Ramaïoli – Die Erzählungen von Lederstrumpf 2

Der letzte Mohikaner

Text und Zeichnungen: Georges Ramaïoli nach den Romanen von James Fenimore Cooper

Originaltitel: Bas de Cuir – Tome 2 – Les Derniers des Mohicans

All Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN: 978-3-96804-056-1

Cover Ramaioli Lederstrumpf 2

Die Erzählungen von Lederstrumpf sind klassische Literatur. James Fenimore Cooper hat eine ganze Reihe von Abenteuer-Romanen geschrieben: historische Romane, Seefahrergeschichten aber eben auch über die Eroberung des amerikanischen Kontinents durch weiße Siedler. Er gilt dabei einerseits als Patriot, andererseits aber auch als Kritiker des verantwortungslosen Handelns. Indianer*innen werden von ihm als Menschen beschrieben, also weder idealisiert noch verteufelt.

Eine bedrohte Art

1757 sind die französischen Truppen und die mit ihnen verbündeten Indianerstämme im Vormarsch und greifen nicht nur vereinzelt Siedler*innen an, sondern sogar die befestigten Forts der englischen Truppen. Zwei Töchter eines ranghohen englischen Offiziers sollen von einem Fort in ein anderes reisen, man glaubt, dass ihre Sicherheit höher wäre, wenn sie nicht mit den Truppen ziehen, sondern separat. So begibt sich eine kleine Reisetruppe in die Obhut des Scouts Magua. Durch ein zufälliges Treffen mit Chingachgook, seinem Sohn Uncas und Falkenauge kann eine Entführung durch den Indianer vereitelt werden.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 39

Nun aber muss die kleine Truppe vor den Stämmen der Mingos fliehen und gerät in mehrere brenzliche Situationen. Tatsächlich werden die beiden Töchter zwischenzeitlich sogar gefangengenommen und es kommt zu verschiedenen Belagerungen und Angriffen. Cooper vermischt hier geschickt Liebe und Machtansprüche, Erpressung und gegenseitige Hilfe und Vertrauen als Basis von Handlungen. Wie schon im ersten Teil wird die Frage nach dem Wesen von Ehre gestellt und ebenfalls erneut wird eine tiefe Gläubigkeit als eine Geisteskrankheit im indianischen Sinne gewertet.

Im Laufe der Geschichte erfahren die Leser*innen auch, dass der Stamm der Mohikaner immer mehr zusammengeschrumpft ist und am Ende tatsächlich nur noch einer übrig sein wird, eben der letzte Mohikaner.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 43

Die Aufgabe von Georges Ramaïoli bestand darin, den langen Ursprungstext so einzukürzen, dass er auf 68 Seiten darstellbar wird. Landschaftsbeschreibungen sind dabei einfach umzusetzen, auch Gefühle lassen sich in Ausdruck umwandeln, lange Textpassagen schon weniger. Das gilt umso mehr als schon Zeitgenossen Coopers die etwas umständliche Sprache kritisiert hatten. Meines Erachtens ist das hier, gerade auch in der Übersetzung durch Saskia Funke gut gelungen. Die Texte sind eindeutig nicht umgangssprachlich oder vulgär, aber eben auch nicht verstaubt oder gestelzt.

Actionreiche Zeichnungen

Wesentlicher Bestandteil der Handlung sind in diesem zweiten Teil die Kämpfe zwischen englischen und französischen Truppen und die Scharmützel, in die die Protagonist*innen selbst verwickelt werden. Das zweite große Moment sind die Fluchten dazwischen. Es verwundert daher nicht, dass für Natur, Gespräche oder ruhige Alltagsbeschreibungen nicht viel Raum ist. Georges Ramaïoli versucht dabei nicht, Kamerafahrten nachzustellen. Sein Stil ist es eher, Standbilder aneinander zu reihen und die Verbindung der Szenen in den Kopf des/der Betrachter*in zu verlagern.

Die Figuren bewegen sich in diesen Aufnahmen relativ natürlich und sehen nicht verbogen aus. Auch die Gesichter sind sowohl wiedererkennbar als auch fähig, Emotionen zu transportieren. Die Uniformen sind gut recherchiert und die Landschaften detailliert. Der Seitenaufbau folgt im Prinzip dem klassischen frankobelgischen Muster, ganzseitige Illustrationen und Überspannungen lockern das starre Schema aber auf.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 44

Für Fans des klassischen Abenteuers

Die Lederstrumpf-Bände entsprechen in ihrer ganzen Erzählstruktur nicht den Netflix-Anforderungen der jungen Generation. Nicht schrill genug, zu langsam erzählt, kein Sex. Für alle, die manchmal weniger Piff-Puff-Bäng brauchen, ist die Adaption von Ramaïoli aber gelungen. Längen des Originals wurden entfernt, die Sprache behutsam modernisiert, der Stil aber trotzdem konserviert.

Cover Ramaioli Lederstrumpf 2 VZA
Cover der limitierten VZA

Natürlich ist die Ausstattung wie immer im All-Verlag angemessen! Stabiler Einband, gutes Papier, ein paar Skizzen im Anhang und einführende Worte zur gesellschaftspolitischen Lage sind für alle dabei. Wer möchte kann dann auch noch auf die auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe wechseln, die neben einem Variantcover auch noch ein signiertes ExLibris enthält!

ExLibris Ramaioli Lederstrumpf 2 VZA
ExLibris der limitierten VZA

Dazu passen Blood or Whiskey und ein Allagash White.

© der Abbildungen 2021 Georges Ramaïoli / All Verlag

Ramaïoli – Die Erzählungen von Lederstrumpf 1

Der Wildtöter

Text und Zeichnungen: Georges Ramaïoli nach den Romanen von James Fenimore Cooper

Originaltitel: Bas de Cuir – Tome 1 – Le tueur de daims

All Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN: 978-3-96804-054-7

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - Cover

Die etwas Älteren unter uns erinnern sich sicherlich noch an die Filme mit Hellmuth Lange. Die Geschichten um den Wildtöter und seinen Freund Chingachgook waren damals Straßenfeger, strahlen heutzutage aber einen gewissen nostalgischen Charme aus und wirken alles andere als zeitgemäß. Auch die originalen Romane hinken in ihrer Länge dem heutigen Tempo etwas nach.

Alle gegen alle

Georges Ramaïoli beweist mit seiner Adaption der Erzählungen von Lederstrumpf, dass man diesen alten Stoff aber auch heute noch angemessen präsentieren kann. Einerseits gehen Western und unberührte Natur immer und auch die Zeit kurz vor dem Siebenjährigen Krieg zwischen Frankreich und England in den nordamerikanischen und kanadischen Gegenden ist immer wieder Gegenstand von aktuellen Comics, zuletzt etwa von Prugne. Die Adaption der Werke von James Fenimore Cooper folgt einerseits dem Original, die Sprache wurde allerdings zumindest in der Übersetzung etwas angepasst.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - page 3

Der Held der Geschichten, Natty Bumppo, ist ein junger, noch unerfahrener Weißer, der bei den Indianern aufgewachsen ist. Er hat noch nie einen Menschen getötet und lehnt im Gegensatz zu den anderen männlichen Protagonisten sinnloses Töten von Tieren und Indianern komplett ab. Damit passt er natürlich nicht in die damalige Zeit, in der Prämien für Skalps von „Rothäuten“ jeglichen Alters an der Tagesordnung waren. Er will sich mit seinem Freund Chingachgook treffen um dessen Frau, die von Mitgliedern eines anderen Stammes entführt worden war, zu befreien. Bumppo ist unterwegs mit Henry March, einem unangenehmen Zeitgenossen. Sie treffen auf einen Fallensteller und Jäger, der mit seinen zwei Töchtern auf einer in einem See errichteten Hütte lebt.

Es kommt zu Auseinandersetzungen mit Angehörigen der Mingos, die – mit den Franzosen verbündet – englische Siedler*innen töten. Dabei spielt einerseits die jüngere Tochter eine Rolle, die etwas einfältig und sehr christlich geprägt alleine mit der Bibel unter dem Arm ihren Vater und Henry March befreien will. Sie steht wegen ihrer Unbedarftheit unter besonderem Schutz. Trotzdem sterben im Verlauf der Geschichte mehrere Personen auf beiden Seiten.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - page 18

Cooper und mit ihm Ramaïoli stellt Moral in den Mittelpunkt der Geschichte. Das Abschlachten wird verurteilt, die Ehre im Kampf, persönlicher Mut und das Halten eines Ehrenwortes dagegen in höchsten Tönen gelobt. Da diese Thematiken zeitlos sind, hat auch der Inhalt heute noch Bestand. Es wird dabei im Übrigen kein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht: Frauen und Männer können ehrenhaft und mutig sein.

Das Artwork

Die Geschichte ist zu lang, um sie auf 46 Seiten darzustellen. Es war daher ursprünglich eine Überlänge vereinbart worden. In dem mit abgedruckten Interview mit dem Künstler gibt es dazu eine nette Geschichte über die erste Veröffentlichung die sowohl um die ganzseitigen Illustrationen gekürzt worden war als auch mit 48 Seiten herausgebracht worden war. Die Käufer*innen würden eben umso neugieriger auf die Fortsetzung sein. Die „guten alten Zeiten“ waren eben nicht immer gut.

Ramaïoli zeichnet routiniert. Die Gesichter sind markant und haben einen hohen Wiedererkennungseffekt, die Landschaften sind detailliert und haben Tiefe. Obwohl das Ganze jetzt keine Begeisterungsstürme hervorruft, macht es Spaß die Geschichte zu lesen, vor allem in dem Wissen, dass es insgesamt 5 Bände sein werden. Man merkt den Zeichnungen an, dass sie auf einer soliden Recherche basieren. Und, dass es sich bei der Umsetzung dieser Romane um eine Herzensangelegenheit handelt und keineswegs um eine reine Auftragsarbeit.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - ExLibri
ExLibris der Vorzugsuasgabe

Feiner Traditions-Western

Die Erzählungen von Lederstrumpf sind weder Spät- noch Italowestern. Sie erzählen einfach vom Leben in der Wildnis, notwendigen kriegerischen Auseinandersetzungen aber auch von Freundschaften über sogenannte Grenzen hinweg. Wer das mag, wird sich hier gut aufgehoben fühlen. Das Tempo von Cooper ist gemächlich und vielleicht etwas zu langsam für die heutige Netflix-Generation.

Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit ExLibris. Beide Varianten enthalten neben einem Interview mit Georges Ramaïoli auch noch ein paar Illustrationen. Tipp für Western-Liebhaber*innnen!

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - Cover VZA
Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Dazu passen eine Best-of von Status Quo in Memoriam Alan Lancaster und ein starker Kaffee.

© der Abbildungen 2021 Georges Ramaïoli / All Verlag

Gaiman/Russell – Das Susan-Problem

Aus der Neil Gaiman Bibliothek

Story: P. Craig Russell und Paul Chadwick nach Neil Gaiman
Zeichnungen: 
P. Craig Russell, Scott Hampton und Paul Chadwick

Originaltitel: US – The Problem of Susan and other Stories

Dantes Verlag

Hardcover | 84 Seiten | Farbe | 20 € |

ISBN:  978-3-946952-65-7

Cover Gaiman/Russel - Das Susan-Problem

Neil Gaiman ist soviel mehr als Sandman oder American Gods und deshalb ist es gut, dass die Neil Gaiman Bibliothek auch auf Deutsch erscheint. Der Dantes Verlag hat es sich dabei vorgenommen, den Leser*innen nicht nur eine perfekt übersetzte Ausgabe zu bieten. Hier legt man Wert darauf, Anspielungen auf englischsprachige Wortspiele zu erklären, Hinweise auf Werke anderer Autor*innen zu erläutern und Beziehungen zu anderen Werken Gaimans aufzuzeigen.

Waren Kinderbücher eigentlich für Kinder?

In der Titelgeschichte Das Susan-Problem setzt P. Craig Russel eine Kurzgeschichte von Neil Gaiman um, in der es um eine Auseinandersetzung mit Narnia von C. S. Lewis geht. Im Original befinden sich mehrere Kinder immer wieder im Traumland von Narnia bis in der Mitte des letzten Bandes alle Geschwister bei einem Unglück sterben und endgültig in das Paradies überwechseln. Nur eine, Susan, muss überleben, weil sie zu stark an Lippenstift und Nylons interessiert war.

Gaiman/Russel - Das Susan-Problem page 3

Ob das wirklich so zu lesen ist oder auch anders interpretiert werden kann und welche Konnotationen sonst noch in der Serie versteckt sind, im Endeffekt also eine Mischung aus gesellschaftspolitischer und literaturtheoretischer Diskussion, ist der Gegenstand des Comics. Was auf den ersten Blick so scheint, als ob es nur für ein paar Nerds wäre, ist sehr spannend und bildgewaltig umgesetzt! Dabei wird auch deutlich, wie viele sexuelle Anspielungen in den Originalen enthalten sind.

Durch die ergänzenden Hinweise wird das Ganze auch für Leser*innen verständlich, die weder mit der damaligen Zeit noch mit den angesprochenen Büchern vertraut sind. Es ist also kein Vorwissen erforderlich, sondern nur der Wille, sich auf eine Reise einzulassen.

Auch das Gedicht Löckchen handelt von der Wandlungsfähigkeit von Geschichten. Während ein Vater seiner Tochter die Geschichte von „Goldilock“ und den drei Bären erzählt, fallen ihm sowohl die Wandlungen der Erzählung selbst ein als auch sein Verständnis und sein Rollenbild. Jeder Vater wird sich vermutlich hier wiederfinden. Auch diese Umsetzung erfolgte durch P. Craig Russell.

Gaiman/Russel - Das Susan-Problem page 4

Horror – ein fester Bestandteil des Erwachsenwerdens

Oktober im Sessel ist von Scott Hampton realistischer gezeichnet. Zwölf Erwachsene, die die Monate symbolisieren, sitzen in einer Runde, um Geschichten zu erzählen. Zunächst versucht September erfolglos eine bereits bekannte erneut zu präsentieren, Juni scheitert dagegen an der Dramaturgie. Schließlich darf Oktober ran, wenn auch Geschäftsordnungswidrigerweise.

Er erzählt von einem kleinen Jungen, gemobbt zunächst von seinen älteren Brüdern, dann auch in der Schule und von seinen enttäuschten Eltern. Der kleine Wicht überwindet sich schließlich und läuft von zuhause fort, davon träumend, dass man ihn vermissen möge. Er findet tatsächlich einen Freund, doch dieser ist anders als alles, was er bisher gesehen hat. Wohl kein Erwachsenwerden ist frei von Horror, manche haben dann aber doch eine XXL-Portion abbekommen. Nicht zu Unrecht ist die Story Ray Bradbury gewidmet!

Abschließend erfolgt erneut die grafische Umsetzung eines Gedichtes – Der Tag, an dem die fliegenden Untertassen kamen. Paul Chadwick, wie auch alle seine Mitstreiter, ist preisgekrönt. Während die Welt mehrfach untergeht, undenkbare Katastrophen passieren, kann doch ein kleiner privater Moment alles andere überlagern.

Gaiman/Russel - Das Susan-Problem page 5

Sowohl für Fans als auch für Einsteiger*innen

Glücklicherweise hat sich der Übersetzer Jens R. Nielsen nicht nur extrem viel Mühe mit seiner Arbeit gemacht, er lässt die Leser*innen auch mit seinen Interpretationen und Entscheidungen nicht allein. Einerseits wird das Lesevergnügen natürlich dadurch unterbrochen, dass man im Anhang nachschlägt, welches Detail wie zu verstehen ist. Es liefert aber zugleich auch eine ungemeine Steigerung der Rezeption. Gaiman ist außerordentlich belesen und versteckt ständig Bezüge auf Literatur, Geschichte oder Politik. Sicherlich mag es die Eine oder den Anderen geben, die alles sofort verstehen. Wer aber nicht zu dieser Ausnahme gehört, wird von den weitergehenden Hinweisen profitieren.

Die zwei Geschichten und zwei Gedichte machen Spaß, unterhalten und regen an. Die Zeichnungen – so unterschiedlich die Stile auch sind – passen zu den jeweiligen Stories und sind meines Erachtens keinesfalls austauschbar. Die Neil Gaiman Bibliothek von Dark Horse ist in Deutschland nicht komplett bei einem Verlag gelandet. Die bisherigen Bände aus dem Dantes Verlag lassen einen wünschen, dass das der Fall wäre! Alles richtig gemacht! Für alle, die ein bisschen mehr erwarten als 08/15.

Detail from Das Susan-Problem

Dazu passen Joy Division und ein Tropical Torpedo IPA.

Cover: ©2021 Dantes Verlag und Neil Gaiman; Illu. P. Craig Russell, Farben: Lovern Kindzierski.

Abbildungen aus der Story ‚Das Susan-Problem‘: ©2021 Dantes Verlag und Neil Gaiman; Szen. Neil Gaiman/P. Craig Russell, Illu. P. Craig Russell, Farben: Lovern Kindzierski

Vom Roman zur Graphic Novel

Veranstaltung mit Diskussion

Ort: Tschechisches Zentrum, Prinzregentenstr. 7, 80538 München

Wann: 4. August 2021 | 19:00

Eintritt frei!

Anmeldung unter ccmunich@czech.cz

Bildliche statt wortwörtlicher Übertragung: Im Rahmen der Reihe Übersetzerwelten / Übersetzte Welten lädt das Tschechische Zentrum München zu einer Diskussion über das „Übersetzen“ von Belletristik in Bildgeschichten ein.

Wie wandelt man eine Roman ­Vorlage in Comic ­Form um? Was gewinnt man dabei? Was geht womöglich verloren? Sind Comickünstler in solchen Fällen auch als Übersetzer anzusehen?

Mit eindrucksvollen Schwarz-­Weiß-­Zeichnungen und knappen Dialogen hat ein dreiköpfiges Team den Geist von David Jan Žáks historischen Roman Návrat krále Šumavy (dt. „Die Rückkehr des Königs des Böhmerwaldes“) gekonnt als Graphic Novel wiedergegeben. Die abenteuerliche, fast krimiartige Geschichte spielt in den späten 1940er Jahren – nach der kommunistischen Machtergreifung in der Tschechoslowakei, aber noch bevor Stacheldraht das Land von seinen westlichen Nachbarn trennte. Im Mittelpunkt steht Josef Hasil, ein Polizist aus Südböhmen, der zum Fluchthelfer wurde und Dutzenden seiner Mitbürger*innen den Weg durch den Böhmerwald nach Westen zeigte.

Zwei der Schöpfer der dreibändigen Adaption werden am 4. August 2021 mit der Münchner Literaturwissenschaftlerin und Comic­-Expertin Meike Fischer im Tschechischen Zentrum diskutierten. Karel Osoha (*1991) ist einer der bekanntesten tschechischen Illustratoren und Comickünstler. Für sein Werk Češi 1948: Jak se KSČ chopila moci („Tschechen 1948 – Wie die KSČ die Macht ergriff“ gewann er den Muriel­Preis 2017 für die beste Zeichnung. Ondřej Kavalír (*1980) ist Drehbuchautor, Dramaturg, Redakteur und Übersetzer. Er beteiligte sich am Film Alois Nebel, welcher 2012 den Europäischen Filmpreis in der Kategorie Bester Animationsfilm gewann. Seine tschechische Übersetzung des Comics Rudo gewann 2015 den Muriel­Preis.

Ein Besuch der Veranstaltung ist nur nach vorheriger Anmeldung per E­Mail unter Beachtung der geltenden Hygieneregeln möglich.

Bild: © K. Osoha, O. Kavalír, V. Mašek, Návrat Krále Šumavy – Na čáře, Labyrint 2018

Vernes/Vance – Bob Morane 9

Guerilla in Tumbaga

Story: Henri Vernes 
Zeichnungen: William Vance

Originaltitel: Bob Morane 19 – Guérilla à Tumbaga

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-96804-048-6

Vernes/Vance - Bob Morane 9 Cover

Henri Vernes ist nach Georges Simenon der zweiterfolgreichste belgische Schriftsteller. Viele seiner Krimis/Thriller mit dem Helden Bob Morane sind allerdings nicht nur in Buchform erschienen, sondern auch als Comic. Der All Verlag hat nun begonnen, alle 19 von William Vance gezeichneten Bände erstmals komplett und in richtiger Reihenfolge zu veröffentlichen.

Nachtrag: Henri Vernes ist leider am 25.7. diesen Jahres im Alter von 103 Jahren verstorben.

Rebellen in der Karibik

Tumbaga ist ein fiktiver karibischer Inselstaat. Obwohl es also die Nachbarschaft wirklich gibt und damit auch gewisse weltpolitische Rahmenbedingungen, lassen sich die Akteure der Guerilla in Tumbaga nicht wiederfinden. Das bedeutet einerseits eine gewisse künstlerische Freiheit, da Essenzen von diktatorischen Staaten, Demokratien, Korruption und Befreiungsbewegungen gezeigt werden können, die es in dieser spezifischen Kombination vielleicht niemals gegeben hat. Sie erspart aber auch – wie im Nachwort von Bernd Weckwert ausgeführt – diplomatischen Ärger mit Staaten oder Organisationen.

Bob Morane 9 page 28

Bob Morane und sein ständiger Begleiter Bill Ballantine erleiden während eines Sturms Schiffbruch, werden aber von einem Frachter gerettet. Spätestens nach einer dramatischen Flucht vor zwei Patrouillenbooten wird klar, dass die geheime Ladung illegal sein muss. Zwar gelingt es, diesen zu entkommen, aber die beiden Helden müssen schnell feststellen, dass sie zwischen allen Fronten stehen. Guerilleros, Militärs und Nachbarregimes sind beteiligt.

Vernes schafft eine spannende Geschichte im Spannungsfeld einer halbwegs demokratischen Regierung mit autoritären Nachbarn und Aufständischen. Er spielt dabei mit Gegensätzen von Macht und Ohnmacht, Unterdrückung und Freiheit sowie Zukunft und Perspektivlosigkeit. Was als billige Schwarz-Weiß-Projektion enden könnte, wird aber wesentlich subtiler dargestellt und gewinnt durch die Grautöne, die zum Hinterfragen einladen.

Bob Morane 9 page 30

Realistische Zeichnungen

Viele Geschichten aus der damaligen Zeit sind geprägt von sehr realistischen Zeichnungen und einem neuen Verständnis von Gewaltdarstellungen. Bruno Brazil, Andy Morgan oder Comanche haben den Mainstream-Comic erwachsener gemacht während gleichzeitig neue Künstler*innen das Genre in verschiedene Richtungen ausgedehnt haben. William Vance geht hier nicht so weit wie bei seinem weißhaarigen Agenten, bietet aber sehr realistische Zeichnungen in einem klassischen Streifenlayout.

Da die Geschichten um Bob Morane alle für das Frauenmagazin Femmes d´Aujourd´hui gedacht waren, wollte Vance 1971 vermutlich auch noch nicht zu weit gehen. Sein vom Zeitungsstrip geprägter Stil ist sehr figurensicher und schafft über Schraffuren sowohl Tiefe als auch Stimmung. Auch nach 50 Jahren immer noch ein Genuss!

Bob Morane 9 page 34

Deutsche Erstveröffentlichung

Man sollte es kaum glauben, aber es gibt noch Werke von einem so bekannten Zeichner aus einer zudem erfolgreichen Reihe, die es bisher nicht nach Deutschland geschafft hatten. Guerilla in Tumbaga ist ein solcher Fall! Für die mit diesem Stil aufgewachsene Generation ZACK also fast schon ein Must Have, zumal Ansgar Lüttgenau auch wieder auf eine komplette Reihe in einheitlichem Design setzt.

Hardcover, editorielle Begleittexte und bibliographische Angaben ergänzen das Konzept. Für Sammler*innen gibt es dazu natürlich wieder eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit (ebenfalls limitiertem) ExLibris. Wie auch bei anderen Reihen des Verlages startet man an zwei Stellen gleichzeitig und erlaubt damit auch einen besseren Vergleich des jungen und des reiferen Künstlers. Die aktuelle Bob Morane Inkarnation findet sich übrigens im ZACK und bei Splitter.

Vernes/Vance - Bob Morane 9 ExLibris VZA
ExLibris der Vorzugsausgabe

Dazu passen ein Bitter Lemon und Citizen Fish mit „Better“.

© der Abbildungen Èditions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) 1974 by Vernes, Vance, All Verlag 2021

Headline/ Civiello – Conan der Cimmerier 11

Der Gott in der Schale

Story: Doug Headline nach Robert E. Howard
Zeichnungen: Emmanuel Civiello

Originaltitel: CONAN LE CIMMÉRIEN – LE DIEU DANS LE SARCOPHAGE

Splitter Verlag

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 16,00 € | 
ISBN: 978-3-96219-211-2

Conan der Cimmerier 11 Cover

Conan ist aktuell immer noch hoch im Kurs. Während Marvel sich von den USA aus um neue Abenteuer kümmert, sind für Europa einige Schutzrechte an den Originalstories von Robert E. Howard ausgelaufen. Dementsprechend erscheint eine Konzeptserie mit dem Cimmerier von hochklassigen europäischen Teams und ihren Interpretationen.

Black Lives Matter

Conan wird von einem Unbekannten beauftragt, in ein bestimmtes Gebäude einzubrechen. Er soll dort an einer genau beschriebenen Stelle etwas aus einem Geheimversteck entwenden. Er schafft es zwar, unbemerkt in das Gebäude hineinzukommen, wird aber innerhalb entdeckt. Da er eindeutig als Fremder zu erkennen ist – er hat eine deutlich dunklere Hautfarbe, ist als Barbar und Krieger aus dem Norden zu erkennen und er gehört nicht zur Oberschicht – wird ihm sofort ein Mord angehängt. Zwar beteuert er seine Unschuld, die Sicherheitskräfte glauben ihm aber kein Wort, denn wer sollte es sonst gewesen sein.

Conan der Cimmerier 11 detail page 3

Zwar gibt es einen, der diese einfache Lösung nicht ohne Weiteres schlucken möchte, aber zunächst stehen sich die Parteien unversöhnlich gegenüber. Nach kurzer Zeit stoßen noch andere Bedienstete dazu. Quasi sofort beginnt die Folter eines weiteren armen Tropfes um Informationen aus ihm herauszupressen. Langsam stellt sich heraus, dass der nun tote Besitzer des Anwesens ein Heiligtum einer alten Religion in seinen Besitz gebracht hat. Vielleicht wollte er es öffnen. Sollte es mehr als nur einen Fall zu lösen geben?

Doug Headline erzählt die dritte Conan-Story von Howard sehr nah am Original. Er nimmt sich viel Zeit, um die Brutalität und Übermacht der Ordnungskräfte darzustellen. Dabei ist es nicht einmal nur die körperliche Gewalt, die spürbare Verachtung und das Gefühl der eigenen Unantastbarkeit sind viel schlimmer. Conan auf der anderen Seite macht sehr deutlich, dass er der Stärkere sein würde. Er legt aber auf einen Kampf keinen Wert, er will nur in Ruhe gelassen werden.

Conan der Cimmerier 11 detail page 4

Sehr detailreiche „Gemälde“

Die einzelnen Panels der Geschichte sind von Emmanuel Civiello wie eine Anzahl kleiner Gemälde ausgeführt. Die landschaftlichen Totalen wirken fast wie alte Ölgemälde, die Zoom-Ins lassen anhand der dargestellten Personen dann doch einen neueren Ursprung vermuten. Natürlich ist der Kämpfer aus dem Norden auch als solcher dargestellt: Muskelstränge zeichnen sich unter dunklerer Haut ab. Die Anführer der Wache und der Sicherheitskräfte als auch das Opfer sind dagegen verweichlichte und aufgequollene Männer. Ihnen tropft die Dekadenz aus jeder Pore.

Es ist unschwer zu erkennen, wo die Sympathien des Kreativteams liegen. Auch die Angst auf den Gesichtern als langsam auch dem Unwilligsten klar wird, dass der Mörder nicht in Gestalt des Barbaren bereits gefasst worden ist, ist auf diese leicht verfremdete Art gut gelungen. Durch das kreative und flexible Layout werden Träume, Emotionen und Befürchtungen Bestandteil der Erzählung und das Ganze kommt aus einem Guss daher. Und schließlich ist Civiello auch gut darin, die schrecklichen göttlichen Symbole darzustellen!

Conan der Cimmerier 11 detail page 5

Die Empfehlung

Fast immer macht es Spaß, diese Interpretationen der originalen Conan-Stories zu betrachten. Es handelt sich in gewisser Weise natürlich jedes Mal um Eskapismus, manchmal bieten die damals aktuellen Hintergründe aber auch heute noch Anknüpfungspunkte. Zum Glück werden die Umsetzungen immer von einem Essay über das Werk begleitet und so ist klar, dass tatsächlich Polizeigewalt gegen Schwarze die Basis bildete. Leider ist dieses Thema heute noch genauso aktuell.

Man muss die Handlungen Conans aber nicht politisch überladen, sondern kann sie auch einfach als Geschichte eines Mannes lesen, der in Ruhe gelassen werden möchte und stark genug ist, dass auch durchzusetzen. Oder aber auch einfach nur als nettes Sword & Sorcery-Abenteuer lesen, vielleicht sogar auch nur als Idee für den nächsten Rollenspielabend nehmen. Als das funktioniert gut mit diesem Hardcover in bekannter Splitter-Qualität!

Conan der Cimmerier 11 detail page 11

Dazu ein kräftiger Rotwein und ein wenig Exploited.

© der Abbildungen © ÉDITIONS GLÉNAT 2020 by Doug Headline & Emmanuel Civiello d’après l’oeuvre de Robert E. Howard, Splitter Verlag GmbH & Co KG, 2021

Vernes/Vance – Bob Morane 1

Die Atom-Schmuggler

Story: Henri Vernes 
Zeichnungen: William Vance

Originaltitel: Bob Morane 18 – Les contrebandiers de l´atome

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € | 
ISBN: 978-3-96804-046-2

Vernes/Vance Bob Morane 1 Cover

207 Bücher und 32 Erzählungen hat der Belgier Henri Vernes über seinen Helden Bob Morane verfasst, er war damit der zweiterfolgreichste belgische Schriftsteller! Zwar sind nicht alle Werke auch als Comic erschienen, achtzehn davon hat aber William Van Cutsem a.k.a. William Vance zwischen 1968 und 1979 gezeichnet. Diese sind im Original in verschiedenen Publikationen erschienen und waren zunächst in wilder Reihenfolge als Alben erschienen. Die aktuelle Gesamtausgabe in Einzelbänden folgt der Reihenfolge der Entstehung und startet mit dem ältesten Abenteuer aus dem Jahr 1968.

Ein Thriller für eine Frauenzeitschrift

Vernes/Vance Bob Morane 1 page 14

Femmes d´Aujourd´hui war eine belgische Frauenzeitschrift, die auch in Nordfrankreich vertrieben wurde. Fester Bestandteil dieses Magazins war ein Comicteil und Bob Morane von Vernes hatte bereits eine längere Geschichte hinter sich als der Zeichner Gérald Forton plötzlich verschwand. Vance erhielt nicht nur die Möglichkeit, die laufende Episode fortzusetzen, er durfte auch fortan die weiteren Abenteuer zeichnen und die Atom-Schmuggler war sein erstes.

Der Held und sein Sidekick Bill Ballantine müssen mit ihrem Sportflugzeug notlanden und geraten in Brasilien zwischen die Fronten zweier Organisationen. Um zu überleben müssen sie sich auf einen Job als Piloten einlassen. Ihnen ist allerdings klar, dass es sich um illegale Fracht handelt und ihr Leben an einem seidenen Faden hängt.

Bob Morane 1 page 17

Funfact am Rande: Die hier abgedruckte Version unterscheidet sich in ein paar durchaus wesentlichen Details von der Magazin-Version: Einerseits wurden für das Album 1974 ein paar Panels überarbeitet und etwa zu moderne Flugzeuge gegen etwas ältere ausgetauscht, andererseits wurde der Bösewicht durch eine Serienfeindin ersetzt. Miss Ylang Ylang und der Serienheld Bob hatten eine spannungsgeladene Beziehung, die sich hier allerdings nicht wiederfinden lässt, da der Text unverändert blieb.

Zwei Thriller-Serien zur gleichen Zeit

Vance wird Ende der 60-er Jahre sicherlich einer der besten und innovativsten Zeichner von Thrillern modernen Typs. Kurz bevor er hier übernimmt hatte er gerade Bruno Brazil gestartet, allerdings noch nicht auf das endgültige Level gehoben. Zeitgleich und mit ähnlichem Sujet verwundert es daher wohl nicht, dass einige Personen durchaus in der einen oder anderen Serie hätten platziert werden können bzw. leichte Erinnerungen an eine andere Person hervorrufen.

Das Layout der Seiten ist traditionell, grafische Überraschungen werden erst noch kommen. Vance zeigt aber schon seine Meisterschaft im Ausschnitt und wechselt von dem formatfüllenden Gesicht auf eine actiongeladene Luftkampftotale. Und der Dschungel sowie die Szenen im Regen allein sind es schon wert, hier einen Blick zu riskieren!

Vernes/Vance Bob Morane 1 page 24

Eine weitere ZACK-Klassik-Perle im All Verlag

Der All Verlag entwickelt sich mit großen Schritten zu einer der Anlaufstellen für die Generation ZACK. Auch Bob Morane hatte seine Auftritte zu den Koralle-Zeiten gehabt und so ist es nur folgerichtig, neben der Serie um den weißhaarigen Geheimagenten auch diesen Thriller hier zu bringen. Um die Wartezeit bis zur Nummer 18 nicht zu lang erscheinen zu lassen wird auch hier zweigleisig gefahren; neben der 1 ist auch die 9 bereits erschienen und die weiteren Bände werden jeweils folgen.

Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit Schutzumschlag und ExLibris, aber auch die reguläre kommt bereits als Hardcover mit einem editoriellen Extrateil daher. Fotos, Informationen zu Änderungen zwischen den Versionen und natürlich viele Informationen runden den Genuss vortrefflich ab.

Vernes/Vance Bob Morane 1 Ex LiBris
ExLibris der limitierten Vorzugsausgabe

Dazu passen ein kühles IPA, bevorzugt mit Citra gehopft, und Mod aus den 60-ern: The Young Rascals!

© der Abbildungen Èditions du Lombard (Dargaud-Lombard S.A.) 1974 by Vernes, Vance, All Verlag 2021

Krapp – Der Krieg der Welten

von H. G. Wells

Story: Thilo Krapp nach H. G. Wells
Zeichnungen: Thilo Krapp

Originaltitel: La Guerre des mondes

Carlsen Verlag
Softcover | 136 Seiten | Farbe | 18 €
ISBN: 978-3-551-78169-7

Cover Krapp Krieg der Welten

Der Krieg der Welten von Herbert George Wells ist eine der wenigen Science-Fiction-Stories, die fast jede*r kennt. Sie spielt 1898, das technische Verständnis der Menschen war noch gering und auch das Equipment. Eineinhalb Generation später verängstigte ein Namensvetter des Autors, Orson Welles, eine ganze Nation an den Radiogeräten mit einer Hörspielfassung. Dazu kommen unzählige andere Adaptionen.

Der Horror aus dem All

Heutzutage fliegen von Menschenhand gemachte kleine Flugmaschinen auf dem Mars herum, begleitet von einem autonomen Fahrzeug. Vor 130 Jahren war die Vorstellung noch eine ganz andere. Wie selbstverständlich ging man davon aus, dass der Mars von Wesen bewohnt sein könnte. Nicht von Mikroben, sondern von intelligenten Wesen, fähig zur Raumfahrt und somit den Erdenwesen weit überlegen.

Detail aus Krapp Krieg der Welten 1

Das ist die Grundidee dieser Geschichte: Raketen vom Mars landen auf der Erde und haben Wesen an Bord die der Erdbevölkerung gegenüber feindlich eingestellt sind. Eine Verständigung scheint nicht möglich und die Maschinen verbreiten Tod und Zerstörung. Der Protagonist wird Zeuge der ersten Landung, sieht seinen Freund sterben und bringt seine Frau in vermeintliche Sicherheit.

Inmitten der Zerstörung findet er immer wieder Begleiter*innen und wird Zeuge aller möglichen Strategien von Flucht über das Verstecken bis zum Gegenangriff. Das Ganze wird natürlich dadurch verschärft, dass der Verkehr im Wesentlichen mit Pferden als Zugtieren auskommen muss, elektronische Kommunikation nicht vorhanden ist und auch die Waffentechnologie in den Kinderschuhen steckt.

Detail aus Krapp Krieg der Welten 2

Zeitgetreue Umsetzung

Thilo Krapp hat jahrelang an diesem Werk gearbeitet und sich viel Mühe gegeben, die Stimmung der Zeit, Kleidung und Architektur in sich aufzunehmen. Dadurch ist er in der Lage, das auch wieder abzuspulen und eine glaubwürdige Umsetzung anzubieten. Und vor allem stimmen nicht nur das menschliche Dekors, auch die Maschinen der Außerirdischen sind zwar den Menschen unendlich überlegen, aber eben auch dem damaligen Vorstellungsvermögen entsprechend ausgestattet. Sie haben sichtbare Gelenke und Tentakeln gleichende Greifarme.

Detail aus Krapp Krieg der Welten 3

Dadurch wirkt es auch glaubwürdig, dass teilweise tatsächlich eine Kampfeinheit zerstört werden kann. Eine Popcornkino-artige Hightech-Waffe der Außerirdischen würde in diesem Setting nur albern wirken. Krapp konzentriert sich aber sowieso nicht so sehr auf die Gewalt, die mehr als Rahmenbedingung geschildert wird. Ihm geht es um die Darstellung der Emotionen: Angst, Verzweiflung aber eben auch Sorge und Mitgefühl.

Gelungene Graphic Novel!

Wegen der zeitangemessenen Darstellung und der werkgetreuen Interpretation inklusive der Konzentration auf die inneren Konflikte eine glatte 1. Die Stimmung lässt sich nachempfinden, die englische Landschaft lädt dazu ein, am Horizont die Gefahr dräuen zu sehen und die Figuren sind glaubwürdig!

Im Anhang gibt es noch ein paar Skizzen und Vorzeichnungen für die Fans des in Berlin lebenden Künstlers! Tipp für die Freund*innen der klassischen „Phantastischen Literatur“, der gut erzählten Geschichte und des Englands von vor 130 Jahren.

Detail aus Krapp Krieg der Welten 4

Dazu passt natürlich am Besten eine ganz andere Interpretation des „War of the Worlds“, nämlich die von Jeff Wayne. Und ein kleines Gläschen Port.

© der Abbildungen Jungle! 2020, Carlsen Verlag GmbH 2021

Conan der Cimmerier 9

Die Menschenfresser von Zamboula

Story: Gess nach Robert E. Howard
Zeichnungen: 
Gess

Originaltitel: Les Mangeurs d`Hommes de Zamboula

Splitter Verlag

Hardcover Überformat | 56 Seiten | Farbe | 16,00 €

ISBN: 978-3-96219-210-5

Cover Gess Conan der Cimmerier 9

Conan ist ein Held des Pulp-Zeitalters: Literatur, die eine schnelle Flucht aus dem erdrückenden Alltag ermöglicht. Klare Helden, böse Gegner, heroische Settings und gerne ein bisschen Erotik, Grusel und Schauer! In der Serie Conan der Cimmerier dürfen sich jeweils neue frankobelgische Künstler*innen oder Teams an einer klassischen Story von Robert E. Howard versuchen.

Fremde in der Stadt

Schon immer war es nicht leicht, als Fremder in eine Stadt zu kommen. Zu ungewohnt waren die spezifischen Bräuche, die angebeteten Götter und die Machtverhältnisse. Und oft wurden diese Fremden auch in Schenken oder Gasthäusern ausgenommen und konnten froh sein, mit dem Leben davonzukommen. Das ist auch das Grundmotiv der Menschenfresser von Zamboula. Es geht das Gerücht, dass Fremde aus eben jener Herberge, die Conan genommen hat, spurlos verschwinden. Und es heißt ebenfalls, dass Dämonen dahinterstecken.

Conan der Cimmerier 9 detail page 3

Tatsächlich gerät unser Schwertkämpfer an einen Menschenfresser, aber auch an eine nackte Frau, die eine wirre Geschichte erzählt. In verschiedenen Versionen geht es darum, dass ihr Liebhaber durch einen Trank verrückt geworden sei und Conan ihn nun überwältigen müsse. Zudem soll er ihr helfen, ein Gegenmittel zu besorgen. Natürlich steckt mehr dahinter und die Leser*innen werden Dämonen, Vampire und Herrscher*innen sehen.

Die Story

Im Nachwort ordnet Patrice Louinet die Geschichte in das Werk von Howard ein: Er hatte gerade ein paar anspruchsvollere Conan-Stories verfasst die allerdings von Weird Tales, seinem bevorzugten Pulp-Magazin, abgelehnt worden waren. Es war mehr Erotik, mehr Horror und mehr Einfachheit gefragt und Howard lieferte. Die „Menschenfresser“ haben einen platten, widersprüchlichen Inhalt voll von rassistischen Konnotationen und kaum eine Erklärung dafür, warum die weibliche Hauptrolle fast die komplette Story nackt verbringen muss.

Conan 9 detail page 4

Aus diesem Grundgerüst macht Gess eine akzeptable Geschichte. Natürlich kann er weder die Widersprüche beseitigen noch die Vorgabe der Nacktheit ignorieren. Er stellt diese aber soweit möglich in den Hintergrund, schützt sozusagen die Darstellerin und ignoriert, ja konterkariert somit die voyeuristische Vorgabe. Die Heldin wird somit eine zwar seltsame, aber starke und eigenständige Persönlichkeit.

Die Zeichnungen

Ein Reiz an dieser Reihe ist die unterschiedliche Interpretation des Helden. Der Conan von Gess ist ein Muskelpaket, in seinen Proportionen aber noch natürlich. Die ebenfalls mitspielenden übernatürlichen Wesen sind deutlich übertriebener im Körperbau und bestätigen damit die Menschlichkeit des Helden. Auch die dargestellten Frauen sind nicht Barbie-like, sondern eher natürlich und respektvoll gezeichnet. Die Gesichter gelingen dagegen nicht immer und hätten in manchen Panels der Nachbearbeitung bedurft. Immerhin traut sich Gess des Öfteren, seitenweise auf Text zu verzichten!

Conan 9 detail page 12

Wirklich gut gelungen sind die Szenen in denen Conan gegen den Dämon und seine Illusionen kämpft und in denen die Architektur der Stadt Zamboula im Vordergrund steht! Die Menschenfresser müssen dagegen fast schon als inakzeptabel bezeichnet werden. Natürlich muss sich Gess in gewisser Weise an die Vorlage halten, hier wird aber zu stark mit rassistischen Vorurteilen gearbeitet.

Die Wertung

Der Reiz der Serie ist die Abwechslung in der Interpretation klassischer, originaler Geschichten. Die Umsetzenden müssen einerseits den Ton der damaligen Zeit und von Robert E. Howard treffen, andererseits eine moderne, heute lesbare Version erschaffen. Gess trifft den Ton gut. Er hat sich dabei für die Annahme entschieden, dass Howard die Stereotypen übertrieben hat, um auf seine Weise Kritik daran auszudrücken. Dadurch ist es ihm möglich, ein paar der Übertreibungen zurückzunehmen. Leider hat er sich dabei auf das Frauenbild konzentriert und alles andere ignoriert.

Conan der Cimmerier 9 detail page 51

Für Fans des Originals – und davon gibt es nicht wenige – eine gelungene Umsetzung! Die Aufmachung mit Skizzen und dem Essay im Anhang ist natürlich wie immer vorbildlich! Als Tipp zum Schluss: Viele schauen sich die letzte Seite als erstes an – in diesem Fall sollte das unbedingt unterbleiben.

Dazu passen The Pixies und ein Rotbier!

© der Abbildungen ÉDITIONS GLÉNAT 2020 CONAN LE CIMMÉRIEN – LES MANGEURS D‘HOMMES DE ZAMBOULA / Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2020

ZEBRA-Sonderband 24

Druckwerke sind bei uns unverzichtbar

Text und Zeichnungen: Rudolph Perez und Georg K. Berres

ZEBRA (GoGer (at) web.de)

Heft | 56 Seiten | s/w | 7,00 € |

Cover ZEBRA Sonderband 24

Die Independent-Comic-Szene in Deutschland ist gar nicht mal so klein. Und vor allem ist auch der Output trotz Corona und allem weiterhin stetig. Nur die Möglichkeiten in Shops, auf Messen und Veranstaltungen darauf aufmerksam zu machen sind doch deutlich geringer geworden. Gerne nehme ich hier also die Gelegenheit war, auf das eine oder andere hinzuweisen!

ZEBRA – nicht nur ein schwarz-weißes Tier

Detail from ZEBRA Sonderband 24

ZEBRA betitelt sich selbst als „das anspruchsvolle deutsche Comic-Magazin“ und wurde von den Zeichnern und Autoren Georg K. Berres, Bill GoGer, Ludwig Kreutzner und Rudolph Perez chon vor langer Zeit gegründet und seitdem betreut. Natürlich haben auch viele andere an den bisherigen Ausgaben mitgewirkt. Das Magazin ist in Köln beheimatet und versorgt die Republik mit Newslettern, Zeitschriften und Sonderbänden.

Aktuell ist der Sonderband 24 mit dem Titel Druckwerke sind bei uns unverzichtbar! Der Band versammelt Werke von Rudolph Perez und Georg K. Berres zu geprinteten Medien, Schriftsteller*innen, unveröffentlichten Entwürfen oder Ideen zu Logos, Anzeigen und vielem mehr!

Detail 2 from ZEBRA Sonderband 24

Von einfachen Wortspielen zur hohen Literatur

Meistens bestehen die Inhalte aus einem Bild und bringen den gewünschten Inhalt sehr pointiert dar, es gibt aber auch Bildfolgen und Texte. Allen gemein ist die Lust am Blödeln! Manchmal bleibt einem beim Lesen allerdings das Lachen auch im Hals stecken und dann ist die Karikatur eben nur vordergründig lustig.

Die ZEBRAS verstehen ihren Sonderband im Übrigen auch als ein Zeichen dafür, dass die Digitalisierung die analogen Medien noch lange nicht getötet hätte und reklamieren für die Ergebnisse des Auge des Künstlers eben jene Unverzichtbarkeit! Lesenswert, wenn auch teilweise von unterschiedlicher Qualität! Das ist allerdings wahrscheinlich Geschmackssache und so wird jede*r andere Sachen lieben! Ihr findet die ZEBRAS im Übrigen auch auf facebook.

Detail 3 from ZEBRA Sonderband 24

Dazu passen “Sunday Papers” von Joe Jackson und der Cocktail von Seite 29 unten.

© der Abbildungen 2020 Rudolph Perez und Georg K. Berres

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