Fraction/Dodson – Adventureman 2

Ein Märchen in New York

Story: Matt Fraction
Zeichnungen: 
Terry Dodson

Originaltitel: Adventureman Vol. 2

Splitter Verlag

book | 168 Seiten | Farbe | 25,00 € | 
ISBN: 978-3-96792-110-6

Cpver Adventureman 2

Schrill, schräg, lustig! Mit diesen drei Adjektiven wäre der Inhalt dieses Werkes schon mal ganz gut angerissen. Dazu kommt noch die Lust am Fabulieren und die Verbeugung vor den guten Seiten des Pulps, die fast auf jeder Seite zu spüren sind. Dabei herausgekommen ist eine wilde Mixtur aus heutigem, technisiertem Großstadtleben und Oldtimern mit aus Tommie-Guns feuernden Anzugträgern.

Geister-Schurken und Cowboys

Im ersten Band hatten wir uns schon daran gewöhnen müssen, dass klassische Trennlinien von dem Team um Adventureman nicht ernst genommen werden. Grenzen zwischen Realität und Literatur, Gegenwart und Vergangenheit, Geschlechterzuordnungen wurden einfach ignoriert. Vieles davon ist mittlerweile bekannt und muss nicht mehr eingeführt werden, die Story kann also ohne Umschweife beginnen.

Detail Adventureman 2 page 7

Den Anfang macht ein Teil (Heft 5 der Originalserie), der irgendwie dazwischen steht und den Kampf zwischen Chaos und Überleben zum Inhalt hat. Nette Ideen, aber nicht überwältigend. Ab Teil 6 wird dann aufgedreht, als Crossdraw Kid seinen ersten Auftritt hat. Dazu kommen geisterhafte Erscheinungen, die ihren Ursprung in einer stillgelegten Metro-Station zu haben scheinen.

Im Anhang erklärt Matt Fraction den Prozess von der ersten Idee hin zu dem fertigen Comic und wirft einige der Fragen auf, die ihn (und die Dodsons) beschäftigt haben. Dazu gehört unter anderem die Frage, wie man denn Geister „bekämpfen“ kann, sind sie doch logischerweise mit einem Fausthieb nicht wirklich zu beeindrucken. Völlig überdrehte Action, die erneut alle Grenzen überschreitet.

Ein gedruckter Film

Die Geschichte läuft fast ab wie in einer Achterbahnfahrt, die gleichzeitig einen Kinofilm präsentiert. Die Bilder sind voll mit Perspektivwechseln, harten Schnitten und Bewegungsabläufen. Natürlich bewegt man sich nicht wirklich (und muss nebenbei auch noch umblättern), das Tempo ist aber entsprechend. Viele der Details habe ich erst beim zweiten Lesen wahrgenommen, um zunächst den Ablauf nicht zu unterbrechen.

Detail Adventureman 2 page 8

Glücklicherweise verhält sich der Comic wie eine Miniserie, die zwar einen Cliffhanger-Moment hat, gleichzeitig aber auch die Möglichkeit einer Pause bietet. Wer kann, sollte aber durch-bingen! Der semi-realistische Stil in teilweise pastelligen Kaugummifarben schafft eine ganz eigenartige Stimmung, die von den semi-realistischen Zeichnungen unterstützt wird. Was man auf jeden Fall nicht machen sollte, ist zwischendurch nachzudenken. Logik spielt in dieser Serie keine große Rolle.

Ablenkung pur

Pulps waren die Literaturgattung, die den Leser*innen zu ihrer Zeit die beste Möglichkeit des Abschaltens geboten haben. Heute sind bewegte Bilder das Mittel der Wahl. Adventureman bringt ein paar dieser Elemente spielerisch zurück ohne dabei die Klischees, insbesondere in Richtung Sexismus zu bedienen. Wer sich darauf einlassen kann ist hier perfekt aufgehoben!

Detail Adventureman 2 page 10

Wer dagegen die Ernsthaftigkeit eines Batmans oder die philosophischen Fragen eines Spider-Man braucht, ist hier falsch. Das Credo dieser Serie ist schräger und abgedrehter Spaß, der trotzdem gleichzeitig einige Klischees hinterfragt und eben nicht die Wiederholung des Altbekannten ist. Die Präsentation im Hardcover mit den Skizzen aus der Werkstatt ist optimal und bietet extra Vergnügen aufgrund der detaillierten Schilderungen (und Bebilderungen!).

Dazu passen Wir sind Helden mit dem offiziellen Video zu „Von hier an blind“ (naja, passend ist vielleicht nicht richtig, aber schön ist es doch) und ein Whiskey Sour.

© der Abbildungen 2022 Milkfed Criminal Masterminds, Inc. and Terry Dodson/ Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023

Chauvel/Pion – Sigrid 1

In diesem unbekannten Land

Story: David Chauvel
Zeichnungen: 
Patrick Pion
Originaltitel: 
Sur cette Terre Inconnue

Splitter Verlag

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 17,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-038-9

Sigrid 1 Cover

Spätestens seit dem Erfolg von Vikings sind die rauen Bewohner*innen des Nordens wieder ein Thema, auch im Comic. Und auch die Überfahrten in den nicht soo großen Schiffen, Drakkar genannt, über das stürmische Wasser mit den entsprechenden Unbillen haben sich von romantischen Vorstellungen früherer Erzählungen mittlerweile weit entfernt. Ebenfalls bekannt sein dürfte, dass Männer und Frauen auf diesen Schiffen waren und an Kriegshandlungen teilnahmen, weil sie die Tätigkeiten ausführen konnten! Ein Abenteuer, dass eine Frau als Heldin hat, sollte also alles andere als eine Besonderheit sein!

Die große Überfahrt

In diesem unbekannten Land beginnt mit einem vor der Küste gestrandeten Schiff. Ein Mitglied der First Nations untersucht seine Entdeckung und findet schließlich eine schwer verletzte Frau an Bord. Sigrid, so ihr Name, war mit einem Trupp gleichgesinnter rund zwei Wochen zuvor in Grönland aufgebrochen um ihr Glück an einer neuen Küste zu suchen. Den Beteiligten war klar, dass eventuell nicht alle die Reise überstehen oder in dem neuen Land möglicherweise sterben würden. Sie waren aber nicht davon ausgegangen, dass während der Überfahrt fast die gesamte Besatzung eines sehr schmerzhaften Todes sterben würde.

Sigrid 1 page 3

Es stellt sich heraus, dass auch ein Mann die Reise überlebt hat. Dieser hatte persönliche Gründe für die Überfahrt geltend gemacht, dabei allerdings seine Pläne verschwiegen. Er überlebt nicht nur, sondern trifft auch auf andere Nordmänner, die sich mit ihm zusammen auf die Suche nach dem Schiff machen.

Sigrid dagegen wird von Gotheyet, ihrem Finder, nicht nur merkwürdig beäugt. Sie imponiert dem Einheimischen auch. Sie schaffen es aber zunächst nicht, ihre Sprachbarriere zu überwinden. David Chauvel kombiniert hier typische Versatzstücke einer Schiffbruchsstory mit Wikinger-Motiven und einem Ego-Trip. Dabei vergisst er nicht, der großartigen Natur ihren Raum zu lassen. Der Cliffhanger macht Lust auf mehr!

Sigrid 1 page 5

Raues Land, raue Zeiten, raue Zeichnungen

Die grandiose Natur Neufundlands ist ein weiterer Held dieser Erzählung! Patrick Pion, bekannt etwa von Young Justice, idealisiert diese nicht, sondern gibt mit seinem kantigen Stil der rauen Unberührtheit Raum. Dieser Stil passt auch zu den leicht ungepflegten Wikingern, ihren Kämpfen und ihrem Sozialleben. Zum Glück widersteht er auch der Versuchung, den Einheimischen als „Edlen Wilden“ darzustellen.

Die Darstellung von Sigrid schwankt ein wenig. Manchmal sieht die Figur zu jung aus, meistens passt es aber gut. Das im Wesentlichen streifige Layout wird teilweise durcheinandergeschüttelt und manchmal sogar durch ganzseitige Illustrationen aufgelockert.

Sigrid 1 page 6

Erfrischend anders!

Hier geht es nicht um die einmillionste Schlacht, die Menschen zu Berserkern macht und in Zeitlupe Bluttropfen fliegen lässt. Zwar geht auch hier wahrlich nicht alles friedlich ab, die Gewalt wird aber nicht abgefeiert. Es geht vielmehr um die Frage, wie Kolonisation wirkt, was das Einlassen auf das Fremde erfordert und wie Vertrauen entsteht.

Die Hinweise auf religiöse Fragen, Ehre, Gerechtigkeit runden die Geschichte ab, treten aber eher zurück. Das typische Splitter-Überformat tut der Geschichte gut. Die Darstellungen bekommen so den benötigten Raum und die Story bekommt wegen der größeren Dimensionen gefühlt mehr Zeit, sich zu entwickeln! Für Fans von Geschichten mit starken Frauen, Wikinger*innen und amerikanischen Ureinwohner*innen! Der abschließende zweite Band ist für den Oktober angekündigt.

Sigrid 1 Detail

Dazu passen Violent Femmes mit „American Music” und ein Met.

© der Abbildungen Éditions Delcourt 2021 by David Chauvel and Patrick Puion / Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2023

Peet/Varekamp – Die Akte Kennedy 1

Top Secret

Story: Mick Peet

Zeichnungen: Erik Varekamp

Originaltitel: De Kennedy Files 1 & 2

Carlsen Comics

Hardcover – book | 176 Seiten | Farbe | 24,00 €
ISBN: 
978-3-551-71127-4

Cover Die Akte Kennedy 1

Der Carlsen Verlag ist vor allem bekannt durch Serien wie Tim und Struppi, Spirou oder Petzi, hat aber auch ein dezidiert politisches Programm. Dabei beschäftigt man sich mit Themen wie Klimakatastrophe, Missbrauch oder eben amerikanischer Politik. Im Original ist das Werk im niederländischen Verlag Scratch books erschienen. Und auch dort sind (gesellschafts-) politische Themen alles andere als eine Ausnahme. Nun also eine Graphic Novel über einen der erfolgreichsten politischen Clans in den USA, die Kennedys.

Der Mann, der Präsident werden wollte anstelle des Präsidenten

Man möge mir das Wortspiel verzeihen, es liegt für die Anfänge aber nicht ganz fern. Joseph P. Kennedy ist 1938 nicht nur ein Selfmade-Millionär.  Er hat durchaus Ansprüche auf das Präsidentenamt und es scheint nicht ausgeschlossen, dass er der erste irisch-katholische Inhaber dieses Amtes werden könnte. Um ihn daran wenigstens etwas zu hindern, schickt ihn der amtierende Präsident Roosevelt als Botschafter nach London. Die Zeiten sind kritisch: Sollen die Siegermächte des Ersten Weltkrieges zusehen, wie Deutschland unter der Führung von Hitler eine Bestimmung nach der nächsten ignoriert und sich sogar fremde Länder einverleibt oder um im Jargon zu bleiben, anschließt?

Detail Die Akte Kennedy 1 page 9

Es ist die Zeit des Appeasements, europäische Regierungen hoffen, dass Hitler keinen Krieg beginnen werde, wenn man ihm Zugeständnisse macht. Entscheidend in dieser Situation ist die Frage, ob die USA zu einem Krieg bereit sind oder nicht. Joseph Kennedy hat hierzu eine klare Haltung: Er äußert sich nicht nur klar antisemitisch und bewundernd über die Erfolge der Nazis, er intrigiert auch um die USA in einer Bebachter-Rolle zu halten.

Mick Peet zeichnet ein klares Bild des Patriarchen, seines privaten Verhaltens und auch der anderen Familienmitglieder und erlaubt immer wieder den Blick von außen, wenn er „Fremde“ reden lässt. Durch Zeitsprünge und Rückblicke ermöglicht er die Hinterfragung von Standpunkten ohne zu viel erklärenden Text hinzufügen zu müssen. Im Anhang werden die einzelnen Situationen dann näher erläutert und unterfüttert.

Zeichnungen im europäischen Stil

Es mag etwas verwundern, eine Auseinandersetzung mit einer DER Familien des politischen Amerikas in einem sehr europäischen Stil zu lesen. Einerseits kommt das Buch natürlich aus den Niederlanden, es wäre aber vielleicht auch unmöglich, es ohne den gebotenen Abstand zu publizieren.

Detail Die Akte Kennedy 1 page 11

Erik Varekamp benutzt ein strenges dreizeiliges Gerüst, das er nur selten etwas aufbricht. Er benutzt klare, konturierende Linien, lässt aber Emotionen zu. So sind etwa die Gesichter des Führers voll von Geschrei. Das Gesicht des „Helden“ ist dagegen fast unbeweglich und gleicht einer Maske im Spiel für den angestrebten Erfolg.

Ein Comic mit Anspruch

Literatur hat schon immer viele unterschiedliche Aufgaben gehabt die von Unterhaltung über Anregung und Flucht aus der Wirklichkeit bis zu Einflussnahme reichen. Die Akte Kennedy will ganz sicher ein politisches Statement abgeben, wie und warum die USA in der Zeit kurz vor dem Zweiten Weltkrieg agiert haben. Wenn man aus der Geschichte lernen möchte, muss man sie zunächst einmal kennen und verstehen. Dieses Buch kann dabei hilfreich sein!

Detail Die Akte Kennedy 1 page 20

Durch den ausführlichen Anhang, der teilweise mit Dokumenten angereichert ist, wird versucht, der Gefahr zu begegnen, dass alles ja nur Fiktion sei. Während Filme und geschriebene Literatur eher als „wahr“ angesehen werden, ist graphische Literatur oft mit dem Stigma der „Fantasie“ verbunden. Obwohl hier mi dem reißerischen Tiel „top secret“ geworben wird, möchte das Werk ernstgenommen werden. Diesem ersten Band werden noch zwei weitere folgen!

Dazu passen ein Cola libre sowie Normahl mit „Sacco und Vanzetti“!

© der Abbildungen 2019, Erik Varekamp, Mick Peet/Scratch Books / Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2023

Hill/McDaid – Sea Dogs

Blutige Wellen / DC Black Label

Story: Joe Hill
Zeichnungen: 
Dan McDaid
Originaltitel: 
US-Joe Hill: Sea Dogs

Panini Comics

Broschur | 148 Seiten | Farbe | 13 €
ISBN: 978-3-7416-2269-4

Cover Joe Hill Sea Dogs

Joe Hill ist das Pseudonym des Sohnes von Stephen King, der ohne Belastungen anfangen wollte. Mittlerweile hat er sich aus dem Schatten längst befreit und steht für gepflegten Horror. Hill schreibt dabei sowohl Romane als auch Szenarien für Comics, die in mehreren Miniserien erscheinen. Die Sea Dogs tauchten dabei in jedem dieser Hefte mit zwei bis drei Seiten auf und liegen hier nun komplett als Black Label Edition vor. Leinen los für die Werwölfe auf Hohe See!

Der amerikanische Unabhängigkeitskrieg als Hintergrund

Die heutigen Vereinigten Staaten waren lange Zeit eine englische Kolonie. Auch andere Kontinentalmächte wie die Niederlande und Frankreich hatten ihre Finger im Spiel, wieder andere wie Spanien hatten weiter südlich ihre Pfründe gefunden. Unter anderem wegen zu hohen Abgaben hatten amerikanische Siedler begonnen, für ihre Unabhängigkeit zu kämpfen. Von der Boston Tea Party im Jahre 1773 bis zum Jahr 1780 war es eine lange Zeit von bitteren Niederlagen und die Moral der Amerikaner war nicht mehr hoch.

Detail Joe Hill Sea Dogs 1

Insbesondere war zu bemerken, dass die britische Flotte die amerikanische fast vollständig vernichtet hatte und nun drohte, jeden Hafen zu zerstören, der Ladung von französischen oder spanischen Schiffen gelöscht hatte. Tatsächlich half in dieser Situation der zerstörerischte Hurrikan aller Zeiten. Joe Hill erzählt aber eine andere Geschichte!

Es kam darauf an, die siegesgewohnten Briten zu verunsichern und ihnen den Glauben an die eigene Unverwundbarkeit zu nehmen. Was könnte da besser Helfen als eine Gruppe von Werwölfen „under cover“ einzuschiffen und sie ihre Arbeit erledigen zu lassen?

Detail Joe Hill Sea Dogs 2

Das raue Leben auf hoher See

Typischerweise erzählen die meisten Comic-Abenteuer auf hoher See die kriegerischen Begegnungen mit englischen Schiffen aus der Sicht der Piraten. Diese sind cool, verwegen, gegen Ende allerdings oft kopflos. Hier ist der Fokus auf dem englischen Kriegsschiff; die Besatzung ist eingespielt und leicht in der Lage, neue Mitglieder zu integrieren. Dan McDaid beginnt dann auch damit, den rauen Alltag zu zeigen. Dann beginnen jedoch nachts Crewmitglieder zu verschwinden, werden hundeköpfige Kreaturen gesichtet und die Angst beginnt.

Als dann noch ein sehr starker Hurrikan aufkommt und mehrere feindliche Schiffe gesichtet werden, scheint die Zeit der Abrechnung gekommen. Die Zeichnungen nehmen sowohl die Angst der Besatzung als auch den Fanatismus der Offiziere auf und zeigen den zunehmenden Horror durch Wetter, Gegner und Monster.

Detail Joe Hill Sea Dogs 3

Nette Variante!

Die Werwölfe sind hier, anders als in vielen young-adult Stories, mörderische Kreaturen. Sie verbreiten schon in normalen Situationen Angst und Schrecken und die Enge eines Schiffes, die nicht einmal die Idee einer Fluchtmöglichkeit eröffnet, verstärkt das noch. Die Zeichnungen sind – bei diesem Thema auch wohl nicht anders erwartbar – nichts für kleine Kinder, allerdings weit entfernt von einigen Splatter-Serien.

Die Verknüpfung von geschichtlichen Ereignissen mit mythischen Kreaturen ist durchaus nett zu lesen. Ein weiterer nicht üblicher Punkt ist die häppchenweise Veröffentlichung von nur zwei Seiten, die wegen der pausenlosen Cliffhanger eine ganz andere Spannung erzeugt als sie üblicherweise in den US-Heften serviert wird. Wie immer bei Panini gibt es ein wenig Hintergrundwissen über Beteiligte und die Geschichte. Der Band ist auch als limitiertes Hardcover erhältlich.

Cover Joe Hill Sea Dogs VZA
Cover der limitierten Ausgabe

Dazu passen ein Rum-Grog und „The Raven“ von The Stranglers!

© der Abbildungen 2019, 2020, 2023 Joe Hill, 2023 DC / 2023 Panini Verlags GmbH

Comixene 145

Winter 2022 (Jan – Mrz 2023)

Hrsg: Rene Lehner
Comixene erscheint alle drei Monate

Verlag Rätselfactory – comixene.com

A4 Klebebindung | 100 Seiten | Farbe | 10,00 €
ISSN: 
0948-4523

Cover comixene 145

Comixene ist eines der ältesten deutschsprachigen Blätter mit Beiträgen über Comics und wurde von Rene Lehner, Andreas C. Knigge, Hartmut Becker sowie dem mittlerweile verstorbenen Thilo Rex geründet und herausgegeben. Mittlerweile ist Rene Lehner der alleinige Chefredakteur und Herausgeber in Personalunion. Das vollfarbige Magazin erscheint mit schöner Regelmäßigkeit vier Mal im Jahr! Genügend Gründe, um einen vertieften Blick darauf zu werfen:

Ein breites Spektrum an Beiträgen

Schon ein Blick auf das Cover mit einer sehr schönen Illustration von Jean Graton aus der Pre-Michel-Vaillant-Ära verdeutlicht, dass die Comixene ein breites Spektrum abdeckt. Neben Comic-Klassikern aus der frankobelgischen Hochzeit finden sich dort auch Themen aus dem Horror-Spektrum, Superhelden, Musik-Comics und, nicht zuletzt, deutscher Satire. Anders formuliert: Das Spektrum ist nicht eingeschränkt auf eine bestimmte Altersgruppe, Fan-base oder sonstige Schublade!

Detail comixene 145 page 6

Die einzelnen Artikel sind sorgfältig recherchiert und bieten in lockerem, leicht verständlichem Ton Informationen zu Künstler*innen, Serien oder aber Themen wie den Auftritten von Vaillante im echten (Renn-)Leben. Die Artikel werden dabei in vielen Fällen mit Interviews angereichert und gewinnen durch den Originalton an Verbindlichkeit. Ist es doch nicht die Meinung einer*s Autor*in, sondern authentisch. Besonders deutlich wird das am Beispiel von „Doom Patrol“: Hier steht weniger der Inhalt des Comics im Vordergrund als die persönliche Freude des queeren Übersetzers Josef Rother nicht nur darüber, ausgewählt worden zu sein, sondern auch vom Coming-Out Grant Morrisons gehört zu haben. Es geht auch darum, welchen Einfluss das auf die Übersetzung des Titels und darüber hinaus für das Werkverständnis hat.

Auch Comics über Musik werden mehrfach thematisiert. Peter Osteried führt in die Abenteuer von Eddie the Head, dem Maskottchen von Iron Maiden, ein und findet durchaus positive Worte. Ganz anders Ralf Hutter und Marcus Kirzynowski die an unterschiedlichen Stellen im Heft den Song-Comic zu Keine Macht für Niemand auseinandernehmen. Abgerundet wird das Thema mit zwei weiteren Besprechungen zu den Comics über The Doors und Karlheinz Stockhausen.

Detail comixene 145 page 34

Details und Überblick für Comic-Fans

Während einige Beiträge sich einzelnen Aspekten widmen, sind andere eher geeignet, einen Überblick zu verschaffen. Dazu zählen etwa die Beiträge über das Ende der Jonathan-Reihe und die Neuausgabe der Suche nach Peter Pan von Cosey (auch hier mit Interview-Passagen), die Rubrik mit Neuem von Mäusen und Enten oder die Science-Fiction Welten von Leo.

Bei dem Bericht über die Ausstellung im Frankfurter Caricatura-Museum zum 60. Geburtstag des deutschen Satiremagazins Pardon hatte ich damit gerechnet, dass es sich um ein ergänzendes Feld (Cartoon und Karikatur) handeln würde. Tatsächlich weist Heiner Lünstedt aber darauf hin, dass das Blatt auch mit Comics und Beiträgen von etwa Brösel oder Volker Reiche aufgewartet hat. Ebenfalls etwas für die eher ältere Generation ist der Beitrag über einen neuen Katalog zu Werken von Klaus Dill.

Detail comixene 145 page 41/42

Empfehlung!

Neben diesen ausgewählten Beispielen finden sich viele weitere Artikel sowie News und Rezensionen in dem Heft. Im Gegensatz etwa zur Reddition stehen die Beiträge aber nebeneinander und bilden kein Dossier zu einem Thema. Aufgrund der breiten Streuung vermeidet die Comixene eine Festlegung auf eine Szene und erfordert weder eine jahrelange Zugehörigkeit mit einem fundierten Vorwissen noch hat sie die gewisse Arroganz von manch anderer Publikation.

Das Heft ist damit der perfekte Begleiter für längere Zugfahrten oder gemütliche Abende zu Hause! Sehr professionelle Gestaltung, viele Illustrationen und O-Töne und ein mehr als angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis machen Spaß auf mehr! Wie gut, dass es bis zur nächsten Ausgabe immer nur 3 Monate sind.

Dazu passen Nik Kershaw mit „Wouldn’t it be good“ – etwa in der Aufnahme vom Live Aid – und je nach Location ein Wasser oder ein Bordeaux.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstlerinnen | Verlag Rätselfactory Lehner, Zürich 2022

Gaiman/Moon, Bá – Wie man auf Parties Mädels anspricht

Aus der Neil Gaiman Bibliothek

Story: Neil Gaiman
Zeichnungen: 
Fábio Moon, Gabriel Bá
Originaltitel: 
How to talk to Girls at Parties

Dantes Verlag

Hardcover | 68 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-946952-92-3

Cover Gaiman - Wie man auf Parties Mädels anspricht

Neil Gaiman ist so etwas wie ein Superstar. Seine Kurzgeschichten und Romane heimsen regelmäßig Preise ein, seine Graphic Novels werden von Kritiker*innen wie Fans gleichermaßen geliebt und gelobt und die Streaming-Industrie hat die Adaption bereits mehrerer Werke erfolgreich auf den Markt gebracht. Unter dem Label Neil Gaiman Bibliothek erscheinen auf Deutsch Titel sowohl im Dantes Verlag als auch bei Splitter.

Die Unsicherheit eines 15-jährigen und die Poesie

Erinnert sich noch jemand daran, wie er als 15-jähriger war? Irgendwie war der Körper plötzlich größer und anders. Die Gefühle spielten verrückt und die Mädchen, die immer anders aber doch irgendwie auf gleicher Stufe waren, schienen plötzlich Lichtjahre entfernt und komplett unverständlich. Und immer gab es irgendwelche Jungs, die schon „weiter“ waren, mit Mädchen reden konnten und eventuell sogar mehr. Genau das ist die Ausgangsposition von Wie man auf Partys Mädels anspricht.

Gaiman - Wie man auf Parties Mädels anspricht page 3

Enn ist mit seinem Kumpel Vic unterwegs zu einer Party im Londoner Stadtteil Croydon. Vic ist einer derjenigen, die es immer schaffen, gesehen zu werden, die mit Mädels knutschen und dabei (scheinbar) relaxt bleiben. Enn ist das genaue Gegenteil: schüchtern, unerfahren und orientierungslos. Als die beiden ein Haus mit einer laufenden Party betreten, verschwindet Vic dementsprechend auch schnell mit einem Mädchen im Obergeschoss, während Enn versucht, sich an den Ratschlag seines Freundes zu halten: Du musst mit ihnen reden!

Die erste Begegnung wird noch unterbrochen, die zweite entwickelt sich aber. Triolet erklärt dem Jungspund die Kraft der Poesie, das Verschwinden der Grenze zwischen Existenz und Gefühl, sogar das Verschwinden des Ich! Doch plötzlich kommt es zu einer unerwarteten Situation.

Gaiman - Wie man auf Parties Mädels anspricht page 4

Gaiman ist ein Meister der versteckten Anspielungen. Literatur, Geschichte und Musik werden erwähnt und treiben das Verständnis der Story. Dankenswerterweise ist es bei Dantes Usus, dass der Übersetzer Jens R. Nielsen jeden einzelnen dieser versteckten Hinweise in einem Anhang erläutert und alle Leser*innen die mit diesen Themen, den Londoner Eigenarten und der Musik der 70-er nicht vertraut sind, die entsprechenden Hintergründe erklärt. Natürlich ist die Geschichte auch ohne lesbar, die wahre Tiefe erschließt sich aber erst dann. Schon deswegen ist der Band, der 2022 sehr spät erschienen ist, ein Kandidat für die Liste der besten Graphic Novels für 2023!

Poesie in Aquarell

Die beiden Brüder aus Brasilien, Gabriel Bá und Fábio Moon haben die preisgekrönte Erzählung kongenial umgesetzt. Schon lange habe ich keine Zeichnungen mehr gesehen, die so aus sich heraus geleuchtet haben, ohne dabei aufdringlich zu sein. Es ist ein Feuerwerk aus Farben, Figuren und Auflösungen, dass die beiden zu Papier gebracht haben. Mit klaren Strichen strukturiert, fließt doch alles und nimmt die poetische Grundstimmung perfekt auf.

Gaiman - Wie man auf Parties Mädels anspricht page 5

Alles in diesem Werk ist emotional! Dementsprechend sind die Ausdrücke der Gesichter, die Körperhaltungen, die Formen alle Bestandteile der Gesamtkonzeption und ordnen sich der Idee unter. Obwohl viele einzelne Bilder für sich genommen als ExLibris publiziert werden könnten, entfalten sie ihre echte Wirkung doch nur in der Sequenz. Einer der Kommentare auf dem Backcover fragt, wie etwas so Schönes so traurig sein kann, und trifft damit die Umsetzung sehr treffend.

Für alle (heimlichen) Romantiker*innen

Nicht alles von Neil Gaiman ist der gleichen Zielgruppe zu empfehlen. Ein Schwerpunkt seiner Werke sind aber definitiv die diversen Spielarten der Romantik und dieser Band gehört für mich definitiv in jeden Bücherschrank aller derjenigen, die das simultane Vorkommen von absoluter Liebe und seelischem Schmerz brauchen! Ein wenig Kitsch gehört dazu, Musik und Poesie gleichermaßen und ein wenig Außergewöhnliches, vielleicht Überirdisches.

Detail Gaiman - Wie man auf Parties Mädels anspricht page 7

Wer bis hierhin durchgehalten hat, wird diesen Band lieben und sollte einen Blick riskieren: überdurchschnittliche Bilder zu einem Text von einem zu Recht preisgekrönten Autor! Und erneut: Perfekt übersetzt und kommentiert!

Dazu passen die vom Punk zu Dark Wave und irgendwohin mutierten The Stranglers, etwa mit „Golden Brown“, und ein Golden Carolus Classic.

© der Abbildungen 2016, 2022 Neil Gaiman, Fábio Moon, Gabriel Bá, Dark Horse Comics Inc. | 2022 Dantes Verlag, Mannheim

Zauberstern – Phantom 4

Neues aus Schweden, den USA und Australien

Story: Lennart Moberg, Elizabeth Massie/Raffael Nieves, Pidde Andersson
Zeichnungen: 
Roy Felmag/Antony Benny, Paul Daly, Wendell Vavalcanti

Originaltitel: Fantomet 12 (1996), Julie Walker is the Phantom (2010), The Phantom 1830 (2022)

Zauberstern Comics

Heft |100 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISSN: N/A

Cover Phantom 4

Und auch die vierte Nummer des neuen Magazins kommt pünktlich! Allein das ist schon eine Leistung für jemanden, der frisch in das Kiosk-Geschäft eingestiegen ist. Erneut präsentiert Zauberstern Comics ein von Timo Würz eigens für Deutschland entworfenes Cover und einen Querschnitt durch die nationalen Phantom-Produktionen und Epochen. Kurz gefasst sind das die Gründe, warum das Magazin es in die Jahrescharts von comix-online geschafft hat!

Freundschaft und Gerechtigkeit – zwei Grundmotive

Ein Klassiker aus Schweden eröffnet diese Nummer: Blutsbrüder beginnt mit einem Raubüberfall. Eine Truppe von (heute nicht mehr so gezeichneten) Frauen entkommt nicht nur mit der beträchtlichen Beute, sie lassen auch ihre männlichen Kollegen zurück. Diese machen sich natürlich an die Verfolgung. Währenddessen wird der Arzt und ehemalige Präsident Luanga, der sich mit dem Phantom treffen wollte, abgepasst und soll eine der verletzten Frauen retten.

Der One-Shot über Julie Walker nimmt die Schwester des 17. Phantoms in die Pflicht. Eine junge, engagierte Frau will 1889 beweisen, dass sie die Welt schneller als in 80 Tagen umrunden kann, doch einige alte Herren scheinen etwas dagegen zu haben. Julie Walker beweist quer über den Globus, dass auch Frauen Heldinnentaten vollbringen können.

Requiem schließlich führt zurück in die Zeiten des Ersten Weltkrieges. Eine Truppe von Deutschen nistet sich in einem kleinen französischen Dörfchen ein und terrorisiert die Bevölkerung. Private Walker soll einen Geheimauftrag hinter den Linien ausführen und stellt fest, dass die Mörderbande Anhänger einer bekannten Organisation sind.

Backcover Phantom

Die ganze zeichnerische Bandbreite

Die Zeichnungen von Roy Felmag und Antony Benny leiden ein wenig unter der Qualität der Vorlagen. Teilweise hat man das Gefühl, dass sie etwas verwaschen wirken. Schade eigentlich, denn ansonsten wäre es ein sehr gutes Beispiel für die Zeit am Ende des letzten Jahrtausends. Und auch die Kolorierung passt dazu. Paul Daly ist dagegen ein typischer Vertreter des US-Styles. Detailliert ausgeführt, Hintergründe nur wenn nötig, dann aber auch sehr akribisch und eine Pose, die eher an Catwoman erinnert.

Der australische Beitrag von Wendell Vavalcanti arbeitet sehr stark mit Soundwords und scheint digital entstanden zu sein. Das Streifgenlayout wird immer wieder aufgebrochen, insbesondere durch die übergreifenden Sprechblasen.

Gelungen!

Wieder haben die Zauberstern-Jungs eine gute Mischung ausgewählt. Die Gefahr dabei ist immer, dass die eine Seite sich über die andere aufregt und alle unzufrieden sind. Ich würde das genau andersrum sehen: Durch den Mix der verschiedenen Richtungen ist für jede*n etwas dabei, das man nicht kennenlernen würde, wenn man sich auf die Lieblingsrichtung beschränkte.

Illustration Phantom

In diesem Sinne für mich ein gelungenes Heft mit den notwendigen bibliographischen Angaben, (sehr!) wenig Werbung und gefüllten Leser*innenseiten! Das spezielle Cover tut ein Übriges. Und vor die Alternative gestellt zwei Seiten zu kürzen oder auf das Poster zu verzichten, fällt mir die Antwort nicht wirklich schwer!

Dazu passt klassischer Rock von Jehtro Tull mit „Too old to Rock’n‘Roll“ und ein Kingfisher.

© der Abbildungen 2022 by King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc. & Egmont Schweden 1996, Moonstone Books 2010, Frew Comics 2022 / 2022 Zauberstern Comics

Hamm/Quinones – Batman 89

Die Fortsetzung von Tim Burtons Batman-Filmen

Story: Sam Hamm
Zeichnungen: 
Joe Quinones
Originaltitel:
 US-Batman’89 (2021-22) 1 – 6

Panini Comics

Broschur | 148 Seiten | Farbe | 19 €
ISBN: 978-3-7416-3017-0

Cover Batman 89

Ein Superheld, der so viele Jahre auf dem Buckel hat, musste folgerichtig öfters „neu“ erfunden werden. Nicht immer sind die Fans der „Alten“ Inkarnation mit der aktuellen einverstanden und so macht es durchaus Sinn, ein Revival anzubieten. 1989 und 1992 liefen zwei sehr erfolgreiche Verfilmungen von Regisseur Tim Burton mit der Fledermaus im Kino. Nun also die offizielle Fortsetzung der Blockbuster, geschrieben vom damaligen Drehbuchautor Sam Hamm!

Kampf gegen die Korruption

Gotham ist ein Moloch, der regiert wird von korrupten Politikern, unterstützt durch ebensolche Polizist*innen. Zwar versucht Commissioner Gordon dagegen anzugehen, ist sogar ein Bündnis mit dem Vigilanten Batman eingegangen, der Erfolg ist bisher aber ausgeblieben. Staatsanwalt Harvey Dent will endlich aufräumen und in der Metropole für Recht und Ordnung sorgen. Es bleibt allerdings ein wenig im Unklaren, ob wirklich die Stadt im Fokus seiner Bemühungen steht oder doch die eigene Karriere.

Batman 89 page 5

Auf jeden Fall hat er eine Beziehung mit der Tochter des Polizeichefs, Barbara, und versucht, ihre Kenntnisse zu nutzen. Als Haupthindernis für ein „neues Gotham“ sind schnell zwei Hindernisse ausgemacht: Gordon und Batman! Dent setzt alle seine Kommunikationstricks ein und verschiedenste gesellschaftliche Gruppen auf seine Seite zu bringen.

Es gibt allerdings noch einen weiteren neuen Maskierten, ein junger Schwarzer macht seine ersten Schritte als Robin. Für die Verfilmungen war er ursprünglich geplant, fiel dann aber doch dem Kostendruck zum Opfer. Jetzt lässt Hamm ihn wie geplant auftreten und auch Catwoman ist wieder mit von der Partie. Alles wird anders als die linke Gesichtshälfte Dents durch einen Unfall entstellt wird.

Batman 89 page 6

Leicht nostalgische Zeichnungen

Umgesetzt wird das Ganze von Joe Quinones, einem Schüler von David Mazzucchelli. Er hat aber in mehreren Arbeiten für DC und Marvel einen eigenen Stil entwickelt. Für dieses Projekt hat er einen leichten nostalgischen Touch hinzugefügt. Das Werk wirkt dadurch gleichzeitig modern, erinnert aber auch ein wenig an die Zeit vor 40 Jahren. Auch sonst erinnert der Zeichner immer mal wieder an längst Vergangenes.

Wer sich damals im Kino wohlgefühlt hat, wird jetzt einiges wieder erkennen. Die Figuren entsprechen in ihrem Aussehen natürlich den damals besetzten Schauspieler*innen und die Beziehung aufeinander ist offensichtlich. Gleichzeitig atmet das Werk aber auch den Geist der damaligen Filme, weit entfernt vom heutigen Pyrotechnik/SFX-Overkill!

Batman 89 page 7

Lohnt sich!

Batman ist eigentlich mein Lieblings-Superheld! Er hat keine Superkräfte, muss neben Kraft seinen Grips einsetzen und hat(te) Gegner*innen, die ebenfalls diesem Schema entsprachen während anderswo Außerirdische und Gött*innen sich die Klinke in die Hand gaben. Dieser Charme ist über die Jahre irgendwie verloren gegangen und taucht mittlerweile nur noch in Sonderreihen auf.

Zum Glück gibt es aber genau diese und Batman 89 ist ein weiteres Beispiel dafür, dass auch heutzutage noch Geschichten im alten Stil erzählt werden können. Womit nicht gesagt werden soll, dass der aktuelle Batman nicht seine verdienten Fans hätte. Er ist nur anders. Allen, denen es genauso geht, wird dieser Band gefallen!

Detail Batman 89 page 9

Dazu passen ein Korn-Kirsch im Rialto-Glas und The Choice!

© der Abbildungen 2022 DC / 2022 Panini Verlags GmbH

Lee/Kirby – Fantastic Four Vol. 1 1961 – 1963

Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol. 1

Story: Stan Lee
Zeichnungen: Jack Kirby

Herausgeber: Mark Waid, Mike Massimino
Originalausgabe

Taschen Verlag

Hardcover XXL | 700 Seiten | Farbe | 150,00 €

Nummerierte Erstauflage von 5000 Exemplaren

ISBN: 978-3-8365-9425-7

Cover Marvel Comics Library. Fantastic Four. Vol 1. 1961 - 1963

Aktuell ist der Weltraum tatsächlich wieder zu einem Schauplatz geworden: die Amerikaner*innen haben mit Artemis eine zwar noch unbemannte Mission gestartet, sie soll aber auf eine Mondlandung hinauslaufen. Und auch das chinesische Programm hat mit der Mission Shenzhou 15 gerade drei Astronauten für sechs Monate zur Vorbereitung auf ein ähnliches Ziel hin in das All geschickt. Zudem sind die Aufnahmen des neuen Weltraumteleskopes ein perfektes Marketingmittel. Passenderweise hat der Taschen-Verlag im Rahmen seiner Kooperation mit Marvel Comics vor kurzem das dritte Schwergewicht seiner XXL Marvel Comics Library auf den internationalen Markt gebracht: Die Fantastischen Vier, resp. The Fantastic Four!

Vom Astronauten zum Superhelden

Anfang der 60-er Jahre waren Superheld*innen ziemlich aus der Mode. Der Weltkrieg war vorbei und Kämpfe gegen die Nazis fanden nur noch als Rückblick in den Kriegscomics statt. Western und Romance waren die aktuellen Zugpferde und jeder Verlag war gezwungen, mitzuschwimmen. Aufgrund einer verunglückten Vertriebsstrategie war Atlas (so der damalige Name des heutigen Marvel) zu einer sehr reduzierten Anzahl von Titeln gezwungen und konnte somit nicht jede Welle mitnehmen. Der Verlag hatte allerdings auch einen Vorteil, denn mit Stan Lee gab es jemanden, der eine einheitliche Ausrichtung aller Titel vorgeben, Verbindungen zwischen ihnen herstellen und somit Cross-Selling-Chancen aufbauen konnte.

Illustration FF out of Fantastic Four vol. 1

Außerdem begann sich das Konzept als äußerst innovativ zu erweisen. The Fantastic Four, die 1961 als erste von vielen weiteren gelaunchte Serie, hatte kein weiteres Superheld*innenteam zu bieten. Die Protagonist*innen waren einfach nur amerikanische Astronaut*innen, die „die Commies schlagen wollten“. Der gescheiterte Jungfernflug hatte sie der kosmischen Strahlung ausgesetzt und das Ergebnis waren Mutationen, die aus ihnen die Fantastischen Vier gemacht hatten. Damit waren sie ein Team mit gemeinsamer Geschichte, Verwandschafts- und Liebesbeziehungen und somit eher eine Familie.

Die Wirkung dieser neuen Saga auf die damalige Jugend beschreibt Mark Waid in seiner Einleitung sehr ausführlich. Jungen waren damals begeistert vom Weltraum und dem Wettlauf zwischen den Systemen und natürlich auch noch viel offener unbekannten Phänomenen gegenüber. Die neuen Comics von Atlas (und ab FF 14 Marvel) hatten andere Superheld*innen: Sie lebten in der realen Welt, besuchten sich gegenseitig in ihren Titeln und „redeten“ mit ihren Leser*innen. Nicht zuletzt unterhielten sich auch Stan Lee und Jack Kirby auf den Fan Pages mit den Käufer*innen!

Article Waid out of Fantastic Four vol. 1 part 1

Echte Probleme

Die meisten Super Heroes waren einfach super. Sie hatten kaum persönliche Probleme, ihre geheimen Identitäten erlaubten ihnen, inkognito zu recherchieren oder aber auch einfach in Ruhe zu relaxen und echte Beziehungen gab es eigentlich auch nicht. Die FF brachen damit gleich mehrfach: Zwar lebten sie in Central City, also ebenfalls einer nicht ohne Weiteres realen Stadt. Dafür kannte die Öffentlichkeit ihre Namen und ihre Geschichte. Susan und Johnny Storm waren Geschwister, Susan in Reed Richards verliebt und Ben Grimm in Susan. Zusätzlich belebten die durchaus heftigen Streiche zwischen dem jugendlich übermütigen Johnny und dem aufbrausenden Ben die Szenerie.

Gleich die erste Nummer bringt neben der Originstory einen typischen Gegner, den Moleman. Dieser hat es nicht leicht gehabt, niemand wollte wegen seines Aussehens etwas mit ihm zutun haben und schließlich entwickelte er in selbstgewählter Verbannung seine Kräfte. Er nutzt sie, um Monster zu befehligen und will – natürlich – die Welt unterjochen. Durch die Kombination ihrer Kräfte können die FF ihn schlagen und ihr Gegner bleibt zurück. Nie wird einer sterben, sie alle kommen irgendwann stärker zurück.

Detail Fantastic Four vol. 1 part 1

Die FF bleiben immer menschlich, auch wenn sie gegen Außerirdische, Zauberer und Superschurken kämpfen: sie gehen ins Kino, kommen aus der Dusche, streiten sich oder rauchen Pfeife. Reed ist ein grandioser Wissenschaftler dessen Erfindungen nicht immer funktionieren, immer aber einen zumindest ungefähren echten Hintergrund haben. Damit ähneln sie der Physik von Star Trek. Dabei wird auch der Humor, der so viele der Marvel-Titel auszeichnet, nie vergessen!

Die Tücken der gegenseitigen Anziehung

Und noch ein Beispiel, das die Serie von anderen abhebt: ein beliebter Marvel Anti-Held ist der Sub-Mariner Namor. Obwohl eigentlich nicht böse, verachtet er doch die Menschheit und steht ihr oft feindselig gegenüber. Dabei kommt es zu einer ambivalenten Beziehung zwischen ihm und Susan Storm. Für die damaligen Zeiten und unter dem Comics Code war das durchaus beachtenswert!

Illustration Human Torch out of Fantastic Four vol. 1

Vor allem sind natürlich die Zeichnungen von Jack Kirby ein echtes Faustpfand! Dynamisch, detailliert wo nötig und simpel (sprich zeitschonend) wo möglich. Die eingestreuten Pin-Ups erfordern zudem, dass der Zeichner sozusagen die „Schokoladenseite“ der Figuren trifft.

Der Weihnachtstipp!

Vor kurzem hat ein Freund von mir den Band bei einem Besuch entdeckt und war für die nächste Zeit nicht mehr ansprechbar: „Ja, dieses Heft hatte ich“, „ja, so war das“, … Einfacher kann man die Wirkung auf die Generation der Baby Boomer nicht beschreiben. Diese Bibliothek von Marvel Klassikern erlaubt einigen die Rückkehr in vergangene Zeiten, allerdings in einer der heutigen Zeit angemessenen Qualität. Jüngeren bietet sich die Möglichkeit, diese bahnbrechenden Stories erstmals zu erleben und den damaligen Umbruch nun nachvollziehen zu können.

Die Marvel Comics Library The Fantastic Four enthält die ersten 19 regulären Ausgaben der Serie sowie das erste Annual (das bei Marvel im Gegensatz zu den damaligen DC-Gepflogenheiten fast ausschließlich neues Material enthielt). 700 Seiten und fast 5 Kilogramm bringen den Start dieser Serie im XXL-Format in nie gekannter Weise zu den Fans und erlauben neben dem Schmökern auch das Vertiefen in Details. Die Hefte sind komplett reproduziert, kommen also mit den originalen Werbeanzeigen und Fanseiten, allerdings auf gutem Papier. Die Umschläge sind aus glänzendem, festem Papier während die Comicseiten haptisch die Anmutung der Hefte wiedergeben.

Detail out of Fantastic Four vol. 1 part 2

Durch die Details zu den Produktionen, die vielen zusätzlichen Abbildungen und die einführenden Texte ist daraus ein Kompendium geworden, dessen Schwesterpublikation zu den ersten Ausgaben von Spider-Man zu Recht mit dem Eisner Award ausgezeichnet worden ist. Da es sich um Reproduktionen handelt und der Band zudem weltweit vertrieben wird, ist allerdings alles auf Englisch. Die erste Auflage ist auf 5000 nummerierte Exemplare limitiert.

Wer es gerne etwas exklusiver hätte, kann zur Vorzugsausgabe greifen: Kunstledereinband, Schuber und eingefasster Aluminiumprint in 1000 Exemplaren. Taschen ist halt ein Verlag, der aus dem Kunstsegment kommt und sich in diesem Format bestens auskennt!

Dazu passen Musik von Phil Ochs und ein Sidecar.

© der Abbildungen 2022 Marvel / 2022 Taschen Verlag

Smythe – Lore Olympus 1

Episoden 1 bis 25

Story: Rachel Smythe
Zeichnungen: 
Rachel Smythe
Originaltitel: 
Lore Olympus. Volume One

Lyx Verlag

Hardcover | 384 Seiten | Farbe | 24,00 €

ISBN: 978-3-7363-1874-8

Cover Lore Olympus 1

Die Standardvorstellung über einen Comic basiert immer noch auf der klassischen Vorstellung, dass das Ergebnis sich als gedruckte Seiten zwischen zwei Buchdeckeln oder aber in einem Zeitschriftenumschlag wiederfindet. Immerhin hat sich mittlerweile herumgesprochen, dass die Leserichtung unterschiedlich sein kann. Dabei gibt es schon seit geraumer Zeit sogenannte Webtoons, also Comics die originär und teilweise ausschließlich im Web veröffentlicht werden. Lore Olympus ist eines der meistgelesenen Webtoons der Welt!

Love against prejudice

Rachel Smythe kommt aus Australien, hat Lore Olympus aber auf der internationalen Plattform für Web-Comics, webtoons.com, veröffentlicht und hatte damit von Anfang an ein weltweites Publikum. Für ihre erste Serie Lore Olympus wurde sie gleich mehrfach ausgezeichnet mit einem Eisner- und dem Goodreads-Choice-Award. Zudem ist es ihr gelungen, einen #1-NEW-YORK-TIMES-Bestseller abzuliefern. Der Lyx-Verlag ist spezialisiert auf das Genre New-Adult und bringt das Opus jetzt auf Deutsch in mehreren Hardcover-Bänden.

Lore Olympus 1 page 8

Die junge Göttin Persephone ist neu in Olympus, der Götterwelt. Ihr bisheriges Leben hat sie unter der kontrollierenden Obhut ihrer Mutter im Reich der Sterblichen verbracht, durfte allerdings noch nicht einmal ein Smartphone besitzen. Nun hat sie ein Stipendium und tritt dem Kreis der Göttinnen Ewiger Jungfräulichkeit bei. Zu ihren neuen Möglichkeiten gehört auch das Besuchen von Partys.

Hier trifft sie Hades, den König der Unterwelt, der nach Tod riecht und eher nicht unter den bevorzugten Partnern zu finden ist. Im Gegensatz zu einigen anderen Olympianern behandelt er Persephone aber absolut korrekt und es könnte sein, dass sich da etwas anbahnt…

Innovativ!

Die Zeichnungen und ihr Layout folgen keinem festen Schema, entziehen sich auch der Logik einer begrenzenden Seite. Natürlich sind alle Zeichnungen von Rachel Smythe am Tablet entstanden, aber keineswegs eintönig. Sie wechselt häufig zwischen den Stilrichtungen und passt die Grafiken somit der Stimmungslage an: schwarz-weiß, verwaschene Grautöne, düstere Höhlenstimmungen und anderes mehr.

Lore Olympus 1 page 10

Auch die Größe der Abbildungen folgt keinem Raster, sondern liefert das gerade Notwendige. Sehr angenehm! Die Figuren, ihre Darstellung, die Grundfarben, alles das ist im Vergleich zu einem Agententhriller oder einem Fantasyabenteuer sehr weiblich. Es gibt keine Helden, die glänzen müssen, im Gegenteil, die glänzenden Posen fallen immer wieder zusammen.

Der Geschenke-Tipp

Ob sich potenzielle Comicleserinnen jetzt eher von dem Paradebeispiel eines Comicbuchladens (samt Nerds) haben abschrecken lassen oder ob doch eher die auf eine männliche Zielgruppe ausgerichteten Inhalte die Hauptschuld getragen haben, ist eine beliebte Frage für Diskussionsrunden. Lore Olympus interessiert sich nicht dafür und bietet eine sehr lesbare Geschichte für young adults aus weiblicher Perspektive.

Lore Olympus 1 page 11

Insofern ist der Versuch des Bastei-Lübbe-Imprints Lyx definitiv als gelungen zu bezeichnen: Rechtzeitig vor Weihnachten gibt es gleich zwei Bände zum Einstieg die einerseits mit Preisen werben können, andererseits aber wohl auch durch die Mund-zu-Mund-Propaganda der einschlägigen Portale empfohlen werden werden. Definitiv ein Geschenke-Tipp!

Dazu passen ein Chai mit laktosefreier Milch, ein veganes Plätzchen und Nina Chuba!

© der Abbildungen 2021 by Rachel Smythe und WEBTOON™ / 2022 Bastei Lübbe AG, Köln

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