Halbzeit! Mit diesem Band ist die Hälfte der Strecke geschafft, fünf weitere Bände folgen noch. Die Geschichten der mehr oder weniger erfolgreichen Leibwächter aus dem Chicago der Prohibitionszeit ist für den Zeichner Berck die erfolgreichste Serie der langen Laufbahn. Nicht zuletzt aufgrund dieser Reihe wurde ihm der renommierte Stripgidspreis verliehen. Mehr dazu im wie immer ausführlichen redaktionellen Teil.
Action unterwegs und zuhause und die liebe Familie
Dieses Sammy & Jack Integral versammelt erneut vier Alben, die zwischen 1982 und 1985 erstellt worden sind. Zunächst gibt es eine Fortsetzung des Jugendelixiers. Sowohl der alte, reiche Mann als auch sein geldgieriger Neffe waren in Babys verwandelt worden. Ihr Geisteszustand ist aber wieder der Alte und erneut bekämpfen sie sich, nun als Killer-Babys! Das zweite Abenteuer schickt die Leibwächter in offiziellem Auftrag nach Italien. Sie sollen ein kleines Artefakt zurückbringen, das in einer kleinen Kirche versteckt ist. Sie sind allerdings nicht die einzigen, die auf der Suche sind. Eine irrwitzige, slapstickhafte Jagd beginnt und führt schließlich zu Panik im Vatikan.
Diese Geschichte scheint den überbordenden Humor der Beiden noch nicht erschöpft zu haben und so folgt gleich danach eine ähnliche Story. Die beiden sollen zum Schutz des Staates Pläne zurückbringen, die ein verstorbener Wissenschaftler scheinbar seinem Verwandten anvertraut hat. Dieser will die Pläne an eine ausländische Macht verkaufen, die Übergabe soll in einem Zirkus stattfinden. Wieder ist eine ganze Horde unterwegs und es ist fraglich ob die Gorillas in der Manege überleben werden.
Zum Abschluss kommen schließlich diverse Kurzgeschichten zum Abdruck die unter dem Titel Ma betritt die Bühne erschienen sind. Die Mutter von Jack Attaway hat ihr langweiliges Rentnerinnenleben satt und beschließt nach Chicago zu ziehen. Jack möchte seiner Mutter vorschwindeln, eine sehr erfolgreiche Agentur zu führen, und zwingt daher Sammy zu einigen Scharaden. Seine Mutter ist jedoch keineswegs eine alte, hilflose Frau und entwickelt eigene Aktivitäten.
Routiniert, aber mitreißend
Die Schaffenskraft von Berck war Anfang der 80-er Jahre auf dem Höhepunkt. Drei Alben in zwei Jahren war sein Standard, jede Seite hatte dabei vier Streifen! Er durfte sich zwar auf wenige Hauptfiguren konzentrieren, musste dafür aber eine große Menge an Nebendarsteller*innen erfinden und diese auch unterschiedlich gestalten. Dabei konnte er einerseits immer wieder neue Orte zeichnen und dadurch das Problem ständiger Wiederholungen vermeiden, musste dafür aber auch ständig neue Umgebungen klassifizieren und recherchieren.
Obwohl die Serie in einem Magazin für Kinder und Jugendliche erschien, sind die Zeichnungen keinesfalls ohne. Bomben explodieren, Messer werden geworfen und immer wieder rattern die Maschinengewehre. Es bleibt aber unblutig und auch gestorben wird höchst selten. Man muss den etwas brachialen Humor zwar mögen, die Qualität von Stories und Zeichnungen ist aber ohne Frage sehr hoch!
Vorbildliches Konzept!
Bei einigen Gesamtausgaben hat man als Leser*in das Gefühl, abgezockt zu werden. Nicht so bei dieser Reihe: Der redaktionelle Teil lässt keine Wünsche übrige, noch ausführlicher kann man über Künstler, Werk und Hintergründe nicht informieren. Dazu kommen unzählige Zeichnungen, Skizzen und Fotos! Der Hinweis sei erlaubt, dass der Verfasser dieser Zeilen auch bei diesem Band wieder die redaktionellen Teile übersetzt hat.
Wie immer gibt es eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und einem drucksignierten Exlibris mit einem Strip zum 45-sten Geburtstag von Spirou. Für Fans von Cauvin und Berck ein Muss, für die Liebhaber des frankobelgischen Semi-Funnies eine perfekte Ergänzung der Sammlung!
Dazu passen Bing Crosby und Louis Armstrong mit „Now you has Jazz“ und ein Champagner.
Meine Jahresbestenliste und ein paar Worte zum Geleit
Das Jahr 2024 ist zu Ende, viele der „Errungenschaften“ leider nicht. In der Ukraine ist schon wieder ein Kriegswinter, Wahlen haben in mehreren Ländern rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien gestärkt, deren Ziel es ist, die Demokratie zu beseitigen und trotz allen Hypes um KI gibt es natürlich immer noch kein Mittel gegen Krebs. Immerhin wurde die Welt von dem syrischen Diktator befreit, ob das neue Regime besser ist, wird sich erst noch zeigen müssen.
In der Welt der bunten Bilder wurden einige 90. und 100. Geburtstage gefeiert, viele der „großen“ Alten haben uns verlassen. Es gab aber auch einige Neuentdeckungen.
Immer für euch unterwegs
Die Zugriffszahlen für comix-online konnten gehalten werden: Erneut mehr als 100.000 direkte Zugriffe auf einzelne Artikel, also ohne die Startseite! Vielen Dank für dieses Vertrauen! Auch wenn die Seite längst „erwachsen“ geworden ist, besteht doch immer die Möglichkeit etwas zu verbessern. Ich freue mich daher auf Euer Feedback. Persönlich habe ich wieder als Übersetzer für die redaktionellen Seiten im zweiten Band der Zentauren sowie der Sammy & Jack-Integral-Reihe gewirkt, für Nicky Saxx auch den Comicteil übersetzt und diverse Artikel im ZACK sowie erstmals in der Sprechblase veröffentlicht.
Die besten Comics
Der beste Comic kommt für mich in diesem Jahr aus Deutschland: Gevatter von Schwarwel beschreibt schonungslos den Kampf mit der Depression und der Umwelt. Ursprünglich in einzelnen Haften erschienen sind die fünf Phasen jetzt als Comic erschienen. Unbedingt empfehlenswert!
Platz 2 ist nicht unbedingt eine Überraschung für langjährige Leser*innen dieser Seite: Die deutsche Ausgabe der Chroniken von Amoras bringt die Fortsetzung der sechsteiligen Amoras 2047-Sage, die hierzulande im ZACK erscheint, endlich auch auf Deutsch unter die Leute. Legendre und Cambré haben dem etwas angestaubten Suske und Wiske-Stoff neues Leben eingehaucht und eine spannende Endzeit-sage geschrieben. Die Chroniken greifen dabei einzelne Episoden aus Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft auf.
Cover der VZA
Und auch Platz 3 geht an in der ZACK-Edition erschienes Werk: Dr. Radar von Simsolo und Bézian ist eine Noir-Krimi-Erzählung in einem sehr eigenwilligen Strich. Für Fans des klassischen Krimis ein Muss, für Leser*innen anspruchsvolle Comics ebenfalls!
Platz 4 ist ebenfalls ein älteres Werk, das neu aufgelegt wurde: Das Abenteuer ohne Helden im Verbund mit 20 Jahre danach erzählt die Geschichte, die mit einem Flugzeugabsturz beginnt, mit menschlicher Schwäche und Stärke weitergeht und schließlich Korruption thematisiert. Van Hamme und Dany zelebrieren Geschichte und Zeichnungen.
Platz 5 schließlich geht an eine Weiterentwicklung eines Klassikers: Die Veröffentlichung von Gaston 22 ist das Ergebnis eines jahrelangen Rechtstreites. Delaf führt den Chaoten genau dort weiter, wo Franquin aufgehört hatte. Vielleicht etwas altmodisch, aber liebenswert, chaotisch und genauso anarchistisch wie zuvor!
Die besten Graphic Novels
Wie immer ist die Abgrenzung zwischen Comic und Graphic Novel schwierig. Trotzdem: Meine persönliche Auswahl:
Platz 1 geht auch hier an ein Werk von einem deutschen Künstler, der allerdings mittlerweile in den Niederlanden lebt: Columbusstraße erzählt die Geschichte von Tobi Dahmens Vorfahren während der Jahre 1935 – 45. Sehr persönlich, angreifbar aber auch nichts beschönigend macht sich Dahmen dieses Mal nicht an seine eigene Geschichte wie im Fahrradmod, sondern begibt sich auf die Suche nach Schuld, Verschulden und Zeitgeist.
Und auch Platz 2 wird von einem deutschen Künstler eingenommen: Digger von Ralf Marczinczik ist eine Geschichte über einen Straftäter, die Einsamkeit und – vor allem – die Hoffnung! Dieser Band hat 2024 bereits einige Preise abgeräumt, sein Auftauchen ist daher wenig überraschend.
Auf den dritten Platz hat sich ein Werk geschoben, dass erst vor Kurzem erschienen ist: Ava von Emilio Ruiz und Ana Miralles erzählt eine kurze Episode aus dem Leben von Ava Gardner. Die Hollywood-Diva hatte wahrlich kein leichtes Leben und auch ihr Umfeld musste unter ihrer Berühmtheit leiden. Obwohl ihre Zeit in Brasilien nur sehr kurz war, gelingt es den Künstler*innen doch, viele Probleme in diesen Zeitpunkt zu packen und das Ganze mit brillanten Bildern darzustellen.
Die besten Gesamtausgaben
Gesamtausgaben haben immer ein wenig den Beigeschmack der Geschäftemacherei. Sie können aber auch eine endlich angemessene Veröffentlichungsform darstellen, mit Informationen angereichert sein und Werk und Künstler*innen würdigen. Drei Beispiele, die mich in 2024 überzeugt haben:
Zunächst einmal die wunderschöne Ausgabe der kompletten Modesty Blaise Strips aus dem Bocola-Verlag! Nicht nur sind Papier und Format den Zeitungsstrips absolut angemessen, die Herausgeber haben sich ebenfalls bemüht, auch die Strips, die nur in einer kleinen schottischen Zeitung erschienen sind, einzufügen. Dazu kommen perfekte Einleitungen von O’Donnel selbst. Wer auf 60-er Jahre-Flair und Agent*innen steht, ist hier genau richtig!
Platz 2 geht an die Neuedition der Boule und Bill-Streifen von Jean Roba. Die Einseiter mit den Familiengeschichten sind natürlich schon oft veröffentlicht worden. Trotzdem: Eine Gesamtausgabe bietet die Möglichkeit, Entwicklungen zu betrachten, zu genießen und immer wieder mal ein paar Seiten zu genießen.
Platz 3 geht an Mikaël und die Gesamtausgabe des ersten Teils der New-York-Trilogie: Giant! Im Mittelpunkt dieser Serie steht die Stadt selbst. Natürlich gibt es handelnde Personen, in diesem Fall irische Arbeiter, in der Gesamtschau wird aber klar, dass ihre Geschichten nur pars pro toto stehen. Geniale Bilder und eine ergreifende Story. Die ersten beiden Teile, Giant und Bootblack, sind als Vorabdruck im ZACK erschienen, Teil 3, Harlem, ist bei Splitter erschienen.
Die besten Sekundärwerke
Das allerbeste Sekundärwerk des Jahres ist ein XXL-Wälzer – Donald Duck – The ultimate History bzw. die ultimative Chronik ist ein Kompendium zum 90. Geburtstags des Superstars. Sie beleuchtet den Weg vom ersten Auftritt, den Nebendarsteller-Rollen bis hin zum Alleinunterhalter. Der Band erwähnt dabei alle (!!) Filme, konzentriert sich bei den Comics auf die Werke von Carl Barks, bezieht aber auch Werbung, Themenparks und alles Weitere mit ein. Das Buch ist sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch und Französisch bei Taschen erschienen und sollte in keiner Disney-Sammlung fehlen!
Platz 2 ist (zumindest hier bei uns in Deutschland) ebenfalls im Zusammenhang mit einem Jubiläum erschienen: Die Spirou-Deluxe-Reihe stellt Werke von Franquin in einen neuen Zusammenhang, veröffentlicht die schwarz-weißen Zeichnungen neben der bekannten kolorierten Fassung und vermittelt eine große Menge an Informationen über Künstler und Hintergründe. Bisher erschienen sind der Liliput-Trick und die Bravo Brothers.
Platz 3 schließlich geht an das Kompendium über in Deutschland erschienene Horror-Comics: Der absolute Horror von Christian Blees listet auf, vermittelt Inhalte, erklärt Trends und versammelt eine wahnsinnige Menge an Informationen auf kleinem Raum! Für Fans des bebilderten Grusels ein Muss!
Die besten Magazine
Und auch in diesem Jahr geht der Preis für das beste Magazin wieder an das ZACK! Auf mittlerweile 100 Seiten pro Monat wird ein Überblick über aktuelle europäische Comics geboten, der seines Gleichen sucht. Dazu kommt inzwischen ein Ableger: Das ZACK-Sonderheft. Die am häufigsten angeklickte Ausgabe war die Jubiläumsnummer 300.
War im letzten Jahr Platz 3 ein Nachruf, ist es in diesem Jahr einer auf das Magazin, das es auf Platz 2 geschafft hat: Das ZEBRA hat mit der Nummer 19/20 sein Erscheinen eingestellt. Schade, war es doch immer ein Einblick in die Welten des deutschen Independent-Bereiches.
Wieder in die Top 3 haben es die Magazine des Zauberstern Verlages geschafft. Was mit dem Phantom begonnen hatte, wird durch Mikros, Flash Gordon, Van Helsing und Savage Dragon verstärkt! In 2025 kommt noch ein Phantom Spezial dazu. Eine kleine Bemerkung sei erlaubt: Der Wandelnde Geist wandelt auch woanders, etwa bei Kult und in der ZACK-Edition! Dort ist er nicht schlechter!
Und dann ist da noch …
… eine unheimliche Fleißarbeit. Nach mehreren Jahren des Wartens hat Bernd Weckwerth es tatsächlich geschafft, die Chronik der Koralle-ZACK-Ära in den Handel zu bringen! Auf 400 Seiten werden nicht nur alle Hefte, Alben und Taschenbücher vorgestellt, sondern auch die Poster, Sammelalben etc. Dazu gibt es viele anekdotenhafte Bemerkungen zu Serien und Künstler*innen und ein paar erhellende Artikel!
Eure Lieblinge in 2024
Eure Charts, basierend auf den Abrufzahlen:
Platz 1 geht wie im letzten Jahr an Hägar und die Gesammelten Chroniken von 1973, gefolgt vom Jahresrückblick auf 2023 und Spirou und Fantasio Spezial 42. Bei dem letzteren Titel haben die Zugriffe erst nach dem Auslisten des Titels sehr stark zugenommen. Auf Platz 4 folgt mit der Jubiläumsnummer 300 der erste ZACK-Titel, auf Platz 5 erneut Messalina von Mitton.
Die weiteren Plätze: Donald Duck – The Ultimate History, Di Caro – Die Geheimnisse des Maison Fleury 1, Giant von Mikaël, Der 1. Band der Chroniken von Amoras und Gaston 22 von Delaf.
Für 2025 wünsche ich Euch alles Gute! Kommt gut rein! Mögen uns im kommenden Jahr Katastrophen erspart bleiben, möge die Demokratie sich als standhaft erweisen und mögen sich möglichst viele Rassismus, Sexismus, Homophobie und ähnlichen Auswüchsen entgegenstellen.
Zeitungsstrips sind ein ganz besonderes Medium, müssen sie doch die Leser*innen überzeugen, am nächsten Tag wieder zu kommen (also eine neue Ausgabe der Zeitung, die sie gerade lesen, zu kaufen) und teilweise gleichzeitig eine Geschichte erzählen, die trotz der Redundanzen auch im Ganzen lesbar bleibt. Während Folgen bei Strips wie Magnus der Magier oder Häuptling Feuerauge selten aufeinander aufbauen, erzählen etwa Modesty Blaise oder Phantom Epen. Auch Nicky Saxx ist ein Beispiel dafür, die einzelnen Episoden bestehen aus 20 bis 22 Seiten a vier Tagesfolgen, sind also nicht zu komplex. Die Storylines stehen zueinander aber schon in einem losen Zusammenhang und erlauben Kontext und Entwicklung.
Abenteuer im Schnee und auf hoher See
Die Heldin, Nicky Saxx, leitet eine Agentur, Room 666, die sich um schwierige Fälle kümmert. Dabei sehen sie und ihre Helfer*innen, insbesondere aber ihre Freundin Elja Steiner, oft genug dem Tod ins Auge. Während Nicky eher die toughe Person ist, die auch austeilen kann, ist Elja als paranormal begabte Psychologin eher für die nicht sichtbaren Seiten des Falles zuständig.
Psi – Paranormal spielt während des Urlaubs von Elja. Ihre kleine Nichte verschwindet plötzlich, ihre Spuren werden von dem stetig fallenden Schnee überdeckt und die Paranormal begabte Heldin spürt die Gefahr und einen Zusammenhang mit einem ganz ähnlichen Verschwinden von vor 15 Jahren an genau der gleichen Stelle.
In Unkraut ist es Nicky, die sich im Urlaub befindet. Sie ist mit einem Segelboot irgendwo vor der lateinamerikanischen Küste unterwegs. Während sie ein Bad nimmt, wird dieses Schiff plötzlich aus einem Hubschrauber beschossen und versenkt. Doch damit fangen ihre Schwierigkeiten erst an, denn sie muss nicht nur versuchen, an Land zu kommen, die Hubschrauberbesatzung ist keineswegs gewillt, sie in Frieden zu lassen.
Kolorierte Schwarz-weiß Zeichnungen
Die Zeichnungen von Minck Oosterveer waren ursprünglich in schwarz-weiß angelegt, schließlich waren sie für eine Tageszeitung gedacht, in der farbige Details eher schwierig gewesen wären. Anfang dieses Jahrtausend lief die Serie für rund sechs Jahre in De Telegraaf, nun wurde sie für diese Gesamtausgabe erstmals koloriert. Dabei sind sehr stimmungsvolle Panels entstanden, vereinen sie doch einerseits das Spiel mit Licht und Schatten und andererseits das gewohnte Bild der Farbigkeit.
Die Zeichnungen sind alle etwas rauer, ohne das letzte bisschen an realistischem Detail, sind daher aber vielleicht sogar ehrlicher. Die Action stimmt, die Emotionen sind etwas überzogen, wirken dadurch natürlich aber umso stärker. Man mag sich allerdings manchmal fragen, ob es den beiden Frauen nicht etwas kalt wird…
Spannung in Serie!
Willem Ritstier schafft es fast an jedem Streifenende einen kleinen Cliffhanger zu platzieren. Dieser muss am nächsten Tag so aufgenommen werden, so dass er diejenigen, die die gestrige Folge verpasst haben, mitnimmt, die anderen aber nicht langweilt. Insofern ist das erste Panel fast zwangsläufig eine gewisse Art von Wiederholung, allerdings mit anderen Worten, aus einer anderen Perspektive oder um Sekunden zeitverschoben. Die Geschichte und ihr Gesamtspannungsbogen sind aber trotzdem der Fokus der Erzählung.
Diese Gattung ist sicherlich nicht etwas für jede*n, man muss sich darauf einlassen wollen. Wenn man das möchte, bietet Nicky Saxx eine gute Möglichkeit zur kleinen Flucht aus dem Alltag, ist herrlich aus der Zeit gefallen und doch nicht peinlich. Der kleine Anhang bietet eine Möglichkeit, die Künstler hinter der Serie kennenzulernen und für Fans gibt es eine Vorzugsausgabe mit limitiertem und signiertem Druck! Sollte jemand an der Übersetzung etwas auszusetzen habe, so sei darauf hingewiesen, dass sie vom Verfasser dieser Zeilen stammt. Bemerkungen also gerne im Kommentar.
Dazu passen The Interrupters mit „Alien“ und ein Bulleit Bourbon.
Raoul Cauvin war in seiner Zeit nicht nur ein sehr erfolgreicher Szenarist, er war auch sehr fleißig! Viele seiner Werke sind in Deutschland bisher nicht in kompletten Editionen erschienen, sondern haben eine sehr wechselhafte Geschichte mit unterschiedlichen Magazinen. Albenreihen und Verlagskonzepten hinter sich. Glücklicherweise gibt es aktuell mehrere Integralreihen, die dem abhelfen. Stellvertretend seien hier Sammy & Jack, Die blauen Boys oder Spirou und Fantasio genannt.
Ein bemitleidenswerter Polizist
Meistens gibt es in Cauvins humoristischen Szenarien ein Pärchen, das für die lustige Interaktion sorgt. Diese Kombination erlaubt, Charakterzüge besonders ausgeprägt aufeinanderprallen zu lassen und findet sich auch in TV-Paaren wie Stan & Olli, Matthau/Lemmon oder Pat & Patachon wieder. Agent 212 – so der Originaltitel – ist aber in sich lustig genug und braucht kein Gegenüber.
In diesem Integral finden sich die ersten fünf Bände, die in den 80-er Jahren bei Feest erschienen waren. Dein Freund und Helfer ist immer im Dienst, ist immer hilfsbereit und doch fast nie erfolgreich. Mehr als einmal wird er daher dazu verdonnert, den Verkehr auf einer belebten Kreuzung zu lenken. Doch selbst das gelingt nur selten ohne Komplikationen und fast immer ist es sein Vorgesetzter, der Kommissar, der die Verfehlungen bemerkt.
Man kann von Glück sagen, dass die Abenteuer nur gezeichnet sind; so viele Blessuren, Brüche, Verbrennungen und weitere Verletzungen möchte man keinem Schauspieler zumuten. Trotz des teilweise brachialen Humors macht sich Cauvin aber an keiner Stelle über Wachtmeister 212 oder seine Frau lustig. Auch das muss man erst mal schaffen! Fast immer sind die Stories in vier bis sechs Seiten erzählt.
Klassischer Spirou-Stil
Die Zeichnungen von Daniel Cox entsprechen dem Spirou-Stil der 80-er. Grundsätzlich sind immer noch Anklänge an Franquin zu erkennen, das Dekors, die Autos und die Mode sind aber bereits modern. Der Vorsatz zeigt sehr schön die gewollte Typisierung der Figur: Beruf und Privatleben sind für den armen Helden gleich gefährlich, ist es doch immer gleiche Mensch!
Für die Dynamik wendet Kox teilweise eine Besonderheit an: Wachtmeister 212 bewegt sich so schnell, dass sein Kopf auf einem Panel zweimal vorhanden ist. Diese Geschwindigkeit unterstützt den Witz und unterstreicht den klamaukhaften Charakter vieler Szenen. Ansonsten sind die Knollennasen freundlich und geeignet auch für ein jüngeres Publikum.
Ein bisher fehlendes Mosaikteilchen!
Viele Serien von Raoul Cauvin haben mittlerweile ihren Weg nach Deutschland gefunden und doch gibt es noch so einiges, was zu entdecken wäre. Dein Freund und Helfer schließt eine der Lücken! Wer mehr über das gesamte Spektrum der Arbeit von Cauvin wissen möchte, sei an die Vorworte der Sammy & Jack-Integrals verwiesen.
Aber auch ohne Bezug zu den anderen Serien ist Wachtmeister 212 ein perfekter Tipp für alle, die gerne humorige Geschichten lesen, in denen niemand verächtlich gemacht wird. Fans von moderner Comedy werden sich hier also möglicherweise nicht so gut unterhalten fühlen. Wie immer gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und ebenfalls limitiertem Druck!
Dazu passen The Silver Shine mit „Jolene“ und ein wärmender Tee.
Spanien war ein Land, in dem viele Studios Aufträge aus anderen Ländern abarbeiteten. Viele dieser Studios sind heutzutage „vergessen“ worden. In den 80-er Jahren gab es aber auch in Spanien selbst eine ganze Reihe an kleinen Magazinen, in denen vieles möglich war und ausprobiert werden konnte. Während Serien wie Andrax dabei durchaus den Weg in den deutschen Mainstream gefunden haben, sind Serien wie Torpedo oder Bang Bang für ein erwachsenes Publikum gemacht.
Die Hölle unter der Erde
Der Held dieser 6 bis 14-seitigen Stories ist Dante, ein Truppführer der Untergrundaktionsgruppe. Diese kümmert sich in der fiktiven Stadt Metropol um die Bekämpfung aller unerwünschter Dinge in der Kanalisation. Über allem steht die Bedrohung durch ein riesiges, bisher unbezwingbares Monster, den Kraken. Wer ihm in seine Fänge gerät stirbt unweigerlich. Trotzdem versucht die Polizeitruppe immer wieder, ihn zur Strecke zu bringen.
Daneben muss die Truppe sich aber auch um den Abschaum kümmern. Die Kanalisation wird nicht nur von echten Ratten und anderem Ungeziefer bewohnt, sie ist auch der Rückzugsraum für Kriminelle. So kommt es immer wieder zu Kämpfen mit organisierten Banden als auch Einzelnen. Diese Auseinandersetzungen werden keinesfalls schonend dargestellt.
Weder Geschichten noch Zeichnungen sind für zartbesaitete Sensibelchen (Verlagstext) und dementsprechend empfohlen für ein Publikum von über 18 Jahren. Es handelt sich aber keinesfalls um ein bluttriefendes Splatter-Spektakel. Viel mehr steht die Gewissheit im Vordergrund, dass es zwar wichtig ist, das Böse zu bekämpfen ohne dabei böse zu werden, es aber doch niemals besiegt werden kann.
Eine farbenlose Welt
Wie sonst außer schwarz-weiß könnte eine Welt aussehen, in der es nicht wirklich Hoffnung gibt? Jordi Bernet hat schon immer gerne ohne spätere Kolorierung gearbeitet und bringt in seinen scharfen Kontrasten die Gegensätze in seinen Welten auf den Punkt. Häufig zeichnet er übergroße Männer, muskelbepackt und Typ lonesome hero. Die weibliche Seite ist bestenfalls störende Ablenkung, oft jedoch einfach nur Gefahr.
Diese latente Frauenfeindlichkeit ist auch hier ansatzweise zu entdecken, steht jedoch nicht im Vordergrund. Die Zeichnungen transportieren aber die Hoffnungslosigkeit und die Gefahr, die hinter jeder Biegung liegen kann. Zudem zeigen sie deutlich die Auswirkungen von einem Leben, in dem es keine Sonne und kein Licht gibt. Insofern ein sehr stimmiger Gesamteindruck!
Menschliche und mythische Monster
Eine Serie wie Kraken wäre heutzutage kaum noch denkbar. Magazine mit Comics für Erwachsene für den Massenmarkt sind verschwunden und wurden durch Mainstream oder Independent ersetzt. Während im Ersteren zwar noch Einzeltitel wie Kraken in gebundener Form (und sogar ebenfalls als limitierte Vorzugsausgabe mit Druck, siehe unten) erscheinen, sind die Independents eher auf kleinere Zielgruppen zugeschnitten und werden von vielen gar nicht wahrgenommen. Dabei ist der Unterschied zu vielen Titeln aus dem Horror-Segment gar nicht groß.
Qualitativ liefern Segura und Bernet hier eine Serie von Kurzgeschichten ab, die zueinander passen, spannend sind, teilweise unerwartete Wendungen beinhalten und graphisch gut umgesetzt sind. Wer also auf die etwas härteren Stories steht, wird hier definitiv nicht enttäuscht. Wer allerdings Gewaltorgien sehen möchte, braucht hier keinen Blick zu riskieren!
Dazu passen The Adicts mit „Life goes on“, und ein Captain Morgan.
Comics über Gefangene sind gar nicht so häufig. Natürlich gibt es die Umsetzungen des Klassikers über den Grafen von Monte Christo, die aber nicht originär als Comics gedacht waren. Dazu fallen wahrscheinlich den Meisten die Daltons ein, die immer wieder (erfolglos) ausbrechen und ansonsten Steine klopfen. Und außerdem vielleicht noch Bobo von Paul Deliège, der seine ersten deutschen Auftritte in den Kauka-Publikationen, insbesondere Fix & Foxi, hatte. Im Independent-Bereich gibt es schon mehr, teilweise autobiographisch, aber eben auch unbekannter. Den diesjährigen ICOM-Preis für die beste Selbstveröffentlichung hat Digger gewonnen! Ein Werk, das größtenteils in einem sehr abgelegenen Gefängnis spielt.
Reduktion auf sich selbst
Die Anregung, sich mit diesem Thema zu befassen, war während des Lockdowns entstanden. Wie würde es sein, wenn man noch mehr eingeschränkt wäre? Das Gefängnis ist ein Ort, der seine Insassen auf sich selbst reduziert (zu mindestens dann, wenn es sich nicht um Fernseh-Massen-Knäste handelt in denen sich Dutzende eine Räumlichkeit teilen). Das wird im Comic auch mehrfach angesprochen, insbesondere die verschärfte Form der Isolation.
Trotzdem gibt es immer wieder Hoffnung auf etwas Größeres. Das kann ein Ausblick sein, ein wachsendes Samenkorn, ein Tier … Es kann aber auch ein rein gedankliches Element sein, etwa wenn Zahlen plötzlich eine Rolle spielen. Zudem besitzt Digger auch noch ein Geheimnis. Alle diese Dinge lassen sich aber auf ein Motiv zurückführen: die Hoffnung!
Digger ist nicht wie die anderen Gefangenen: Er ist groß und massig, damit auch kräftig. Er glaubt nicht an seine Unschuld und vor allem ist er nicht aufmüpfig oder sonst auffällig. Über die Jahre freundet er sich mit einem Mithäftling an, teilt Sorgen und Hoffnungen, und entkommt dadurch ein Stück weit dem dumpfen Loch, in das fast alle irgendwann fallen.
Die Hoffnung ist Blau
Ramar hat den Comic nicht nur geschrieben, sondern auch gezeichnet.Die ganze Geschichte beginnt grau. Diese Farbe steht wie etwa im grauen November für Trauer, Trübsal und das Ende des blühenden Sommers. Ganz langsam schleicht sich aber Farbe in die Zeichnungen. Zunächst ist es nur eine Reflektion des blauen Himmels, dann eine blaue Mütze, es werden aber noch mehr farbige Elemente erscheinen. Die Farbigkeit ist natürlich die Hoffnung!
Die Geschichte ist zunächst als Webcomic entstanden und passt daher perfekt zu dem kleineren Buchformat. Meistens bilden drei Panel untereinander den Content, eine Seite kann aber auch mehr oder weniger komplex sein. Diese kleinen Häppchen passen optimal zum seeeeehr langsamen Zeitablauf; rasante Action verheißt in diesem Setting nichts Gutes!
Top-Tipp!
Allzu oft werden Bücher, die Mut machen, entweder als Geschenkbüchlein belächelt, oder aber in die Esoterik-Ecke verbannt. Digger macht Mut, ohne platt zu sein und ist auch nicht gefällig. Der „Held“ ist ein Krimineller, aber er ist kein „böser Mann“. Und natürlich liegt es auf der Hand, dass Isolation nicht nur hinter Gefängnismauern stattfindet. Es gibt genügend Möglichkeiten, diese entweder selbst zu wählen, oder aber von außen in seine solche gezwungen zu werden.
Der Aufruf ist, nicht aufzugeben! Auch Rückschläge können (und werden) passieren, dürfen aber nicht als Entschuldigung für das Aufgeben genommen werden. Der sympathische Held Digger ist dafür ein gutes Vorbild! Wer möchte kann sich im Übrigen auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Druck gönnen!
Dazu passen Sham 69 mit „Borstal Breakout“, und jedes Getränk Eurer Wahl, das ihr so richtig vermissen würdet.
Nicht allzu oft kommt es zu der Kombination, dass ein durchaus bekannter Zeichner frankobelgischer Serien eine sehr bekannte amerikanische Superheldenfigur zeichnen kann. Dabei ist die Erklärung relativ simpel: Mitton war bei einem französischen Verlag hauptsächlich mit Superheldenabenteuern wie etwa Mikros betraut als der Verlag an ein schwedisches Unternehmen (Semic) verkauft wurde. Dieses wiederum gab in Skandinavien die sehr erfolgreichen Ableger der Phantom-Geschichten heraus und erkannte das Talent des Franzosen. Für Mitton war das der erste Entwicklungsschritt hin zu Serien wie Alwilda oder Vae Victis! Bei Kult erscheinen die insgesamt 8 Geschichten in zwei Bänden.
Historische Abenteuer des wandelnden Geistes
Ein Markenzeichen der Phantom-Plots ist, dass der wandelnde Geist quasi unsterblich ist. Das Kostüm und die Aufgabe werden von Generation zu Generation jeweils in der Familie weitergegeben. Das ermöglicht den Kreativen, über die komplette Chronik der jeweiligen Inhaber als Aufhänger auch historische Abenteuer zu schreiben und sie sogar mit aktuellen Ereignissen zu verknüpfen. Natürlich erweitert sich dadurch das Spektrum möglicher Hintergründe gewaltig.
Das Geheimnis der Kathedrale führt zurück zu den Zeiten des 12. Phantoms. Bei Bauarbeiten an der Pariser Kathedrale kommt es zu einem Streit, bei dem ein Arbeiter stirbt. Auslöser war scheinbar ein Fund aus der Vergangenheit. Die Geschichte verwebt geschickt Gegenwart und Vergangenheit. Auch Tod in Brügge spielt in Westeuropas Vergangenheit. Ein Brief von Präsident Luanda veranlasst das aktuelle Phantom in die Chroniken einzusteigen. Das fünfte Phantom hatte 1656 dem damals noch unbekannten Rembrandt geholfen und war von ihm porträtiert worden. Nun taucht das Bild wieder auf.
Eine klassische Revenge-Story wird in Hoogans Rache erzählt. Ein Sträfling kommt nach Jahren der Haft frei und folgt einem lang ersonnenen Plan um alle, die ihm damals geschadet haben, zu bestrafen. Mit auf dieser Liste stehen der Präsident und das Phantom. Eine sehr spannende Geschichte mit guten Einfällen! Schließlich folgt noch das Geheimnis der Statue. Erneut spielt die Vergangenheit eine Rolle, dieses Mal allerdings eher alte Verpflichtungen! Gut konstruiert, geschickt die Ebenen wechselnd und den Dschungel als Lebensraum einbeziehend.
Für schwarz-weiß Fans!
Jean-Yves Mitton ist heutzutage für seine historischen Alben und seine oftmals leicht bekleideten Frauen bekannt. Seine Werke gehen dabei durchaus auch in das pornographische. Hier allerdings zeigt er zwar sein Verständnis für Körperbau und Bewegungen, hat aber fast nur männliche Protagonisten. Seine Zeichnungen sind sowohl in den Actionszenen als auch in eher statischen Gegebenheiten vorzüglich. Wegen des Fehlens der Farbe ist Mitton gezwungen (oder ermächtigt?), mit Licht und Schatten zu spielen und Tiefe durch Schwarzflächen zu erzeugen.
S/W-Ausgaben von kolorierten Werken werden durchaus teilweise als Vorzugsausgaben veröffentlicht und erlauben einen besseren Einblick in die Fähigkeiten des Zeichners. Hier allerdings war geplant, die Zeichnungen in dieser Weise auch zu veröffentlichen. Die Details sind daher gewolltermaßen mehr ausgearbeitet und das Schwarz muss für sich alleine stehen. Auch die Szenen im Dschungel haben sowohl Tiefe als auch Detail.
Nicht nur für Phans
Nach einer (zu) langen Durststrecke dürfen sich Phans gerade über mehrere parallele Publikationen freuen und haben sogar ein Kompendium für die bisherigen deutschen Ausgaben an der Hand. Die beiden Mitton-Ausgaben von Kult sollten hier als absolutes Must-Have durchgehen. Die Zeichnungen sind so gut, dass sie für alle Liebhaber*innen von schwarz-weißen Geschichten in Frage kommen. Wer also die Jerry-Spring-Ausgabe, Modesty Blaise oder Terry and the Pirates mag, sollte hier unbedingt einen Blick riskieren!
Der Band kommt als gut gebundenes Softcover daher und enthält einen einführenden Teil sowohl zu Mitton als auch zu den Autoren, die in Deutschland eher unbekannt sind. Von ihnen hatte bei uns nur Donne Avenell mit Axa einen gewissen Erfolg und war auch im Kobra vertreten. Die Druckqualität ist dabei meilenweit über den alten Bastei-Klassikern anzusiedeln. Der Band ist auch als limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und gleich zwei Drucken erhältlich!
Dazu passen Jungle mit ihrem modernen Soul, und ein Whisky (!) Sour.
Cauvin ist einer der produktivsten Szenarist*innen seiner Zeit gewesen. Dabei deckte er verschiedenste Gebiete ab, allerdings immer mit einem unverkennbaren Humor. Seine Westernserie Die Blauen Boys verband Situationskomik mit einer geharnischten Kritik an Kriegen, Kadavergehorsam und Autoritäten, Die kranken Schwestern nahmen Arztserien auf die Schippe, Pierre Tombal das Leben und Sterben an sich. Wie auch in Sammy & Jack ist der Humor dabei teils slapstikhaft, oft genug aber auch komplett anarchistisch. Die Integral-Reihe enthält alle Episoden, auch die Kurzgeschichten, erstmals komplett und in chronologischer Reihenfolge.
Leibwächter mit weltweiten Einsätzen
Das Setting mit zwei gegensätzlichen Charakteren funktioniert innerhalb einer Geschichte perfekt. Damit trotzdem genügend Abwechslung eingebaut werden kann, ist es notwendig den lokalen Bezug immer wieder zu verändern. Neben den in Chicago spielenden Prohibitionsstories versetzt Cauvin seine Leibwächter Sammy & Jack daher immer wieder in fremde Gegenden. Das große Bibbern ist eine Wissenschaftskatastrophenstory: Ein Experiment geht schief und einer der Beteiligten ist nun eine unermesslich heiße Batterie. Die einzige Chance ihn vor der Überhitzung zu bewahren ist eine Reise an den Nordpol. Leider erweckt sein Zustand auch Begehrlichkeiten.
Passend zur baldigen Fußball-EM thematisiert Die Gorillas machen ein Tor sowohl übergriffige Fußballfans als auch Hooliganismus. Manchmal vergessen wir alle, dass es doch nur ein Spiel ist bzw. sein sollte! Zurück in den USA werden unsere Gorillas in Hollywood für einen Mafiafilm gecastet. Die Darstellung einer queeren Persönlichkeit würde heutzutage sicherlich etwas anders laufen müssen, die Story an sich hat aber ihren Charme.
In deutscher Erstveröffentlichung kommt nun endlich auch die Episode Ku-Klux-Klan zu uns. Dieses Highlight parodiert die leider gar nicht lustige amerikanische rassistische Realität und spielt mit der Beschränktheit der weißen Protagonisten. Die Mischung aus Dumm und Böse liefert genügend Stoff für den explosiven Inhalt. Erstaunlich, dass diese Geschichte bisher immer ausgelassen worden war.
Bester Spirou-Style
Arthur Berckmans bzw. Berck hat seinen Stil über die Jahre perfektioniert und liefert hier sehr routiniert hochklassige Zeichnungen ab. Sowohl in den Kurzgeschichten als auch in den vier Alben ist zu merken, dass die Zusammenarbeit mit Cauvin klappt, seine eigenen Stärken eingesetzt werden können und Langeweile vermieden wird.
Der ausführliche redaktionelle Teil gibt einen Einblick in Zeiten der Karriere, in denen das nicht der Fall war. Anhand der ausführlichen Illustrationen ist der Werdegang und auch die Professionalisierung nachzuvollziehen.
Fast schon ein Teil einer kommentierten Werksausgabe
Das hier übersetze Integral ist sehr ausführlich bezüglich des Werdeganges der Kreativen und enthält zudem noch umfassende Artikel zu den einzelnen Abenteuern. Den Leser*innen wird dadurch ein ganz anderer Zugang zu den Geschichten ermöglicht, liegen einige der Ereignisse doch schon mehr als 40 Jahre in der Vergangenheit. Trotzdem sind die Stories und Gags aber nicht veraltet, sondern entwickeln ihren Humor immer noch mit der gleichen Schärfe. Es sei hier erwähnt, dass der Verfasser dieser Zeilen für die Übersetzung der redaktionellen Beiträge verantwortlich war.
Wie immer gibt es auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit Variantcover und drucksigniertem ExLibris. Zu empfehlen ist der Band definitiv allen, die Semi-Funnies aus der Hochzeit des Spirou-Magazins mögen: Explosionen, haarsträubende Experimente, ein sich kabbelndes Duo und spannende Handlungsabläufe!
Dazu passen Earth, Wind and Fire mit „Boogie Wonderland“, und ein Cuba Libre.
In den 80-er Jahren änderte sich die Comic-Welt ein weiteres Mal. Comics begannen sich auch im etablierten Spirou-Magazin an ältere Leser*innen zu richten ohne dabei allerdings dem Muster der „Comics für Erwachsene“ zu folgen. Politische Themen hielten Einzug, es durfte gestorben werden und ja, es durfte tatsächlich auch Heldinnen außerhalb von Fantasy and Science-Fiction geben!
Eine starke Frau
Monika Morell ist eine Fotoreporterin, die sich weder vor Reisen in Kriegs- und Krisengebiete scheut noch davor zurückschreckt, Ikonen kritisch zu hinterfragen. Nicht immer wird ihr das wirklich gedankt, und doch sind ihre Fotos immer wieder auf der ersten Seite zu sehen. Wasterlain schafft es, aktuelle Themen der Zeit aufzunehmen und lässt seine Heldin in Ostasien, Lateinamerika und der afrikanischen Wüste agieren. Dort hat sie nicht nur mit lokalen Mächten und Unruhestiftern zu tun, oft genug muss sie sich auch gegen männliches Machtgehabe und Sexismus durchsetzen.
Die Geschichte beginnt auf dem Schlachtfeld und die Heldin bekommt von einem Sterbenden ein Amulett geschenkt. Der grüne Drache wird im Laufe des Abenteuers noch eine große Rolle spielen, ist er doch das Symbol eines weltumspannenden Geheimbundes. Es ist unschwer zu erkennen, dass die gezeigte Gegend Kambodscha repräsentiert. Weiter geht es in den Anden: Der Sohn des Inka ist auf der einen Seite eine Geschichte über die Ausbeutung und Aneignung der indigenen Geschichte, andererseits ein Paradebeispiel über brutale Diktaturen dieser Gegend.
Paris-Dakar fügt der Weltpolitik, die erneut in Form der Vernichtung der Ökologie in sogenannten Dritt-Welt-Ländern eine Rolle spielt, eine sexistische Komponente hinzu. Monikas Kollege, der sein wahres Ich bereits im vorherigen Band zeigen durfte, geht in die Offensive. Und dann folgt noch ein Band, der unter anderem in Tibet spielt und den Yeti bzw. Yeren zum Thema hat. Und wieder kommt die sogenannte zivilisierte Welt nicht wirklich gut weg.
Eine Reporterin aus Belgien, aber ohne Hund
Man merkt Wasterlain an, dass er großen Respekt vor einem anderen Reporter hat. Immer wieder tauchen Motive auf, die Bilder von Herge in einen anderen Zusammenhang setzen. Teilweise werden dadurch Assoziationen geweckt, die die Geschichte unterstützen, teilweise sind es aber auch gegensätzliche, „moderne“ Auslegungen, die der Zeichner im Sinn hat.
Die Seiten sind zeitgemäß streng in vier Streifen gegliedert. Zwar gibt es nur wenige Überschneidungen, die Panel sind aber keineswegs gleichförmig oder langweilig. Wasterlain wechselt die Perspektive, fügt viele detaillierte Hintergründe hinzu und schafft eine Mischung aus Realismus und Knollennase.
Gelungene Mischung aus Comics und Information
Im Gegensatz zu anderen Integralen mit sehr langen einführenden Vorworten ist dieser Teil hier eher kurzgehalten, allerdings mit ausreichender Information versehen. Jede einzelne Geschichte wird dagegen vorgestellt, auf historische Hintergründe hin beleuchtet und mit zusätzlichen Illustrationen angereichert. Gut gemacht! Der Band enthält auch Zeichnungen, die extra für die neue französische Gesamtausgabe angefertigt worden waren. Obwohl Wasterlain in allen einzelnen Teilen politische Themen aufgreift und Missstände offenlegt, ist Monika Morell keineswegs als Agitation zu beschreiben. Es ist eine sehr humanistische Grundhaltung, die Gegensätze dazu beschreibt. Schlüsse muss jede*r selber daraus ziehen!
Die insgesamt 20 Alben werden zusammen mit den zusätzlich erschienenen Kurzgeschichten in insgesamt 5 Integral-Bänden erscheinen. Wie immer bei Kult gibt es auch eine auf 99 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe der ein ExLibris beiliegt. Für alle, die ihre Lieblingsserie nicht nur im Regal stehen haben, sondern auch einen schönen Druck an die Wand hängen wollen.
Dazu passen The Selecter mit „Celebrate the Bullet“, und ein Leffe Bruin.
Zeitungsstrips waren eine lange Zeit ein wesentlicher Werbeträger für Tageszeitungen. Einerseits unterschieden sie sich natürlich durch ihre politische Ausrichtung, andererseits hatten sie ihre möglichst exklusiven Strips. Diese sollten die Leser*innen anhalten, die Zeitung auch am nächsten Tag wieder zu kaufen, um die Fortsetzung zu erfahren. Leider ist diese Tradition ein wenig eingeschlafen. In den Niederlanden war das Duo Ritstier/Oosterveer mit einigen Strips in De Telegraaf vertreten.
Nicky Saxx – eine toughe Ermittlerin
Nicky Saxx leitet Room 666, ein Unternehmen für schwierige Fälle. Wenn es darum geht, fast unmögliche Aufgaben zu lösen, ist dieses eine perfekte Adresse. Neben Nicky ist oft ihre Freundin Elja beteiligt, die mit ihren parapsychologischen Fähigkeiten unterstützen kann. Im Hintergrund werkelt Ben, der die Geschichten lieber von seinem PC verfolgt und technischen Support bietet. Pro Band erscheinen zwei extra kolorierte Geschichten der ursprünglich in schwarz-weiß abgedruckten Serie in Deutscher Erstausgabe. Die Serie ist auf 10 Bände konzipiert.
Der Betrug beginnt damit, dass ein zahlungskräftiger Kunde Nicky bittet, den in Bolivien von Gangstern entführten Sohn zu befreien. Das Lösegeld ist angeblich überwiesen worden, seitdem fehlt jedoch jede Nachricht. Nicky und ihre Freundin Elja machen sich auf den Weg in das südamerikanische Land, müssen aber schnell erkennen, dass es sich um eine Falle handelt. Die Vergebung spielt dagegen in England. Elja wird informiert, dass ihre Tante plötzlich unerwartet verstorben ist und macht sich auf den Weg nach Cheswick. Dort angekommen entdeckt sie, dass nicht alle Indizien zueinander passen. Glücklicherweise bekommt sie spontanen Besuch von Nicky und die Beiden versuchen, den Fall aufzuklären.
Beide Fälle sind sehr spannend, müssen doch die Leser*innen bei der Stange gehalten werden. Mit einer Länge von jeweils 22 Seiten kann Willem Ritstier durchaus einige Details vertiefen, epische Auslassungen sind aber nicht möglich. An die Cliffhanger am Ende jeder Panel-Zeile gewöhnt man sich schnell. Eine gute Bereicherung des Geheimagent*innen-Sektors ohne den Sexismus von James Bond.
Behutsam kolorierte Zeichnungen!
Wie bei Zeitungsstrips vor einigen Jahren üblich waren die Zeichnungen in schwarz-weiß angelegt. Das grobe Papier war für farbliche Details nicht unbedingt geeignet, Licht und Schatten waren einfacher wiederzugeben. Minck Oosterveer war ein Meister darin, mit schwarzen Flächen Tiefe zu erzeugen. Die nachträgliche Kolorierung ist zeitgemäßer, verdeckt aber die ursprüngliche Kunstfertigkeit nicht.
Oosterveer war durchaus dafür bekannt, seine Frauengestalten üppig auszugestalten und eher leichtbekleidet zu zeigen. Eine Vorgabe für diese Serie war daher, dass die Heldin kleinere Brüste haben müsste. Dieses und mehr Details gibt es im Anhang des Bandes in der mitabgedruckten ersten Ausgabe von De Telesaxx.
Spannende Abenteuer mit durchsetzungsfähigen Heldinnen
Wenn man sich überlegt, wieviel Schrott im Laufe der Jahre auch auf Deutsch erschienen ist, ist es immer wieder erstaunlich, dass manche Serien bisher sträflich übersehen worden sind. Kult Comics ist es zu verdanken, dass dieser Klassiker aus unserem westlichen Nachbarland nun endlich den Sprung zu uns geschafft hat. Ein Hinweis sei erlaubt: Der Verfasser dieser Zeilen hat als Übersetzer an der Produktion von Nicky Saxx mitgewirkt.
Das leicht glänzende Papier bringt die Farben und vor allem das satte Schwarz gut zur Geltung, der Hardcovereinband sieht sehr wertig aus. Neben der regulären Ausgabe gibt es auch eine auf 50 Exemplare limitierte Luxusausgabe mit einem sehr schönen signierten Druck.
Cover der Vorzugsausgabe
Dazu passen Pretenders mit „Stob your Sobbing“, und ein Texel Skuumkoppe.