ZACK 283

ZACK 283 (Januar 2023)

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 283

Bildung ist der Schlüssel zu allem, kein Fortschritt, keine Emanzipation ist denkbar ohne! Und Bildung ist traditionellerweise Frauensache. Die Hüterinnen des Wissens werden verkannt, missachtet, verfolgt und doch sind sie es, denen wir es zu verdanken haben, dass jede Generation auf dem Wissen der vorhergehenden aufbauen kann. Insofern ist das Cover des aktuellen ZACK vielleicht auch ein wenig ein frommer Wunsch für das neue Jahr 2023. Comix-online wünscht auf jeden Fall allen Leser*innen ein ebensolches.

Der Neustart

Der zweite Teil der Frau mit dem Silberstern von Martin Frei startet in diesem Heft. Die Geschichte spielt in dem kleinen Städtchen Silver Creek. Ein gewisser Leutnant hatte dort dafür gesorgt, dass Ruhe und Ordnung wieder eingezogen waren und dafür eine ungewöhnliche Truppe zusammengestellt. Teil davon war auch die Lehrerin des Ortes, Kate Marsh, gewesen, die nun keinesfalls bereit ist, wieder in eine passive Rolle zu schlüpfen. Der Tod des Leutnants beginnt damit, das Kate auf dem Rücken eines Pferdes mit einer Schlinge um den Hals auf ihren Tod wartet. Spannende Hommage an Leutnant Blueberry aus deutschen Landen mit größtenteils sehr ansprechenden Zeichnungen. Ganz selten gelingen die Gesichter zu karikaturesk für meinen Geschmack, aber das ist ein Jammern auf sehr hohem Niveau. Wer möchte kann einen dazu passenden limitierten Druck erwerben! Dazu passend auch der Rückblick von Michael Klein auf das ZACK vor fünfzig Jahren.

ZACK 283 Die Frau mit dem Silberstern

Die Fortsetzungen

Das Rennen am Pikes Peak ist mit den Qualifikationsläufen endlich gestartet und die Franzosen um Michel Vaillant müssen feststellen, dass es starke protektionistische Kräfte gibt. Profiteure scheinen ausgerechnet die Texas Drivers um Bob Cramer zu sein. Die zweite Staffel vermengt aber immer Renngeschehen und Soap-Anteile und so steht zu erwarten, dass der Politiker Steve Warson seinen Besuch beim Team bitter bereuen wird. Mir gefällt die Art der Szenarios von Denis Lapière mit diesen Verknüpfungen und auch die Zeichnungen von Benjamin Benéteau und Vincent Dutreuil.

ZACK 283 Michel Vaillant

In die zweite Runde geht Belarus aus der Serie Aleksis Strogonov. Émile Bravo und Jean Regnaud zeichnen kein gutes Bild des Volkskommissars, der mit zwei Soldaten die Errungenschaften der glorreichen Revolution auf den Dörfern verbreiten soll. Er ist feige, rachsüchtig, sexistisch und verfressen. Zum Glück sind aber nicht alle von diesem Schlag. Bitterböse Satire auf die Gräuel, die im Zuge und im Namen einer an sich positiven Idee verübt werden. Die Menschlichkeit, die auch in Bravos Spirou-Geschichte im Vordergrund steht, wird hier ebenfalls eingefordert.

ZACK 283 Aleksis Strogonov

Aida Nur steckt in Schwierigkeiten. Aufgrund eines sehr seltenen Ereignisses ist Alistair in der Lage, eine begründete Vermutung über den Fundort der Antiquitäten aufzustellen.  Die Hilfe der tapferen Frau wäre dann nicht mehr nötig. Im Schatten von Anubis hoffen aber mehrere Parteien darauf, reich zu werden und so ist noch nichts entschieden. Sussi Bech schafft es, die Story so spannend aufzubauen, dass immer wieder neue Verwirrungen auftauchen, und bleibt damit nicht nur zeichnerisch im Duktus der großen Abenteuer im Stil der Klaren Linie.

Die Abschiede

Zum Ende des ersten Teils von Madi wird es noch einmal blutig: Simon Bisley liefert ein paar sehr typische Seiten ab, bevor André Araújo wieder in ruhigere Fahrwasser lenkt. Eine faszinierende Science-Fiction-Story über selbstoptimierte Söldner*innen von Duncan Jones und Alex de Campi, die gar nicht so unvorstellbar ist. Es lohnt sich, auf die Rückkehr von Es war einmal in der Zukunft zu warten!

ZACK 283 Madi

Das Versteck der Flintenweiber ist aufgeflogen und die drei Damen stehen unter heftigem Beschuss. Wird es ihnen noch einmal gelingen, sich daraus zu befreien oder kann der deutsche Geheimdienst endlich den Ring des Antiquitätenhändlers erobern? Ètienne Willem und Pierre Pevel erzählen rasant, spannend und trotzdem sehr witzig. Der Humor kommt allerdings im Gegensatz zu seinen klassischen Vorbildern etwa bei Die Zwei ohne sexistische Sprüche aus!

ZACK 283 Die Flintenweiber

Und sonst?

Parker & Badger gehen ins Stadion und Christian Endres beleuchtet die Historie sowie die aktuelle Serie von She-Hulk. Außerdem sind erneut alle Leser*innen aufgerufen, die ZACK-Serie des Jahres zu wählen. Nutzt diese Möglichkeit, wenn ihr bestimmte Richtungen auf jeden Fall oder gar nicht im ZACK sehen wollt. Zu gewinnen gibt es die sehr lesenswerte Gesamtausgabe von Johnny Focus. ZACK und ZACK-Spezial haben sich übrigens in der Jahresbestenliste 2022 von comix-online gut platzieren können!

„Enjoy yourself“(The Specials) and have a winter-Bock!.

© der Abbildungen 2023 bei den jeweiligen Autoren und Verlage c/o Blattgold GmbH

Bocquet/Anlor – Ladies with Guns 1

Nicht unterkriegen lassen!

Story: Olivier Bocquet
Zeichnungen: 
Anlor
Originaltitel: 
Ladies with Guns – Tome 1

Splitter Verlag

Hardcover | 64 Seiten | Farbe | 17,00 € | 
ISBN: 978-3-96792-392-6

Cover Ladies with Guns 1

Frauen spielten in Western im bisherigen Regelfall keine tragende Rolle! Im mittlerweile x-sten Comeback dieser Sparte ändert sich das allerdings gerade und so ist es nicht verwunderlich, dass auch Comic-Western ihren Fokus auf die größere Hälfte der Bevölkerung richten. Im Mittelpunkt dieser Serie stehen fünf Frauen, die aus ihren bisherigen Rollen ausgebrochen sind.

Change-Management

Heutzutage gibt es ja für fast alle Situation ein passendes englisches Buzz-Word. Wenn sich Rollen in einem Gefüge ändern und alle bisherigen Beteiligten damit klarkommen sollen, wird das üblicherweise als Change-Management bezeichnet. Oft ist das ein Euphemismus, der das Knirschen im Getriebe höflich umschreibt. Ladies with Guns beschreibt ähnliche Situationen: eine Sklavin macht ihren Herren sehr deutlich, was sie nicht mit sich machen lässt und flieht, eine Siedlerin in spe überlebt einen Angriff auf ihren Trek, eine Angehörige der First Nations überdenkt ihr Feindbild, eine Prostituierte möchte den Beruf wechseln und eine Farmerin helfen.

Ladies with Guns 1 page 3

Allerdings sind die vom Wandel betroffenen Herren der Schöpfung keinesfalls gewillt, diesen hinzunehmen. Ihre Weltsicht ist davon geprägt, dass nur sie bestimmen. Und von neumodischen Errungenschaften, etwa, dass man Frauen nicht schlagen dürfe, halten sie gar nichts. Sie machen sich daher auf, um den Status qua ante wieder herzustellen.

Irgendwie scheint Olivier Boucquet aber eine Vorliebe für Filme von Quentin Tarantino zu haben. Seine Geschichte beginnt bereits blutig und steigert sich im Verlauf zu einer Orgie der Gewalt, die alle Spielarten der Auseinandersetzungen im Western aufnimmt. Obwohl das dramaturgisch sehr stimmig ist, ist es doch nichts für schwache Nerven.

Natur und Mensch

Auch Anlor scheint zwei Seelen in ihrer Brust zu haben. Einerseits kann sie die friedvolle Natur in einer Weise darstellen, dass man beim Lesen fast das Gezwitscher zu vernehmen glaubt, andererseits spritzt das Blut nur so. Letzteres wird kräftig mit Soundwords unterstützt und so ist auch dieses Geräusch sehr unmittelbar! Sie verdeutlicht sehr offensichtlich, wo ihre Sympathien liegen! Und es sei verraten, dass es nicht die Männer sind, die diese abbekommen.

Ladies with Guns 1 page 4

Obwohl hier wirklich krasse Gewalt dargestellt wird, erreichen ihre Zeichnungen nicht die Brutalität eines Hermann. Zudem gelingt es ihr auch, dem von Boucquet immer wieder platzierten Humor grafisch Ausdruck zu geben. Man darf gespannt sein, wie diese Geschichte sich über zwei bereits angekündigte Alben weiterentwickeln und steigern wird.

Ein Western der anderen Art

Seit den Tagen des Italo-Western hat es eine lange Zeit nur noch vereinzelte Western gegeben, die wirklich einen Schwerpunkt auf die Gewalt legen. Das scheint sich gerade wieder zu ändern und Tarantino ist nur ein Beispiel unter vielen. Die Kombination aus „Heldinnen“ und Gewalt ist dagegen nicht so selten. Nicht ganz so üblich ist allerdings, dass sich die Opfer (zumindest vorläufig recht erfolgreich) wehren!

Ladies with Guns 1 page 5

Als Ergänzung einer Western-Comic-Sammlung unbedingt zu empfehlen, da es sich bei Ladies with Guns eben nicht um eine weitere Wiederholung handelt. Beide Künstler*innen sind in Deutschland noch nicht übermäßig bekannt, haben aber meiner Meinung nach Beachtung verdient!

Dazu passen Dr. Feelgood mit „Roxette” und ein Bulleit Rye „Frontier Whiskey“.

© der Abbildungen Dargaud 2022 by Bouquet, Anlor / Splitter Verlag GmbH & Co. KG, Bielefeld 2022

Cauvin/Lambil – Die Blauen Boys GA 3

1973 – 1975

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Willy Lambil

Originaltitel: Les Tuniques Bleues Tome 5, 6 & 7

Salleck Publications

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 29,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-792-5

Cover Die Blauen Boys GA 3

Die Blauen Boys sind neben Lucky Luke eine der am längsten laufenden franko-belgischen Westernserien. Sergeant Chesterfield und Korporal Blutch erleben ihre Abenteuer im amerikanischen Bürgerkrieg. Die künstlerisch Verantwortlichen haben aufgrund von Todesfällen schon mehrfach gewechselt. Band 3 der Gesamtausgabe umfasst die ersten drei vollständig von Willy Lambil gezeichneten Bände. Zur Geschichte der Übernahme und der Veröffentlichungsreihenfolge siehe Band 2.

Der Übergang von Klamauk zu den Wirren des Krieges

Die Blauen Boys GA 3 page 79

Die ersten Geschichten der Serie waren eher am Klamauk orientiert. Alltagsszenen aus dem Leben im Fort wurden – klischeehaft – genutzt, um nach Morris‚ Weggang von Dupuis dem lonesome Cowboy etwas entgegenzusetzen. Die Deserteure, Band 5 der Reihe, stellt ein Bindeglied zwischen den Anfängen und dem weiteren Verlauf dar. Zwar ist der im Vorgänger „Vogelfrei“ eingeführte Krieg mit den Südstaaten kein Aufhänger, die völlig überzogenen Ansichten von Captain Joyce bringen die Situation aber so zum Kochen, dass eine Gruppe von Soldaten lieber desertiert als zu gehorchen.

Der Knast von Robertsonville enthält den ersten Auftritt eines Antagonisten, der viele Male wieder auftauchen wird: Kakerlak! Ein sadistischer Südstaatler, der im Kriegsgefangenenlager für die Bewachung der Nordstaatler zuständig ist, beißt sich an den beiden Helden die Zähne aus. Der Sinn des Strafens steht im Mittelpunkt dieser Geschichte.

Die truppengattungsübergreifende Sinnlosigkeit des Tötens wird erstmals in Blaue Boys und Blaue Jungs in den Vordergrund gestellt. Chesterfield und Blutch müssen aus unterschiedlichen Gründen die Kavallerie verlassen und geraten auf Umwegen zur Marine. Geschichtlicher Hintergrund ist das Duell zweier gepanzerter Schiffe, die das Marinewesen auf immer verändert haben.

Die Blauen Boys GA 3 page 80

Knollennasen und ernste Themen

Lambil übernimmt von seinem Vorgänger Salvérius die witzigen Knollennasen und damit auch das Semi-Funny-Setting. Auch weiterhin stehen die witzigen Szenen klar im Fokus. Dabei schaffen die cholerischen Ausbrüche des Sergeants und die anarchistischen Bemühungen des Korporals, der Todesgefahr zu entrinnen, immer wieder Möglichkeiten für komische Feuerwerke. Vieles davon ist aber auch tragikomisch! Sowohl Cauvin als auch Lambil setzen dabei auf intensive Recherche und bauen immer wieder reale Begebenheiten in ihre Stories ein.

Für die Deserteure hatte Cauvin allerdings extra ein Szenario geschaffen, das fast komplett in der Wüste spielt und nur eine begrenzte Personenzahl umfasst, um dem neuen Zeichner einen komfortablen Einstieg zu ermöglichen. Die Geschichten lagen auf Deutsch bisher nur als „Bud & Chester“ aus dem Bastei-Verlag in gewöhnungsbedürftiger Übersetzung oder auf das Taschenbuch ummontiert von Carlsen vor und werden nun erstmals angemessen präsentiert.

Detail Die Blauen Boys GA 3 page 81

Endlich!

Die Blauen Boys haben in Deutschland nie ganz den Stellenwert wie bei unseren westlichen Nachbar*innen erlangt. Das lag vielleicht auch an dem etwas missglückten Start. Da nun endlich die ersten Bände in optimaler Weise bei Salleck Publications erscheinen, können Fans das lange Vermisste nun nachholen. Die Serie ist ein Meilenstein unter den Westernserien und verknüpft Humor mit beißender Kritik.

Die Gesamtausgabe im Hardcover bringt die Serie in richtiger zeitlicher Reihenfolge und ergänzt die Alben um weiteres Material. So kommen in diesem Band zwei Kurzgeschichten zu ihrer ersten deutschen Publikation. Zusätzlich bietet Volker Hamann einen umfassend bebilderten Überblick über Serie und Schöpfer. Ein Tipp für den Weihnachtswunschzettel!

Detail Die Blauen Boys GA 3 page 3
Ausschnitt aus dem redaktionellen Teil

Dazu passen Rising Appalachia, etwa mit „Resilient“ und ein Cabernet Sauvignon aus Kalifornien!

© der Abbildungen DUPUIS 1974, 1975, by Cauvin & Lambil / 2022 Eckart Schott Verlag

Kresse  – Die Ahnen der Mescaleros 1

Gesamtausgabe – Band 1: Das Böse

Story: Hans G. Kresse

Zeichnungen: Hans G. Kresse

Carlsen Comics

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 32,00 €
ISBN: 
978-3-551-78173-4

Cover Kresse - Die Ahnen der Mescaleros 1

Hans G. Kresse ist einer der bekanntesten niederländischen Comic-Zeichner und Texter. Während seine große Vorliebe und Leidenschaft den indigenen nordamerikanischen Völkern galt, ist seine wohl bekannteste Serie aus einem anderen Sujet: Erik, der Normanne. Nun erscheint sein opus major in einer dreibändigen Gesamtausgabe (wieder) in Deutschland. Die einzelnen Bände wurden in den 70-ern im YPS vorveröffentlicht und später bei Carlsen als Album publiziert. Man hat sich dabei nun entschieden, als Titel anstelle von Die Indianer-Reihe den moderneren Claim Die Ahnen der Mescaleros zu wählen.

Das multiple Böse

Der Titel der Gesamtausgabe ist durchaus doppeldeutig: Kresse erzählt das Leben der verschiedenen Stämme in den Plains und beschreibt mehrere Friktionen. Einerseits gibt es traditionelle Feindschaften zwischen den Stämmen aufgrund unterschiedlicher Konzepte (sesshafte Landwirtschaft vs. nomadische Jagdgesellschaft), aber auch „böse“ Stämme, die andere unterjochen wollen. Zusätzlich spielt die Rivalität zwischen zwei Häuptlingssöhnen eine große Rolle: Während der Ältere sehr traditionell ist, hat der Jüngere sehr eigene Vorstellungen von der Zukunft. Und dann sind da noch die Spanier, Die Herren des Donners.

Der gleichnamige erste Band führt in die Geschichte ein, beschreibt die künftigen Hauptpersonen und bereitet das Setting. Kresse ist dabei nicht zimperlich und die Vernichtung eines ganzen Stammes wird als übliches Szenario beschrieben. Sehr geschickt führt er das Aufeinanderprallen von Tradition und Moderne aus. Natürlich sind die Spanier Invasoren, die nur eigene Interessen im Blick haben. Ihre Wundertiere, die bis dahin in Amerika unbekannten Pferde, könnten aber durchaus von Nutzen sein.

Detail aus Kresse Ahnen der Mescaleros 1
Illustration von Kresse

Die Erben des Windes und noch stärker Die Gefährten des Bösen führen diese Stränge fort. Kresse kombiniert persönliches Drama innerhalb der Stämme mit Geschichten von einzelnen Weißen oder Mischlingen, die eigene, differenzierte Rollen zugewiesen bekommen. Durch die sorgfältige Komposition haben diese Teile eigenständigen Reiz und tragen die Handlung voran. Nicht immer selbstverständlich! Es gibt allerdings auch den Vorwurf, dass Kresse sich mit seinem Plan, eine 20-bändige Chronik der indigenen Völker Nordamerikas vom ersten Kontakt mit den spanischen Eroberern bis zu ihrem Untergang zu verfassen, übernommen habe. Da letztlich nur 10 Teile erschienen sind, ist es müßig, darüber zu spekulieren und viel besser, die Reihe zu genießen.

Naturalistische Zeichnungen

Anfang der 70-er Jahre war es noch nicht ganz unüblich, Zeitungsstrips zu verfassen. Kresse selbst hatte jahrelang seinen Erik für die Zeitungen verfasst und auch sein Stil für die Indianerreihe ist noch davon geprägt. Obwohl die Zeichnungen sehr sorgfältig koloriert worden sind, könnten sie auch ohne diesen Schritt bestehen. Es wäre sogar sehr spannend, diese im Original mit denen von Serpieri (aktuell bei schreiber & leser) oder Jijé (Jerry Spring bei Egmont) zu vergleichen.

Ansonsten legt Kresse viel Wert auf den Hintergrund, geht dabei aber nicht so sehr in die Totale wie beispielsweise Giraud. Obwohl es Überspannungen gibt, bleibt das Layout sehr traditionell mit meistens vier, selten auch nur drei Reihen. Die Gesichter sind stark konturiert und tragen viele Emotionen und Körperbau sowie -haltung sind anatomisch korrekt. Auch bezüglich der Kleidung und der Lebensweise kann davon ausgegangen werden, dass Kresse so detailgetreu wie nur irgend möglich gearbeitet hat.

Beispiel Kresse - Maho-Tonga
eine Vorläufer-Serie

Ein Klassiker für die (Western-) Sammlung

Für Fans des Western-Comics sicherlich ein Muss. Im Yps belegte diese Serie den Westernplatz in den ersten Ausgaben, bis sie von Buddy Longway abgelöst wurde. Beide Serien gehören sicherlich ohne Zweifel zu den Must Haves in diesem Bereich, gerade weil sie nicht dem damals üblichen TV/Kino-Blickwinkel folgen. Die First Nations werden hier als Kulturnationen vorgestellt, die letztendlich keine Chance gegen die Eindringlinge hatten.

Ergänzt wird der Band durch zwei inhaltliche Teile. Zunächst stellt Rob van Eijck den Künstler vor, seinen Werdegang und die Leidenschaft für die nordamerikanischen Indigenen. Martin Jurgeit beleuchtet anschließend die Rezeption in Deutschland. Auch wenn (oder weil?) die Zeichnungen nicht dem aktuellen Modetrend entsprechen und weder Computerkolorierung noch Manga-Anleihen aufweisen, eine klare Empfehlung für Leser*innen auch jenseits der Westernfans mit einem Faible für gut erzählte Geschichten über mehrere Bände hinweg.

Dazu passen ein Mezcal sowie Dropkick Murphys mit „Two 6’s upside down“!

© der Abbildungen Erven Hans G. Kresse/Arboris BV 2018 / Carlsen Verlag GmbH Hamburg 2022

Jul/Achdé – Lucky Luke 101

Rantanplans Arche

Story: Jul (Julien Berjeaut)
Zeichnungen:  Achdé (Hervé Darmenton) nach Morris
Originaltitel:  L´Arche de Rantanplan
Egmont Comic Collection
Softcover & Hardcover | 48 Seiten | Farbe | 7,99 & 14,00 € |
ISBN: 
N/A & 978-3-7704-0418-6

Cover Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Wie versprochen folgt hier die Rezension zu dem aktuellen Lucky Luke Band, der jetzt im Handel ist. Wie schon in den letzten Bänden nimmt Jul, das ist Julien Berjeaut, wieder ein aktuelles Thema auf. Sicherlich erinnern sich die meisten noch an den Sturm der Entrüstung, der durch den deutschen Blätterwald lief, als Freiburg angekündigte, in den städtischen KiTas aus Kostengründen nur noch vegetarisches Essen anzubieten. Kein Grundsatz wurde postuliert, nichts verurteilt oder gelobt, es ging nur um die Frage, was bei der aktuellen Kostensituation in vertretbarer Qualität bezahlbar erscheint…

Aus Cattle Gulch wird Veggie Town

Jul stellt sich vor, was wohl passiert wäre, wenn ein typisches Kaff im Rinderzüchter-dominierten WildenWesten plötzlich gezwungen würde, dem Fleischkonsum abzuschwören. Rantanplans Arche beginnt mit einem Western-Klischee: Lucky Luke kann gerade noch verhindern, dass die aufgebrachte Menge einen Mann lyncht. Ovide Byrde hatte den „Fehler“ begangen, einem Pferd beizustehen und es davor zu bewahren, totgeprügelt zu werden. Besagter Byrde ist (einziges) Mitglied im örtlichen Tierschutzverein und hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, das Leben der Tiere zu bewahren.

Detail aus Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Die fleischessende, pelztragende und jagdbegeisterte Community findet daran allerdings wenig Positives. In dem Tierheim Byrdes findet Luke untern anderem den wie immer verwirrten Rantanplan und beschließt, ihn zurück in sein Gefängnis zu bringen. Bevor es dazu kommen kann, findet der liebenswert dusselige Hund allerdings noch Gold auf Ovides Grundstück. Von diesem Schatz könnte doch der Tierschutz profitieren.

Im Gefängnis angekommen hören allerdings auch unerwünschte Ohren den Bericht über die Vorkommnisse in Cattle Gulch und der Spaß beginnt! Sehr unverkrampfte Annäherung an den fast schon religiösen Streit über Fleischverzehr in der Jul erneut mit vielen bekannten Lucky Luke Figuren und Archetypen spielt. Vielleicht nicht ganz so mitreißend wie Fackeln im Baumwollfeld aber sehr gelungen! Es gibt aber einen echten Schocker!

Detail aus  Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Spaß in jedem Panel

Achdé trifft mit jeder neuen Folge dieser Serie genau ins Schwarze! Man erkennt den Spaß des Zeichners, liebevolle Details hinzuzufügen. Diese können im Gesichtsausdruck liegen, in der Gesichtsfarbe oder aber in der Konzentration eines Kung-Fu-Kampfes auf zwei Bilder! Einzig das Titelbild ist etwas ungewöhnlich, zeigt aber ebenfalls eine Unmenge an Details in der Viecherschar.

Detail aus Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Formattechnisch ist die Serie ein Dinosaurier: unveränderliche vier Streifen bilden das Gerüst für die Seitenaufteilung und modischen Schnickschnack wird hier niemand auch nur suchen. Da aber der Inhalt der Zeichnungen jung geblieben ist, verströmt die Reihe keine Nostalgie, sondern allenfalls die beruhigende Wirkung des Sich-Aus-Kennens und ist daher wahrlich für alle Altersstufen lesbar.

Eine kleine Auszeit

Jeder neue Lucky-Luke-Band ist (wieder) eine Besonderheit: aktuelle Inhalte, mit Liebe und Leidenschaft sorgsam modernisierte Zeichnungen und doch der alte Klassiker. Obwohl die Serie vor kurzem das 75. Jubiläum gefeiert hat, lohnt sich das Warten noch immer! Was will man mehr?

Detail aus Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Wie immer erscheint der Band als Kiosk-Broschur oder als Buchhandels-Hardcover. Inhaltlich nehmen sich die Formate nichts. Der Band enthält im Übrigen auch eine Möglichkeit, an den Deutschen Tierschutzbund e.V. zu spenden!

Dazu passen ein veganer Riesling und „Land of Hope and Dreams“ von Bruce Springsteen & the E-Street Band.

Detail aus Lucky Luke 101
© Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Update: Dieser Text enthielt ursprünglich nur die Ankündigung des Bandes.

© der Abbildungen Lucky Comics 2022/ Story House Egmont

Le Tendre/TaDuc – Chinaman GA 1

Gesamtausgabe Band 1

Story: Serge Le Tendre, Olivier TaDuc
Zeichnungen: Olivier TaDuc

Originaltitel: Chinaman Compilation 1

Salleck Publications

Hardcover | 240 Seiten | Farbe | 34,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-757-4

Cover Le Tendre / TaDuc Chinaman Gesamtausgabe 1

Und noch ein Western aus dem Hause Salleck Publications! Während es Dutzende von Western gibt, die die gleichen Geschichten immer wieder neu erzählen, fallen einige aus dem Rahmen. In ihnen gibt es zum Beispiel neue oder veränderte Perspektiven. Wir alle kennen die Migrant*innen aus China als typisierte Rollenbilder in klassischen Western: Wäschereien, Eisenbahnbau, Koch. Chinaman geht viel weiter und thematisiert bereits die Überfahrt und die daraus erwachsenen Verpflichtungen, den ständigen Rassismus und die kulturellen Herausforderungen. Mehr dazu im Serienkompass.

Die „Söhne des Himmels“ und „die weißen Dämonen“

Chinaman GA 1 page 103

Die meisten Migrationen haben handfeste Gründe: Armut, Hunger und/oder Verfolgung aus politischen, rassistischen oder religiösen Gründen. Der Wunsch nach spirituellen Erfahrungen oder Doku-Soaps wie „Die Auswanderer“ stellen dagegen nur kleine Randerscheinungen dar. Der Anhang dieser Gesamtausgabe enthält Informationen zu den Gründen für die Jobmigration aus China nach Nordamerika. Es war für viele die einzige Möglichkeit zu überleben und die Preise für die Überfahrt waren hoch. Würde man heute von „Schleuserbanden“ reden, waren damals die Triaden, die sog. chinesische Mafia, die Nutznießer.

Band 1, Die Goldberge, beschreibt dieses Szenario: Chen Long Ann, von den Einwanderungsbehörden umgetauft in John Chinaman, und sein Blutsbruder Chow kommen als Gefolgsleute eines hohen Mitglieds der Triaden nach Amerika um Tributzahlungen durchzusetzen. Als der Held beginnt, sich in ein Mädchen zu verlieben, werden die Dinge kompliziert und nicht alle spielen mit ehrlichen Karten. In Mit gleichen Waffen unterstützt Chinaman einen Trek von Siedler*innen. Er begegnet auch dort offenem Rassismus und blankem Hass, kann aber auch aufgrund seines Humors punkten. Außerdem kommt es zur Konfrontation zwischen den Blutsbrüdern um die Frage der Ehre.

Für Rose hat erneut ein anderes Thema: Während Chen unter die Trapper gegangen ist, um der weißen Zivilisation möglichst entfernt zu sein, versucht ein Städter ein junges Mädchen seinen Pflegeeltern zu entreißen. Diese Familientragödie wird von Serge Le Tendre und Olivier TaDuc perfekt in das Westernambiente integriert und mit rassistischen Vorurteilen garniert. Die Rostfresser schließlich beschreibt die Situation der chinesischen (und irischen) Arbeiter beim Bau der Eisenbahn: interne Rivalitäten, Hass, Strafmaßnahmen und das Ausnutzen dieser Gegebenheiten durch die Eisenbahngesellschaft sind die Themen dieser Geschichte.

Chinaman GA 1 page 104

Detailliert und realistisch – Die Zeichnungen

Während Geschichte und Szenario Koproduktionen sind, hat Olivier TaDuc die Zeichnungen allein angefertigt. Sein Detailreichtum lädt dazu ein, die Geschichten sehr intensiv zu genießen. Sowohl die Natur und ihre Jahreszeiten als auch die unterschiedliche städtische oder ländliche Architektur bilden jeweils passende Rahmen für die Handlung. Mimik und Körperbau der Menschen sind sehr stimmig und die asiatische Kampfkunst wird meisterhaft dargestellt.

Man merkt den Geschichten an, dass sie von der TV-Serie Kung Fu inspiriert sind. Der chinesische Einzelgänger als Held, immer bereit, Unterdrückten zu helfen und Ungerechtigkeiten zu beseitigen und nie aggressiv, aber doch klar in der Kampfkunst! Obwohl die Gewalt nie im Vordergrund steht, macht sie doch einen Großteil von Chinaman aus. Nie ist sie aber Selbstzweck, sie spielt immer nur eine Rolle im Geschehen.

Chinaman GA 1 page 105

Endlich bald erstmalig komplett!

Chinaman ist ein Must-Have für alle, die Western-Comics mögen! Die Veröffentlichungsgeschichte in Deutschland war bisher gelinde gesagt holprig. Nun aber ist Teil 1 der sehr schönen Gesamtausgabe erschienen, der abschließende zweite Teil für den Winter angekündigt. Die Reprise ist vor kurzem ebenfalls auf Deutsch erschienen. Der Band ist aber auch für alle, die die feine Art zu erzählen von Serge Le Tendre mögen.

Das leicht glänzende, feste Papier macht das Lesen zu einem Genuss! Im Anhang finden sich neben Skizzen und Coverabbildungen auch eine Art Broschüre über die Geschichte der chinesischen Migration nach Nordamerika, die Hintergründe und Herausforderungen. Dadurch wird das Verständnis für einige Motive innerhalb der Geschichte noch einmal größer. Für mich ein Kandidat für die Jahresbestenliste in der Kategorie Gesamtausgaben!

Chinaman GA 1 Anhang

Dazu passen der Kung-Fu-Soundtrack von Jim Helms und ein Jasmin Tee!

© der Abbildungen DUPUIS 2021, by Serge Le Tendre & TaDuc / 2022 Salleck Publications Eckart Schott Verlag

All Verlag – Das Programm 2022 Teil 2

Ansgar Lüttgenau zum Programm des All Verlag für das zweite Halbjahr 2022

c-o: Hallo Ansgar, schon wieder ein halbes Jahr rum. Aktuell sieht es so aus, als ob ein wenig Normalität in das alltägliche Leben zurückkehren würde: Veranstaltungen dürfen wieder stattfinden und der direkte Kontakt mit den Leser*innen wird für Euch wieder möglich. Auf der anderen Seite führt der Krieg mitten in Europa natürlich allen vor Augen, wie labil und gefährdet Sicherheit und Frieden sind. Was erwartest du von den kommenden Monaten?

AL: Ich freue mich erstmal auf Erlangen. An unserem Stand im Hauptzelt auf dem Schlossplatz wird am Freitag und Samstag Philippe Aymond seine Serien Lady S. und Bruno Brazil signieren.

Was die nächsten Monate ansonsten für den Verlag bringen wird man sehen. Trotz den exorbitanten Papierpreiserhöhungen werden wir im 2. Halbjahr einige notwendige Nachdrucke z.B. von Lederstrumpf, Messalina und Wunderwaffen in Auftrag geben.

Cover Hägar 2018

Die Klassiker

c-o: Dein neues Programm setzt die Schwerpunkte der vergangenen Jahre fort. Beginnen wir mit den Klassikern: Du hast die Cartoon-Reihe Hägar gestartet. Hast du schon eine Ahnung über den Erfolg der ersten beiden Teile?

AL: Die Jahrgänge bis 2016 gab es ja bereits einmal von Egmont, sind aber teilweise auch antiquarisch kaum noch zu finden. Deshalb verkaufen sich auch die alten Bände nochmal und die neuen Jahrgänge braucht man auf jeden Fall, um die Egmont Ausgabe zu komplettieren.

Natürlich haben wir nicht die Vertriebspower von Egmont aber die Bücher verkaufen sich zumindest so gut, dass wir schon eine weitere Cartoonserie in Vorbereitung haben.

Cover Hägar 1974

Zum 50. Jubiläum von Hägar soll es ja nächstes Jahr auch noch eine große Ausstellung geben, was sicherlich auch nochmal einen Schub bringt.

c-o: Mit Yalek und Alain Chevallier werden zwei ZACK-Serien fortgesetzt, mit Spaghetti ein alter Klassiker aus dem Tintin-Magazin. Gibt es eigentlich noch ungehobene Schätze in den Archiven?

AL: Da gibt es noch eine ganze Menge toller Sachen. Leider liegen die Rechte dann in der Regel bei den Erben der Künstler und die sind zerstritten oder möchten aus irgendwelchen Gründen keine Veröffentlichung oder man findet sie einfach nicht. Damit ist so ein Projekt dann in der Regel gestorben. Mit genügend Zeit und detektivischem Spürsinn kann man aber manchmal doch einen Erfolg erzielen, wie z.B. bei Jerry Spring, Pharao und Lederstrumpf.

Graphic Novel im All Verlag

c-o: Mit Nur noch Stille gehst du in das Segment Graphic Novel, richtig? Wird das im Zweifel noch ausgebaut werden?

AL: Ein Stern aus schwarzer Baumwolle würde ich auch dort verorten und obwohl ich denke, dass das das beste Buch in unserem gesamten Programm ist, hat es sich nicht gut verkauft. Trotzdem machen wir einen weiteren Versuch mit Nur noch Stille. Die Serienmörderthematik ist vielleicht auch noch interessanter als Rassendiskriminierung. Und außerdem ist der Zeichner durch seine Serie „Der Gesang der Strygen“ auch noch vielen Lesern in positiver Erinnerung.

Cover Nur noch Stille

c-o: Lederstrumpf, die Wunderwaffen und auch die Sechste Waffe sind Serien, die der All Verlag in Deutschland etabliert hat. Man konnte in den letzten Monaten überall lesen, dass das Comicsegment einer der wenigen Bereiche mit Zuwächsen im Print war. Kannst du das bestätigen?

Cover Lederstrumpf 3

AL: In der Coronazeit wurde mehr gelesen, was sich auch in den Verkaufszahlen niedergeschlagen hat. Nicht umsonst haben wir unser Programm deutlich ausgebaut, obwohl das eigentlich erst in ein paar Jahren geplant war.

Nur für Erwachsene

c-o: Nach dem Erfolg von Messalina legst du jetzt im Bereich der Comics für Erwachsene deutlich nach. Gibt es schon Reaktionen darauf?

AL: Der Erfolg von Messalina hat mich ehrlich überrascht. Wir hatten die Lizenz ja schon einige Jahre und ich habe die Veröffentlichung immer wieder verschoben, weil ich dachte, dass das Thema Pornografie im Comic eigentlich durch ist. Aber da beide Bände kurzum vergriffen waren und weiterhin Nachfrage besteht, habe ich mich wohl getäuscht. Wir drucken jetzt bald nach und veröffentlichen mit Bang Bang von Jordi Bernet eine weitere Reihe mit ähnlicher Thematik. Man könnte sagen, „Torpedo“ für Erwachsene.

Tops’n‘Flops

c-o: Wie immer zum Abschluss die Frage nach deinem Lieblingstitel für die kommenden Monate und nach den Tops und Flops der Vergangenheit.

AL: Eigentlich waren für dieses Programm noch zwei weitere Titel geplant, und zwar ein weiterer EC Archiv-Band von Wally Wood, für den wir aber bis heute auf die Druckdaten aus den USA warten und ein Moebius-Titel, dessen Bonusmaterial bisher von Frau Giraud nicht freigegeben wurde und den wir deshalb ins nächste Programm verschoben haben. Der Moebius-Band hätte eigentlich der Toptitel in diesem Programm werden sollen. Nun fällt diese Ehre Nur noch Stille zu, der mit perfekter Zeichentechnik und konstanter Spannung in der Schnittmenge von Southern Gothic und spannungsgeladenem Thriller angesiedelt ist.

Cover Wunderwaffen 11

Am besten verkauft haben sich in den letzten 12 Monaten: Lady S., Die erotische Kunst von Wally Wood, Messalina, Wunderwaffen, Gil St. Andre, Lederstrumpf.

c-o: Vielen Dank, Ansgar für das Interview! Viel Spaß auf Messen und natürlich weiterhin viel Erfolg!

Das Programm im Einzelnen

Wie immer gibt es beim All Verlag zu jedem Titel auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit Ex Libris und teilweise Variantcover. Zu Teil 1/2022.

August 2022 
Bang Bang 1Die Geliebte von Al Capone
Bang Bang 2Viva Mexico
Die sechste Waffe 7Nicht die Kugel, sondern der Fall
Nur noch Stille 
Cover Die sechste Waffe 7
September 2022 
Lederstrumpf 3Der Pfadfinder
Lederstrumpf 4Die Pioniere
Alain Chevallier 3Turnier für 500 ccm
Alain Chevallier 10Das Monster im Schnee
November 2022 
Yalek 3Das Reich der Angst
Yalek 4Die Gefangenen von Yacomac
Wunderwaffen 11Der Schatten der Wewelsburg
Wunderwaffen 12Die Zeitfalle
Dezember 2022 
Messalina 5Der Palast der Qualen
Messalina 6Der letzte Orgasmus
SarvanGesamtausgabe
SpaghettiGesamtausgabe Teil 2
Hägar1974
Hägar2018

© aller Abbildungen 2022 All Verlag und jeweilige Lizenzgeber

Cauvin/Lambil – Die Blauen Boys 46

Die Krater-Schlacht

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Willy Lambil

Originaltitel: La bataille du cratère

Salleck Publications

Softcover | 48 Seiten | Farbe | 11,00 € | 
ISBN: 978-3-89908-765-9

Cover Die Blauen Boys 46

Eigentlich ist Morris Schuld daran, dass es diese Serie gibt. Hätte er nicht beschlossen, mit seiner Serie Lucky Luke das Spirou-Magazin zu verlassen, hätte der Verleger Dupuis nicht nach einer neuen Westernserie suchen müssen. Die ersten Bände, bereits getextet von Raoul Cauvin, waren noch von Salvérius gezeichnet worden. Nach seinem Tod hatte dann Willy Lambil übernommen. Im Original ist bereits das letzte Album der beiden erschienen und auch schon das erste der Nachfolger.

Der Schrecken des Krieges

Angefangen hatte alles als lustige, hauptsächlich auf Slapstick setzende Serie. Die Hauptpersonen waren zwar Angehörige der Nordstaaten-Armee, der Bürgerkrieg spielte aber keine große Rolle. Schon bald war klar, dass dieses Szenario zukunftsträchtiger, weil vielseitiger sein würde. Schleichend entwickelte sich die Serie im Laufe der Zeit von einem Quasi-Funny zu einer zutiefst Militär- und Kriegskritischen Serie. Die Schrecken der Schlachten, vor allem für die eingesetzten Soldaten, der Zynismus der Generäle und der Verlust der eigentlichen Motivation bieten genügend Raum für mittlerweile 65 Bände. Die Krater-Schlacht trägt dabei im Original die Nummer 63.

Die Blauen Boys 46 page 19

Petersburg, gehalten von den Südstaaten, wird schon länger von der Nordstaaten-Armee unter General Grant belagert. Jeder bisherige Angriff ist mit hohem Blutzoll und Artilleriefeuer gescheitert. General Alexander, Vorgesetzter der Helden Blutch und Chesterfield, hat diese beiden als Verstärkung geschickt und prompt werden sie Lieutenant-Colonel Pleasant zugeordnet. Dieser will einen Tunnel unter die feindlichen Linien graben und sprengen.

Cauvin gelingt es ausgezeichnet, den Irrsinn des Krieges, den Schrecken für die Beteiligten und die Widersprüche aufzudecken. Das Verhältnis der Weißen und Schwarzen in der „Befreiungsarmee“ lässt erhebliche Zweifel an der Motivation aufkommen. Trotzdem lebt diese Serie immer noch von ihrem Humor und der Situationskomik! Leider ist es zu spät, diese Serie einigen Herren zu empfehlen.

Die Blauen Boys 46 page 20

Halb-realistische Knollennasen

Willy Lambil zeichnet seine Helden mit Knollennasen. Er nimmt dadurch vielen Bildern ein wenig Brutalität und erinnert auch figürlich an die Idee einer lustigen Serie. Um die Nasen herum sind die Zeichnungen im Grenzbereich des typischen Marcinelle-Stils und einer realistischen Zeichnung angelegt.

Auch nach über 50 Bänden merkt man dem Zeichner den Spaß bei der Arbeit an. Viele Panels haben sehr unterschiedliche Tiere im Vordergrund, quasi als Symbol der unberührten, „reinen“ Natur. Sie werden auch durch den Krieg weder beschädigt noch in ihrem Fortbestand bedroht und bilden daher so etwas wie ein seelisches Gleichgewicht.

Die Blauen Boys 46 page 21

Eine der besten Westernserien überhaupt!

Für mich gehören die Blauen Boys zu dem allerbesten, dass das Genre zu bieten hat! Das liegt einerseits an der Verknüpfung der Kriegsthematik mit der humorigen Ebene. Niemand kann einen General ernst nehmen, der ständig trinkt, niemand den verrückten säbelschwingenden Kavalleristen. Zudem ist der ständige Konflikt um die Desertion eine perfekte Kabbelei der Helden im Stile jedes großen Pärchens!

Es bleibt daher nur die Wertung als Must-Have für jede*n, der/die klassische frankobelgische Comics mag! Man kann nur hoffen, dass Eckart Schott in seinem Verlag nicht nur die noch fehlenden aktuellen Bände bringt, was anzunehmen ist. Es wäre auch schön, wenn die Gesamtausgabe nun Fahrt aufnehmen würde und die bei Bastei und Carlsen erschienenen frühen Bände in vernünftiger Übersetzung und Aufmachung nachlieferte.

Dazu passen Country-Rock von The Bombpops und ein Westcoast IPA!

© der Abbildungen Dupuis 2019 – Lambil & Cauvin / 2021 Salleck Publications Eckart Schott Verlag

Cauvin/Salvérius, Lambil – Die Blauen Boys GA 2

Gesamtausgabe No 2

Story: Raoul Cauvin
Zeichnungen: Louis Salvérius, Willy Lambil

Originaltitel: Les Tuniques Bleues 9, 10 und 4

Salleck Publications

Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 29,90 € | 
ISBN: 978-3-89908-621-8

Cover Die Blauen Boys Gesamtausgabe 2

Meine Oma hat bei scheinbaren Missgeschicken immer gesagt, dass man nie wisse, wofür es gut sei. So auch hier! Morris war mit der Situation bei Dupuis nicht mehr zufrieden; der geplante Lucky-Luke-Trickfilm gefiel ihm nicht, die Produktion seiner Comics in Frankreich als Softcover nicht und die Bezahlung schon mal gar nicht und so zog er mit seinem lonesome Cowboy von dannen. Ohne diese Tatsache wäre der Verleger nicht auf die Suche nach einer neuen humoristischen Western-Serie gegangen und Die Blauen Boys wären vielleicht niemals realisiert worden!

„Spaß“ bei der Armee

Im Laufe der Zeit reduziert sich die Serie auf nur zwei Hauptfiguren, Sergeant Cornelius Chesterfield und Korporal Blutch. Zu Beginn waren aber auch noch die Soldaten Trips und Bryan sowie der indianische Späher Silberfeder fast immer präsent. Cauvin, der den Wettbewerb der Szenaristen gewonnen hatte, legte die Geschichte um Mitglieder der Nordstaatenarmee an. Zunächst ging es hauptsächlich um Auseinandersetzungen mit den um das Fort Bow herum beheimateten Stämmen der First Nations, Mexikanern und Siedlern. Schon früh entwickelt sich der running gag, dass Blutch desertieren will und Chesterfield ihn daran hindern bzw. wieder einfangen muss.

Die Blauen Boys GA 2 page 26

Ein weiterer Bestandteil ist das oftmalige (scheinbare) Scheitern der Missionen, die zu mindestens nicht so ablaufen, wie die Vorgesetzten sich das erhofft haben. Dieser Ansatz taugte zunächst durchaus, um sich von Lucky Luke genügend abgrenzen zu können. Den Anfang machten dabei Kurzgeschichten und Gags die später durch halblange oder volle Abenteuer ersetzt wurden.

Dieser zweite Teil der Gesamtausgabe versammelt die Bände 9, 10 und 4 der Reihe und damit zusammen mit dem ersten Teil alles Material von Cauvin und Salvérius. Auf großer Patrouille startet mit frühen Kurzgeschichten und enthält die erste längere 16-seitige Geschichte, in der unsere Helden einem Treck von Siedlern sicheres Geleit geben sollen. In dem von viel Slapstick getriebenen Verlauf werden Filmklischees ad absurdum geführt und mehr als einmal verlieren die Beteiligten in dem Verwechslungsdrama die Übersicht.

Die Blauen Boys GA 2 page 88

Auch in Die Blauen und die Roten ist nichts, wie es scheint und Pläne gehen munter schief. Man merkt den Geschichten aber an, dass Salvérius viel Wert daraufgelegt hat, dass „die Indianer“ nicht ins Lächerliche gezogen werden dürften. Dieser Band versammelt ebenfalls frühe Kurzgeschichten des Duos. Die als Band 4 erschiene Story Vogelfrei markiert den ersten Wendepunkt der Reihe. Salvérius verstarb während der Erstellung des Albums und Lambil musste einspringen. Die Geschichte nutzt zudem erstmals den amerikanischen Bürgerkrieg als Setting und erweitert die Möglichkeiten der Blauen Boys von der Slapstickorientierung hin zu einer militärkritischen Haltung.

Der tragische Zeichnerwechsel

Salvérius oder Salvé war die eigentliche, treibende Kraft hinter den Blauen Boys gewesen; er hatte von Dupuis den Auftrag bekommen, sich einen Szenaristen zu suchen und ein Konzept für den Lucky-Luke-Nachfolger einzureichen. Mit seinem fröhlichen, rundlichen Stil und den charakteristischen großen Nasen passte er einerseits in die Marcinelle-Gemeinschaft, war aber doch charakteristisch genug, um eigenständig wahrgenommen zu werden. Lange hatte er sich gesträubt, sich ganz auf die Zeichnerei zu konzentrieren und mit dieser Serie endlich den Schritt gewagt.

Umso tragischer der Tod im vierten Jahr der Blauen Boys. Willy Lambil setzt in Vogelfrei den eher karikaturenhaften Stil von Salvérius fort, entwickelt die Serie aber schnell in eine etwas realistischere Ecke und hat damit das endgültige Erfolgsrezept kreiert. Die Basis aber lag in den ersten Geschichten, die bisher auf Deutsch nur in diversen Publikationen aus dem Kauka-Universum sowie bei Bastei unter dem Reihentitel Bud und Chester erfolgt sind.

Die Blauen Boys GA 2 page 89

Ein Must-Have unter den Western-Serien

Für mich ist es längst überfällig, dass die neben Lucky Luke langlebigste und erfolgreichste humorige Western-Serie endlich auch auf Deutsch angemessen publiziert wird. Zwischen den beiden ersten Bänden der Gesamtausgabe liegen leider fast neun Jahre. Hoffentlich sind nun die Hindernisse aus dem Weg geräumt. Mit Schutzumschlag, Westernambiente beim Einband und einem redaktionellen Teil von Volker Hamann präsentiert Eckart Schott den Inhalt auch sehr angemessen.

Meiner Meinung nach ist es auch richtig, von der offiziellen Reihenfolge abzuweichen und zunächst mal Salvérius „komplett“ zu liefern, bevor man sich den weiteren Geschichten von Lambil nähert. Fast zeitgleich erscheint im Übrigen auch der vorletzte Band des Gespanns Cauvin/Lambil, die Kraterschlacht, die in Kürze hier ebenfalls als Besprechung zu finden sein wird.

Logo die Blauen Boys

Dazu passen Wir sind Helden, etwa mit „Gekommen um zu bleiben“ und ein Frühlingsgin mit einem Tonic eurer Wahl und Kräutern.

© der Abbildungen Dupuis 1973 – 1976 – Salvérius & Cauvin / Eckart Schott Verlag 2021

Jahresrückblick 2021

Immer noch Corona, meine persönlichen Favoriten und gute Wünsche

Wer hätte das gedacht? Die Pandemie hat uns auch das ganze letzte Jahr in Atem gehalten: Lockdown, Beschränkungen für Kulturveranstaltungen, Verlagerung des Einkaufsverhaltens von lokalen Läden hin zu Online- und Versandhändler*innen. Natürlich wird das Auswirkungen auf die Comic-Branche haben. So finden wir zunächst im Independent-Bereich, etwa dem ZEBRA, bereits Auseinandersetzungen mit den Folgen. Da wird sicherlich noch mehr kommen. Ausstellungen sind weniger geworden oder sie waren zu mindestens schlechter besucht. Auch ich war während des Jahres daher leider nur im MoCa in Noordwijk  und im Jan Kruis-Museum in Orvelte.

Die Digitalisierung ist allerdings weiter fortgeschritten. Immer mehr Verlage bieten auch elektronische Ausgaben an. Für mich persönlich ist das allerdings nichts. So gerne ich elektronische Medien und Tools auch nutze, graphische Literatur lese ich immer noch am liebsten auf Papier, freue mich an der Haptik (wenn der Comic entsprechend dargeboten wird) und am Anblick einer Reihe im Regal.

Nachdem meine Winterpause jetzt vorbei ist wünsche ich uns allen für das kommende Jahr, dass mehr Normalität zurückkehrt. Dafür ist es allerdings wichtig, dass alle, denen es möglich ist, sich impfen lassen!

R.I.P.

Wie immer sind wieder viel zu viele Comic-Schaffende gestorben. Ein paar davon sollen hier eine letzte Erwähnung finden: Marcel Uderzo, Jean Graton, Benôit Sokal, Nikita Mandryka, Raoul Cauvin, Dieter Kalenbach und Gérald Forton.

Die besten Comics in 2021

Auch dieses Jahr wieder präsentiere ich hier meine Favoriten: subjektiv, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und unabhängig von Verlagsbemusterungen. Dem letzten Jahr folgend gibt es wieder die gleichen Kategorien: Alben, Graphic Novels, Gesamtausgaben, Sekundärwerke und Zeitschriften. Ein Sonderpreis geht an das „Comeback des Jahres“. Natürlich darf auch die Liste der meistgeklickten Beiträge des Jahres nicht fehlen. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an alle Leser*innen: Die Zugriffszahlen sind um rund 20% gegenüber 2020 gestiegen!

Album des Jahres

Der beste Comic des Jahres kommt für mich aus Deutschland: Ralf König hat sich einen Jugendhelden vorgenommen und ihm nicht nur Brustwarzen verpasst, sondern auch eine sehr liebevolle Hommage verfasst: Zarter Schmelz übernimmt alle klassischen Elemente von Lucky Luke, twisted aber das gesamte Setting. Seine schwulen, knollennasigen Cowboys, die lila Kühe und Calamity Jane sind so großartig, dass sie zurecht den Mainstream erobert haben.

Cover König Zarter Schmelz
© Lucky Comics 2021 – All Rights reserved by Ralf König/Egmont Ehapa Media

Eine ganz andere Interpretation des „Wilden Westens“ kommt von Jean Dufaux und Rubén Pellejero. Ihr Regenwolf stellt eine Frau als Hauptakteurin in den Mittelpunkt einer Rachegeschichte. Blanche McDell steht im Schnittpunkt von Liebesgeschichten, Mythologie, Rassismus und Männlichkeitswahn. Obwohl die Vermischung dieser Themen in eine langweilige Political Correctness-Definition abgleiten könnte, ist den Autoren hier eine perfekte, spannende Geschichte ohne erhobenen Zeigefinger mit toller visueller Umsetzung gelungen.

Auffällig in diesem Jahr ist die Anzahl der Western unter den Top 5: Nur Mademoiselle J. von Yves Sente und Laurent Verron konnte sich auf Platz 3 dazwischenschieben. Die ursprünglich als Nebenfigur in einem Spirou-OneShot eingeführte wissbegierige junge Dame hat nun ihre eigene Reihe und bringt Zeitgeschichte in dem typischen, leicht modernisierten Marcinelle-Stil an ihre Leser*innen. Sie atmet gleichzeitig den Charme der 30-er Jahre als auch den des Aufbruchs in eine gleichberechtigtere Welt!

Einer meiner Lieblingszeichner ist Patrick Prugne. Obwohl er sich durchaus auch schon anderen Themen zugewandt hat, sind seine Geschichten aus dem westlichen Amerika/Kanada am besten. In Tomahawk erzählt auch er die Geschichte einer „Rache“, allerdings eingebettet in viel Natur und die spannende Vorgeschichte zu einem erbarmungslosen Krieg. Fast jedes Panel könnte gerahmt an einer Wand hängen!

Platz 5 geht an eine überlange Geschichte, die einen Helden einer Serie nach sehr langer Zeit gealtert und vollkommen verändert zurückbringt: Wenn der Tiger erwacht erzählt die Geschichte von Chinaman, seiner Posttraumatischen Belastungsstörung aufgrund der Schrecken des Sezessionskrieges und die Annäherung zwischen ihm und seinem Sohn. Serge Le Tendre und Olivier TaDuc sind nach fast 15 Jahren zu ihrer einstigen Erfolgsserie zurückgekehrt, haben alle Elemente übernommen aber sehr konsequent weitergeführt. So ist eine eigenständige Geschichte daraus geworden, die für sich alleine stehen könnte, aus ihrer „Vergangenheit“ aber noch mehr gewinnt.

Die besten Graphic Novels in 2021

Wie auch bei den Comics war es ein gutes Jahr für Graphic Novels. Die Platzierungen:

Ohne jeden Zweifel geht der erste Rang an Die Bestie von Zidrou und Frank Pé. Ihre Interpretation des Marsupilamis ist so faszinierend anders, dass eigentlich jede*r einen Blick hineinwerfen sollte. Einerseits ist die Story „erwachsen“ geworden: ein verängstigtes, wildes Tier kommt mit einem Schiff als Ware für den Zoo nach Brüssel. Es kann nichts anderes tun, als seiner Natur zu folgen, und sich zu befreien. Dazu passt die langsam wachsende, auf Vertrauen beruhende Beziehung zu einem kleinen Jungen, der seinerseits Ausgestoßener ist. Die Zeichnungen von Pé sind – wie immer – allesamt kleine Kunstwerke!

Zidrou/Frank Pé – Die Bestie 1 Cover

Platz 2 geht an Das Susan-Problem aus der Neil-Gaiman-Bibliothek. P. Craig Russel und Paul Chadwick haben Kurzgeschichten von Gaiman für das Medium Comic aufbereitet und zusammen mit Scott Hampton gezeichnet. Sie beweisen nicht nur, dass Stoffe von Gaiman wie auch die von Ray Bradbury perfekte Startpunkte für Comic-Kleinode sein können, sondern auch, dass sogar literaturtheoretische Abhandlungen so umgesetzt werden können. Der Preis geht aber auch an die Übersetzung und die vielen editorischen Hinweise für Nicht-Engländer*innen!

Beate und Serge Klarsfeld sind die Nazijäger! Was mit einer Ohrfeige begann, endete mit der erst durch die Beiden möglichen gerichtlichen Verurteilung von vielen Nazi-Kriegsverbrechern. Die spannende Geschichte, die Rückschläge aber auch die unermüdliche Aufopferung im Kampf für Gerechtigkeit und dadurch erst mögliche Freiheit schildern Pascal Bresson und Sylvain Dorange!

Platz 4 geht an die in diesem Jahr beendete Gesamtausgabe von Omaha, eine erotische Soap-Opera, die weit weg ist von jedem Schmuddelfaktor! Kate Worley (und nach ihrem Tod Jack Vance für den Abschluss der Serie) hat eine Geschichte im Schnittpunkt von Korruption, Machtmissbrauch, gesellschaftlicher Veränderung und Beziehungsproblemen geschrieben, die auch die Freuden des Sex nicht auslässt. Reed Waller, anfangs noch ihr Ehemann, später von ihr geschieden, hat das Ganze im Furry-Stil graphisch umgesetzt und damit einen der Klassiker des Independent-Comic gezeichnet. Auch heute noch lesenswert!

Der Reigen wäre nicht vollständig ohne die Kinder der Resistance! Auch hier ist die Geschichte an sich nicht neu, die Veröffentlichung in Deutschland ließ aber auf sich warten. Es gab im vergangenen Jahr einige Geschichten über die Resistance, das Schicksal von Kindern unter der deutschen Besatzung und die zaghaften, teils gescheiterten, teils erfolgreichen Versuche der Gegenwehr. Dazu zählen etwa die Bände von Émile Bravo oder Kris/Bailly. Die Kinder der Resistance von Vincent Dugomir und Benoît Ers beschreiben die anfängliche Naivität und Emotionalität und die Entwicklung hin zu wirklichem Widerstand aber auch wirklicher Gefahr für die Handelnden.

Die besten Gesamtausgaben in 2021

Trara! Platz 1 im Bereich der Gesamtausgaben geht an Caroline Baldwin! Schreiber & Leser fährt dabei zweigleisig: Einerseits erscheinen die bereits früher auf Deutsch veröffentlichten Geschichten (1 bis 16) in vier Sammelbänden von denen 3 bereits erschienen sind, andererseits veröffentlichen die Hamburger die bisher nicht erhältlichen Bände 17 bis 19 in Einzelbänden. Für das kommende Jahr sind dann noch Specials geplant! Die Heldin der in einer modernen Klaren Linie gezeichneten Geschichten von André Taymans ist tough, hat ein Alkoholproblem, ein selbstbestimmtes Sexualleben und ist HIV positiv. Das hält sie aber nicht davon ab, auf der ganzen Welt zu ermitteln und immer auf der Seite der Schwachen zu stehen. Zum Serienkompass.

Cover Caroline Baldwin Integrale 1

Platz 2 geht an Jerry Spring. Der „Vater des europäischen Westerncomics“ war vor Jahren fast komplett in einer schwarz-weißen Integralausgabe erschienen. Nun hat der All-Verlag die erste farbige komplette Ausgabe gestartet, die nicht nur alle von Jijé gezeichneten Geschichten beinhalten wird, sondern auch den letzten Band von Festin und Franz, der in 2021 erstmals auf Deutsch im ZACK erschienen ist. Ohne Jerry Spring hätte es vermutlich weder Blueberry noch Comanche gegeben.

421 ist eine Serie über einen Geheimagenten  von Stephen Desberg und Eric Maltaite. Der Held ist aber nicht nur von James Bond beeinflusst, sondern übernimmt auch Elemente von Indiana Jones und schreckt sogar vor Zeitreisethematiken nicht zurück. Erstaunlicherweise hat diese klassische Geschichte aus dem Spirou-Magazin in der Vergangenheit keinen Weg nach Deutschland gefunden. Das Integral präsentiert daher deutsche Erstveröffentlichungen: Platz 3!

Platz 4 teilen sich gleich drei Integrale von klassischen ZACK-Serien. Die Collector’s Edition von Greg/Hermanns Comanche war ein Meilenstein der jetzt in Sammelbänden angeboten wird. Édouard Aidans und Yves Duval haben mit Sven Janssen einen Abenteurer kreiert, der die ökologischen Aspekte in den Vordergrund stellt und bereits früh kolonialistische Missstände und Hunger in Beziehung gesetzt hat. Ebenfalls besonders ist, dass er alles zusammen mit Frau und kleinem Kind erlebt. Schließlich kommt auch die Collector‘s Edition von Michel Vaillant von Jean und Phillippe Graton erstmalig auf den deutschen Markt. Alle Kurzgeschichten und ungekürzten Geschichten in 20 Hardcovern mit einheitlichem Rückendesign und vielen editoriellen Notizen.

Die besten Sekundärwerke in 2021

Dieses Jahr haben es drei Werke über längst verstorbene Künstler in die Top 3 geschafft.

Das beste Werk ist mit Sicherheit der als Ausstellungskatalog entstandene aber auch perfekt solo zu genießende Band von Dr. Alexander Braun über Will Eisner. Graphic Novel Godfather führt ein in das Werk des amerikanischen Ausnahmekünstlers und beschreibt die Innovationen des Spirit sowie die Gebrauchsorientiertheit seiner Sachcomics die schließlich dazu geführt haben, dass Eisner zum Godfather der modernen Graphic Novel geworden ist. Viele Bildbeispiele  belegen den leicht verständlichen, flüssig geschriebenen und extrem informativen Text. Wenn alle Sekundärliteratur so gut lesbar wäre gäbe es nur noch Expert*innen!

Cover Braun - Will Eisner Graphic Novel Godfather

Platz 2 geht an die Fleißarbeit des Bremers Kai Stellmann und Science Fiction Pop Art Nick. Die im Selbstverlag erschiene Untersuchung ist nie fertig: Mit jeder neuen Auflage kommen Details hinzu. Stellmann belegt für alle Nick-Geschichten aus der Feder von Hansrudi Wäscher welche Quellen und Inspirationen eingeflossen sind und welche Absichten Wäscher damit verbunden haben könnte. Besser kann der Einblick in einen Entstehungsprozess nicht sein.

Platz drei geht erstmals an ein nicht gedrucktes Medium! Nun ja, es gibt eine kleine Begleitbroschüre, der Gewinner ist aber ein Film: Katzenjammer Kauderwelsch von Martina Fluck! Sie dreht die Annäherung eines Comic-Zeichners aus Heide – Tim Eckhorst – an die großen Söhne der Stadt, Rudolph und Gus Dirks, die in den USA Karriere gemacht haben. Katzenjammer Kids lief schlussendlich bis 2006 und ist einer der ganz großen Zeitungsstrips. 85 lohnende Minuten auf DVD!

Die besten Zeitschriften in 2021

Überraschenderweise heißt der Seriensieger bei Zeitschriften wieder ZACK! Das Magazin feiert in 2022 das Erscheinen der ersten Ausgabe von vor 50 Jahren und profitiert nach dem Verlagswechsel zu Blattgold davon, dass Verleger und Chefredakteur Georg F. W. Tempel nun frei schalten kann. Mit Blechschildern und Pins sowie einer neuen Albenreihe nur für Abonnent*innen expandiert der Kosmos. ZACK bringt sowohl erneuerte Klassiker wie Rick Master, Michel Vaillant oder Tanguy & Laverdue wie auch hochklassige europäische Comic-Kunst wie Amoras, Rani oder Millenium Saga! Die bei euch am häufigsten angeklickte Rezension war im Übrigen die Nummer 264.

Cover ZACK 267

Platz zwei geht an ein immer noch innovatives Medium aus den Niederlanden: StripGlossy präsentiert viermal im Jahr eine Mischung aus Sekundärliteratur, Interviews und aktuellen Comics mit und über Comicschaffende aus dem niederländisch/flämischen Raum! Definitiv das Highlight des Jahres war die Doppelnummer 21/22 über Suske en Wiske die sogar in eine zweite Auflage gehen musste!

Die Reddition ist wohl die bekannteste und anerkannteste Sekundärzeitschrift Deutschlands. Zweimal im Jahr erscheint eine Nummer, die sich tiefschürfend mit einem Thema beschäftigt. Durch die gewählte Breite der Artikel kann das gewählte Gebiet oder der Künstler im Fokus vielseitig beleuchtet werden. 2021 ging es um Tillieux und Comics und Musik (Rezension folgt).

Comeback des Jahres

Wie immer an dieser Stelle eine lobende Erwähnung eines – oft unerwarteten – Comebacks einer Serie oder eines Einzeltitels. Dieses Jahr fällt die Wahl schwer und daher sind es dieses Jahr zwei ganz unterschiedliche Gewinner, die es zu feiern gilt: Einerseits hat der Taschen Verlag gerade mit der Marvel Comics Library ein neues Projekt gestartet, das Meilensteine in einem XL-Format wieder zugänglich macht. Band 1 Spider –Man 1962 – 1964 ist gerade erschienen (und mittlerweile auch besprochen). Neben einer informativen Einführung präsentiert der limitiert Prachtband den unvergesslichen Run von Stan Lee und Steve Ditko über den wohl untypischten Superhelden aller Zeiten! Noch nie habe ich Spider-Man in diesem Format genießen können!

Cover Spider-Man Vol. 1

Andererseits hat Georg F. W. Tempel damit begonnen, bisher unentdeckte Perlen der ZACK-Geschichte aufzubereiten. Johnny Focus von Attilio Micheluzzi ist so eine! Vier schwarz-weiße Stories über den Reporter sind in Der Weg nach Mombasa bereits erschienen, eine weiter kommt in der diesjährigen Aprilausgabe des ZACK. Durch die fehlende Kolorierung sind die Fähigkeiten des Zeichners unverfälscht sichtbar. Erstaunlich, dass es noch so vieles von dieser Serie auf Deutsch zu entdecken gäbe.

Cover Johnny Focus - ZACK Spezial 2

Eure Lieblinge in 2021

Die Spitzengruppe der meistgeklickten Beiträge ist sehr dicht beieinander: Der Gewinner ist der Serienkompass zu Rani, dicht gefolgt von Caroline Baldwin Band 1 und dem dazugehörigen Serienkompass!

Dahinter kommt eine ebenfalls dicht gedrängte Gruppe, angeführt von Johnny Focus: Serienkompass Bruno  Brazil, Lucky Luke 99 und das Programm des All-Verlages.

Will Eisner von Alexander Braun, die Berichte über Asterix 39 und über den Abschluss der Michel Vaillant Reihe im MOSAIK-Verlag komplettieren die Top 10.

comix-online Reporter
Immer für euch unterwegs

Was bleibt?

Auch dieses Mal verbleibe ich mit den besten Wünschen für ein tolles, erfolgreiches und von Gesundheit geprägtes Jahr! Stay safe and healthy! Ich freue mich über eure Kommentare.

© aller Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen wie in den Linkzielen genannt.

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