Geschichten, die alle drei Monate erscheinen, sind junge Mädchen. Es geht darum, Mädchen als Handelnde zu zeigen die auch ohne männliche Hilfe zurechtkommen. Was aber nicht heißen soll, dass keine Romanzen mit Männern stattfinden sollten oder dass das andere Geschlecht ignoriert werden würden. Es geht einfach um echte Gleichberechtigung und Selbständigkeit.

mosaik Anna, Bella, Caramella 50 page 4

Diese Themen mit einem Comic zu besetzen, der kein Manga ist, ist sicherlich schwierig, das mosaik beweist aber mit diesem Jubiläum, dass es möglich ist. Ein Grund dafür sind sicherlich die Zeichnungen, die sich an den zeitgebundenen Originalen orientieren, über Sidekicks, Tiere oder Slapstick aber immer wieder ein Gegengewicht beisteuern, das zur Identifikation einlädt.

Ein anderer Blick

Mädchen können sich nur dann auf andere Frauen berufen, wenn sie sie kennen. Geschichtsunterricht, Fernsehserien, Kinder- und Jugendbücher präsentieren oftmals aber einen männlichen Blick. Umso besser, dass hier Frauen im Mittelpunkt stehen: Frida Kahlo, Katharina von Krakwinckel, Ada Lovelace, Kaiserin Sisi oder Mary Shelley seien als Beispiele genannt.

Und ganz nebenbei gibt es auch noch weitere Infos über die besuchten Länder und Zeiten. Wer immer noch sagt, dass Comics Schmutz und Schund seien, die die Leser*innen verblöden würden, hat entweder noch nie einen Blick hineingeworfen oder ganz andere Gründe! Im Übrigen funktioniert das „weibliche“ mosaik wie das große Geschwisterchen: ein Kollektiv ist für den Prozess verantwortlich, es ist nur ein wenig kleiner.

Dazu passen „Hey Pippi Langstrumpf“, am besten sogar selbstgesungen, und ein Früchtetee.

© der Abbildungen Anna, Bella, Caramella, Abrafaxe by MOSAIK 2021

ZACK 269

ZACK 269 (November 2021)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

ZACK 269 Cover

Zum letzten Mal wird Haute Cuisine im ZACK angerichtet und ermöglicht die Metapher eines Menus. Und tatsächlich kann man das Heft mit einem vergleichen. Es gibt den Gruß aus der Küche von Georg F.W. Tempel, der auf 50 Jahre ZACK im April hinweist. Vorspeise und verschiedene Hauptgerichte kommen aus den Bereichen Abenteuer, Krimi, Western, Thriller und Motorsport, die Zwischengänge sind zwei lesenswerte Artikel und als Nachspeise wird eine neue Geschichte aus Luthon-Höge serviert. Lasst es euch schmecken!

Die Rückkehrer

Gleich drei Serien kehren mit neuen Geschichten zurück. Den Anfang macht Haute Cuisine von Delphine Lehericey & Fanny Desmarés. Der abschließende Band Nachspeise sieht das ehemalige Paar Samuel und Paula nicht nur als berufliche Kontrahent*innen um Sterne, sondern auch im mit allen Mitteln geführten Kampf um die kleine Luna. Zunächst steht die gerichtliche Entscheidung über das Sorgerecht an. Luc Brahy setzt die Geschichte in modernen, computerkolorierten Bildern um und schafft es, sowohl das Luxus-Ambiente des Jet-Sets als auch den Alltag auf dem Sportplatz einzufangen!

ZACK 269 page 5

Ebenfalls zurück ist die Comic-Fortsetzung des Erfolgsthrillers Millennium Saga mit dem dritten Teil von Versuchung. Einige Hacker sind von Sparta entführt worden, die Verwicklung der Säpo ist noch unklar und Lisbeth und Mikael waren im letzten Cliffhanger in fast auswegloser Situation gefangen. Sylvain Runberg löst dieses Kuddelmuddel in einer abwechslungsreichen Anfangsoffensive durch die Action bewaffneter Truppen und gesprächsvermittelte Information auf und bereitet den Boden für eine Schweden erneut in eine tiefe Krise stürzende Enthüllung. Belén Ortega setzt das gewohnt düster um.

ZACK 269 page 49

Und auch der etwas trottelig wirkende Polizist aus Luthon-Höge kehrt zurück. In des Teufels Advokat geht es um einen kurz nach Kriegsende versenkten Koffer und eine gerade frisch aufgefundene Leiche. Skurrile Serie von Willem Ritstier und Zeichnungen von Michiel Offerman die aus dem Rahmen fällt und daher wunderbar passt.

ZACK 269 page 75

Die Fortsetzungen

Kommissar Griot ist ein Polizeibeamter aus dem Senegal der für eine gewisse Zeit den Job mit Kommissar Bourdon getauscht hat. Er wird von seinen neuen Kollegen teilweise mit offenem Rassismus empfangen und ermittelt zusammen mit Rick Master und Nadine im Fall des Massenmörders Cupido. Auch im Senegal gibt es derweil einen Mord aufzuklären. Der Fall zieht seine Spannung aus den ungewöhnlichen Ermittlungsansätzen und Gewohnheiten der vertauschten Polizisten und der hauptsächlich durch Nadine eingebrachten Komik. Zidrou hat die Serie mit großem Respekt vor dem Klassiker modernisiert und setzt viele eigene Akzente, ohne das Gefüge über den Haufen zu werfen. Respekt! Die Zeichnungen von Simon Van Liemt folgen einem ähnlichen Prinzip: Die Messerszene auf Seite 21 ist genial!

ZACK 269 page 20

Leutnant Blueberry war einer der Leuchtturmtitel des Koralle-ZACK. Martin Frei hat mit Die Frau mit dem Silberstern eine eigenständige Fortsetzung zu einer der Geschichten geschrieben. Der Soldat war für eine Zeit abkommandiert, um in dem Örtchen Silver Creek Ruhe und Ordnung wieder herzustellen. Ein Jahr später scheinen sich die alten Strukturen wieder zurückzubilden. Nicht nur wird die aktive, Neuem aufgeschlossene Lehrerin Miss Marsh bedrängt, auch Indianer*innen werden erneut zu Zielscheiben aufgebaut. Spannender Western, der geschickt mit Reminiszenzen spielt um eine eigene Story zu entwickeln!

Detail ZACK 269 page 33

Und auch die Zweikämpfe zwischen Michel Vaillant und seinem jugendlichen teaminternen Herausforderer Daniel Farid gehen weiter. Der Held scheint emotional nicht in der Lage, diese Herausforderung wirklich anzunehmen und begeht erste, schwerwiegende Fehler. Dann kehrt jedoch ein alter Bekannter zurück. Wird er Michel wieder zu sich selbst zurückführen können? Spannende Geschichte von Denis Lapière die auch ohne Beteiligung eines Graton funktioniert mit guten Bildern von Benjamin Benéteau und Vincent Dutreuil!

Detail ZACK 269 page 63

Und sonst?

Für One-Pager ist in diesem Menu kein Platz, zu viele größere Speisen wurden serviert. Allerdings gibt es die unerträgliche Leichtigkeit des Slip und die Informationshungrigen bekommen wie immer News, Rezensionen und zwei Artikel. Bei den Verlagsporträts ist reprodukt an der Reihe; der Verlag feiert sein 30-jähriges Jubiläum. Dazu kommt der erste Teil eines Beitrags von Geert de Weyer über Zensur in belgischen Comics. Viele Institutionen haben im Laufe der Zeit Zensur ausgeübt: die Kirche, Verlage, die französische Zensurkommission, die sogenannte öffentliche Meinung und noch andere. Diese Untersuchung beschreibt die verschiedenen Wellen der Zensur und ihre Motivationen (Moral, Protektionismus, Politik) sowie ihre Auswirkungen auf Comics in und aus Belgien.

Aktuelle Comics aus Europa bilden die Hauptzutaten des Menus. Dabei ist es eine Art Fusionküche, die hier zelebriert wird: Modernisierungen alter Klassiker stehen neben aktuellen Serien. Die Artikel und News sind nicht nur Tischdeko, sondern haben einen hohen Informationsgehalt und das lockere Layout sorgt für ein nettes Ambiente, das den Genuss abrundet. Sternverdächtig 🙂

Dazu passen King Hammond & The Rude boy Mafia, ein Mix aus verschiedenen Ska-Waves, und ein Winterbier, etwa von Leffe.

© der Abbildungen 2021 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

mosaik 550 – Oktober 2021

mosaik – mit den Abrafaxen durch die Zeit 550

Die Wunder von Bagdad

Story: Jens U. Schubert
Zeichnungen: 
Kollektiv

MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

Kleinformat | 52 Seiten plus Beihefter | Farbe | 3,95 € 
ISSN: 
0323-8857

Cover Mosaik 550

Ehrentage sind immer etwas ganz Besonderes, vor allem, wenn sie im Doppelpack auftreten. Zunächst einmal ist die Zahl von 550Mosaik-Heften schon eine ganz außergewöhnliche! Fast 46 Jahre lang ist nun Monat für Monat ein neues Heft erschienen und hat dabei den Fall der Mauer, das Ende der DDR und die Treuhand überstanden. Das letzte ist auch der Grund für das zweite Jubiläum: Der Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag feiert mit diesem Heft sein 30-jähriges Bestehen – comix-online gratuliert herzlichst!

1001 Abenteuer mit den Abrafaxen!

Natürlich startet in dieser besonderen Nummer auch ein neues Abenteuer, die Wunder von Bagdad. In Gestalt von Sternschnuppen werden Abrax, Brabax und Califax aus der Südsee in das Jahr 185 an den Hof von Kalif Harun al-Raschid transportiert. Sie landen zunächst in der Wüste und dürfen sich gleich erfolgreich an der Rettung eines Kamels beteiligen bevor sie dann weiter nach Bagdad reisen.

Mosaik 550 Seite 14/15

Wie immer steht nicht nur die Geschichte allein im Vordergrund, es gibt auch allerlei Wissenswertes dazu. So erfahren die Leser*innen, dass das Jahr 185 nach dem islamischen Kalender dem Jahr 801 nach dem in Europa gebräuchlichen julianischen Kalender entspricht. Es verwundert daher nicht, dass auch eine Gesandtschaft des fränkischen Königs Karl in Bagdad verweilt und um eine Audienz beim Kalifen wartet. Karl sollte später Karl der Große genannt werden.

Der Beihefter führt ein wenig tiefer in die neue Geschichte ein und stellt einige Personen vor. Dazu erklärt eine Karte die Welt um 800 und die politische Lage. Vor allem aber erzählen Leser*innen jeglichen Alters, warum sie das Mosaik lieben. Kein anderes Magazin in Deutschland hat eine solche Verbundenheit mit seinen Fans! Von diesem Heft gab es übrigens auch eine Variant-Ausgabe, die einigen ostdeutschen Tageszeitungen beigefügt war.

Beihefter Mosaik 550
Der Beihefter

Würdigung

Das Mosaik ist immer noch etwas ganz Besonderes: erstellt in einem kollektiven Prozess von etwa 20 festen Mitarbeiter*innen verknüpft das Magazin spannende Comic-Unterhaltung für alle Altersschichten mit geschichtlichem Wissen. Die „Lektionen“ kommen dabei nicht wie Schulstoff daher, sind aber trotzdem fundiert und oft zusammen mit Museen entwickelt. Nicht zuletzt deswegen wird das Mosaik auch von der Stiftung Lesen empfohlen. Preislich bewegt sich das Heft in einem für Taschengeldempfänger*innen möglichen Rahmen und die Zeichnungen müssen sich keineswegs hinter internationalen Konkurrenzprodukten verstecken! Im Gegenteil: vieles aus Studioproduktionen ist deutlich schlechter!

Also: Viel Spaß mit den Abrafaxen, zunächst einmal im alten Bagdad, und auf die nächsten 30 Jahre!

Motiv aus Mosaik 550

Dazu passen Poems for Laila und entweder ein Schwarzbier oder ein orientalischer Chai.

© der Abbildungen 2021 MOSAIK Steinchen für Steinchen Verlag

ZACK 268

ZACK 268 (Oktober 2021)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 268

Der Herbst ist gekommen, die Tage werden wieder kürzer und unfreundlicher, laden dafür aber zum Lesen in gemütlicher Umgebung ein. In etwa dieses Gefühl vermittelt auch das Cover des aktuellen ZACK: Der Kommissar steht im Regen, Schal und Mütze deuten an, dass es zudem kalt ist. Also ab nach drinnen, ins Warme, und mit dem Genießen von ganz verschiedenen „Runderneuerungen“ beginnen!

Der Rückkehrer

Rick Master war einer der beliebtesten Helden des alten ZACK. Die Gesamtausgabe seiner Werke bei Splitter nähert sich dem Ende. Aber auch die aktuellen Abenteuer sind bereits bei Band 5 angelangt! Zidrou hat es längst geschafft, die modernisierte Figur zu etablieren, Nadine aus dem Schatten zu holen und mit eigenen Aufgaben zu betrauen. Nun wird auch das Verhältnis zur Polizei versuchsweise neugeordnet. Kommissar Bourdon ist dienstlich im Senegal und als Austausch übernimmt Ousmane Dior seinen Job.

ZACK 268 page 5

Dadurch können neben der sehr spannend startenden Geschichte um einen Serienkiller, der von den Medien Cupido genannt wird, auch Vorurteile und Rassismus thematisiert werden. Simon Van Liemt setzt Kommissar Griot mit Referenzen auf das Original sehr eigenständig und souverän um. Lassen wir uns überraschen, wie die Verbindung aus Kommissar und „der Sänger“ gemeint ist.

Die Fortsetzungen

Die Frau mit dem Silberstern spielt ein Jahr nachdem ein Leutnant aus Fort Navajo dem kleinen Örtchen Silver Creek Frieden gebracht hat. Dieser war allerdings leider nicht von Dauer wie die Bewohner*innen leidvoll erfahren müssen. Martin Frei verknüpft persönliche Geschicke und Entwicklungen der bekannten Nebenfiguren mit dramatischen Ereignissen und liefert somit nicht nur eine liebevolle Hommage ab, sondern bereichert das Genre mit einer für sich selbst stehenden Story! Die Figuren hat er mittlerweile sicher im Griff, die Geschichte nimmt Fahrt auf, die Hintergründe gewinnen an Detailschärfe und Tiefe! Leutnant Blueskull ist auf dem besten Weg, für das ZACK ein internationaler Verkaufserfolg werden zu können.

ZACK 268 page 23

Auch Michel Vaillant bewegt sich schon lange auf neuen Pfaden in der sogenannten Zweiten Staffel. Zweikämpfe ist dabei der erste Band ohne direkt Mitwirkung eines Graton und zeigt die Teilnahme der Vaillantes an der Rallye-Weltmeisterschaft. Es gibt keine Stallregie und Michel und sein jugendlicher Herausforderer Daniel Farid scheinen das interne Rennen fast als wichtiger zu erachten denn die offizielle Rangfolge. Schöne Rennszenen eingebettet in viel Natur von Benjamin Benéteau und Vincent Dutreuil! Die Story von Denis Lapière passt in den MV-Kosmos, lässt Leser*innen ob der Rennspektakel in möglichst unberührter Natur aber ein wenig ratlos zurück – Sollte das neue Engagement mit E-Motoren doch nur ein Strohfeuer gewesen sein?

ZACK 268 page 41

Die Abschiede

Die modernisierte Version von Suske und Wiske für Erwachsene – Amoras 2047 – verlässt die Seiten des ZACK zunächst einmal wieder.  Wird es Suske mit Hilfe von Jerusalem gelingen, die gefangene Wiske zu befreien? Rasante Action von Marc Legendre mit Zeichnungen von Charel Cambré die zurecht als beste flämische Serie der letzten 10 Jahre gehandelt wird! Es bleibt zu hoffen, dass die Abstände zwischen den einzelnen Teilen nicht zu lang sind. Das aktuelle StripGlossy hat gerade die ersten Seiten des neunten Bandes der Nachfolgeserie vorveröffentlicht!

Detail ZACK 268 page 53

Ebenfalls beendet ist das letzte Abenteuer mit Jerry Spring. Der Zorn der Apachen war der Versuch, die Serie nach dem Tod von Jijé fortzusetzen. Festin hatte das Szenario geschrieben, Franz für eine dem Original stilistisch ähnliche Umsetzung gesorgt. Die deutsche Erstveröffentlichung dieses klassischen Westerns hat lange auf sich warten lassen; die Zeichnungen hatten mühevoll restauriert werden müssen. Die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen bösen Weißen und in die Enge getriebenen Roten würde heutzutage sicherlich anders dargestellt werden, hat aber nostalgischen Charme und somit ihre Berechtigung.

Detail ZACK 268 page 69

Und sonst?

Parker & Badger sind die Alltagsloser, die zwischendurch auflockern dürfen, und Tizombi bringt den schwarzen Humor ein. Letzteres ist immer noch mein Favorit der One-Pager. Die Strip-Fans bekommen ihre Dosis der unerträglichen Leichtigkeit des Slip und die Informationshungrigen bekommen wie immer News, Rezensionen und zwei Artikel. Neben der Einführung in das wieder aufgelebte Donjon Universum von Christian Endres wird der nun schon seit 10 Jahren bestehende JaJa-Verlag vorgestellt.

Gerade diese Mischung aus Tradition und Moderne ist sicherlich der Markenkern des ZACK: Nicht rückwärtsgewandtes Festhalten an Vergangenem, sondern nach vorn schauende Modernisierung ist gefragt. Dementsprechend ist auch der „ZACK-Club“-Anstecker nicht einfach eine Neuauflage, sondern eine mit modernem Komfort ausgestatte Variante.

Dazu passen The Shifters mit ihrer jungen Interpretation traditionellen Skas und ein Kellerbier: lange vergessene aber mittlerweile wiederentdeckte Tradition.

© der Abbildungen 2021 bei den jeweiligen Autoren und Verlage c/o Blattgold GmbH

ZEBRA-Sonderband 25

In der Tusche liegt die Wahrheit

Text und Zeichnungen: Rudolph Perez und Georg K. Berres Bill GoGer und Ludwig Kreutzner

ZEBRA (GoGer (at) web.de)

Prestige | 96 Seiten | s/w | 9,00 € |

ZEBRA Sonderband 25 Cover

Wie haben wir es bloß alle geschafft, durch die Pandemie zu kommen? Lange Zeit haben wir uns nicht getraut, diese Frage auch nur zu denken. Mittlerweile hat es so viele Diskussionen um Freedom Days, 2 oder 3 G und Echsenmenschen gegeben, dass ein Ende von Corona/COVID zwar immer noch nicht in Sicht ist, eine Rückkehr zu einem Alltag aber wieder wahrscheinlich. Wir werden also in Kürze die eine oder andere persönliche Aufarbeitung der Zeit sehen und lesen dürfen/müssen und uns fragen, ob es bei uns auch so war.

Ein Gemeinschaftsatelier unter veränderten Bedingungen

Die ZEBRAs publizieren nicht nur manchmal zusammen, sie sitzen auch oft genug gleichzeitig in ihren Gemeinschaftsräumen und arbeiten, diskutieren, streiten, feiern oder hängen zusammen ab. Somit unterscheiden sie sich in nichts Wesentlichem von jeder anderen Bürogemeinschaft. Und natürlich wurde auch ihre Routine gehörig über den Haufen geworfen. Im Gegensatz zu jeder „normalen“ Bürogemeinschaft besitzen die hier im Fokus stehenden aber die Möglichkeit, sich selbst, ihre Eigenarten und ihre Bewältigungsstrategien darzustellen. Das gelingt so gut, dass man sich fast schon eine tägliche Bildfolge wünschen möchte.

ZEBRA Sonderband 25 page 49

Gegenüber den Druckwerken gibt es übrigens mehr Strips und weniger Zeichnungen. Der nun schon 25. ZEBRA-Sonderband ist der Wahrheit gewidmet, die in der Tusche liegt. Diese ist nicht immer nett: Comiczeichner*innen können schon mal an Selbstüberschätzung leiden, eine Schaffenskrise kann zu Verzweiflung führen oder aber auch ungläubige Freude über die Aufnahme in eine Alfonz-Liste verursachen. Auf jeden Fall gibt es aber immer einen Konflikt zu lösen: Warum machen wir das, was wir mache und wer will das eigentlich wissen? Noch schlimmer: Wer will das eigentlich bezahlen?

Ein Handbuch, ein Fundstück und 100% Independent

Eine Antwort auf diese Frage ist natürlich, dass wir alle, Leser*innen und Käufer*innen der ZEBRA-Produktionen, das wissen wollen. Es könnten aber auch noch mehr werden und deshalb gibt es diese Rezension! Für alle, die nicht wissen, was sie suchen, ist dieses Handbuch für Comic-Leser (sic!) schon mal ein Anfang.

detail ZEBRA Sonderband 25 page 12

Rudolph Perez hat seine Mitstreiter Georg K. Berres, Bill GoGer und Ludwig Kreutzner wieder einmal versammelt, um die deutsche Independent-Szene zu erfreuen, mögliche neue Leser*innen zu gewinnen und das zu machen, was comic-Zeichner nun einmal tun: veröffentlichen! Das macht Spaß und ist eine wohltuende Abwechslung zu allem, was hochwichtig daherkommt. Fragt danach in dem Comicladen eures Vertrauens oder bestellt direkt über GoGer (at) web.de.

Dazu passen Attila, the Stockbroker, der im nächsten Jahr sein 40-jähriges Bühnenjubiläum feiern wird, und ein Kölsch.

ZEBRA Sonderband 25 Back-Cover

© der Abbildungen 2021 Rudolph Perez, Georg K. Berres, Bill GoGer und Ludwig Kreutzner

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich

Augenblicke eines Lebens

Story: Julian Voloj
Zeichnungen: 
Claudia Ahlering

Originalausgabe

Knesebeck Verlag

Hardcover | 128 Seiten | Farbe | 24 € |

ISBN:  978-3-95728-334-4

Cover Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich

Biografien zu Hollywoodgrößen vergangener Tage sind gerade in Mode. Bei Panini gibt es gar eine eigene Reihe, Charlie Chaplin und Marylin Monroe sind bereits erschienen. Sie erzählen das Leben als Geschichte, sparen auch Probleme nicht aus, wollen im Wesentlichen aber eher gefällig sein. Die hier vorgelegte Graphic Novel über „die Dietrich“ ist anders.

Die deutsche Anti-Deutsche

Marlene Dietrich ist wahrscheinlich die einzige Diva aus Deutschland. Noch weitgehend unbekannt wurde sie für den ersten deutschen Tonfilm engagiert und „Der blaue Engel“ war gleichzeitig ihre Eintrittskarte nach Hollywood. Augenblicke eines Lebens schildert sowohl ihre persönlichen Momente als auch Ausschnitte ihrer Karriere nach. Ein junger Journalist erhält die Möglichkeit, ein Interview mit der seit Jahren sehr zurückgezogen lebenden Legende zu führen und bereitet sich auf das Gespräch vor.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 20/21

Die große Berühmtheit scheint ihm von ihrer Zeit in Berlin zu erzählen, ihrer Ehe mit Rudi Sieber und den Ereignissen rund um den Film, der sie berühmt machen sollte. Sie geht zunächst ohne ihre gemeinsame Tochter nach Hollywood, holt diese aber nach und beginnt zu begreifen, dass es in Deutschland unter Hitler keine Zukunft geben kann. Vergeblich versucht sie, ihre Mutter zur Ausreise zu überreden.

In Hollywood beginnt sie eine langjährige Liaison mit Jean Gabin der sich schließlich freiwillig dem Kampf gegen die Nazis anschließt und auch Marlene beginnt aktiv zu werden und die Moral der Truppe durch Auftritte zu heben. Nach der Befreiung muss sie feststellen, dass ihre Schwester ein Kino zur Entspannung der SS-Schergen in Bergen-Belsen betrieben hat. Sie wird sie von Stund an verleugnen.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 42/43

Das Leben wird in kleinen Ausschnitten präsentiert und hat mehr Auslassungen als Inhalte. Die Augenblicke bieten daher nur einen ersten Einstieg in ein komplexes Leben das dem deutschen Mittelmaß so gar nicht entsprochen hat. Und doch war sie die erste, die öffentlich in Israel auf Deutsch gesungen hat. Ihr hat man es abgenommen, dass Kultur und Sprache auf der einen, Großmannssucht und Rassismus auf der anderen Seite nicht zusammengehören müssen.

Knarzige Bilder

Auch der gewählte Stil hat nichts massenmarkttaugliches an sich! Die Bilder sind nicht schön, die Figuren erst recht nicht und die gemalten Panel karikieren und wirken ein wenig aus der Zeit gefallen. Sie erinnern fast ein wenig an Egon Schiele und stellen nicht die wahrhafte Abbildung in den Vordergrund, sondern die Emotion der Handelnden. Dadurch wird eine gewisse Distanz geschaffen, die zur Auseinandersetzung mit dem Inhalt aufruft und sich der schnellen Konsumierbarkeit entgegenstellt.

Ahlering/Voloj – Marlene Dietrich page 80/81

Das ist auch der größte Unterschied zu der eingangs erwähnten Reihe der Hollywood-Stars. Dort ist das Was der Fokus, hier das Warum! Claudia Ahlering und Julian Voloj ist die Annäherung gelungen. Sie ruft großartige Bilder hervor, lässt Musik erklingen, zeigt große Gesten, lässt aber auch kleine Schwächen zu und zeigt Unsicherheiten.

Fazit

Was ist die Aufgabe einer Biografie? Einerseits geht es um das Bild für die Nachwelt und die Frage, ob es geschönt sein soll oder eher ungeschminkt. Hier ist es wohl am ehesten ein Mittelweg geworden. Die zweite Aufgabe ist sicherlich, Interesse an der dargestellten Persönlichkeit zu wecken. Ist alles gesagt, war das Leben vielleicht doch nicht so groß. Hinterlässt es aber ein paar offene Fragen und regt somit zu weiterem Einsteigen ein, beantwortet aber gleichzeitig ein paar grundlegende Fragen und klärt damit ab, ob sich weiteres Beschäftigen lohnt, dann ist alles gelungen.

Knesebeck hat sein feines Programm aus Literaturadaptionen und Biografien mit einem weiteren Kleinod bereichert! Es wird nicht allen gefallen, aber auch das ist ein Pluspunkt und liegt eher im Auge des Betrachtenden.

Dazu passen Marlene Dietrich mit „Ich Hab` Die Ganze Nacht Geweint“ und ein trockener Champagner.

© 2021 von dem Knesebeck GmbH & Co Verlag KG, München, Abbildungen © 2021 Claudia Ahlering, Texte © 2021 Julian Voloj

ICOM Comic!-Jahrbuch 2021

Klein, aber fein!

Hrsg: Burkhard Ihme

Interessenverband Comic e. V. ICOM

Din A4 | 48 Seiten | Farbe | 4,90 €

ISBN: 978-3-88834-951-5

Cover Comic! Jahrbuch 2021

Seit 2000 gibt es dieses Jahrbuch regelmäßig und auch in diesem Jahr konnte Burkhard Ihme wieder eine Ausgabe fertigstellen. Sie ist allerdings etwas kürzer als die vorherigen, etwa das sehr Debatten-lastige von 2020. Besonders hinzuweisen wäre auf den von Martin Frei illustrierten limitierten Sammelschuber, der Platz für alle Ausgaben bietet!

Die Preisträger*innen

Wesentlicher Teil ist natürlich die Bekanntgabe und Vorstellung der Gewinner*innen des ICOM Independent Comic-Preis 2020, der in diesem Jahr etwas verändert worden ist. Zunächst einmal ist das Preisgeld auf 3000€ angewachsen, dafür gibt es aber auch nur noch 3 Kategorien. Und Corona-bedingt gab es auch in diesem Jahr keine öffentliche Preisverleihung. Was aber bleibt ist, dass nicht nur die Gewinner*innen im ICOM-Jahrbuch ausführlich vorgestellt werden!

Zum Besten Independent-Comic als Selbstveröffentlichung wurde Utille von Hannes Sturmvoll gekürt. Im dazugehörigen Interview beschreibt der Künstler seinen Stil, die Schwierigkeiten während der Entstehung, besonders finanzielle Implikationen, und gibt einen Ausblick auf künftige Projekte.

Logo ICOM

Der Beste Kurzcomic als Verlagsveröffentlichung ist Prinz Gigahertz! von Lukas Kummer. Das bei Zwerchfell erschiene Epos zwischen Retro-Look, Pulp und Science-Fiction ist bereits der zweite Gewinnertitel des Österreichers. Auch hier bietet ein reich bebildertes Interview die Möglichkeit, tiefer einzusteigen. Ein weiterer Band ist bereits geplant.

Der Sonderpreis für eine besondere Leistung oder Publikation geht an Korinna Seidel und Adrian Richter für Björn Eichenwicht und der immergrüne Wald. Das ebenfalls bei Zwerchfell erschienene Kinderbuch ist weit mehr als ein Comic, enthält es doch auch Rätsel und soll ganzheitlich ökologisch wirken und Kinder an das Medium Comic heranführen. Natürlich gibt es auch hier vertiefte Einblicke von den beiden Kreativen.

Die Kurzvorstellung aller nominierten Titel rundet diesen Teil ab.

Die Artikel

Zunächst wird das Comicmuseum Erlangen vorgestellt. Was mit einer Idee begann, ist mittlerweile auch Dank einer Erbschaft, vor allem aber aufgrund unermüdlichen persönlichen Einsatzes vieler Mitstreiter*innen tatsächlich schon ein Stück Realität geworden. Welche Schwierigkeiten auftreten können, was benötigt wird und welcher Anspruch eigentlich dahintersteckt, wird von Burkhard Ihme im Gespräch mit Lisa Neun und Ralf Marczinczik angerissen.

Abgeschlossen wird das Jahrbuch mit zwei Beiträgen, die in früheren Jahren zwar onlinegestellt worden waren, es aufgrund von Platzmangel aber nicht in die gedruckten Ausgaben geschafft hatten. Zunächst wird ein Internet-TV-Magazin vorgestellt und dann geht es um den Obdachlosencomic Hamburg City-Blues für das Hinz & Kunzt. Insbesondere der zweite ist immer noch sehr lesenswert, auch wenn er von 2015 stammt.

Schuber Comic! Jahrbuch

Und sonst?

Nicht nur das Backcover von Martin Frei, das auch den Schuber ziert, wimmelt nur so von Zitaten und Anspielungen, auch das echte Cover von Dietmar Krüger zeigt Anspielungen in einer Fülle, die dazu einlädt, die eigene Sammlung wiederzufinden. Sehr gelungen!!

Der ICOM ist ein Interessenverband, das Jahrbuch ist ein Werbeträger in diesem Konglomerat und (leider) keiner, der Gewinn einspielen würde. Es möge sich also bitte jetzt niemand darüber aufregen, dass früher mehr „drin“ war. Engagiert euch! Und von dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Beteiligten!

Dazu passen ein Haake Beck und The Cockney Rejects mit “I’m Forever Blowing Bubbles” (R.I.P. Hansen!).

© der Abbildungen Interessenverband Comic e. V. ICOM 2021 / Coverillustration by Dietmar Krüger

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