Ramaïoli – Die Erzählungen von Lederstrumpf 2

Der letzte Mohikaner

Text und Zeichnungen: Georges Ramaïoli nach den Romanen von James Fenimore Cooper

Originaltitel: Bas de Cuir – Tome 2 – Les Derniers des Mohicans

All Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN: 978-3-96804-056-1

Cover Ramaioli Lederstrumpf 2

Die Erzählungen von Lederstrumpf sind klassische Literatur. James Fenimore Cooper hat eine ganze Reihe von Abenteuer-Romanen geschrieben: historische Romane, Seefahrergeschichten aber eben auch über die Eroberung des amerikanischen Kontinents durch weiße Siedler. Er gilt dabei einerseits als Patriot, andererseits aber auch als Kritiker des verantwortungslosen Handelns. Indianer*innen werden von ihm als Menschen beschrieben, also weder idealisiert noch verteufelt.

Eine bedrohte Art

1757 sind die französischen Truppen und die mit ihnen verbündeten Indianerstämme im Vormarsch und greifen nicht nur vereinzelt Siedler*innen an, sondern sogar die befestigten Forts der englischen Truppen. Zwei Töchter eines ranghohen englischen Offiziers sollen von einem Fort in ein anderes reisen, man glaubt, dass ihre Sicherheit höher wäre, wenn sie nicht mit den Truppen ziehen, sondern separat. So begibt sich eine kleine Reisetruppe in die Obhut des Scouts Magua. Durch ein zufälliges Treffen mit Chingachgook, seinem Sohn Uncas und Falkenauge kann eine Entführung durch den Indianer vereitelt werden.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 39

Nun aber muss die kleine Truppe vor den Stämmen der Mingos fliehen und gerät in mehrere brenzliche Situationen. Tatsächlich werden die beiden Töchter zwischenzeitlich sogar gefangengenommen und es kommt zu verschiedenen Belagerungen und Angriffen. Cooper vermischt hier geschickt Liebe und Machtansprüche, Erpressung und gegenseitige Hilfe und Vertrauen als Basis von Handlungen. Wie schon im ersten Teil wird die Frage nach dem Wesen von Ehre gestellt und ebenfalls erneut wird eine tiefe Gläubigkeit als eine Geisteskrankheit im indianischen Sinne gewertet.

Im Laufe der Geschichte erfahren die Leser*innen auch, dass der Stamm der Mohikaner immer mehr zusammengeschrumpft ist und am Ende tatsächlich nur noch einer übrig sein wird, eben der letzte Mohikaner.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 43

Die Aufgabe von Georges Ramaïoli bestand darin, den langen Ursprungstext so einzukürzen, dass er auf 68 Seiten darstellbar wird. Landschaftsbeschreibungen sind dabei einfach umzusetzen, auch Gefühle lassen sich in Ausdruck umwandeln, lange Textpassagen schon weniger. Das gilt umso mehr als schon Zeitgenossen Coopers die etwas umständliche Sprache kritisiert hatten. Meines Erachtens ist das hier, gerade auch in der Übersetzung durch Saskia Funke gut gelungen. Die Texte sind eindeutig nicht umgangssprachlich oder vulgär, aber eben auch nicht verstaubt oder gestelzt.

Actionreiche Zeichnungen

Wesentlicher Bestandteil der Handlung sind in diesem zweiten Teil die Kämpfe zwischen englischen und französischen Truppen und die Scharmützel, in die die Protagonist*innen selbst verwickelt werden. Das zweite große Moment sind die Fluchten dazwischen. Es verwundert daher nicht, dass für Natur, Gespräche oder ruhige Alltagsbeschreibungen nicht viel Raum ist. Georges Ramaïoli versucht dabei nicht, Kamerafahrten nachzustellen. Sein Stil ist es eher, Standbilder aneinander zu reihen und die Verbindung der Szenen in den Kopf des/der Betrachter*in zu verlagern.

Die Figuren bewegen sich in diesen Aufnahmen relativ natürlich und sehen nicht verbogen aus. Auch die Gesichter sind sowohl wiedererkennbar als auch fähig, Emotionen zu transportieren. Die Uniformen sind gut recherchiert und die Landschaften detailliert. Der Seitenaufbau folgt im Prinzip dem klassischen frankobelgischen Muster, ganzseitige Illustrationen und Überspannungen lockern das starre Schema aber auf.

Detail Ramaioli Lederstrumpf 2 page 44

Für Fans des klassischen Abenteuers

Die Lederstrumpf-Bände entsprechen in ihrer ganzen Erzählstruktur nicht den Netflix-Anforderungen der jungen Generation. Nicht schrill genug, zu langsam erzählt, kein Sex. Für alle, die manchmal weniger Piff-Puff-Bäng brauchen, ist die Adaption von Ramaïoli aber gelungen. Längen des Originals wurden entfernt, die Sprache behutsam modernisiert, der Stil aber trotzdem konserviert.

Cover Ramaioli Lederstrumpf 2 VZA
Cover der limitierten VZA

Natürlich ist die Ausstattung wie immer im All-Verlag angemessen! Stabiler Einband, gutes Papier, ein paar Skizzen im Anhang und einführende Worte zur gesellschaftspolitischen Lage sind für alle dabei. Wer möchte kann dann auch noch auf die auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe wechseln, die neben einem Variantcover auch noch ein signiertes ExLibris enthält!

ExLibris Ramaioli Lederstrumpf 2 VZA
ExLibris der limitierten VZA

Dazu passen Blood or Whiskey und ein Allagash White.

© der Abbildungen 2021 Georges Ramaïoli / All Verlag

Gabus/Reutimann – Der Hafen der Geheimnisse 1

Das Monster aus dem Meer

Story: Pierre Gabus

Zeichnungen: Romuald Reutimann

Originaltitel: New Cherbourg Stories Vol. 1 – Le Monstre de Querqueville

Carlsen Comics
Softcover | 64 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISBN: 
978-3-551-02395-7

Cover Gabus/Reutimann – Der Hafen der Geheimnisse 1

Eine neue Serie aus Frankreich, die in ihren Zeichnungen sehr klassisch daherkommt, Science-Fiction- und Mystery-Elemente verknüpft und auch noch humorige Bestandteile hat – Das klingt fantastisch! Das Team Gabus/Reutimann hat übrigens bereits 2012 mit einer anderen Serie in Angoulême gewonnen, ist in Deutschland aber bisher noch sehr unbekannt.

Geheimes Leben im Meer

Das kleine, fiktive Städtchen New Cherbourg liegt irgendwo am Meer im Norden Frankreichs. Der Hafen der Geheimnisse spielt in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Der Tourismus ist bereits eine Einnahmequelle, der Luftverkehr wird mit Zeppelinen durchgeführt. Ein kleiner Junge ist damit beschäftigt, Möwen zu dressieren und wird auf den folgenden Seiten immer wieder auftauchen. Mit seinen Eltern und Geschwistern steht er für das alltägliche Leben.

Der Hafen der Geheimnisse 1 page 3

Am Strand wird plötzlich eine walartige, behaarte Kreatur entdeckt, das Monster aus dem Meer. Die Gemeinde beschließt, den Fund geheim zu halten und es wird klar, dass es bereits andere Begegnungen gegeben hat. Neben den Walen gibt es auch noch die Gründler, die unter Wasser eine eigene Zivilisation gegründet haben. Um sie vor Ausbeutung durch den Menschen zu schützen, soll niemand etwas von ihnen erfahren. Leider ist allerdings eine Akte über diese Wesen verschwunden.

Zwei Geheimagenten mit wunderlichen Kräften sollen die Akte finden und zurückholen. Sie bekommen bald Unterstützung von einer jungen Kollegin, die wiederum die Schwester des eingangs erwähnten Jungen ist. Und dann ist da auch noch der Regierungsvertreter, der der Stadt einen Besuch abstattet.

Der Hafen der Geheimnisse 1 page 5

Moderne Klare Linie

Die Zeichnungen von Romuald Reutimann passen perfekt zu dem Szenario. Die Klare Linie lässt Geheimagent*innen alten Stils lebendig werden, ohne dabei die moderne Interpretation durch die Kollegin zu behindern. Die fremdartigen Unterwasserwesen haben die richtige Mischung aus „Monster“ und „akzeptabel“, um gleichzeitig fremdartig, aber nicht gefährlich zu wirken. Und nicht zuletzt ist durch das nostalgische Ambiente keine Notwendigkeit für eine allzu realistische Darstellung.

Die Zeichnungen wirken dabei allerdings keineswegs aus der Zeit gefallen. Sie sind variabel, detailreich wo nötig und transportieren eine ganze Menge an humorigen Szenen, ohne dabei allerdings in einen Slapstick wie bei Hergé zu verfallen. Die Seitenaufteilung ist meistens drei- oder vierreihig, lässt aber Überspannungen zu und es gibt sogar ein paar ganzseitige Illustrationen.

Der Hafen der Geheimnisse 1 page 6

Vielschichtig, spannend und gesellschaftskritisch

Die Reihe spart nicht mit Kritik an der profitorientierten Gesellschaft, an Karrieristen aus dem Politbusiness und fragt nach den Grenzen der erlaubten Ausbeutung. Die Nutzung von Errungenschaften der fremden Zivilisation wird zwar nicht abgelehnt, sie soll aber nicht zur Vernichtung führen. Insofern werden durchaus aktuelle Themen angesprochen. Dazu gibt es aber auch die lustigen Superkräfte der Agenten, die skurrilen Nebenfiguren und den Charme der irgendwie relaxten Pre-Mobile-Device-Zeit.

Für alle, die die Geschichten aus Tintin mochten, seien sie von Edgar Jacobs, Roger Leloup, Tibet oder Duchateau, und somit auch für die aktuellen Leser*innen des ZACK sollte der Hafen der Geheimnisse einen Blick wert sein! Band 2 ist bereits angekündigt.

Dazu passen Of Monters and Men und ein Noblesse Oblige der Brasserie Au Baron.

© der Abbildungen Casterman 2020, Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2021

ZACK 268

ZACK 268 (Oktober 2021)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 268

Der Herbst ist gekommen, die Tage werden wieder kürzer und unfreundlicher, laden dafür aber zum Lesen in gemütlicher Umgebung ein. In etwa dieses Gefühl vermittelt auch das Cover des aktuellen ZACK: Der Kommissar steht im Regen, Schal und Mütze deuten an, dass es zudem kalt ist. Also ab nach drinnen, ins Warme, und mit dem Genießen von ganz verschiedenen „Runderneuerungen“ beginnen!

Der Rückkehrer

Rick Master war einer der beliebtesten Helden des alten ZACK. Die Gesamtausgabe seiner Werke bei Splitter nähert sich dem Ende. Aber auch die aktuellen Abenteuer sind bereits bei Band 5 angelangt! Zidrou hat es längst geschafft, die modernisierte Figur zu etablieren, Nadine aus dem Schatten zu holen und mit eigenen Aufgaben zu betrauen. Nun wird auch das Verhältnis zur Polizei versuchsweise neugeordnet. Kommissar Bourdon ist dienstlich im Senegal und als Austausch übernimmt Ousmane Dior seinen Job.

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Dadurch können neben der sehr spannend startenden Geschichte um einen Serienkiller, der von den Medien Cupido genannt wird, auch Vorurteile und Rassismus thematisiert werden. Simon Van Liemt setzt Kommissar Griot mit Referenzen auf das Original sehr eigenständig und souverän um. Lassen wir uns überraschen, wie die Verbindung aus Kommissar und „der Sänger“ gemeint ist.

Die Fortsetzungen

Die Frau mit dem Silberstern spielt ein Jahr nachdem ein Leutnant aus Fort Navajo dem kleinen Örtchen Silver Creek Frieden gebracht hat. Dieser war allerdings leider nicht von Dauer wie die Bewohner*innen leidvoll erfahren müssen. Martin Frei verknüpft persönliche Geschicke und Entwicklungen der bekannten Nebenfiguren mit dramatischen Ereignissen und liefert somit nicht nur eine liebevolle Hommage ab, sondern bereichert das Genre mit einer für sich selbst stehenden Story! Die Figuren hat er mittlerweile sicher im Griff, die Geschichte nimmt Fahrt auf, die Hintergründe gewinnen an Detailschärfe und Tiefe! Leutnant Blueskull ist auf dem besten Weg, für das ZACK ein internationaler Verkaufserfolg werden zu können.

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Auch Michel Vaillant bewegt sich schon lange auf neuen Pfaden in der sogenannten Zweiten Staffel. Zweikämpfe ist dabei der erste Band ohne direkt Mitwirkung eines Graton und zeigt die Teilnahme der Vaillantes an der Rallye-Weltmeisterschaft. Es gibt keine Stallregie und Michel und sein jugendlicher Herausforderer Daniel Farid scheinen das interne Rennen fast als wichtiger zu erachten denn die offizielle Rangfolge. Schöne Rennszenen eingebettet in viel Natur von Benjamin Benéteau und Vincent Dutreuil! Die Story von Denis Lapière passt in den MV-Kosmos, lässt Leser*innen ob der Rennspektakel in möglichst unberührter Natur aber ein wenig ratlos zurück – Sollte das neue Engagement mit E-Motoren doch nur ein Strohfeuer gewesen sein?

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Die Abschiede

Die modernisierte Version von Suske und Wiske für Erwachsene – Amoras 2047 – verlässt die Seiten des ZACK zunächst einmal wieder.  Wird es Suske mit Hilfe von Jerusalem gelingen, die gefangene Wiske zu befreien? Rasante Action von Marc Legendre mit Zeichnungen von Charel Cambré die zurecht als beste flämische Serie der letzten 10 Jahre gehandelt wird! Es bleibt zu hoffen, dass die Abstände zwischen den einzelnen Teilen nicht zu lang sind. Das aktuelle StripGlossy hat gerade die ersten Seiten des neunten Bandes der Nachfolgeserie vorveröffentlicht!

Detail ZACK 268 page 53

Ebenfalls beendet ist das letzte Abenteuer mit Jerry Spring. Der Zorn der Apachen war der Versuch, die Serie nach dem Tod von Jijé fortzusetzen. Festin hatte das Szenario geschrieben, Franz für eine dem Original stilistisch ähnliche Umsetzung gesorgt. Die deutsche Erstveröffentlichung dieses klassischen Westerns hat lange auf sich warten lassen; die Zeichnungen hatten mühevoll restauriert werden müssen. Die Geschichte der Auseinandersetzung zwischen bösen Weißen und in die Enge getriebenen Roten würde heutzutage sicherlich anders dargestellt werden, hat aber nostalgischen Charme und somit ihre Berechtigung.

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Und sonst?

Parker & Badger sind die Alltagsloser, die zwischendurch auflockern dürfen, und Tizombi bringt den schwarzen Humor ein. Letzteres ist immer noch mein Favorit der One-Pager. Die Strip-Fans bekommen ihre Dosis der unerträglichen Leichtigkeit des Slip und die Informationshungrigen bekommen wie immer News, Rezensionen und zwei Artikel. Neben der Einführung in das wieder aufgelebte Donjon Universum von Christian Endres wird der nun schon seit 10 Jahren bestehende JaJa-Verlag vorgestellt.

Gerade diese Mischung aus Tradition und Moderne ist sicherlich der Markenkern des ZACK: Nicht rückwärtsgewandtes Festhalten an Vergangenem, sondern nach vorn schauende Modernisierung ist gefragt. Dementsprechend ist auch der „ZACK-Club“-Anstecker nicht einfach eine Neuauflage, sondern eine mit modernem Komfort ausgestatte Variante.

Dazu passen The Shifters mit ihrer jungen Interpretation traditionellen Skas und ein Kellerbier: lange vergessene aber mittlerweile wiederentdeckte Tradition.

© der Abbildungen 2021 bei den jeweiligen Autoren und Verlage c/o Blattgold GmbH

Ramaïoli – Die Erzählungen von Lederstrumpf 1

Der Wildtöter

Text und Zeichnungen: Georges Ramaïoli nach den Romanen von James Fenimore Cooper

Originaltitel: Bas de Cuir – Tome 1 – Le tueur de daims

All Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 19,80 € |

ISBN: 978-3-96804-054-7

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - Cover

Die etwas Älteren unter uns erinnern sich sicherlich noch an die Filme mit Hellmuth Lange. Die Geschichten um den Wildtöter und seinen Freund Chingachgook waren damals Straßenfeger, strahlen heutzutage aber einen gewissen nostalgischen Charme aus und wirken alles andere als zeitgemäß. Auch die originalen Romane hinken in ihrer Länge dem heutigen Tempo etwas nach.

Alle gegen alle

Georges Ramaïoli beweist mit seiner Adaption der Erzählungen von Lederstrumpf, dass man diesen alten Stoff aber auch heute noch angemessen präsentieren kann. Einerseits gehen Western und unberührte Natur immer und auch die Zeit kurz vor dem Siebenjährigen Krieg zwischen Frankreich und England in den nordamerikanischen und kanadischen Gegenden ist immer wieder Gegenstand von aktuellen Comics, zuletzt etwa von Prugne. Die Adaption der Werke von James Fenimore Cooper folgt einerseits dem Original, die Sprache wurde allerdings zumindest in der Übersetzung etwas angepasst.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - page 3

Der Held der Geschichten, Natty Bumppo, ist ein junger, noch unerfahrener Weißer, der bei den Indianern aufgewachsen ist. Er hat noch nie einen Menschen getötet und lehnt im Gegensatz zu den anderen männlichen Protagonisten sinnloses Töten von Tieren und Indianern komplett ab. Damit passt er natürlich nicht in die damalige Zeit, in der Prämien für Skalps von „Rothäuten“ jeglichen Alters an der Tagesordnung waren. Er will sich mit seinem Freund Chingachgook treffen um dessen Frau, die von Mitgliedern eines anderen Stammes entführt worden war, zu befreien. Bumppo ist unterwegs mit Henry March, einem unangenehmen Zeitgenossen. Sie treffen auf einen Fallensteller und Jäger, der mit seinen zwei Töchtern auf einer in einem See errichteten Hütte lebt.

Es kommt zu Auseinandersetzungen mit Angehörigen der Mingos, die – mit den Franzosen verbündet – englische Siedler*innen töten. Dabei spielt einerseits die jüngere Tochter eine Rolle, die etwas einfältig und sehr christlich geprägt alleine mit der Bibel unter dem Arm ihren Vater und Henry March befreien will. Sie steht wegen ihrer Unbedarftheit unter besonderem Schutz. Trotzdem sterben im Verlauf der Geschichte mehrere Personen auf beiden Seiten.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - page 18

Cooper und mit ihm Ramaïoli stellt Moral in den Mittelpunkt der Geschichte. Das Abschlachten wird verurteilt, die Ehre im Kampf, persönlicher Mut und das Halten eines Ehrenwortes dagegen in höchsten Tönen gelobt. Da diese Thematiken zeitlos sind, hat auch der Inhalt heute noch Bestand. Es wird dabei im Übrigen kein Unterschied zwischen den Geschlechtern gemacht: Frauen und Männer können ehrenhaft und mutig sein.

Das Artwork

Die Geschichte ist zu lang, um sie auf 46 Seiten darzustellen. Es war daher ursprünglich eine Überlänge vereinbart worden. In dem mit abgedruckten Interview mit dem Künstler gibt es dazu eine nette Geschichte über die erste Veröffentlichung die sowohl um die ganzseitigen Illustrationen gekürzt worden war als auch mit 48 Seiten herausgebracht worden war. Die Käufer*innen würden eben umso neugieriger auf die Fortsetzung sein. Die „guten alten Zeiten“ waren eben nicht immer gut.

Ramaïoli zeichnet routiniert. Die Gesichter sind markant und haben einen hohen Wiedererkennungseffekt, die Landschaften sind detailliert und haben Tiefe. Obwohl das Ganze jetzt keine Begeisterungsstürme hervorruft, macht es Spaß die Geschichte zu lesen, vor allem in dem Wissen, dass es insgesamt 5 Bände sein werden. Man merkt den Zeichnungen an, dass sie auf einer soliden Recherche basieren. Und, dass es sich bei der Umsetzung dieser Romane um eine Herzensangelegenheit handelt und keineswegs um eine reine Auftragsarbeit.

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - ExLibri
ExLibris der Vorzugsuasgabe

Feiner Traditions-Western

Die Erzählungen von Lederstrumpf sind weder Spät- noch Italowestern. Sie erzählen einfach vom Leben in der Wildnis, notwendigen kriegerischen Auseinandersetzungen aber auch von Freundschaften über sogenannte Grenzen hinweg. Wer das mag, wird sich hier gut aufgehoben fühlen. Das Tempo von Cooper ist gemächlich und vielleicht etwas zu langsam für die heutige Netflix-Generation.

Natürlich gibt es auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit ExLibris. Beide Varianten enthalten neben einem Interview mit Georges Ramaïoli auch noch ein paar Illustrationen. Tipp für Western-Liebhaber*innnen!

Ramaioli - Lederstrumpf 1 - Cover VZA
Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Dazu passen eine Best-of von Status Quo in Memoriam Alan Lancaster und ein starker Kaffee.

© der Abbildungen 2021 Georges Ramaïoli / All Verlag

Mangin/Démarez – Alix Senator 11

Der Sklave von Khorsabad

Story: Valérie Mangin nach einer Idee von Jacques Martin
Zeichnungen: 
Thierry Démarez

Originaltitel: ALIX SENATOR: L’ESCLAVE DE KHORSABAD

Splitter Verlag

Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 15,00 € |

ISBN: 978-3-96219-518-2

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 Cover

Sandalenserien gibt es im Comic relativ häufig. Die Zeiten des Römischen Reiches, der Wandel der Gesellschaft und der Religionen, die häufigen kriegerischen Auseinandersetzungen, gerade auch mit nördlichen Stämmen, und die Darstellung der teils lockeren Moral haben zu mehr oder weniger erfolgreichen Umsetzungen ganz unterschiedlicher Art geführt. Dabei reicht das Spektrum vom eher humoristisch angelegten Asterix über Serien wie Auguria bis hin zu historisch sehr genauen Darstellungen wie in Murena. Bereits seit 1948 gehört auch Alix von Jacques Martin mit mittlerweile 38 Bänden zu den erfolgreichen Reihen. Das Spin-Off Alix Senator erzählt von den Erlebnissen des mittlerweile gealterten und zum Senator Roms gewordenen ehemaligen Sklaven.

Die Rückkehr

53 v. Chr. war der (Adoptiv-)Vater von Alix in der Schlacht von Khorsabad getötet und Alix als einer der wenigen Überlebenden versklavt worden. Aktuell schreiben wir das Jahr 11 n. Chr. und Alix, mittlerweile Senator Roms, ist mit wenigen Vertrauten undercover in Ninive unterwegs. Bei einer Rauferei im Theater wird er entführt und muss feststellen, dass er Gefangener von Barzapharnes ist. Er soll unter Folter ein Geheimnis preisgeben.

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 page 3

Es geht um einen gewaltigen Schatz, der in den Ruinen von Khorsabad versteckt sein soll. Der letzte Herrscher ist gestorben bevor er den Ort mitteilen konnte. Er hat aber noch verlauten lassen, dass Alix der einzige sei, der noch von dem Versteck wisse. Der junge Sklave hatte damals mit viel Glück die Gefangenschaft lebend überstanden und war dann lange Zeit nicht greifbar gewesen. Nun aber hatte die Falle zugeschnappt.

Valérie Mangin erzählt eine Story, die von allem etwas enthält: alte Sagen erzählen von einem grausamen Fluch, die Ruinen der verlassenen Stadt verbergen Fallen und Geheimnisse und schließlich spielen Treue und Verrat eine große Rolle. Auch wenn die Geschichte mir persönlich teilweise mit zu viel Text erzählt wird, ist es doch eine spannende Geschichte geworden, die geschickt leichte Fantasy-Elemente in den Historienplot einschmuggelt. Niemand braucht Angst davor zu haben, dass Conan plötzlich mitspielt. Die Motive bringen aber ein wenig Spannung in eine ansonsten klassische Ausgangssituation hinein, die sie zu etwas Besonderem macht.

Mangin/Démarez – Alix Senator 11 page 5

Klassische Strukturen

Wer bei den Zeichnungen ein Feuerwerk an Innovationen erwartet, ist hier falsch. Es geht um eine zaghaft modernisierte Version einer Serie aus den Anfängen von Tintin. Das Layout ist sehr strukturiert und schon das Einsprengsel eines kleineren Panels ist etwas Seltenes. Thierry Démarez zeichnet mit klarer Linie und wenigen Schraffuren. Ausschweifungen jeglicher Art oder Darstellungen von Gewalt fehlen komplett. Selbst die Folter ist nur angedeutet und wären nicht die abgeschlagenen Köpfe (und davon gibt es mehrere) wäre die Serie fast kindgerecht.

Was für die einen wie ein No-Go klingt, ist für die anderen genau das Richtige. Hier bauen die Autorin und ihr Zeichner auf dem auf, was 1948 begonnen hat, und modernisieren, was notwendig ist um den heutigen Anforderungen für eine klug erzählte Geschichte zu genügen. Sie lassen dabei aber den Geist und die Essenz der Geschichte von Martin unangetastet.

Alix Senator 11 page 8

Fazit

Für Fans des klassischen franko-belgischen Abenteuercomics ohne zu viel Gewalt und ohne Sex genau das Richtige! Hier hätte die Zensur auch vor 40 Jahren eher nicht zugeschlagen. Wie immer im Splitter-Überformat auf gutem Papier und somit perfekt umgesetzt!

Dazu passen ein Asbach (Wenn einem so viel Gutes wird beschert, …) und Jazz vom kürzlich verstorbenen Bill Ramsey.

Detail Alix Senator 11 page 10

© der Abbildungen Casterman 2020 by Mangin, Démarez nach einer Idee von Jacques Martin, Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

Bec/Carvalho – Crusaders 1

Die stählerne Brücke

Story: Christophe Bec
Zeichnungen: 
Leno Carvalho

Originaltitel: Crusaders 01: La Colonne de Fer

Splitter Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 17,00 €
ISBN: 
978-3-96792-044-4

Cover Bec/Carvalho – Crusaders 1

Mir ist nicht ganz klar, warum, aber Science-Fiction scheint wieder mehr im Kommen zu sein. Vielleicht ist das aber auch meine ganz persönliche Wahrnehmung, getrieben von dem Wunsch, aus dem Home-Office zu weiten Reisen aufzubrechen. Und natürlich lässt auch die Klimakatstrophe eine vage Notwendigkeit, die Erde verlassen zu müssen, nicht mehr ganz so verrückt erscheinen. Auf jeden Fall ist es für die Erde besser, SF zu lesen als uns als Privatmensch für ein paar Minuten in das All schicken zu lassen.

Die Nachricht aus dem All

Die Menschheit hat in dieser neuen Reihe des erfahrenen Christophe Bec den Schritt in das Weltall bereits getan. Zwar liegt interstellare Raumfahrt noch in weiter Ferne, im Sonnensystem hat der Mensch sich jedoch schon ausgebreitet. Die Geschichte startet auf dem Titan. Die Ressourcen der Erde waren der Menschheit nicht genug und sie hatte auf andere Planeten ausweichen müssen. Die heutigen Bewohner*innen Titans haben ihren Ursprungsplaneten nie betreten und sich zu einer eigenen Identität entwickelt.

Bec/Carvalho – Crusaders 1 page 4

Eines Tages nimmt man dort ein Signal aus den Tiefen des Alls wahr. Es kann keines natürlichen Ursprungs sein und sofort beginnt die Diskussion, ob es richtig ist, sich auf das Abenteuer einzulassen. Sind es Außerirdische und sind sie friedlich? Nach der Entschlüsselung der Botschaft wird klar, dass es sich um Baupläne für interstellare Schiffe und einen Satz von Koordinaten handelt.

Bec nutzt diese Rahmenhandlung für die Darstellung ganz unterschiedlicher Charaktere, die mehr oder weniger sympathisch herüberkommen. Wie in jedem Drama braucht es die toughe Heldin (ja, früher wäre das ein Mann gewesen und es hätte Monster mit Tentakeln gegeben deren einzige Aufgabe es gewesen wäre, die Heldin zu fangen und in unmöglichen Positionen festzuhalten), einen zu sehr von sich selbst überzeugten Mann und ein paar Träger*innen von Geist, Emotion oder Schicksal.

Und – und das ist gleich der dramatische Einstieg in die Geschichte – es gibt/gab tatsächlich Wesen, die Emananten, die die Botschaft gesendet haben, die Lagraner und riesige Artefakte im All, vornehmlich eben jene stählerne Brücke im All.

Bec/Carvalho – Crusaders 1 page 1

Weite und Detail

Leno Carvalho ist ein Debütant. Crusaders ist seine erste professionelle Arbeit und – nicht nur dafür – macht er seine Sache ausgezeichnet. Der Weite des Raumes, der Größe von Maschinen lässt er viel Platz auf der Seite, schreckt auch vor ganzseitigen Illustrationen nicht zurück. Auf der anderen Seite kann er aber auch sehr kleinteilig werden und sich auf Details fokussieren. Im Allgemeinen nutzt er strukturierte Seiten, ohne dabei aber ein Raster anzuwenden.

Perspektiven, Regen, technische Details gelingen gut. Seine Raumschiffe sind erkennbar nicht organischen Materials, haben aber auch keine Unzahl an technischen Applikationen. Sie sehen irgendwie „nutzbar“ aus und drängen sich nicht in den Vordergrund der Geschichte. Der menschliche Körperbau sieht natürlich aus und auch die Uniformen der Protagonist*innen sind eine Mischung aus modisch und zweckorientiert. Die weißen Zähne sind daher sicherlich verschmerzbar in der Hoffnung, dass sie in weiteren Bänden verschwinden werden.

Bec/Carvalho – Crusaders 1 page 11

Einstiegstipp

Es gibt viele Serien, die sich aus unscheinbaren Anfängen aufgrund des Erfolges zu schier endlosen Bandwürmern entwickeln. Das ist hier sicherlich nicht zu erwarten. Es wird aber trotzdem mehr als ein paar aufeinander bezogene Einzelbände geben. Wer also in eine spannende, aber überschaubare Serie mit Zukunftspotential einsteigen möchte, ist hier richtig aufgehoben.  Die Mischung aus Technik, innerer Entwicklung und spannenden Menschheitsfragen stimmt, die Umsetzung auch und bei einem Szenaristen wie Christophe Bec braucht auch niemand zu befürchten, dass die Story irgendwann unaufgelöst in einem Wurmloch steckenbleibt.

Die Aufmachung tut ein Übriges: stabiles Hardcover mit festem Papier, ein Anhang mit Skizzen und mit Splitter ein Verlag, der seine Serien auch durchzieht! Und der zweite Band kommt schon im Oktober.

Zum Serienstart passt ein Sunrise-Cocktail Eurer Wahl und Garage-Rock von The Nomads.

© der Abbildungen 2020 Éditions Soleil / Christophe Bec / Leon Carvalho / Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

Oger – Ghost Kid

Ghost Kid

Story: Tiburce Oger
Zeichnungen: 
Tiburce Oger

Originaltitel: Ghost Kid

Splitter Verlag

Hardcover | 80 Seiten | Farbe | 22,00 €
ISBN: 
978-3-96792-066-6

Cover Oger - Ghost Kid

Tiburce Oger ist ein vielseitiger Künstler der sowohl allein als auch im Team arbeitet. Er hat bereits einige Werke zusammen mit Patrick Prugne veröffentlicht aber zum Beispiel in Überleben in Dachau auch die Geschichte von Guy-Pierre Gauthier, einem überlebenden Resistance-Kämpfer umgesetzt.

Plötzlich Vater

Ambrosius Morgan ist einer der letzten Cowboys des alten Schlags. Ihm macht sein Rheuma zu schaffen und er versteht nicht, warum plötzlich Stacheldrahtzäune Weidegebiete voneinander trennen. Er kann seine Tage sowohl in einer einsamen Hütte im tiefsten Schnee verbringen als auch im Bett seiner Chefin, einer verwitweten Ranchbesitzerin. Eines Tages erhält er jedoch einen Brief und erfährt von der Existenz seiner Tochter. Diese ist mit ihrem Mann gen Westen gezogen und wird vermisst.

Oger - Ghost Kid page 3

Der Held macht sich auf den Weg, muss aber zunächst noch seinen Revolver auslösen den er verpfändet hatte. Bei dieser Gelegenheit treffen nicht zum ersten Mal der alte Wilde Westen und die neue, finanzgetriebene Welt aufeinander. Auf seinem Weg aus dem verschneiten Norden gen den heißen Südwesten trifft er dann später den titelgebenden Jungen, der plötzlich wie aus dem Nichts auftaucht.

Ghost Kid ist ein Spätwestern. Die überzogenen Erwartungen an Freiheit und Selbstbestimmung haben bereits dem Frust über die Regeln der Städter Platz gemacht. Der Westen ist aber keineswegs befriedet und Banditen, rebellierende Indianer und mexikanische Freischärler sind genauso gefährlich wie verdorbenes Wasser oder Klapperschlangen.

Oger - Ghost Kid page 7

Realistische Karikaturen

Oger setzt seine spannende Story in einer ganz eigenen Stilistik um. Einerseits wirken die Zeichnungen sehr realistisch, andererseits haben die Physiognomien und Körper der Darsteller eine Kauzigkeit, die teilweise in die Karikatur hineinreicht. Dadurch nimmt Oger der Story ein wenig Schärfe und Brutalität, verwischt aber auch die Grenzen zwischen Gut und Böse.

Es ist eben kein Italowestern, der hier abläuft, sondern die Geschichte eines alten Haudegens, der plötzlich erfahren hat. Vater zu sein und jetzt alles gibt, um das Versäumte aufzuholen. In seinen Handlungen glaubt er sich nur vor sich selbst rechtfertigen zu müssen, ist aber trotzdem kein brutaler Egomane. Die Kauzigkeit trägt dabei zur Sympathiebindung bei.

Detail Oger - Ghost Kid page 11

Immer wieder streut Oger ganzseitige Illustrationen ein und ist auch sonst flexibel in der Seitengestaltung. Das Tempo der Handlung findet sich in den Panels wieder: gehetzt bis zur fast meditativen Ruhe am nächtlichen Lagerfeuer. Dadurch erlaubt er ein sehr abwechslungsreiches Lesevergnügen. Die Zeichnungen bieten dabei genug Tiefe für mehrere Lesedurchgänge, sind aber nicht so detailliert wie etwa bei Giraud.

Ein kleines Schmuckstück

Gerade im Westernbereich gibt es neben vielen Serien auch immer wieder Einzelbände. Sie müssen kein ganzes Universum erschaffen, das für mehrere Abenteuer taugt und können sich auf ein Motiv konzentrieren. Das mag langweilig sein, ist in diesem Fall aber perfekt. Offene Knoten, etwa die Beziehung zur Chefin, müssen nicht beendet werden, grobe Widersprüche können gar nicht erst auftreten.

Detail Oger - Ghost Kid page 10

Der eigenwillige Stil und die untypische Story machen Ghost Kid zu einem spannenden, unbedingt zu empfehlendem Schmuckstück! Das Cover bietet dazu eine Prägung mit Goldfarbe als passende Darbietung und gute Farbgebung auf festem Papier. Vielleicht wird ja auch der eine oder die andere dadurch angeregt, weitere Sachen von Tiburce Oger zu versuchen – es lohnt sich, auch wenn es nicht immer leichte Kost ist.

Dazu passen starker Kaffee und der alte Bob Seger.

© der Abbildungen 2020 Editions Glénat by Tiburce Oger / Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

Rodolphe/ Dubois – Terra 1

Die alte Welt

Story: Rodolphe
Zeichnungen: 
Christophe Dubois

Originaltitel: TERRA 1 – LE VIEUX MONDE

Splitter Verlag

Hardcover | 72 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 
978-3-96792-050-5

Cover Rodolphe/Dubois Terra 1

Science-Fiction-Serien können schwierig sein. Bauen die einzelnen Geschichten aufeinander auf, ist es zwar eine komplexe Story, oft auch mit einer Vielzahl an genau beschriebenen Welten, Völkern oder Kontrahent*innen, es ist aber nicht einfach, einen Einstieg zu finden. Andererseits gibt es Reihen, bei denen sich die einzelnen Teile zwar in ein Konzept einfügen und ein besseres Verständnis entsteht, wenn man alle Teile gelesen hat, ein Einstieg aber immer möglich ist. Diese Serie geht einen Mittelweg. Es gibt einen ersten Zyklus, der mit drei Bänden unter dem Reihentitel TER lief. Er ist aber keine Voraussetzung für das Verständnis dieser Geschichte!

Die gute, alte Erde?

Der Raumkreuzer »Jupiter« hatte eine Havarie; ein Teil der Besatzung hat ihn in einem Rettungsshuttle verlassen und schwebt nun in Bodennähe über einem Planeten, der aussieht wie die Erde. Aber ist es die alte Welt? Zwar stimmen Luftdruck und atmosphärische Zusammensetzung, es sind aber aus der Luft keine Anzeichen der menschlichen Zivilisation zu erkennen. Die Besatzung weiß nicht, wie lange ihre Reise gedauert hat. Sie hatten die Erde zu Beginn des großen Konfliktes verlassen, waren aber aufgrund technischer Schwierigkeiten in einen Ruhemodus unbekannter Dauer versetzt worden.

Rodolphe/Dubois Terra 1 page 4

Der Kapitän beschließt, Erkundungstrupps auszusenden. Die ersten Funde lassen vermuten, dass auf dem Planeten (wieder) sehr große Geschöpfe leben, die an die Dinosaurierzeit erinnern lassen und tatsächlich wird ein kleines Erkundungsshuttle von einer Gruppe riesiger krokodilartiger Wesen angegriffen. Goltan, ein Android mit Gefühlen und Beth, eine ehemalige Priesterin, werden von ihrer Gruppe getrennt und müssen ihre Tour alleine forstsetzen.

Rodolphe, der unter anderem auch mit Leo zusammengearbeitet hat, ist ein Spezialist im Beschreiben fremdartiger Planeten und ihrer Flora und Fauna. Hier kann er erfolgreich beweisen, dass er auch begrenzte Projektionen im Rahmen der terranischen Weiterentwicklung beherrscht. SF steht und fällt mit der Glaubwürdigkeit der Umgebungsbeschreibung. Hier stimmt einerseits die Dynamik der Crew und zwischen den beiden Protagonist*innen als auch die der Welt und einiger ihrer Bewohner*innen. Die Story ist glaubwürdig und spannend erzählt. Terra könnte also ein Projekt für alle werden, für die SF mehr als „Technik“ ist.

Detail Terra 1 page 11

Dschungel und Ruinen

Der Planet bietet von oben den Eindruck, neben den bekannten Wasserflächen hauptsächlich aus bewaldeten Gebieten zu bestehen. Zwar entdecken die Ankömmlinge schnell, dass es Straßen gibt, diese sind allerdings komplett überwuchert, und auch Städte scheinen bis auf wenige Ruinen verschwunden zu sein. Christophe Dubois darf sich also in großen Teilen mit der Darstellung von Urwald beschäftigen. Durch seine Schraffur-Technik wirkt alles ein wenig düster, quasi beschattet. Das passt aber perfekt zu dem Zwielicht unter den Baumwipfeln.

Detail Terra 1 page 24

Die Ruinen, die die beiden Held*innen entdecken, stellt er ebenfalls sehr gut dar. Die Mischung aus einstiger Größe und aktuellem Verfall passt in das Szenario der Suche. Bei der Tierwelt kann er sich dann austoben: gewaltige Größe und Kraft, überwältigende Menge kleiner, gefräßiger Räuber oder evolutionäre Andersartigkeit gelingen allesamt.

Und schließlich sind auch die menschlichen Körper gut geraten. Sie bewegen sich sowohl in bewussten Situationen als auch bewusstlos im Wasser treibend so, dass die Anatomie es mitmacht, und haben angemessene Proportionen. Die Gesichtspartien sind erkennbar und geben eine Vielzahl an Emotionen wieder. Technische Gegenstände wie Raumfahrzeuge, „Nester“ aber auch Zivilisationsartefakte wie Schleusen haben genug Details, um Fans zu überzeugen, drängen sich aber nicht in den Vordergrund. Oft genug dienen Stärken der Zeichnungen zum Übertünchen von Schwächen der Story. Hier sind beide auf hohem Niveau.

Ein empfohlener Einstieg

Rodolphe und Christophe Dubois präsentieren eine glaubwürdige Story in einer spannend gezeichneten Welt. Es gibt genügend Anknüpfungspunkte für weitere Bände, aber man muss auch keine 20 Teile befürchten. Die Hinweise auf den ersten Zyklus in den wenigen Worten auf der ersten Seite langen völlig aus, um Leser*innen ins Bild zu setzen und wer mehr wissen möchte findet im Anhang Illustrationen aus dem Skizzenbuch mit Hinweisen zu den Akteur*innen.

Rodolphe/Dubois Terra 1 page 7

Wie immer präsentiert Splitter ein Lesevergnügen in großformatigem Hardcover mit Anhang zu fairem Preis. Dubois ist in Deutschland noch relativ unbekannt – sein spezieller Stil macht aber Lust auf mehr! Von hier aus ein klarer Tipp, dieser Serie einen wohlwollenden Blick zu schenken!

Dazu passen ein nicht zu süßer Pink-Gin mit Rhabarbersaft und die immer ein wenig unterschätzten Pulp.

© der Abbildungen 2020 Editions & Galerie Daniel Maghen. All rights reserved / Splitter Verlag GmbH & Co. KG · Bielefeld 2021

Bouthier/Chochois – 9/11

Ein Tag, der die Welt veränderte

Story: Baptiste Bouthier
Zeichnungen: 
Héloïse Chochois

Originaltitel: 11 septembre, le jour où le monde a basculé

Knesebeck Verlag

Hardcover | 144 Seiten | Farbe | 24,00 € |

ISBN: 978-3-95728-547-8

Cover Bouthier/Chochois - 9/11

Es gibt Tage, an die erinnert man sich auch Jahre später. Einige davon sind privat, etwa das Kennenlernen des/der Partner*in, die Geburt der Kinder oder ein Olympiasieg. Andere dagegen sind öffentliche Ereignisse von außergewöhnlicher Tragweite wie etwa der Fall der Mauer. In diese zweite Kategorie gehört für sehr viele auch der 11. September, der für die Verwundbarkeit des Westens steht. Natürlich ist dieser Tag nur einer in einer langen Reihe von Anschlägen, die regional eine viel höhere Bedeutung haben mögen. Weltweit markiert das Fallen der Türme aber einen Einschnitt.

Vorher und Nachher

Eine junge Frau aus Frankreich – Juliette – reist das erste Mal nach New York, um dort ihre Schwester zu besuchen. Baptiste Bouthier baut in diese Rahmenhandlung in vielen Rückblicken und Infoteilen die fast schon Schockstarre-artige Reaktion auf die mit Flugzeugen ausgeführten Anschläge in den USA und vor allem auch die Bilder der brennenden Türme in den Fernseh-Live-Übertragungen ein, die damals weltweit das Alltagsgeschehen überlagerten.

Detail Bouthier/Chochois - 9/11 page 3

Der Journalist verknüpft dabei geschickt Erzählungen von Überlebenden und Zeug*innen mit den Erinnerungen der „Heldin“, die die Anschläge als 13-jährige erlebt hat und daraufhin in der Schule, mit Freund*innen aber auch mit den Eltern versucht, das Erlebte zu verarbeiten. Dabei wird nichts ausgespart: Von heimlicher Schadenfreude über Verdrängung hin zu unkontrolliertem Hass auf alles Fremde ist alles dabei! Besonders nahe kommen beim Lesen aber die Teile, die von Menschen in den Türmen berichten, ihren Entscheidungen, nach unten oder oben zu gehen, von Feuerwehrmänner, ihre Teams zu retten oder aufzugeben, und die Ungläubigkeit, dass so etwas überhaupt passieren konnte.

Bouthier versucht dabei, objektiv zu bleiben, auch Verschwörungstheorien zu erwähnen und vor allem, die Folgen zu beschreiben. Natürlich hat man einige der Folge-Anschläge in Nizza, Paris oder London noch im Kopf. Ebenso natürlich weiß wahrscheinlich jede*r, wer Edward Snowden ist oder dass Osama Bin-Laden in Pakistan bei einem Einsatz getötet worden ist. Wie das alles zusammenhängt und in welcher Reihenfolge was passiert ist, ist möglicherweise aber nicht mehr so präsent und auch das wird aufgedröselt.

Wie stellt man Schrecken sachlich dar?

Die umsetzende Grafik dieser Themen könnte effekthascherisch sein, viel Puff und Bäng mit sich bringen. Dann würde sie aber mit dem aufzählenden, faktenorientierten Stil der Geschichte nicht harmonieren. Wenn Héloïse Chochois einen zu sachlichen, an Infografiken orientierten Stil genommen hätte, wären die zu der Story gehörenden Emotionen auf der Strecke geblieben. Zum Glück ist es aber etwas in der Mitte geworden. Die manchmal an Holzschnitte erinnernden Bilder transportieren die Gewalt der Explosionen, des Rauches und des Schreckens eindringlich genug und lassen auch der Angst und dem Nichtwissen, wie zu reagieren sei, auf den Gesichtern der Protagonist*innen genügend Raum.

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Gleichzeitig können so aber auch Fakten, Reihenfolgen und sogar Bewertungen transportiert werden. Jede*r Betrachter*in erkennt sofort, wer in der amerikanischen Regierung zu den Falken gehört hat und wer zu den Tauben. Auch die Zeichnungen zwingen uns Konsument*innen aber keine Meinung auf. Bei einzelnen Fragestellungen wird deutlich, dass die Autor*innen ihre Zweifel an der Richtigkeit haben, der Holzhammer der Demagogie fehlt aber vollkommen.

Tipp!

Viele junge Erwachsene haben die Abfolge der Ereignisse nicht komplett wahrgenommen und entsprechen somit der Heldin dieser Graphic Novel, die sich auf die Suche nach Informationen macht. Durch die Kompaktheit ist das hier ein gelungener und gut gewählter Startpunkt. Die Wenigsten würden heutzutage ein Sachbuch zu diesem Thema lesen, ein Comic kann da deutlich mehr Menschen den Zugang erleichtern. Und natürlich haben auch viele schon damals Erwachsene im Verlauf der letzten 20 Jahre so viel aufgenommen, dass der Komplex mit all seinen Zusammenhängen und Verschachtelungen nicht mehr so aktiv bewusst ist.

Detail Bouthier/Chochois - 9/11 page 6

Neben dieser eher gesellschaftspolitischen Rezeption gibt es aber noch einen wichtigen Punkt: Die Erinnerung an das Grauen und die Möglichkeit, diese zu verarbeiten. Und auch hier leistet die unaufgeregte Darstellung all des Schreckens einen wichtigen Beitrag! Es geht nicht darum, Ängste zu schüren oder zu unterdrücken. Es geht darum, unaufgearbeitete Ängste nicht zu Hass werden zu lassen.

Dazu passen ein Cold Brew Coffee und positive Musik: New Order, etwa mit „Blue Monday“.

© der Abbildungen 2021 Bouthier, Chochois, Dargaud/Topo, Paris, Frankreich / 2021 von dem Knesebeck GmbH & Co Verlag KG, München

ZACK 266

ZACK 266 (August 2021)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 7,90 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 266 (August 2021)

Einmal im Jahr ist der klassischste ZACK-Held überhaupt auf dem Cover: Michel Vaillant. Mit dem in dieser Ausgabe startenden neunten Band der zweiten Staffel beginnt eine ganz neue Ära: Zum ersten Mal überhaupt in der langen Geschichte des Rennfahrers ist kein Graton an der Entstehung des Albums beteiligt gewesen! Philippe Graton hatte nach den 13 Tagen seinen Ausstieg verkündet, die Rechte sind an Dupuis verkauft worden. Kommentare dazu sind ausdrücklich erwünscht!

Der Neustart

Schon das Cover deutet es an und auch das aktuelle Formel-1-Geschehen ist voll davon: Zweikämpfe im eigenen Lager können das Salz in der Suppe sein, das Leben aber auch komplizieren. Für die Rallye-Weltmeisterschaft hat Vaillante zwei Teams benannt: Michel Vaillant und Gabriele Spangenberg sowie Daniel Farid und Alex Bracchi. Daniel ist ein moderner junger Fahrer mit Instaccount und vielen Followern. Nun möchte er beweisen, dass er besser ist als der Posterboy seiner Jugend.

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Denis Lapière beweist meiner Meinung nach, dass er sich genügend in die Materie eingearbeitet hat und übernimmt nahtlos. Er traut sich auch bereits jetzt, Änderungen in der Firmenverwaltung anzukündigen und führt damit die von Phillipe begonnene Handlung fort. Das Artwork von Benjamin Benéteau und Vincent Dutreuil ist auf bekanntem hohem Niveau und macht die Geschichte auch für Nicht-Rennsportfans attraktiv! Wir dürfen gespannt sein, wie sich die Serie weiterentwickelt, brauchen aber zunächst keine angst vor einem Qualitätsabfall haben.

Die Fortsetzungen

Das letzte Abenteuer von Jerry Spring stammt von Festin und wurde von Franz zeichnerisch umgesetzt. 22 Jahre musste man auf eine deutsche Veröffentlichung warten! Der Zorn der Apachen zeigt den Helden als Beauftragten der Regierung in einem Konflikt zwischen Stadtbewohnern und Indianer*innen. Dabei geht es durchaus zur Sache wenn auch Jerry selbst zurzeit wegen seiner Verletzung außer Gefecht ist. Die Vorlagen wurden im Vergleich zum ersten Teil etwas aufgehellt und damit qualitativ verbessert. Vielleicht nicht die innovativste aller Westerngeschichten, sicherlich auch anders als von Jerry-Spring-Puristen gehofft, trotzdem aber immer noch gut lesbar und mit teils sehr guten Zeichnungen.

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Die modernisierte Version von Suske und Wiske geht ebenfalls in die zweite Runde: In Amoras 2047 haben Marc Legendre und Zeichner Charel Cambre eine Version für Erwachsene abgeliefert die über sechs Alben hinweg eine durchgehende Geschichte erzählt. Die beiden Held*innen waren in die Zukunft versetzt und getrennt worden. Während sich Wiske gegen jugendliche Schläger wehren muss geraten Suske und Jerusalem unter Beschuss. Auch Krimson hat seinen ersten Auftritt. Eine der besten aktuellen Serien des europäischen Comics hat es endlich nach Deutschland geschafft. Der zwischen Semi-Funny und Realismus angesiedelte Stil transportiert die düstere Zukunftsvision perfekt und schafft es, den etwas altbackenen Figuren des Originals neues Leben einzuhauchen! Top-Tipp!

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Die Flintenweiber müssen einerseits ihre Wunden lecken, die ihnen bei der versuchten Übergabe des geraubten Ringes zugefügt worden waren, und geraten andererseits in den Fokus der Ermittlungen verschiedener Dienststellen. Noch bietet die Serie von Pierre Pevel vielleicht etwas viel: Steampunk, Fantasy, Krimi und Action. Wenn man allerdings die Zeichnungen von Étienne Willem sieht kann man erahnen, dass uns noch viel Spaß bereitet werden wird. Moderne Heldinnen, ein Schuss Arsene Lupin und ein wenig Märchen gibt einen netten Eintopf!

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Abschied

Aida Nur ist eine junge Nachtclubtänzerin im Kairo des Jahres 1922. Sie verkauft heimlich und unter der Hand gefundene altägyptische Antiquitäten und gerät damit zwischen die Fronten der Profiteure des lukrativen Geschäftes. Ohne zu wissen, wer „gut“ oder „böse“ ist, hat sie mit allen zu tun und wird schließlich entführt. Die Dänin Sussi Bech hat die Geschichten um diese Heldin im Stil der Klaren Linie angelegt. Der erste Band hat immer auch die Aufgabe, Personen und Hintergründe einzuführen, und muss daher gelegentlich weiter ausholen. Dies vorausgeschickt ist Tod in Kairo ein ordentlicher Start der neuen Serie!

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Und sonst?

Wie immer bietet auch diese Ausgabe Onepager von Parker & Badger sowie Tizombi, Infos aus der Welt der Neunten Kunst, Rezensionen und den ZACK-Keller. Die Artikel beleuchten die anthropomorphe Comicserie Die 5 Reiche sowie den Versuch des Jungen Museums Frankfurt, Stadtgeschichte auf neuen wegen an junge Leute zu bringen.

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Während bei unseren westlichen Nachbarn immer mehr Publikationen mit mehr oder weniger Comic- und Sekundäranteilen erscheinen, bleibt hier der Platzhirsch ZACK unangefochten. Es wäre auch schwierig, dieser Mischung aus qualitativ hochwertigen Comics und Information etwas entgegenzusetzen! Im nächsten Heft kommt mit Martin Frei dann auch wieder ein Künstler aus deutschen Landen zu Ehren mit einem weiteren Western!

Dazu passen The Melodians und als Erinnerung an oder Vorfreude auf den Urlaub ein Bubble Frisss.

© der Abbildungen 2021 bei den jeweiligen Verlagen und Künstlern c/o Blattgold GmbH

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