Charlot / Fourquemin – Lord Harold GA

Die Fälle von Lord Harold dem Zwölften – Gesamtausgabe

Story: Philippe Charlot
Zeichnungen: 
Xavier Fourquemin

Originaltitel: Les Enquettes de Lord Harold, Douxieme du Nom – Blackchurch/Trois Petites Souris

Piredda Verlag

Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 30,00 € 
ISBN: 
978-3-949968-01-3

Cover Lord Harold GA

London ist mit seiner Geschichte, seinem Nebel und seinen lange als gefährlich und verrucht klassifizierten Vierteln an der Themse ein bevorzugter Schauplatz für Kriminalgeschichten. Das gilt besonders für die Viktorianische Zeit als moderne Technologie, moderne Methoden und moderne Auffassungen noch weitgehend unbekannte Zukunft waren. Trotz allem gab es immer schon Menschen, die sich mit dem Staus Quo nicht abfinden wollten und nach Neuem suchten. Einer davon ist Lord Harold Alaister Cunningham Talbot der Zwölfte.

Moderne Ermittlungstaktik und Standesdünkel

Lord Harold, der Zwölfte seines Namens, ist ein junger Adeliger, der nicht viel auf hergebrachte Verhaltensweisen gibt. Und so beschließt er, seine Kenntnisse nicht nur theoretisch zu erweitern, sondern auch praktisch anzuwenden. Als er dementsprechend seinen Dienst bei der Polizei antritt, stößt er gleich einer ganzen Anzahl von Mitbürgern vor den Kopf: Seinem Butler, dem diensthabenden Offizier der Wache in Blackwater, und seinem Butler Donald, der nun nicht mehr weiß, wie er sein Versprechen, dem Herrn zu dienen, umsetzen soll. Auch der Constabler des Towers ist alles andere als begeistert.

Lord Harold GA page 7

Neben Harolds Tanten steht allein die Königin diesem Experiment aufgeschlossen gegenüber, verlangt allerdings auch Erfolge. Blackchurch führt zunächst die Personen ein, vor allem natürlich den jungen Lord, seinen Hund Hermes und die zwei Beamten, die ihren Dienst mit ihm zusammen versehen werden. Die andere Hauptrolle nimmt eines der verrufenen Viertel Londons ein, Blackchurch, das fest in der Hand von Gauner*innen ist. Leider hat der Ruf mittlerweile so stark gelitten, dass kaum noch betuchte Menschen sich dort blicken lassen.

Harold verliert nie den Mut und glaubt, dass auch die Bewohner*innen dieses Viertels eigentlich gute Menschen sein könnten, wenn sie nicht am Rande des Abgrundes stünden. Der Konstabler und einige Adelige sind dagegen der Meinung, dass Blackchurch ausradiert werden müsse. Drei kleine Mäuse setzt diesen Kampf fort. Philippe Charlot beweist auch in dieser Serie, dass er ein Händchen dafür hat, Geschichten mit kleinen Begebenheiten Tiefe zu geben und sie somit glaubwürdiger zu machen. Dabei beweist er großen Respekt vor den Tugenden und Verachtung für Scheinheilige.

Lord Harold GA page 8

Rasantes Tempo

Die Geschichte wird in vielen Abschnitten sehr rasant erzählt. Manchmal hat man das Gefühl, dass Xavier Fourquemin seine Personen nur im Laufschritt auftreten lässt. Dieses Tempo artet aber nicht in Hektik aus, sondern entspricht der Unsicherheit der Personen, die sich Stillstand nicht leisten können. Einzig die Tanten und die Königin bilden einen gegensätzlichen Ruhepol mit ihren Teezeremonien. Butler Donald steht irgendwie dazwischen.

Die einzelnen Panels sind in sehr klar gliedernden Streifen angebracht. Diese unterscheiden sich nur in der Höhe und erlauben damit unterschiedliche Dynamiken. Besonders gut gelungen sind die „unheimlichen“ Szenen, die an Edgar Wallace-Filme erinnern und der jugendliche Übermut, den Lord Harold fast in jedem Bild ausstrahlt.

Lord Harold GA page 9

Sehr schöne, moderne Erzählung

Der Piredda-Verlag schafft es immer wieder, Serien an Land zu ziehen, die auch gut in das ZACK gepasst hätten. Auch Lord Harold ist so ein Fall: nicht zu viel Gewalt, aber auch kein Kindercomic. Ansprechender Semi-Funny, der Humor mit anspruchsvoller Story paart ohne hyper-realistische Zeichnungen zu bringen. Wer Das Mädchen von der Zeitausstellung oder Die Flintenweiber mag, wird hier ebenfalls Spaß haben!

Die Gesamtausgabe enthält neben den Covern der Einzelbände auch noch einen ganzen Schwung von Illustrationen. Figurenstudien, Skizzen und Seitenentwürfe runden die Ausgabe angemessen ab. Für Liebhaber*innen gibt es auch eine (verlagsvergriffene) limitierte Sonderausgabe.

Details aus Anhang Lord Harold GA

Dazu passen No Respect mit “Human Scum” und ein Dark Porter.

© der Abbildungen Editions Glénat 2020-2021 by Philippe Charlot & Xavier Fourquemin / 2022 Piredda Verlag

Delporte/Forton – Alain Cardan 1

ZACK-Spezial 5: Cardan gegen Airstas

Story: Yvan Delporte
Zeichnungen: 
Gérald Forton
Originaltitel: 
Alain Cardan – Tome 1

Blattgold Verlag – ZACK Edition

Softcover | 56 Seiten | Farbe| 16,00 € | nur für ZACK-Abonnent*innen

Limitiert auf 555 + 55 Exemplare

ISBN: n/a

Cover ZACK Spezial 5 Alain Cardan

Immer wieder gab es in verschiedenen Foren die Anfrage an das ZACK, doch bitte schön auch alte Klassiker zu veröffentlichen. Von Georg F. W. Tempel, dem Herausgeber, war das immer abgelehnt worden, wollte er das Magazin doch nicht zu nostalgisch ausrichten. Mittlerweile hat sich aber eine Reihe etabliert, die für solche Ansätze prädestiniert ist: ZACK Spezial. In unregelmäßigen Abständen erscheinen hier Kleinode (nicht nur) des frankobelgischen Comics, die in der deutschen Albenlandschaft bisher keinen Platz gefunden hatten. So durften Abonnent*innen des ZACK, denn nur diese können die Bände erwerben, sich über Werbecomics von Michel Vaillant genauso freuen wie über Geschichten mit Johnny Focus oder Patrick Leman. Und auch der Zeichner des aktuellen Bandes war mit Bob Morane bereits vertreten.

Die Menschheit auf dem Weg in das All

Mitte der 50-er Jahre begann ein Thema, das bis dahin der Science-Fiction Literatur vorbehalten war, plötzlich in das allgemeine Bewusstsein zu rutschen: Die Weltraumfahrt. Was vorher noch utopisch klang, war plötzlich Gegenstand eines Wettlaufes zwischen der UDSSR und den USA, und 1957 flog tatsächlich der erste Satellit durch den Weltraum. Damit war auch die bemannte Weltraumfahrt plötzlich nicht mehr undenkbar. Die 1956 entstandene erste Episode der Abenteuer von Alain Cardan stellt einige Fragen in diesem Zusammenhang.

Frontispiz ZACK Spezial 5

Dazu gehört natürlich vor allem die technische Machbarkeit. Wo es aber um mögliche Erfolge geht, sind Werkspionage und Fragen der Ethik nie weit entfernt. Und so wird der Held, der für das Internationale Forschungszentrum der UNO arbeitet, in einen Fall verwickelt, der scheinbar harmlos mit unerklärlichen technischen Pannen beginnt.

Yvan Delporte war Chefredakteur des Wochenblattes Spirou und gleichzeitig Szenarist einer ganzen Reihe von Serien. Alain Cardan war eine davon und erschien zunächst in Risque-Tout, einem anderen Comic-Magazin aus dem Hause Dupuis. Cardan gegen Airstas vermischt Elemente aus der Science-Fiction, dem Kriminalfall und der Serien über heldenhafte Piloten. Im Stil der Zeit spannend erzählt, ohne dass die anfangs eine, später zwei Seiten pro Woche heute als lesehemmend empfunden werden.

Markante Helden und spannende Technik

Die Erfolgsfaktoren einer Serie für jugendliche, männliche Leser waren Helden mit einem hohen körperlichen Wiedererkennungswert, hoher Moral und großen Fähigkeiten.  Dazu musste ein Umfeld präsentiert werden, dass neben körperlichen Höchstleistungen auch in einer zunehmend technifizierten Umgebung spielte. Kampfpiloten waren so etwas wie das europäische Pendant zu amerikanischen Superhelden.

Detail ZACK Spezial 5 Alain Cardan

Gérald Forton war erst 25 Jahre alt als er die ersten Seiten der neuen Serie ablieferte! Die Qualität war so hoch, dass die Serie nach der Einstellung von Risque-Tout in das Hauptmagazin Spirou überwechseln konnte und dort fortgesetzt wurde. In den nächsten Jahren folgten dann noch drei weitere längere Abenteuer, die ebenfalls für die Reihe ZACK Spezial angekündigt sind. Und auch ein weiterer Bob Morane von Forton wird hier erscheinen.

Eine vortreffliche Reihe

Mit der Entkoppelung von klassischen Stoffen und den modernen Geschichten im Monats-ZACK sind hoffentlich alle zufrieden. Wer will, kann in angemessen präsentierte Schmankerl eintauchen, und zahlt wegen des Direktvertriebmodells auch vernünftige Preise. Die Limitierung ist nicht nur für Sammler*innen gut, sondern vermeidet auch Ladenhüter. Und neuerdings kann man sogar eine passende Grafik dazu bekommen. Diese muss allerdings vor Drucklegung geordert werden, da hier wirklich nur auf Bestellung gearbeitet wird.

Ex Libris Alain Cardan
limitiertes ExLibris, Montage Christian Denayer

Für alle Fans der Blütezeit des frankobelgischen Comics ein Must-Have. Somit auch für Leser*innen von Rick Master, Bob Morane oder Dan Cooper, bekannte Serien des alten ZACK, ein Versuch wert! Und auch, wer sich bei Kult, All Verlag oder Salleck wohlfühlt, wird hier nicht verkehrt sein.

Dazu passen Flogging Molly mit „A Song of Liberty“ und ein Red Ale!

© der Abbildungen Forton/Delporte – Edition Hibou – 2022| 2022 Blattgold GmbH

Schmidt – Nick Knatterton

Die Bibliothek der Comic-Klassiker 7: Nick Knatterton

Story und Zeichnungen: Manfred Schmidt

Originalausgabe

Carlsen Comics
Hardcover Querformat | 440 Seiten | Farbe | 40,00 €
ISBN: 
978-3-551-02918-8

Cover Bibliothek der Klassiker 7 - Nick Knatterton

In der Bibliothek der Comic-Klassiker erscheinen in unregelmäßiger Folge nationale wie internationale Must-Haves. Sie ist damit quasi die aktuelle Version der Reihen, die vor Jahren von der Bild und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung verlegt worden waren. Die Aufmachung wirkt aber etwas gediegener und präsentiert die Stoffe in lesbarerer Form! Die Gesamtausgabe enthält alle 18 Geschichten des deutschen Meisterdetektivs.

Kombiniere …

Deutschland im Jahre 1950. Es geht wieder aufwärts, das Wirtschaftswunder nimmt seinen Lauf und neben der Sorge um das nackte Überleben ist wieder Zeit für Zerstreuung. Bestandteil dieses Paketes ist die Illustrierte QUICK mit schnell konsumierbaren News aus aller Welt. Stars und Sternchen bildeten dabei eine Säule, schon ab dem zweiten Jahr aber auch die Geschichten um Nick Knatterton! Bis 1959 sollten die Comics im Magazin bleiben, Lizenzen wurden auch in das Ausland verkauft.

Detail Nick Knatterton GA page 22

Manfred Schmidt, Erfinder, Texter und Zeichner der Serie, hatte die erste Geschichte als Parodie auf die aus Amerika kommende Kunstform der Comics, speziell Superman, geplant. Für einen deutschen Bildungsbürger waren Bildgeschichten bestenfalls etwas für Kinder, keinesfalls aber wertvoll. Überrascht vom Erfolg und Zuspruch der Leser*innen entstanden dann aber doch insgesamt 18 Episoden mit dem superschlauen Helden in markanter Kleidung mit Pfeife und spitzem Kinn.

Die Geschichten sind voll von Anspielungen auf die damalige politische Großwetterlage und präsentieren ein zeitgemäßes, krudes Frauenbild (giftiger Vamp oder naive Sekretärin) samt üppiger Kurven. Vor allem anfangs fühlt man sich an die wilden, Slapstick getriebenen Abenteuer von Tim bei den Sowjets erinnert. In den späteren Folgen wird die Handlung etwas systematischer entwickelt.

Detailreiche Zeichnungen mit Erklärungen

Ein wesentliches Merkmal der Zeichnungen von Schmidt sind die Kästchen, die Details aus den Bildern erklären. Manchmal wirken diese Texte, als ob der Zeichner seinen Leser*innen nicht zutrauen würde, die Bildsprache zu verstehen. Meistens sind sie aber ironische Anmerkungen, die den Fokus auf bestimmte Details legen. Die Zeichnungen sind schwarz-weiß, haben teilweise mit Wasserfarben gemalte Anteile, und nutzen ein Raster für die Kleidung der Hauptperson.

Detail Nick Knatterton GA page 23

Schmidt setzt häufig auf Speedlines und Wölkchen, um Bewegung zu visualisieren und pflegt ansonsten einen karikaturesken Stil. Damit ist er mit seinen wöchentlichen zwei Streifen in der Tradition der Zeitungscomics ohne wirklich dazuzugehören. Nick Knatterton ist ein Produkt seiner Zeit und würde so heutzutage niemals ein Publikum finden. Der dahinterstehende rasante Slapstick, die Überhöhung der natürlichen menschlichen Eigenschaften in der Person des Helden und die teils bissigen Kommentare auf das Zeitgeschehen sind aber ein wertvoller Bestandteil der Geschichte des deutschen Comics und damit ein notwendiger Teil einer Comic-Bibliothek in unseren Landen!

Ansprechende Darbietung

Der Hamburger Verlag hat sich erfolgreich bemüht, Nick Knatterton in einer wertigen Form zu präsentieren! Das gut gebundene Hardcover im Querformat steckt in einem hochformatigem Schuber und passt daher in jedes Regal. Damit ähnelt dieser Band auch den anderen Teilen der Reihe. Die jeweiligen Wochenlieferungen wirken durch den großzügigen Weißraum ohne jede Ablenkung und jede der Geschichten bekommt eine kurze Einführung.

Detail Nick Knatterton GA page 426

Sicherlich gibt es antiquarisch noch die eine oder andere Ausgabe der Geschichten für weniger Geld. Der Preis dieser Ausgabe ist aber für die Ausstattung angemessen und ein neues Buch hat, nicht nur für Sammler*innen, seine Vorteile! Vielleicht auch ein Geschenktipp für Weihnachten für die Opas!

Dazu passen ein klassischer Weinbrand sowie Bill Ramsey mit “Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett”, auch wenn dieser Schlager erst ein paar Jährchen nach der Einstellung der Comics aufgenommen wurde!

© der Abbildungen Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2022

Jean Graton – Michel Vaillant Collector’s Edition 4

Gesamtausgabe Teil 1: 1964 – 1967

Story: Jean Graton
Zeichnungen: 
Jean Graton

Originaltitel: Michel Vaillant L’Intégrale 4

Egmont Comic Collection

Hardcover | 224 Seiten | Farbe | 39,00 € |

ISBN: 978-3-7704-0296-0

Cover Michel Vaillant Collector's Edition 4

Es gibt eigentlich zwei Comic-Helden, die die Generation ZACK im Wesentlichen repräsentieren: Rick Master und Michel Vaillant. Während der erstere seine Gesamtausgabe auf Deutsch schon komplettiert hat, ist für zweiteren die Collector’s Edition gerade angelaufen und nun bei Band 4 angekommen. Und bevor jetzt ein Shitstorm anläuft: Natürlich gibt es noch eine ganze Reihe von erstklassigen Held*innen, die Tintin, Spirou und ZACK zu dem gemacht haben, was sie waren bzw. noch sind. Die Jahreswertungen wurden aber mehrheitlich von eben diesen beiden angeführt. Und nicht zuletzt haben auch beide den Sprung in eine modernisierte Version geschafft.

Der Visionär

Jean Graton war nicht nur ein Meister seines Faches was die Zeichnungen betraf. Er hatte schon früh die Werbewirksamkeit von etablierten Comicfiguren erkannt und zunächst mit PubliArt, später mit seinem eigenen Studio unter anderem Michel Vaillant vermarktet. Daneben war er aber auch ein Fan von größtmöglicher Authentizität und Genauigkeit. Am liebsten war er vor Ort, schnupperte Benzin und genoss das Dröhnen in den Ohren. Sollte das nicht möglich sein, nutze er ein Netzwerk von Kontakten, um sich über Fotos und Literatur in die Rennstrecken und die verschiedenen Wettbewerbe einzufühlen.

Detail from Michel Vaillant Gesamtausgabe 4

So war es auch kein Wunder, dass er 1964 in Die Ehre des Samurai den Einstieg einer japanischen Firma in die Formel 1 vorwegnahm. Der tatsächliche Start von Honda folgte dann 1965. Sehr geschickt werden in diesem Band japanische Ehrvorstellungen, altväterliche Flapsigkeit und Gefahren risikobereiten Fahrens miteinander vermischt. Die Geschichte enthält aber auch eines der humoristischen Glanzlichter der frühen Jahre, wenn der Patriarch auf seinem Fahrrad mit der Fahrweise der jungen Wilden in Konflikt gerät. Diese Situation wird noch über Jahre immer wieder auftauchen. Zudem zeigt Graton, dass er durchaus gewillt ist, der Emanzipation Raum zu geben und die Familie offener zu gestalten als Traditionalisten es wünschen würden.

Spannung in Indianapolis ist eines der vielen Abenteuer, das Geschehen auf den Rennstrecken mit kriminellen Aktionen gegnerischer Rennställe verknüpft. Absolute Lieblingsgegner sind dabei sicherlich die Schurken, die hier für die Texas Driver’s fahren. Und in Die Ritter von Königsfeld beweist der Künstler, dass er nicht nur Rennstrecken auf das Papier bringen kann, sondern auch altertümliche Schlösser samt allen Voraussetzungen für eine Mystery-Geschichte. Rennfahrer verschwinden spurlos während Michel und Steve auf dem Schloss Königsfeld die Bekanntschaft von Vater und Tochter Spangenberg machen. Auch diese Geschichte wird sich fortsetzen.

Detail Graton Michel Vaillant 12

Der Reiz der Serie

Natürlich besticht Michel Vaillant vor allem dadurch, dass niemand sonst das Renngeschehen so glaubwürdig auf das Papier bekommt. Das Renngeschehen spielt sich vor den Leser*innen fast wie bei einer TV-Übertragung ab und lässt ein Mitfiebern zu. Dabei bleibt es aber nicht: Soap-Effekte lassen die Familie Vaillant wachsen, an Konflikten reifen und – vor allem – von Band zu Band langfristige Rahmenhandlungen erleben. Dabei werden die Figuren zwar kaum älter, heiraten aber, werden Eltern, …

Zusätzlich hat Jean Graton ein glückliches Händchen bei der Auswahl seiner Studiomitarbeiter. Christian Denayer etwa wird später Alain Chevallier auf den Markt bringen. Bei den hier abgedruckten Bänden ist er noch als Zeichner für die Autos verantwortlich und unterstützt somit die Produktion der neuen MV Geschichten. Die Collector’s Edition bringt dabei nicht nur die Alben in ungekürzter Version, sondern auch Kurzgeschichten und so rundet Der Autosalon 1946 die Comic-Sammlung ab.

Detail Graton Michel Vaillant 10

Zusätzliches Material

Eine ordentliche Gesamtausgabe muss heutzutage mehr liefern als eine angemessene Präsentation der Bildgeschichten und so ist es auch hier. Die einzelnen Abenteuer werden von Details zur Veröffentlichungshistorie begleitet und zeigen Magazintitelbilder und sonstige Illustrationen. Zusätzlich gibt es zu den einzelnen Bänden Hintergrundinfos und Volker Haman führt durch die Rezeption von Jean Graton in Deutschland.  

Selbst diejenigen, die schon alle Einzelbände im Regal haben, könnten durchaus auf die Idee kommen, sich die Collector‘s Edition zusätzlich anzuschaffen. Für alle anderen die Gelegenheit, die Serie in überschaubaren zeitlichen Abständen zu komplettieren!

Detail from Michel Vaillant Gesamtausgabe 4

Dazu passen ein Bölkstoff (auch wenn es von der zwei-rädrigen Variante des Rennsports kommt) und Noir Désir mit „Le Vent Nous Portera“.

© der Abbildungen Graton Editeur / 1964, 1965, 2008 / By Jean Graton – All Rights Reserved | 2022, Egmont Ehapa Media

bestemming: canada

10 landverhuizers, 10 tekenaars, 10 verhalen

Redaktion: Aimée de Jongh, Erik de Graaf, Wiebke Mokken

Im Auftrag von The Dutch Consulate General in Toronto, Canada
Originalausgabe

Scratch-books

Hardcover | 136 Seiten | Farbe | 27,50 €
ISBN: 
978-94-93166-55-4

Cover bestemming:canada

Unter dem Stichwort Migration werden heutzutage aktuelle Flüchtlingsbewegungen verstanden, die häufig aus einer Katastrophenregion in das direkte Umland stattfinden. Daneben gibt es die oft abwertend als Wirtschaftsmigration bezeichnete Auswanderung mit dem Ziel, sich selbst und die Familie woanders besser ernähren, fortbilden, entwickeln zu können. Dieses Werk behandelt exemplarisch 10 Auswanderungen aus den Niederlanden nach Canada aus den letzten 70 Jahren.

Unterschiedliche Motivationen, Herausforderungen und Gefühle

Die Graphic Novel bestemming: canada enthält 10 völlig unterschiedliche Szenarien zur Auswanderung. Mal sind es die Eltern, denen die kleinen Kinder zwangsläufig folgen, mal sind es die wirtschaftlichen Verhältnisse direkt nach den Zweiten Weltkrieg, der die besetzten Niederlande arg gebeutelt zurückgelassen hatte. Und natürlich darf auch die Liebe als Motiv nicht fehlen.

bestemming:canada page 10

Die Geschichten sind alle sehr persönlich gehalten und basieren auf Interviews, die mit den Personen geführt worden sind. Natürlich stehen dabei zunächst die Fakten im Vordergrund: Wer, von wo, wohin, aus welchem Grund? Schon beim letzten Punkt zeigen sich aber emotionale Punkte. Nicht jede*r wollte die Heimat verlassen, sah sich zu diesem Schritt eher gedrängt. Sie alle aber haben ein Stück der alten Heimat mitgenommen, leben teilweise sogar traditioneller als die Daheimgebliebenen.

Und es wird auch deutlich, dass nicht jedes Problem durch einen Ortswechsel gelöst werden kann. Auch in Canada gibt es Rassismus, und auch dort gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land. Zudem ist die große Weite Canadas nicht immer mit unberührter Natur gleichzusetzen. Grundsätzlich überwiegt aber die positive Grundstimmung.

bestemming:canada page 75

Passende Umsetzungen

Die 10 beteiligten Künstler*innen durften die Beiträge ohne künstlerische Vorgaben umsetzen und so enthält bestemming: canada komplett unterschiedliche Stilrichtungen: es gibt bebilderte Reportagen, Comics im Independent Stil wie auch raffiniert ineinanderlaufende Seitenlayouts. Teilweise realistisch gezeichnete Seiten wechseln sich ab mit naiv gezeichneten oder karikaturesken Bildern.

Neben dem sehr informativen Inhalt bietet die Sammlung daher auch einen Überblick über die aktuelle niederländische Comicszene und ist schon deswegen zu empfehlen! Sowohl zu den Künstler*innen wie auch zu der Geschichte der Auswanderung aus den Niederlanden nach Canada gibt es aufschlussreiche Texte. Gerade zur Auswanderung wird so ein Bezug zwischen den häufigsten Zeitpunkten und den politischen Ereignissen hergestellt.

bestemming:canada page 49

Mehr davon!

Klare Kaufempfehlung für diese Graphic Novel. Einerseits hilft sie das Thema der „Flucht aus wirtschaftlichen Gründen“ ein wenig anders zu betrachten. Teile der Presse und rechte Kreise verurteilen gerne die Migration, wenn wir die Zielländer sind, vergessen aber die Tatsache zu erwähnen, dass „wir“ reiche Westeuropäer*innen vor gar nicht langer Zeit selber das Gleiche gemacht haben. Da es sich aber um persönliche Betrachtungen handelt, hebt hier keiner den Zeigefinger oder stellt moralische Grundsätze auf!

Informativ, emotional und wertschätzend wären die Adjektive, die ich zur Beschreibung in drei Worten aussuchen würde! Und natürlich zeigt dieses offizielle, vom Außenministerium geförderte Projekt mal wieder, wie hoch in den Niederlanden das Ansehen der „stripverhalen“ ist.

Dazu passen ein holländisches IPA, etwas aus der Stadshaven Brouwerij, und Musik von Mark Foggo.

© der Abbildungen 2022 bei den jeweiligen Künstler*innen

ZACK 279

ZACK 279 (September 2022)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 279

In der realen Welt überschlagen sich die Katastrophen: während Teile der Welt unter extremer Dürre und Hitze leiden, bekommen andere zu viel Wasser auf einen Schlag. In der Oder verenden Millionen von Fischen und in der Ukraine geht das staatliche Morden durch Russlands Armee weiter. Krankheiten breiten sich in Regionen aus, in denen sie vormals nicht heimisch waren und die Lebenserwartung in Europa ist in den letzten Jahren gesunken. Zufall oder nicht: In diesem ZACK gibt es keine einzige positive Zukunftsvision.

Der Neustart

Ganz neu auf den Seiten des ZACK ist MADI, eine Science-Fiction Serie aus England. Schöpfer ist der Regisseur und Autor Duncan Jones, der Sohn von David Bowie. MADI war ursprünglich als Abschluss einer Trilogie von Filmen gedacht, konnte aber nicht wie geplant realisiert werden. Stattdessen arbeitete Duncan das Script zusammmen mit Alex de Campi zu einem Szenario um, suchte sich verschiedene Zeichner*innen und die Dystopie konnte beginnen. Es war einmal in der Zukunft beginnt damit, dass eine Truppe von Söldner*innen relativ brutal in ein Firmengebäude eindringt, um dort Daten abzugreifen. Allerdings ändern sie ihren Plan und bleiben länger dort als vorgesehen…  Coole, digital gezeichnete Bilder vermitteln eine Atmosphäre, die irgendwo zwischen Enki Bilal und Yves Swolfs liegt. Brutale Action kombiniert mit Cyberspace verspricht für die Zukunft spannende Unterhaltung.

ZACK 279 Page 71

Die Fortsetzungen

Saul, der von der Kopfgeldjägerin Lea gefangengenommen worden war, wird mitten auf dem Meer vor einem pyramidenartigen Bau von seiner Bewacherin getrennt und schafft es, sich in das Innere des Gebäudes zu retten. Zunächst droht ihm dort Ungemach von einem riesigen Greifvogel, dann taucht ein ebenfalls überdimensionierter Löwe auf. Wir als Leser*innen erkennen auch, was das Gebäude einmal gewesen ist. Willem Ritstier entwirft eine düstere Post-Katastrophenwelt, die von Apri Kusbiantoro mit Zeichnungen im Stil von Don Lawrence dramatisch in Szene gesetzt wird.

ZACK 279 Page 5

Die nächste Serie, das nächste üble Zukunftsszenario: Der Konzern Panaklay hat Kinder mit genetischen Manipulationen gezüchtet, allerdings die Kontrolle darüber verloren. Terence Trolley, eine Art Antiheld, lebt mit einem Avatar in einem Wohnwagen und versucht, eben jene Kinder zu beschützen. Ein Trupp bewaffneter Söldner überfällt den Unterschlupf während der Nacht und es kommt zu einem blutigen Gefecht. Serge Le Tendre ist bekannt dafür, durchaus kontroverse Themen anzufassen und macht das auch in Der letzte Link. Die Zeichnungen von Patrick Boutin-Cgané bringen sowohl die Action kongenial zur Geltung als auch die scheinbaren Ruhephasen in der Natur.

ZACK 279 Page 37

In Amoras konnten Suske und Jerusalem eine Ruhepause in einem aufgegebenen Camp der Skinnies, einlegen, werden aber schon am nächsten Morgen von Fatties überrascht. Sollte es diesen gelingen, die Beiden zu stellen, wäre ihr Leben keinen Pfifferling wert. Die Serie von Marc Legendre und Charel Cambré zeichnet ein sehr düsteres Bild einer Welt, die von Klimakatastrophen heimgesucht worden ist und Kriege erlitten hat, aber leider kein Rezept gefunden hat, die Menschlichkeit zu bewahren. Für mich eine der besten aktuellen Serien aus dem flämischen Teil Europas!

ZACK 279 Detail Page 53

Der Abschied

Nicht ganz in diese Reihe der düsteren Visionen passt Empire USA 2.4, spielt das von Alain Mournier gezeichnete Epos doch in der Jetztzeit. Der dort geschilderte Kampf ohne Rücksicht auf „Kollateralschäden“ zwischen zwei Clans des ehemaligen UDSSR-Geheimdienstes entstand allerdings schon vor einigen Jährchen und somit bevor russische Mörder unliebsame Personen in west-europäischen Städten vergiftet oder erschossen haben. Wird dieser letzte Teil tatsächlich die Frage klären, wer Jareds Partner ermordet hat? Stephen Desberg führt viele offene Fäden zusammen, lässt aber Raum für Folgebände.

ZACK 279 Detail Page 21

Und sonst?

Parker & Badger müssen nicht nur den Vermieter überleben, sondern werden beim Zelten auch auf eine harte Probe gestellt und in Tizombi wird ein Geheimnis offenbart: Wie sichert man sich unbedingte Loyalität? Der Slip bedient erneut den Humor des misogynen alleinstehenden Herren.  Dazu kommen der Rückblick auf das ZACK im September 1972 von Michael Klein, Christian Endres‘ Würdigung des flexiblen Enrico Marini, der aktuell in das Genre des Krimi Noir eingestiegen ist und eine Würdigung der Blauen Boys durch den Verfasser dieser Zeilen. News und Kurzbesprechungen dienen wie immer dazu, Anregungen für die nächste Shopping-Tour zu bieten.

Ob in der Hitze der Nacht oder während des Sommerregens, auch diese ZACK-Ausgabe erlaubt Fluchten aus dem Alltag. Wem die dargebotenen Alternativen zu düster sind, kann ja im richtigen Leben anfangen dafür zu sorgen, dass es nicht so kommt.

Dazu passen Bad Religion mit „21st Century Digital Boy“und ein belgisches Sauerbier, etwa Boon Oude Geuze.

© der Abbildungen 2022 bei den jeweiligen Autoren und Verlage c/o Blattgold GmbH

Zauberstern – Phantom 2

Der Geist und das Monster Teil 2

Story: Andrew Constant, Lee Falk
Zeichnungen: 
Giancarlo Caracuzzo, George Olesen

Zauberstern Comics

Heft |100 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISSN: N/A

Cover Zauberstern Phantom 2

Das Phantom ist an die deutschen Kioske zurückgekehrt und deckt dort eine Lücke zwischen Superheld*innen, Asterix/Lucky Luke und Walt Disney ab, die jahrelang brach gelegen hat. Vom Zeitungsstrip herkommend, ist der maskierte Kämpfer für die Gerechtigkeit in den USA bereits seit 1936 unterwegs. Auch in Europa hat das Phantom sich eigenständig weiterentwickelt, vor allem in Spanien und Schweden. Mit dem neuen Magazin werden wir hier in Deutschland erneut aus allen Quellen das Beste präsentiert bekommen und vielleicht wird es ja auch wieder deutsche Eigenproduktionen geben.

Monster unter sich

Die zweite Hälfte der Story Der Geist und das Monster hilft zunächst den Titel besser verstehen zu können. Wer sich beim ersten Teil noch gefragt hatte, ob Adam, besser bekannt als Frankensteins Monster, wirklich so monströs sei, erfährt nun, dass ein echtes Monster auf der Jagd nach ihm ist. Gleich zu Beginn kommt es zu einem Kampf in Bangalla und es sterben nicht nur einige der treuen Helfer des Phantoms, seine Frau und Adam werden entführt und Kit Walker schwer verletzt.

Andrew Constant entwickelt eine spannende Story über Einsamkeit, Selbstüberschätzung und eigene Überhöhung, die zum Spirit der Serie passt. Was ist Böse und welche Schuld kann gesühnt werden? Natürlich wird über diese Aspekte nicht doziert, sie sind eingebunden in den Versuch, die Gefangenen zu befreien und die Welt vor dem Monster zu retten.

Illustration Phantom

Als Phantom Classics kommt erneut eine Story von Lee Falk zum Abdruck: Die Giganten vom Niemandsland. Völkerverständigung ist ein schwieriges Thema, zumal wenn Vorurteile und Missverständnisse sich ergänzen. Und so können kleine Funken schließlich doch einen Steppenbrand auslösen, Aktion führt zu Reaktion zu Reaktion und schnell ist ein schier unlösbarer Konflikt entstanden. Auch wenn die Geschichte hier vielleicht etwas simplifiziert erscheint, ist der Kern natürlich richtig: Information beschaffen, einander verstehen wollen und Neues akzeptieren lernen sind die Schlüsselworte.

Actionorientierte Zeichnungen

Giancarlo Caracuzzo liefert seine Zeichnungen sehr actionorientiert ab, integriert aber auch detailliertere Positionen wo nötig. Es kann daher zum Beispiel vorkommen, dass ein Panel komplett mit der Darstellung einer Faust gefüllt ist. Während die Körperdarstellung und die Hintergründe ganz gut gelingen sind die Mundpartien manchmal etwas zu vereinfacht. Grundsätzlich gelingen aber sogar sie. Das im Vergleich zum Original etwas größere Papierformat steigert das Tempo der Story noch. Eine gute Wahl zum Einstieg in die neue Reihe!

Die Sonntagsseiten aus dem Jahr 1998 haben natürlich der Herausforderung zu genügen, dass jede Seite für sich wirken muss. Sie wurden zudem für das Magazin vom Quer- auf Hochformat umlayoutet, funktionieren aber auch so. George Olesen arbeitet sehr detailreich und mit vielen Schattierungen, um zur Not auch eine schwarz-weiße Produktion auf grobem Zeitungspapier zu ermöglichen. Für Fans von Zeitungsstrips eine sicherlich nicht mit Bruce Hogarth vergleichbare, aber sehr ordentliche Leistung!

Logo Das Phantom

Nostalgie in Serie

Das Phantom bringt Erinnerungen an die glorreiche Zeit des Kiosk-Comics zurück. Dazu tragen natürlich die Aufmerksamkeit erzeugenden Titelbilder bei, aber auch die Poster (Danke für da Bedrucken der Rückseite mit Werbung!). Der Preis ist angemessen und die ersten Kund*innenreaktionen scheinen sehr positiv!

Wenn die Auswahl der Stories abwechslungsreich und die Qualität hoch bleiben, sollte einem Erfolg nichts im Wege stehen. Wichtig dafür ist aber auch die Auswahl der „Classics“. Es gibt hier eine große Bandbreite, die auch genutzt werden sollte.

Dazu passen Alvin Lee & Ten Years Later als Erinnerung an den sagenhaften Rockpalast-Auftritt und ein Korn-Kirschsaft.

© der Abbildungen 1998, 2021 by King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc. & Frew Comics / Zauberstern Comics

Ram V/Blanco – Catwoman 7 (Fear State)

Aufruhr in der Stadt der Angst

Story: Ram V
Zeichnungen: 
Fernando Blanco, Nina Vakueva, Laura Braga, Caspar Wijngaard
Originaltitel: US-Catwoman 33-38

Panini Comics

Broschur | 156 Seiten | Farbe | 19 €
ISBN: 978-3-7416-2987-7

Cover Catwoman 7

Fear State bzw. Stadt der Angst in deutscher Übersetzung ist eines der DC (Batman-) Mega-Events, das über viele Serien hinwegfegt. In Gotham hat der Magistrat die Macht übernommen und bekämpft Super-Held*innen wie Schurk*innen gleichermaßen. Die Stadt soll gleichgeschaltet werden und Individualität ausgerottet. Natürlich sind damit nicht alle einverstanden und es entstehen seltsame Allianzen aus vormals Gut und Böse; Grenzen erweisen sich als nicht mehr stabil und der Kampf um die Stadt ist in vollem Gange!

Die Beschützerin von Alleytown

Nachdem Selina Kyle aus ihrem selbstgewählten Exil zurückgekommen ist, haben sich die Ereignisse quasi überschlagen. Immerhin kann sie wieder mit ihrem Ex, dem Dunklen Ritter, obwohl sie die Hochzeit hatte platzen lassen. In Band 5 hatte sie begonnen, sich ihr altes Viertel, Alleytown, wieder zu erobern und eine neue Organisation mit Hilfe von bisher unorganisierten Jugendlichen aufzubauen. In Band 6 ist nachzulesen, wie und warum Catwoman das Leben des Riddler und von Poison Ivy gerettet hat.

Innencover Catwoman 7

In dem aktuellen, aus sechs Einzelheften bestehendem Sammelband, muss sich die maskierte Diebin dem Angriff der Privatarmee des Magistrats gegen ihr Viertel erwehren. Und auch die Sache mit dem auf sie angesetzten Killer, Pater Valley, ist nicht ausgestanden. Da es dabei hart auf hart geht, stellt sie sich die Frage, ob es richtig ist, das Leben von so vielen Menschen aufs Spiel zu setzen, um ihre Idee des Lebens durchzusetzen. Diese Emotionen werden umso stärker als die Gefahren für ihre Freund*innen und sogar ihre Familie immer größer werden. Tatsächlich – und das ist im amerikanischen Mainstream nicht so häufig – überleben auch bekannte Charaktere diese Auseinandersetzung nicht.

In der parallelen Handlung geht es um die „Team-Konflikte“: Kann es wirklich gut gehen, wenn Croc, der Riddler, Catwoman und andere auf einer Seite stehen? Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Pinguin sich damit abfinden wird, doch welches Ass hat er Im Ärmel? Vor allem aber stellt sich natürlich die Frage, ob es gelingen wird, Poison Ivy zu beschützen? Ram V präsentiert einen guten Abschluss seines Runs! Grundsätzlich ist mir dieses Event zu „ballerlastig“, es gelingt aber die emotionalen und persönlichen Elemente, die Catwoman bisher ausgezeichnet haben, auch innerhalb dieses Umfelds hochzuhalten und sogar noch auszubauen. Wir dürfen gespannt sein, wie sich das weiterentwickeln wird!

Unterschiedliche Zeichenstile

Im Gegensatz zu europäischen Comics, in denen ein Handlungsstrang typischerweise von einem Künstler*innengespann umgesetzt wird, können bei den US-Serien einzelne Kapitel von unterschiedlichen Autor*innen oder Zeichner*innen umgesetzt worden sein. Gerade bei einer Veröffentlichung in Sammelbänden fällt das natürlich mehr auf, als wenn ein Monat dazwischenliegen würde. Das kann irritierend sein oder aber auch, wie hier, erfrischend.

Detail aus Catwoman 7

Fernando Blanco hat einen sehr realistischen Stil, der trotz allem sehr glatt rüberkommt. Nina Vakueva (teilweise zusammen mit Laura Braga) ist viel rauer. Der Schatten ist nicht mehr nur koloriert, sondern finden sich auch in Schraffuren und Rastern wieder. Vom Layout her fühlt man sich an Popcorn-Kino erinnert. Ständig explodiert etwas, schnelle und harte Schnitte sorgen für Tempo. Den Abschluss liefert Caspar Wijngaard: psychedelische Farben, teilweise an den animated style angelehnte Gesichter vor extrem detaillierten Hintergründen. Diese Überraschung ist für mich gelungen!

Ein würdiges Finale

Dieser Band ist gleich mehrfach ein Finale, denn die Strecke von Ram V endet hier. Er hat die Figur von Catwoman weiterentwickelt, die von allen akzeptierte Chefin von Alleytown kreiert und somit eine neue Inkarnation geschaffen. Gleichzeitig hat er aber auch die Ballerevents in die Serie integriert, ohne die Besonderheiten aufzugeben. Auch diese sind nun durch und die Serien separieren sich wieder etwas.

Auseinandersetzung mit Pater Valley in Catwoman 7

Eine sympathische Heldin, die prinzipiell „gut“ ist, ohne dabei moralinsauer rüberzukommen. Sie akzeptiert nicht nur in ihrem Gefolge (Klein-)Kriminalität, sondern bricht selbst das Gesetz ein ums andere Mal. Dieser Konflikt, auch mit ihrem Lover, ist ein wesentliches Erfolgsmerkmal!

Dazu passen ein Espresso Martini und Offspring – Kids aren’t allright!

© der Abbildungen 2021, 2022 DC / Panini Verlags GmbH

Giancola – Mittelerde

Auf den Spuren eines Mythos

Zeichnungen: Donato Giancola
Originaltitel: 
Terre du Milieu – Sur les Traces d’un Mythe

Splitter Verlag

Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 35,00 € | 
ISBN: 978-3-98721-065-5

Cover Giancola - Mittelerde

Mittelerde als Sammelbezeichnung für die verschiedenen Zeitalter der von John Ronald Reul Tolkien geschaffenen Welt ist mittlerweile Bestandteil des allgemeinen Wortschatzes unzähliger Sprachen. Fast jede*r kennt die Bücher, die Verfilmungen, die Hörspiele, vielleicht sogar die Rollen- und Brettspiele. Orks haben inzwischen Eingang in viele Werke gefunden, sind fast so etwas wie eine ausgestorbene Art geworden und auch beim Auenland wäre ich mir nicht sicher, wie groß der Anteil der Befragten wäre, die es auf einer Weltkarte lokalisieren würden. Passend zum Start der neuen Streaming-Serie auf Amazon präsentiert der Splitter-Verlag einen opulenten Bildband!

Der Fluch des Bekannten

Für jede*n Künstler*in im Fantasy-Bereich gibt es verschiedene Herausforderungen: Bestimmte Eigenschaften eines Wesens sind allgemeinbekannt: Trolle sind riesig und stark, Orks stinken und sind gefährliche Raubtiere und Elfen haben etwas ätherisches. Die Betrachter*innen haben also schon eine gewisse Vorstellung und müssen nicht mehr von null abgeholt werden. Dieser Segen kann sich aber in das Gegenteil verkehren, wenn das Abzubildende zu bekannt ist. Insbesondere erfolgreiche Verfilmungen können dazu beitragen, dass es für nachfolgende Künstler*innen sehr schwer wird, eigene Akzente setzen zu können.

Dragon from Giancola - Mittelerde

Als Beispiel dafür möge Boromir dienen: Sean Beans Aussehen hat die Rezeption dieses Charakters total verändert, denn bei Ralph Bakshi sah er noch aus wie ein Wikinger. Ein Boromir mit kurzen Haaren oder ohne Bart wäre für Betrachter*innen kaum vermittelbar. Giancola nimmt diese Herausforderung an und präsentiert den Ringgefährten erkennbar und doch anders.

Auch Gandalf, die Hobbits und Legolas haben bei Giancola eine eigene Präsenz. Ihm gelingt es besonders bei seinen Personenporträts, Emotionen in den Vordergrund zu stellen. Die dargestellten zeigen Ängste, Zuversicht oder Mut in Körperhaltung und Mimik. Teilweise kopiert der Künstler dabei den Stil der klassischen Porträtmaler und man erwartet fast, zu lesen, dass das Original im Louvre oder im Mauritshuis hängen würde. Daneben gibt es aber auch viele Abbildungen mit Pastellkreide.

Eagle from Giancola - Mittelerde

Eine Tour durch Mittelerde

Das Artbook nimmt die Leser*innen mit auf eine Reise. Es beginnt mit dem Hobbit: gemütlich, genussorientiert und ein wenig konservativ entschließt sich ein gewisser Bilbo Beutlin doch, auf eine Reise zu gehen. Diese Initiation und vor allem der Drache Smaug stehen hier im Fokus.

Der Herr der Ringe porträtiert wie oben bereits erwähnt die Hauptpersonen, gibt aber auch immer wieder Schlüsselszenen eine neue darstellerische Interpretation. Das gilt etwa für das Verhältnis von Frodo und Gollum, den rätselhaften Balrog, oder die fast schon einer Erlösung gleichkommende Vernichtung des Ringes.

Abschließend greift Giancola weiter Erzählungen von Tolkien auf wie etwa die Kinder Hurins oder den Fall von Gondolin. Dazu gibt es ein paar kurze Begleittexte, die den Kontext herstellen sollen ohne von der Macht der Bilder abzulenken. Viele der Werke sind übrigens in Privatbesitz und werden daher kaum auf Ausstellungen zu sehen sein.

Troll from Giancola - Mittelerde

Ein wunderschönes Artbook

Dem Splitter-Verlag ist mit diesem Artbook meines Erachtens ein toller Coup gelungen. Natürlich gehört dieses Buch nicht in den Kernbereich „Comics für Erwachsene“. Auf der anderen Seite geht es bei der Neunten Kunst darum, mit Bildern eine Geschichte zu erzählen. Die Bilder von Donato Giancola sind zwar nicht sequentiell zu lesen, erzählen aber durchaus Geschichten von Momenten.

Künstlerisch bietet der Bildband durch die Kombination der Ölgemälde mit Pastellkreidezeichnungen und anderen Techniken eine interessante und abwechslungsreiche Reise durch Mittelerde in der Bekanntes aufblitzt aber doch anders präsentiert wird. Zum Start der Ringe der Macht eine tolle Ergänzung, die sich sicherlich auch gut als Weihnachtsgeschenk eignet. Und vielleicht kann sich ja auch der eine oder die andere in den kommenden kalten Wintertagen daran erwärmen.

2 versions of a drawing from Giancola - Mittelerde

Dazu passen The Whistlin‘ Donkeys zum Beispiel mit „Mc Alpine’s Fusiliers” und ein kühles Stout.

© der Abbildungen 2022 URBAN COMICS by Donato Giancarlo / Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2022

Zauberstern – Phantom 1

Der Geist und das Monster Teil 1

Story: Andrew Constant, Lee Falk
Zeichnungen: 
Giancarlo Caracuzzo, George Olesen

Zauberstern Comics

Heft |108 Seiten | Farbe | 9,99 € |

ISSN: N/A

Nach mehr als 30 Jahren Pause ist der maskierte Beschützer, der älter ist als Batman oder Superman, zurück auf dem deutschen Markt. Seine großen Erfolge in Deutschland hatte das Phantom von Schöpfer Lee Falk in den 70-er und 80-er Jahren bei Bastei feiern dürfen. Am 17. Februar 1936 war die erste Folge von Tagesstrips in den USA erschienen und schon bald folgten auch farbige Sonntagsseiten. Beides wurde später im Comicbook-Format neu aufgelegt und in verschiedenen Ländern starteten eigene Reihen mit zum Teil exklusivem Material. Die deutschen Veröffentlichungen bedienten sich überall. Einen umfassenden Überblick gibt Christian Blees in Lee Falks Phantom!

Cover Das Phantom 1

Das Phantom und der Mythos der Unsterblichkeit

1536 überlebte Christopher Standish als einziger ein Schiffsunglück in den Gewässern vor Bangalla. Seine Retter brachten ihn in eine Höhle, die wie ein Totenkopf geformt war. Nach seiner Gesundung schwor der junge Mann, dass er fortan gegen die Finsternis und für Gerechtigkeit kämpfen werde. Er legte sich ein Kostüm zu und wurde von Verbrechern gefürchtet.

Seit dem wird das Kostüm und die Aufgabe vom Vater an den Sohn übergeben. Die daraus entsprungene Legende des wandelnden Geistes trägt zum Mythos des Kämpfers bei und das aktuelle 21. Phantom, Kit Walker, bewohnt immer noch die Totenkopfhöhle, auch wenn der Radius für die guten Taten aufgrund moderner Möglichkeiten inzwischen weltweit ist.

Auseinandersetzung mit der Vergangenheit

In Der Geist und das Monster bekommt es Phantom mit jemandem zu tun, der schon Kontakt mit dem 17. Phantom hatte. Tippfehler? Nein, denn das sogenannte Monster ist die Figur, die landläufig als Frankensteins Monster bekannt ist und deren Geschichte mehr oder weniger authentisch von Mary Shelley aufgezeichnet worden war.  Die Kreatur bittet Phantom um Hilfe.

Zunächst ist aber fraglich, ob der Besucher wirklich in friedlicher und ehrlicher Absicht gekommen ist. Kit Walker und noch mehr seine Unterstützer sind sich diesbezüglich nicht so sicher und so kommt es zunächst einmal zu einem Kampf zwischen dem riesigen Wesen und dem trainierten Kämpfer.

Spannende Story aus dem Jahr 2021, die serientypisch immer wieder auf die Vergangenheit Bezug nimmt und es somit auch Neueinsteiger*innen erlaubt, sich schnell zurechtzufinden. Geschickt werden Pulp-Elemente, Heldenmomente, Schauerromantik und moderne Gepflogenheiten verwoben und somit sowohl alte Erwartungen als auch neue Anforderungen an zeitgemäße Comicliteratur befriedigt! Teil zwei ist für das nächste Heft angekündigt.

Illustration Phantom

Friede auf Erden

Neben einer aktuellen Story wird es jeweils einen Beitrag in der Rubrik Phantom Classics geben. Den Anfang macht Das Geheimnis der Fischmenschen von 1997. Auch hier ist ein kräftiger Science-Fiction-Einschlag deutlich zu spüren. Um Bangalla ist alles friedlich, Tiere und Menschen leben in tiefer Harmonie, und Gewalt ist vollständig verbannt. Gewährleistet wird das unter anderem dadurch, dass das Volk der Mori andere, vorher von der Jagd lebende Völker sowie Raubtiere mit Fischen versorgt und so vom Töten abhält. Wir ignorieren dabei einfach mal die Tatsache, dass das Töten von Fischen keine Beeinträchtigung des Paradieses darstellt.

Eines Tages jedoch scheint alles in Gefahr, denn die Mori weigern sich, weiterhin auf Fischfang zu gehen und Phantom muss eingreifen. Abgesehen von der eben bereits aufgeworfenen Fragestellung ein perfektes Beispiel wie sich paternalistische Europäer und Amerikaner ein paradiesisches Leben unter Indigenen vorstellen. Die Geschichte ist sicherlich von dieser Warte aus heute alles andere als zeitgemäß, dient aber als klassisches Beispiel für die Vorstellung von „Frieden“ und „Güte“. Zeichnerisch und dramaturgisch ist dem Strip anzumerken, dass er ursprünglich als Tagestreifen konzipiert worden ist.

Logo Das Phantom

Die Wertung

Schön, dass der maskierte Geist seinen Weg zurück auf den deutschen Comicmarkt gefunden hat! Gerade die Kombination aus Klassikern und modernen Geschichten zeigt die Vielseitigkeit und Entwicklung des Comics und bietet Phans dadurch eine gute Mischung. Vom Layout her vermag die Zeitschrift zu gefallen und das Poster im Mittelteil weckt Erinnerungen.

Zwei Kleinigkeiten wären aber auf jeden Fall noch verbesserungsfähig: Zum einen sollte die Rückseite des Posters nicht mit der fortlaufenden Geschichte bedruckt sein. Wenn es nämlich tatsächlich aufgehängt würde, wäre der Comic nicht mehr komplett lesbar. Zum anderen gehört es heute eigentlich zum guten Ton, bibliografische Angaben zu Originalveröffentlichung und allen beteiligten Künstler*innen abzudrucken.

Ansonsten bleibt nur, dem Versuch von zwei Herren, mit Zauberstern Comics einen neuen Verlag zu gründen und das Phantom zurück an die Kioske zu bringen, viel Glück zu wünschen! comix-online drückt die Daumen.

Dazu passen Die Toten Hosen mit „Alle sagen das“ und ein kühles Kingfisher.

© der Abbildungen 1997, 2021 by King Features Syndicate, Inc TM Hearst Holdings, Inc. & Frew Comics / Zauberstern Comics

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