Blees – Der absolute Horror

Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland

Autor: Christian Blees

Herausgeber: Volker Hamann und Matthias Hofmann

Texte zur graphischen Literatur 6
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Broschur | 240 Seiten | Farbe | 29,95 €
ISBN: 978-3-946266-48-8

Cover Der absolute Horror

In unregelmäßiger Folge erscheinen in der Edition Alfons, dem Verlag der Reddition, Paperbacks, die sich ausführlich mit einem Thema beschäftigen. Grundsätzlich folgen sie dem Prinzip des Magazins: verständliche, informative Texte die reichlich illustriert sind und dadurch nicht nur einen theoretischen, sondern auch bildhaften Zugang ermöglichen. Sie überschreiten allerdings deutlich die Platzvorgaben für die Zeitschriftenbeiträge.

DER Überblick!

Alexander Braun hat in seinem Katalog zur Ausstellung im Dortmunder schauraum Horror im Comic kulturtheoretische und psychologische Ansätze aufgezeigt, warum Horror im Allgemeinen und im Comic im Besonderen funktioniert und welche Rolle er gespielt hat bzw. noch spielt. Dabei ist er auf die verschiedenen Subgenres detaillierter eingegangen und hat viele internationale Illustrationen zur Veranschaulichung genutzt.

Christian Blees geht einen anderen, viel persönlicheren Weg. Für ihn stehen die Sammler*innen in Deutschland im Vordergrund: Was ist in Deutschland wann und wo erschienen. Er teilt das Thema dabei in zehn Kapitel ein die teils zeitliche Phasen, teils inhaltliche Subgenres näher beleuchten. Fast immer stehen naturgemäß ausländische Produktionen und Künstler*innen im Fokus, besteht die deutsche Publikationsgeschichte doch im Wesentlichen aus Lizenzausgaben.

Der absolute Horror pages 9, 17

Dabei versucht Blees durchaus wo immer möglich auch die Intention der Herausgeber wiederzugeben. Warum wurde ein bestimmtes Thema gewählt, welche Originalreihen wurden ausgesucht und wie fand die Rezeption hier in Deutschland statt. Dadurch werden auch die Schwankungen deutlich die das Genre im Zuspruch über die Jahre erlebt hat: Hype-Perioden und das fast völlige Verschwinden lösen sich ab.

Drei beispielhafte Einblicke

Zombies waren ein Bestandteil der Subkultur, dümpelten aber mehr oder weniger teils unter teils über dem Ladentisch vor sich hin bis mit The Walking Dead eine Welle losgetreten wurde deren Ausläufer bis heute zu spüren sind. Plötzlich waren Untote überall zu finden und unzählige Serien schossen aus dem Boden. Selbst große Verlage wie Marvel und DC konnten das Thema nicht ignorieren und schicken ihre Held*innen wie Batman oder Spider-Man in die Bütt.

Im Laufe der Zeit waren die meisten qualitativ guten amerikanischen Horror-Produktionen auch auf Deutsch erschienen. Zudem war auch hierzulande die Zeit der großen Auflagen vorbei und Kosteneinsparungen waren notwendig. Dies war oftmals die Geburtsstunde der südeuropäischen Studios. Ihre Produktionen waren für den Export in möglichst viele Länder bestimmt und konnten daher kostengünstig angeboten werden. Hier beschreibt Blees viele der oft vergessenen Künstler genauer und zieht sie gewissermaßen aus dem Schatten in das Licht.

Der absolute Horror pages 127, 207

Das letzte Highlight soll den neueren deutschen Eigenproduktionen gelten: Gerade im Bahnhofszeitschriftenhandel haben Titel von Weissblech oder Menschenblut regelmäßige Verkaufserfolge einfahren können, unter anderem die Horrorschocker konnten dabei sogar Preise einfahren. Trash und Sex verkaufen sich halt immer! Es gibt aber auch Beispiele bei größeren Verlagen, etwa Malcom Max bei Splitter.

Must have für Fans!

Der Band ist eine perfekte Ergänzung zu dem Katalog von Alexander Braun. Christian Blees schreibt flüssig und mit viel Herzblut und lässt sowohl nostalgische Gedanken als auch Erstaunen über eine sooo große Vielfalt aufkommen. Trotz aller persönlichen Schreibe ist aber eben kein Fan-Boy-Text dabei herausgekommen, sondern eine fundierte Beschreibung die völlig zu Recht in der Reihe der Texte zur graphischen Literatur erscheint! Der absolute Horror ist somit eine Top-Empfehlung!

Cover Der absolute Horror VZA
Die Vorzugsausgabe

Für absolute Fans ist auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Druck erschienen. Und auch einige Werke/Autoren, die comix-online bereits besprochen hat, finden Erwähnung in dem Buch: Van Helsing, Joe Hill oder The Crow zum Beispiel. Wer mag kann einfach unter dem Schlagwort „Horror“ suchen. Für spätere Ergänzungen könnte ich mir vorstellen, dass ein Blick auf die (deutsche) Fanzine-Szene spannend sein könnte.

Dazu passen ein Bloody Mary und Black Sabbath mit „Paranoid“.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Autoren und Verlagen | Edition Alfons, Verlag Volker Hamann, Barmstedt 2024

ZACK 297 (März 2024)

ZACK 297

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 297

Die Osterglocken sprießen schon, die Bäume fangen an zu blühen und Allergiker*innen bekommen die Pollen zu spüren. Alles das passiert deutlich früher als noch vor ein paar Jahren. Vielleicht hat ja doch jemand etwas geweckt, was wir jetzt nicht mehr los werden? Wahrscheinlicher aber ist alles hausgemacht.
Außerdem sind jetzt die Ergebnisse der ZACK-Serien-Umfrage da: Tadahhh: Erneut macht Rick Master das Rennen, Rani und Tangui & Laverdure folgen.

Die Neustarts

Das Heft startet mit Band 6 der Reihe Harmony: Metamorphosis. Azhael, der lange in Schach gehaltene dunkle Dämon, scheint befreit, hat allerdings noch nicht zu alter Macht zurückgefunden. Während zwei der Kinder, Eden und Payne, gefangen gehalten werden, versuchen Karl und Harmony sich vor ihren Häschern zu verstecken. Spannende Mystery-Serie von Mathieu Reynès in modernem Stil, die auch das Cover des Heftes ziert.

ZACK 297 page 5

Ebenfalls zurück auf diesen Seiten ist Aleksis Strogonov. Der junge Mann hatte vor den Bolschewiken fliehen können und ist nun in einem Güterzug mit anderen Flüchtlingen auf dem Weg nach Deutschland. Er schafft es, nicht zurückgeschickt zu werden, ja, er wird sogar in einer Wohnung von einem Deutschen in Berlin untergebracht. Leider muss er feststellen, dass sein Kumpel alle um ihn herum gnadenlos belügt. Kino ist die zweite Folge der Serie nach einem Szenario von Jean Regnaud und mit Zeichnungen von Émile Bravo. Es ist klar, dass die Lügen böse Folgen haben werden.

ZACK 297 page 80

Die Fortsetzung

Die Flintenweiber werden wegen eines Diebstahls eines mächtigen Ringes einer Elfenherrscherin von mehreren Organisationen verfolgt. Diesen Ring hatten sie in der ersten Folge von Band 3, Das Geheimnis der Elfe, an Inspektor Truchard übergeben. Leider scheint es eine Fälschung gewesen zu sein und schon wieder sind die Heldinnen der Gefahr der Festnahme und Schlimmeren ausgesetzt. Rasante Jagd in einer bunten Welt nach einem Text von Pierre Pevel mit Zeichnungen von Étienne Willem. Mehr aus dieser Welt auch im Paris der Wunder. Die Serie hat es meiner Meinung nach zurecht in die Top 10 geschafft!

Detail ZACK 297 page 49

Die Abschiede

Gleich drei Serien beenden ihren Auftritt: Den Anfang macht Michel Vaillant, der mit Platz 4 das Treppchen wieder knapp verfehlt hat. Seine Geschichte in Amerika, die mit Pikes Peak begonnen hatte und nun in Cannonball fortgesetzt wurde, endet mit einem dramatischen Cliffhanger der quasi aus dem Nichts kommend eine neue Partei in das Spiel bringt. Spannend, modern und mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Olivier Marin, die jede*n Technikbegeisterte*n erfreuen dürften! Denis Lapière hat seine Neuinterpretation des klassischen Helden als ansprechende Mischung aus Rennsport, Krimi und Soap angelegt, die ein sehr filmisches Konzept verfolgt! Zudem ist die Verbindung der einzelnen Bände, die quasi wie Kapitel einer längeren Storyline funktionieren und doch eigenständig verständlich sind, auf der Höhe der Zeit des sequentiellen Erzählens.

ZACK 297 page 21

Weniger traurig dürften viele Leser*innen darüber sein, dass MADI von Alex de Campi & Duncan Jones zunächst wieder aus dem Heft verschwindet. Das Projekt ist einerseits inhaltlich sehr komplex und liegt andererseits auch stilistisch nicht unbedingt im „Zielkorridor“ der Fans, ist es doch very british. Trotz allem wird die Serie fortgesetzt werden und verdient einen zweiten Blick!

ZACK 297 page 33

Ihr endgültiges (vorläufiges?) Ende hat dagegen Sauvage erreicht. Die Geschichte über die in Mexiko stationierten und kämpfenden französischen Truppen findet ihr logisches Ende mit dem Abmarsch der Truppen. Der Held, Felix Sauvage, entschließt sich allerdings, die Armee zu verlassen und in Nordamerika zu bleiben. Dort trifft er erneut auf Black Calavera, eine Tänzerin von etwas zweifelhaftem Verhalten. Felix Meynet zeichnet auf jeden Fall unverwechselbar, das Szenario von Yann braucht sich nicht hinter anderen Westernserien zu verstecken!

ZACK 297 page 65

Und sonst?

Natürlich gibt es wieder Gag-Seiten von Grott & Bott sowie von Parker & Badger. Letztere haben es sogar in die Top Ten der Serien geschafft. Dazu kommen ein Interview mit Jamiri, ein Beitrag über eine kurze Zeitspanne im Leben von Jonathan Lassiter vom Verfasser dieser Zeilen und natürlich der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren.

Dazu passen Cock Sparrer mit ihrer neuen Single „With my Hand on my Heart“ und ein erstes Frühlingsbockbier.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

ZACK 296 (Februar 2024)

ZACK 296

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 296

2024 scheint das Jahr werden zu wollen, das „die Straße“ in das Bewusstsein zurückholt. Die Bahn war das erste Opfer der zu erwartenden Streiks, die Bauern blockierten alles Mögliche mit ihren Treckern und schließlich ging eine täglich größer werdende Anzahl von Menschen mal nicht für Individualinteressen auf die Straße, sondern zur Verteidigung der Demokratie! Welch ein Lichtblick!

Der Neustart

Die Flintenweiber zieren nicht nur das Cover dieser Ausgabe, auch Band 3 der Serie, Das Geheimnis der Elfe, nimmt seinen Anfang. Pierre Pevel beginnt die neue Geschichte mit einem ruhigen Rückblick. 1911 löst die Anwesenheit von Bewohner*innen der Anderswelt kein Erstaunen mehr aus. Der Raub des Siegelringes ist allerdings immer noch ungeklärt, die verschiedenen Mächte sind weiter auf der Suche nach ihm und die Rachegelüste gegenüber den Diebinnen sind noch ungestillt. Étienne Willem darf daher gleich wieder zur Action übergehen und die Vorbereitung einer Hinrichtung zeichnen. Liebevolle Zeichnungen mit viel Spaß im und am Detail in einer spannenden Story!

ZACK 296 page 5

Die Fortsetzungen

Das Science-Fiction-Projekt MADI von Alex de Campi & Duncan Jones geht bereits in die sechste Runde. Die Flüchtenden müssen dringend zu Geld kommen und es besteht die Hoffnung, dass Dean seine besonderen Kräfte einsetzen könnte. Allerdings erlaubt das den Verfolgern auch, die Spur wiederaufzunehmen … Es war einmal in der Zukunft wird dieses Mal gezeichnet von James Stokoe, der eine extrem detailreiche Bebilderung in Bonbon-Farben anbietet. Spielhölle mal anders!

ZACK 296 page 28

Eigentlich wollte Michel Vaillant nur ein nicht wirklich legales Rennen quer durch die USA gegen einen Blogger fahren. Cannonball, so der Name, entwickelt sich jedoch ganz anders als klar wird, dass Terroristen das Auto gehackt haben und das Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit eine Bombenexplosion auslösen wird. Ein Patch kann jedoch nicht online eingespielt werden. Wird es Steve Warson gelingen, mit einem USB-Stick in den dahinrasenden Wagen einzusteigen? Packende Action von Dennis Lapière mit sehr untypischen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

ZACK 296 page 44

Felix Sauvage konnte entkommen und darf somit hoffen, die Informationen über einen bevorstehenden Angriff noch rechtzeitig übermitteln zu können. Bevor es so weit ist treffen wir aber an einem Lagerfeuer Frauen wieder, die den meisten Leser*innen klassischer frankobelgischer Western sehr bekannt vorkommen dürften. Félix Meynet gelingt damit in Black Calavera eine sehr nettes Pastiche. Die weiteren Bilder sind dann eher Schachtengetümmel und Explosionen.

ZACK 296 page 56

Der Abschied

Der erste Band von Libertalia, Triumph oder Tod, geht in diesem Heft zu Ende. Die Überlebenden landen an einem Strand des Indischen Ozeans, um dort ihre Kolonie zu gründen, müssen allerdings noch eine letzte tödliche Prüfung überstehen. Fabienne Pigière & Rudi Miel haben eine modernes Piratenabenteuer geschrieben, das etwas andere Akzente setzt, gleichfalls aber die Erwartungen an dieses Genre erfüllt. Die detailreichen Zeichnungen von Paolo Grella passen dazu, sogar besser als zu Bob Morane. Man darf auf den nächsten Band gespannt sein.

ZACK 296 page 75

Und sonst?

Die Gag-Seiten von Grott & Bott, Parker & Badger und Tizombi beschäftigen sich wie immer mit Alltagsproblemen und ihren ungewohnten Auswirkungen. Erstaunlicherweise beschweren sich viele Leser*innen, wenn die Serien aus irgendwelchen Gründen fehlen, vergeben aber eher abwertende Noten. Nun ja, für mich gehören sie als Pausenprogramm dazu, haben aber auch ihren eigenen Reiz!

Den Reigen beschließen ein Interview zum Mord im Orient-Express und eines mit Dino Attanasio zu seinem Schaffen, ein Bericht über das Gold der Belgier in der ZACK-Edition sowie der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren. Weiter so!

Dazu passen Duffy mit ihrer Version von „Tainted Love“ und ein Oberdorfer Helles.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Seeßlen – Lucky Luke

Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen

Autor: Georg Seeßlen
Bertz + Fischer Verlag
Taschenbuch | 272 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-86505-774-7

Vor einiger Zeit noch totgesagt, lebt das Western-Genre munter vor sich hin. Im Streaming entsteht gerade ein ganzes Universum von miteinander verknüpften Serien um das Spätwesternepos Yellowstone; im Comic haben etwa Die Blauen Boys und Lucky Luke den Schritt auf neue Kreativteams vollzogen, nachdem ihre Schöpfer verstorben sind. In Deutschland vergeht kaum ein Monat, in dem nicht mehrere neue Westerncomics veröffentlicht werden.

Cover Seeßlen - Lucky Luke

Der wohl berühmteste europäische Cowboy

Es gibt eine ganze weitere Reihe von bahnbrechenden, erfolgreichen und guten europäischen Westernserien: Jerry Spring, Blueberry, Buddy Longway, Yakari, Chinaman, Durango aber auch Manos Kelly, Tex oder die Western von Serpieri. In das Allgemeinwissen hat sich aber der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten integriert: Lucky Luke! Erfunden wurde er als Figur von Morris (Maurice de Bevere), seine erste Hochform hat er allerdings erst mit den Szenarios von René Goscinny erlangt.

Seeßlen beschreibt in seinem Werk nicht nur die allgemeine Entwicklung des Westerns als Kunstform, ausgehend von (Heft-)Romanen und Filmen über Pulps und TV-Serien bis hin zum Comic, er arbeitet auch sehr verständlich die Hauptbestandteile dessen, was einen Western eigentlich ausmacht, heraus. Diesen Kanon überprüft er dann wiederum anhand der Lucky-Luke-Geschichte. Dabei geht er auf die Entwicklung der Serie ein, die sich über die Jahrzehnte den jeweiligen Anforderungen des Publikums zwar angenähert hat, niemals aber darauf eingelassen hat, zeitgebunden zu werden.

Für Fans des Genres ist es spannend nachzuvollziehen, wie der Aufbau einer Westerngeschichte fast schon formelhaft ablaufen kann. Man nehme ein paar Ingredienzien, mixe sie im richtigen Verhältnis, köchele ein wenig und fertig ist das Gericht, äh, der Comic. Nun ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht! Und Seeßlen beschreibt auch, warum manche Szenarios einiger Autoren einfach eben nicht funktionieren.

Die Serie im Besonderen

Neben den Erläuterungen über den Western als Solches geht Seeßlen detailliert auf jeden einzelnen Band der Serien Lucky Luke, Rantanplan, Lucky Kid und der Hommage-Bände ein. Er gibt jeweils den Inhalt wieder, reichert das mit sehr persönlichen Kommentaren an und lässt uns sogar wissen, welches sein Lieblingsbild in dem Band ist.

Fans der Serie erhalten so einen sehr konzentrierten Überblick, der ein Lexikon ergänzen kann. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die aktuellen Veröffentlichungen bis zu Band 101 und der zweiten Hommage von Bonhomme.

Top-Tipp!

Der Band ist eine gute Ergänzung sowohl zu den allgemeinen Werken über Western-Comics, etwa von Alexander Braun (Going West!, Staying West!), aber auch zu dem offiziellen Lucky-Luke-Lexikon. Seeßlen schafft es, viele Inhalte verständlich zu erklären, lässt seine eigenen Vorlieben deutlich erkennen, und pickt einen überschaubaren Ausschnitt aus dem Riesen-Thema. Der Band enthält 92 Fotos, die teilweise einen anderen Fokus haben als die bereits hinlänglich bekannten.

Wer sich nicht nur für das Lesen von Comics interessiert, sondern etwas darüber wissen möchte, sollte hier einen Blick riskieren! Von Seeßlen ist im Übrigen im gleichen Verlag auch schon ein Band über Herge und Tim und Struppi erschienen.

Dazu passen Elvis Presley mit seinem „Lonesome Cowboy“ und ein Whiskey.

© der Abbildungen2023 by Bertz + Fischer GbR, Berlin

Reddition 78 – Das Spirou-Magazin in den 80-er Jahren

Die „neue“ Marcinelle-Schule

Herausgeber: Volker Hamann
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISSN: n/a

Cover und Beilage Reddition 78

Über die „alte“ Marcinelle-Schule und die Stars des Spirou-Magazins wie Franquin, Peyo oder Morris ist schon viel geschrieben worden, auch in der Reddition. Die Künstler prägten den frankobelgischen Comic über Jahrzehnte und hatten einen großen Anteil daran, die Kunstform zu etablieren. Spirou hatte jedoch einen weiteren Höhenflug Ende der 70-er bis Ende der 80-er Jahre, der wesentlich zu der heutigen Wahrnahme von Comics beigetragen hat, denn diese werden nicht mehr (nur noch) als Kinderkram betrachtet.

Die Voraussetzung

Jede lebendige Gemeinschaft von Künstler*innen benötigt ein Umfeld, das Kreativität ermöglicht und fördert und Neues ausprobieren möchte. Zwei Dinge sind dafür essenziell: ein Redaktionsleiter, der junge Talente erkennt, um sich versammelt und ihnen den Rücken stärkt, und ein Medium, das wahrgenommen wird. Das Spirou-Magazin hatte wie alle Comic-Journale an Auflage verloren. Die Kundschaft hatte zwar weiterhin ein großes Budget zur Verfügung, verteilte dieses aber auf eine größere Bandbreite. Trotzdem verkaufte das Magazin noch zwischen 125.000 und 200.000 Exemplaren pro Woche und war damit alles andere als ein Nischenprodukt.

Reddition 78 page 04

Als Herausgeber, der für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich war, fungierte zunächst Alain De Kuyssche, später ein Kollektiv, aus dem dann nur noch Phillipe Vandooren übrigblieb. De Kuyssche war derjenige gewesen, der das Heft für junge Talente geöffnet hatte und auch denen Publikationsfläche bot, die noch keine Stars waren. Diese Zeit wird von Volker Hamann und Roland Mietz ausführlich einführend beschrieben.

Die Stars

Dem folgen – wie langjährigen Leser*innen der Reddition bekannt – sehr ausführliche Artikel zu den einzelnen Künstlern, von denen heute die meisten zu den Stars der aktuellen Szene zählen. Tome & Janry gehören dazu, die nicht nur die namensgebende Serie „Spirou“ revolutioniert haben, sondern mit „Der kleine Spirou“ auch das Thema der leicht anstößigen Gags in die Zeitschrift für Kinder gebracht haben (Michael Hein). Falk Straubs Artikel über Frédéric Jannin würdigt einen hierzulande eher unbekannten Künstler bevor erneut Volker Hamann auf Frank Pé eingeht. Dieser hat nicht nur die Darstellung von Tieren im Comic auf ein neues Niveau gehoben und mit Jonas Valentin einen Bestseller kreiert, sondern auch mit Die Bestie dem Marsupilami eine erwachsene Version an die Seite gestellt.

Reddition 78 page 40

Stefan Schmatz darf dann sowohl Yann & Conrad und ihre Helden ohne Skrupel vorstellen als auch den beiden eigene Artikel widmen, die ihre nicht mehr gemeinsame Zeit beschreiben. Yann ist einer der vielseitigsten und erfolgreichsten Szenaristen, Conrad als der Asterix-Zeichner der kommerziell wohl erfolgreichste aktuelle Zeichner.

Auch Bernard Hislaire, am bekanntesten wohl durch Sambre, erhält einen Artikel von Jan Raidner. Den Abschluss macht erneut Volker Hamann mit einem ausführlichen Artikel über Frank Le Gall, den Schöpfer von Theodor Pussel. Von diesem Zeichner stammt auch die Beilage für Abonnent*innen der Reddition, die die Geschichte „Jahresende“ als Sonderdruck erhalten. Zum festen Repertoire der Zeitschrift gehören die ausführlichen Comicographien, die dieses Mal den Serien Jonas Valentin und Theodor Pussel gewidmet sind.

Ein kompetenter Überblick

Mittlerweile gibt es für Comic-Fans viel mehr Möglichkeiten, sich zu informieren. Das Netz ist immer nur einen Klick entfernt und selbst fremdsprachige Artikel lassen sich schnell zumindest so weit übersetzen, dass man den Sinn erahnen kann. Ein so umfassender Überblick wie in den Dossiers der Reddition erfordert dagegen schon sehr viel mehr Mühe, will man das Ganze selbst erledigen. Insofern ist ein Magazin (mit dieser Ausrichtung) unverzichtbar!

Reddition 78 page 70

Geballte Sachkompetenz, lesbar aufbereitet und ausführlich illustriert zu Themen, die für Comic-Fans immer interessant sind, ist durchaus ein Alleinstellungsmerkmal! Aus diesem Grund taucht die Reddition auch regelmäßig in der Jahresbestenliste von comix-online auf! 24 Euro im Jahr sind für diesen Quell der Information inklusive eines limitierten Goodies absolut angemessen. Ein Abo ist allen zu empfehlen!

Dazu passen Ian Dury and the Blockheads mit „Hit me with your Rhythm Stick” und ein Herrnbräu Tradition.

© der Abbildungen Cover © 1987 Le Gall, Spirou, Fantasio, Marsupilami 2023 Editions Dupuis, sowie bei den jeweiligen Autoren und Verlagen / Verlag Volker Hamann, Edition Alfons 2023

ZACK 295 (Januar 2024)

ZACK 295

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 295

Ein neues Jahr, ein neues Glück oder so ähnlich … Comix-online wünscht allen aus der Generation ZACK ein frohes Neues Jahr!

Auf jeden Fall solltet ihr an der Wahl der ZACK-Serie des Jahres 2023 teilnehmen. Das geht entweder über den im Heft abgedruckten Coupon oder online. Ich bin gespannt, wie das Voting ausfällt, habe ich doch meine klaren Favoriten!

Die Fortsetzungen

Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der seine Klappe nicht halten kann. Dementsprechend wird er auf ein Himmelfahrtskommando geschickt, zusammen mit seinem Rivalen Hugon. Dieser wird schnell als Spion enttarnt, es droht ihm somit die Exekution. Black Cavalera ist eine sehr spannende Geschichte aus einem eher unüblichen Teilbereich des Western-Comics von Yann, unverwechselbar in Szene gesetzt von Félix Meynet. Die Kolorierung ist allerdings Geschmackssache. Die Serie ziert das Januar-Cover.

ZACK 295 page 5

Die zweite Staffel von Michel Vaillant ist bereits bei Band 11 angekommen, Cannonball ist ein (illegales) Straßenrennen quer durch die USA zu dem Michel von einem bekannten Blogger herausgefordert worden war. Mittlerweile ist klar, was mit den Autos während des nächtlichen Überfalls kurz vor dem Start passiert ist: Der Wagen wurde gehackt und Michel wird gezwungen, sich an einem Anschlag zu beteiligen. Die (von Marc Bourgne & Olivier Marin tadellos umgesetzten) Rennszenen dienen Dennis Lapière erneut nur dazu, einer viel größeren Geschichte einen tollen Rahmen zu geben. Vielleicht mehr Netflix als Jean Graton, aber eine echte Bereicherung!

ZACK 295 page 23

Madi ist ein Science-Fiction-Projekt von Alex de Campi & Duncan Jones. Es war einmal in der Zukunft berichtet von Menschen, die ihren Körper optimieren und sich teilweise als Söldner verdingen. Das bedeutet jedoch ständige online-Verfolgbarkeit, die zumindest dann sehr hinderlich ist, wenn man nicht nach fremden Regeln spielen möchte. Durchaus spannende Geschichte, die durch den Stilmix herausfordert. Die aktuellen Teile stammen von Pia Guerra & Matt Wilson sowie Glen Fabry & Adam Brown. Möglicherweise ist das Ganze zu „englisch“ für die frankobelgisch geprägte ZACK-Leser*innenschaft. Ich bin gespannt auf die Jahreswertung!

ZACK 295 page 39

Libertalia erzählt die Geschichte von Freiheit und dem Mut zu Veränderungen angesichts von untragbaren Verhältnissen. Der gesuchte Olivier Mission ist der letzte überlebende Offizier auf seinem Schiff und übernimmt das Kommando, die Gefahren für Leib und Leben der Besatzung enden damit aber keinesfalls. Fabienne Pigière & Rudi Miel lassen sich in Triumph oder Tod Zeit, die Seefahrt und ihre Herausforderungen zu beschreiben und gleichzeitig auf die Verfehlungen des Adels einzugehen. Ihre klare Wertung wird von Paolo Grella sehr detailverliebt umgesetzt. Stilistisch liegt Libertalia irgendwo zwischen Sauvage und dem klassischen frankobelgischen Stil.

ZACK 295 page 55

Der Abschied

Der erste Teil von Movie Ghosts geht zu Ende. Wird Jerry Fifth es schaffen, seiner Geliebten, einem Geist, die Ruhe zu schenken, die sie braucht, um Hollywood endlich verlassen zu können? Dafür muss er zunächst aber selbst am Leben bleiben was durchaus nicht einfach ist! Stephen Desberg hat mit Sunset … und weiter ein weiteres Mal seine Vielseitigkeit bewiesen! Die Verknüpfung von Krimi und Thriller-Elementen mit dem Mystery-Touch, angesiedelt in Hollywoods Traumwelt ist ein sehr schöner Einfall, der von Attila Futaki sehr passend umgesetzt wurde. Wie gut, dass das ZACK nicht immer nur auf eingefahrenen Pfaden wandelt, sondern Neuentdeckungen wie diese einbringt!

ZACK 295 page 76

Und sonst?

Dazu kommen gleich mehrere Gag-Serien: Parker & Badger, Tizombi, Grott & Bott und StarFixion. Letzteres ist eine echte Bereicherung gegenüber den Vorläuferreihen! Die inhaltlichen Beiträge beleuchten das ZACK vor 50 Jahren, stellen Shunas Reise und die neue ZACK-Edition-Serie Rio vor und gehen auf das Jari-Michel-Vaillant-Crossover in ZACK-Spezial 10 (Rezensionen folgen) ein.

Glücklicherweise ändert sich im neuen Jahr nicht alles, das ZACK bleibt. Comix-online hat es gerade zur besten Magazin-Veröffentlichung des Jahres 2023 gekürt. Wenn es so weitermacht, wird es schwierig werden, es von diesem Platz zu verdrängen.

Dazu passen Chelsea (Be What You Want To Be) und ein Vielanker Winterbock.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Jahresrückblick 2023 – Die besten Comics

Meine Jahresbestenliste und ein paar Worte zum Geleit

Dann wollen wir mal … Schon wieder ist ein Jahr vergangen. Vieles ist gleichgeblieben, München ist zum Beispiel zum elften Mal hintereinander Deutscher Meister geworden. Vieles hat sich aber auch geändert: das politische Klima ist rauer geworden, Emanzipation und Bekämpfung der Klimakrise sind nur noch Worthülsen, während zum Beispiel ein Tempolimit in weite Ferne gerückt ist.

Im Comic-Bereich durften wir dagegen einiges erleben: angefangen mit Magazin-Neustarts etwa bei Zauberstern oder mit dem neuen Independent-Blättchen Graphica über das 50jährige Jubiläum des ZACK bis hin zur erstmaligen Veröffentlichung frankobelgischer Klassiker in Deutschland!

comix-online Reporter
Immer für euch unterwegs

Auch für comix-online gab es einen neuen Rekord: Erstmals waren es mehr als 100.000 direkte Zugriffe auf einzelne Artikel, also ohne die Startseite! Vielen Dank für dieses Vertrauen! Die Charts mit den am häufigsten aufgerufenen Seiten der letzten 30 Tage bzw. der „All-Time-Favourites“ zeigen durchaus Bewegung und lassen eure Präferenzen deutlich werden. Trotzdem freue ich mich über Kommentare oder Feedback, gerade auch bezüglich Informationen, die euch fehlen.

Die besten Comics

Grundsätzlich sind sich die meisten Seiten in diesem Jahr einig: Der neue Asterix, Die weiße Iris, ist seit Jahrzehnten der beste „neue Asterix“. Dem kann ich mich durchaus anschließen. Der neue Szenarist Fabcaro hat es geschafft, ein altbekanntes Thema (Die Römer versuchen das gallische Dorf von innen heraus zu zerstören) völlig neu zu inszenieren und dabei eines der modernen Streitthemen, Wokeness, satirisch zu erfassen. Die Zeichnungen von Conrad stehen für sich!

Cover Asterix 40
Offizielles Cover Asterix #40 Die Weiße Iris – (c) Egmont Ehapa Media GmbH Fotograf: LES ÉDITIONS ALBERT RENE

Platz 2 geht für mich an den ersten Band der neuen Reihe Wikinger im Nebel. Lupano und Ohazar haben mit ihrem sehr witzigen und teils schwarzen Humor das Sujet umgekrempelt und neben den Schlachtengemälden und Hägars Familienstrip eine eigenständige Welt aufgemacht, die filosofische Fragen stellt (Plündern ja, Kirchen abfackeln nein?) und Rollenbilder neu definiert!

Platz 3 geht an einen Altmeister: Francois Bourgeon hat mit Die Zeit der Blutkirschen 2 vermutlich sein letztes Werk vorgelegt. Es schließt den letzten Zyklus der Saga Reisende im Wind ab und endet während der Revolution. Diese Serie gilt nicht zu Unrecht als Startpunkt für die historizierenden Comics.

Knapp danach ein weiterer Titel aus dem Splitter-Verlag: Carbon und Silizium von Mathieu Bablet ist die Geschichte zweier KI, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch beide verloren sind. Gerade im Zuge der Diskussionen um ChatGPT, Bard und Co ein wichtiger Ansatz, der auch grafisch überzeugt.

Auf Platz 5 folgt ein weiterer melancholischer Beitrag über künstliche Wesen: Rostige Herzen von dem Duo, dem fast alles gelingt, BeKa und Munuera, ist der Einstieg in eine neue Reihe, die böse Menschen und gute Roboter als Symbole für vieles, was bei uns nicht mehr stimmt, benutzt.

Die besten Graphic Novels

Was kein Comic ist und auch kein Strip, das muss wohl eine Graphic Novel sein … In diesem Sinne die Top 3!

Platz 1 geht mit einem Tusch an Ein unerwarteter Todesfall von Dominique Monféry. Toxische Männlichkeit im Hohen Norden zeigt brutale männliche Gewalt, die nicht immer nur unter Druck entsteht und eine trotz allem erfolgreiche Überlebensstrategie einer jungen Frau.

Cover Ein unerwarteter Todesfall

Ein deutscher Titel konnte sich an zweiter Stelle platzieren: Der Zeitraum von Lisa Frühbeis schildert die Ängste und Nöte einer zwangsläufig alleinerziehenden Frau. Zwar ist das Thema keinesfalls neu, die grafische Umsetzung ist jedoch vollkommen anders als gewohnt und vereinbart persönliche Betroffenheit und „Nicht-Kunst“ mit genialen Farbakzenten.

Knapp dahinter eine Biografie auf Platz 3: In Fritz Lang schildern Arnaud Delande und Èric Liberge die Lebensgeschichte des deutschen Regisseurs, seiner Auseinandersetzung mit dem aufkeimenden Faschismus und seine teils skandalösen Beziehungen.

Die besten Gesamtausgaben

Einer meiner Lieblinge unter den frankobelgischen Zeichner*innen war schon immer Pierre Seron. Umso mehr freut es mich, dass nun endlich auch seine poetischste Serie, Die Zentauren, erstmals komplett auf Deutsch erscheint! Es darf allerdings nicht verheimlicht werden, dass der Verfasser als Übersetzer des redaktionellen Teils beteiligt war.

Cover Die Zentauren Integral 1

Auch in diesem Jahr sind drei neue Bände der Marvel Comics Library bei Taschen erschienen. Die XXL-Bände haben rund 700 Seiten, sind mehrere Kilo schwer, und präsentieren im Coffee-Table-Format die bahnbrechenden ersten Ausgaben der Marvel-Klassiker, die etwas ganz Neues erschaffen hatten. Sorgfältige Reproduktionen erlauben einen 100%igen Genuss, der von sachkundigen Einführungen abgerundet wird! Ein stolzer, aber berechtigter Kaufpreis ist der einzige, kleine Wermutstropfen!

Der dritte Platz steht ein wenig stellvertretend für ein ganzes Albenprogramm: Georg F. W. Tempel, der Herausgeber von ZACK und ZACK-Edition, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Perlen neu oder erstmals komplett auf Deutsch herauszugeben. Dazu zählen etwa Reihen wie Jari oder Alain Cardain. Preiswürdig ist aber die Reihe Bob Morane Classic, in der erstmals alle 19 Abenteuer von Dino Attanasio und Gerald Forton erscheinen werden!

Die besten Sekundärwerke

Es gibt kaum jemanden, der so gut lesbar so viele Informationen und Debattenbeiträge zwischen zwei Buchdeckel packen kann wie Dr. Alexander Braun. Dementsprechend führt er auch dieses Jahr wieder die Liste der besten Werke über Comics an: Staying West! ergänzt, was in seinem ersten Werk über Comics und den Wilden Westen außen vor bleiben musste, nimmt Stellung in der Debatte über Politische Korrektheit und grenzt Notwendiges von Übertriebenem ab und erzählt ganz nebenbei noch vieles über Italienische Westerncomics, Karl-May-Adaptionen und den Streit im Studio Vandersteen. Ein Muss!

Cover Braun - Staying West!

Platz 2 gehört der Reddition, die Jahr für Jahr erscheint! Im Frühjahr hieß der Schwerpunkt Schweiz, das Winterheft war der neuen Generation der Spirou-Künstler gewidmet (Besprechung folgt!). Anregende Artikel, ausführliche Listen und meistens gute Einordnungen machen das Magazin ebenfalls zu einem Must-Have!

Platz drei geht an Burkhard Ihme und das ICOM Comic!-Jahrbuch. Ebenfalls Jahr um Jahr schafft es der Verein, nicht nur seine Preisträger*innen ausführlich darzustellen und zu Wort kommen zu lassen, sondern präsentiert Informationen, stößt Debatten an und macht Spaß!

Die besten Magazine

Vor mittlerweile über 50 Jahren ist die erste Ausgabe des ZACK erschienen. Die Namensgebende Zeit (Generation ZACK) endete dann aber doch und jahrelang war es düster; frankobelgische Magazine kamen und gingen. Seit 295 Ausgaben läuft aber das „neue ZACK“, das es mittlerweile auf mehr Ausgaben geschafft hat als das alte Koralle-ZACK. Jeden Monat ein bunter Querschnitt durch das frankobelgische Spektrum (und Angrenzendes) und erneuerte Klassiker wie Rick Master oder Michel Vaillant sind den ersten Platz in dieser Sparte wert!

Cover ZACK 284

Gleich dahinter kommen die Magazine des Zauberstern Verlages. Was mit dem Phantom begonnen hatte, hat mittlerweile durch Mikros, Flash Gordon, Van Helsing und Savage Dragon Verstärkung bekommen! Hut ab und weiterhin viel Erfolg!

Platz 3 ist dagegen ein Nachruf! Leider musste die Comixene mit der Nummer 146 ihr Erscheinen einstellen. Lesenswerte Informationen, streitbare Meinungen und tolle Illustrationen werden allerdings nicht ganz verschwinden, sondern sollen Alfonz ein wenig aufpeppen!

Und dann ist da noch …

… ein geglückter Relaunch! Das Universum um Spirou drohte unterzugehen. Jetzt allerdings ist die erste Folge eines Mehrteilers aus der Hauptserie erschienen (Der Tod von Spirou), die Spezial-Bände enthalten Variationen von unterschiedlichen Teams, dem Meister Franquin wird vielfältig gehuldigt, unter anderem mit einer Neuausgabe der Gesamtausgabe, und die Freunde von Spirou (Rezension folgt) bringen erneut die politische Dimension während des Zweiten Weltkrieges zurück! So kann man es machen!

Cover Spirou und Fantasio 54

Eure Lieblinge in 2023

Eure Charts, basierend auf den Abrufzahlen:

Platz 1 geht an Hägar und die Gesammelten Chroniken von 1973, gefolgt von dem ZACK-Spezial 7 und dem zweiten Bob Morane-Sonderband von Forton. Sehr knapp dahinter Mitton und Messalina 1/2.

Die weiteren Plätze: ZACK-Spezial 6 – Jari 1, Asterix – Die weiße Iris, Sammy & Jack Integral 3, Michel Vaillant Collector’s Edition 1, Michel Vaillant Legendes 1 (die NL-Ausggabe! Wenn man die deutsche Ausgabe dazu addiert, wäre das mit weitem Abstand die Höchstmarke!), Asterix – Im Reich der Mitte und Lakota von Serpieri.

Das erste ZACK (284) folgt auf Platz 12, der erste Sekundärtitel (Staying West!) auf Platz 32.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Verlagen und Künstler*innen

Lee/Ditko – Spider-Man Vol. 2 1965 – 1966

Marvel Comics Library. Spider-Man. Vol. 2

Story: Stan Lee
Zeichnungen: Steve Ditko

Herausgeber: Jonathan Ross
Originalausgabe

Taschen Verlag

Hardcover XXL | 626 Seiten | Farbe | 150,00 €

Nummerierte Erstauflage von 5000 Exemplaren

ISBN: 978-3-8365-9652-7

Cover Marvel Taschen Library Spider-Man Vol 2

Die XXL Marvel Comics Library nimmt immer mehr Fahrt auf. Die Eisner-gekrönte Serie präsentierte zunächst die fabelhaften Anfänge der goldenen Marvel-Zeit und legte sowohl einzelnen Helden wie Spider-Man und den Silver Surfer als auch Teams wie Fantastic Four und Avengers auf. Damit waren prinzipiell die ersten zwei Jahre abgedeckt. Nun also mit Spider-Man Vol. 2 erstmals ein zweiter Band: Die Serie hat sich bereits etabliert, erste Routinen haben sich eingeschliffen und nun kommt es darauf an, den Erfolg zu verstetigen!

Die Bürde, ein Superheld zu sein

Superheld*innen sind heroisch, kämpfen für das Gute und wissen, was sie tun! Nun ja, für die meisten kostümierten Heroen der damaligen Comics mag das stimmen, für einen mittellosen Teenager eher nicht. Es fängt schon damit an, dass erwachsene Gangster möglicherweise nicht so überzeugt davon sind, dass eine halbe Portion ihnen wirklich gefährlich werden kann. Abhilfe konnte nur eine Maske schaffen, die das gesamte Gesicht verdeckt und damit nicht nur Identität, sondern auch Alter verschleiert.

Marvel Taschen Spider-Man 2 page 96

Und so sind auch die Gegner des Netzschwingers etwas anders als üblich. Natürlich bekommt er es mit üblen Superschurken zu tun, etwa dem Goblin, Dr. Octopus oder dem Skorpion. Oft genug muss er sich aber auch mit einfachen Kleinkriminellen und Gangmitgliedern prügeln. Die wichtigsten „Gegner“ aber sind seine Hormone und sein Verantwortungsgefühl. Beide Themenlinien werden in dieser Compilation entscheidend ausgebaut.

Zunächst ist da die Krankheit seiner Tante. Der Waise hatte schon den Tod seines Onkels verschuldet und befürchtet nun, seiner erkrankten Tante nicht helfen zu können. Dieser Plot beginnt mit vorübergehenden Schwindelanfällen und endet mit einem Krankenhausaufenthalt, der über mehrere Hefte in der Schwebe gehalten wird. Und auch in Sachen Liebe kommt der Einzelgänger in seinem Privatleben nicht weiter, denn seine Geheimidentität scheint zwischen ihm und seinem Glück zu stehen. Nachdem er die High School ohne Beziehung beendet hat, versucht er natürlich dies in der Collegezeit zu ändern…

Die beiden ersten Bände der Spider-Man Library enthalten den kompletten Lee/Ditko-Run inklusive der Annuals.

Marvel Taschen Spider-Man 2 page 286

Zwischen Genialität und Massenware

Steve Ditko ist einer der besten Zeichner der damaligen Zeit. Seine Panels sind teilweise auf den Punkt gebracht und fangen genau den richtigen Moment der Action ein. Das Tempo der Kampfszenen ist stimmig und viele der Panels haben Verwendung gefunden als T-Shirt Motiv, Plakat oder Werbebild. Natürlich ist eine Superheldenseite vom Aufwand her nicht mit einer europäischen Comicseite zu vergleichen. Trotzdem ist eine monatliche Leistung von 20 Seiten plus Annual nicht zu unterschätzen. Es ist daher klar, dass manchmal auch ein wenig Zeit eingespart werden musste.

Ditko ist dabei nicht nur für die Zeichnungen verantwortlich gewesen. Stan Lee folgte bereits generell dem Prinzip, Zeichnern nur grobe Vorgaben zu machen. Hier hat er Ditko noch größere Freiheiten gelassen und so taucht der Zeichner auch offiziell als Co-Creator auf. Das Vorwort geht auch noch auf die Serie ein, die Ditko nach seinem Zerwürfnis mit Lee geschrieben hat und bewertet sie als „Spidey-Stories“ mit einem anderen Kostüm.

Marvel Taschen Spider-Man 2 page 416

Das gewählte XXL-Format entspricht im Übrigen der Größe der originalen Artboards. Wir sehen also das, was auch Steve Ditko gesehen hat, als er die Seiten erschuf. Die Vorlagen stammen aus der per Guiness World Record definierten größten Comic-Sammlung der Welt.

Geniale Momente in einer Library für die Ewigkeit

Nicht umsonst ist die Marvel Comics Library mit einem der wichtigsten Preise der Comicwelt ausgezeichnet worden. Auf den ersten Blick sammelt sie nur vergessene Kioskmassenware, um sie an heute potente Ex-Käufer erneut zu verkaufen. Auf den zweiten Blick erlaubt sie aber einen einzigartigen Rückblick auf die damalige Zeit und die grandiosen Innovationen, die erst im Rückblick ihre Bedeutung erkennen lassen. Die Tatsache, dass der Band international vermarktet wird und deshalb komplett auf Englisch ist, sollte heutzutage nicht mehr stören.

Marvel Taschen Spider-Man 2 Intro

Die Kombination aus einer gehaltvollen Einführung und Einordnung von Jonathan Ross und der übergroßen, sorgfältigen Reproduktion der damaligen Spider-Man Seiten lässt die Leser*innen eintauchen in den Spirit der Serie aber eben auch in die Details, die damals gar nicht sichtbar waren. Begleitet wird das von sehr ausführlichen editorischen Informationen. Lesebändchen und die Leinenbindung machen das extragroße Coffeetable-Buch zu einem Hingucker, egal ob es (neben den anderen Bänden der Reihe) im Regal steht oder tatsächlich auf einem Tisch liegt und zum Lesen einlädt. Dazu passt auch die Nummerierung der Bände der „Famous First Edition“.

Marvel Taschen Spider-Man 2 Number

Wer es noch exklusiver mag, kann im übrigen auf die auf 1000 Exemplare limitierte Luxusausgabe setzen!

Dazu passen Musik von George Harrison (etwa My Sweet Lord) und eine Erdbeerbowle mit Altbier.

© der Abbildungen 2023 Marvel / 2023 Taschen Verlag

Franquin – Die Bravo Brothers

Eine Spirou-Deluxe Ausgabe

Story: Franquin

Zeichnungen: Franquin

Originaltitel: Spirou – édition commentée – Bravo les brothers

Carlsen Comics
Hardcover| 96Seiten | Farbe | 34,00 €
ISBN: 
978-3-551-79840-4

Cover Franquin Die Bravo Brothers

Es wird Weihnachten und ein Teil der Bevölkerung hat aufgrund der hohen Inflation Schwierigkeiten damit, über die Runden zu kommen. Einige Tafeln haben daher schon einen Aufnahmestopp verhängt. Auf der anderen Seite der Schere sieht das Bild anders aus. Geiz ist nicht mehr Geil, es soll etwas Hochwertiges sein. In diese Lücke passt die vorliegende Sonderausgabe des Franquin-Klassikers.

Eines der wenigen von Franquin hoch geschätzten Spirou-Abenteuer

Die Bravo Brothers ist eines der wenigen Spirou-Abenteuer, das Franquin wirklich gefallen hat. Natürlich war er anfangs dankbar, als Jije ihm die Serie überlassen hat. Wer wäre das nicht, wenn ihm die Titelstory eines erfolgreichen Magazins angeboten wird? Das erste Problem war allerdings, dass diese Seite jede Woche zu füllen war. Das zweite liegt darin, dass die Figuren ihm bis zum Schluss „fremd“ geblieben sind. Seine eigenen Kreationen, vor allem aber Gaston, lagen ihm wesentlich näher.

Allerdings ist diese Geschichte auch fast eine verkappte Gaston-Story. Der Bürobote macht Fantasio ein Geburtstagsgeschenk, das den ganzen Verlag (im Original Dupuis, auf Deutsch der Carlsen-Verlag) kräftig aufmischt. Von einem Pleite gegangenen Zirkus hat Gaston drei Affen erworben, die mit ihren Tricks fast alle zum Lachen bringen. Natürlich sind davon diejenigen ausgenommen, die arbeiten wollen, also Buchhaltung, Ordnungshüter, Spirou, vor allem aber Fantasio.

Spirous Aufgabe in diesem Meisterwerk ist die Klärung von Hintergründen, hauptsächlich im Kontakt mit Noah, dem etwas verbiesterten Dompteur. Jener ist übrigens rückblickend einer der wenigen Charaktere, die Franquin für sich selbst reserviert hat und später in der Marsupilami-Reihe mit Batem reaktiviert hat. Eine grandiose, teils bittere, immer aber rasante Komödie!

Franquin Die Bravo Brothers page 10

Ein Meisterwerk

Den Stil von Franquin erklären zu wollen, würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen. Es gibt eigentlich nur zwei Lichtgestalten zu dieser Zeit: Hergé und André Franquin! Beide haben mit ihrem jeweiligen Stil eine Schule geprägt, die das Bild ihrer jeweiligen Magazine geprägt hat. Was für Tintin die Ligne claire war, war für das Spirou-Magazin die Ecole Marcinelle. Obwohl sich im Frühjahr der Geburtstag Franquins zum 100. Mal jährt, gibt es auf Deutsch relativ wenig Sekundärmaterial über ihn und sein Werk.

Bei unseren westlichen Nachbarn sind im Laufe der Zeit viele Bände zu Franquin erschienen, die Comics und redaktionelle Beiträge enthalten. Auf Deutsch ist fast der gesamte Schatz noch zu heben. Die Bravo Brothers machen den Anfang! Zunächst ist die Geschichte sorgfältig restauriert in Farbe abgedruckt, dem folgt eine kommentierte nicht-kolorierte Ausgabe. Jeweils eine geinkte Seite wird von entsprechenden Kommentaren von José-Louis Bocquet und Serge Honorez begleitet.

Franquin Die Bravo Brothers page 11

Für alle, die Franquin besser verstehen wollen!

Gerade die schwarz-weißen Seiten erlauben den Leser*innen nachzuvollziehen, wie die Seiten komponiert sind. Farbe lenkt oft von den Kleinigkeiten ab, die das Funktionieren erst möglich machen. Die im launischen Erzählton geschriebenen Kommentare erklären teilweise Hintergründe, führen aber oft auch von einer Kleinigkeit in einem Panel an wichtige Umstände des Lebens von Franquin.

Natürlich ist der Preis nicht gering! Für jemand, der/die keine Möglichkeit hatte, die französischen oder niederländischen Ausgaben zu genießen, schließt diese Ausgabe aber endlich eine Lücke. Es ist kein Werk über Comics, das dann doch einige abschreckt, sondern es geht anhand einer Geschichte auf viele Aspekte ein! Ein unbedingter Top-Tipp!

Dazu passen Nick Cave mit “A rainy night in Soho“ und ein Witbier.

© der Abbildungen DUPUIS 2012, by Franquin| 2023 Carlsen Verlag GmbH, Hamburg

Braun – Staying West!

Comics vom Wilden Westen

Autor: Alexander Braun

Originalausgabe

Salleck Publications

Hardcover | 272 Seiten | s/w & Farbe | 49,00 € | 
ISBN: 978-3-89908-800-7

Cover Braun - Staying West!

Alexander Braun ist in Deutschland der bekannteste und berühmteste Kurator von Ausstellungen, die sich mit einzelnen Aspekten von Comics befassen. Die Mehrzahl von ihnen nimmt ihren Anfang in dem Dortmunder schauraum comic + cartoon, einem Museum (mit freiem Eintritt!), das dem Hauptbahnhof genau gegenüber liegt. Wieviel Arbeit in diesen Ausstellungen steckt und mit welch groß angelegtem Anspruch Alexander Braun an diese Konzeptionen heran geht, wird allerdings erst durch die großformatigen und voluminösen Ausstellungskataloge deutlich, die die Ausstellungen begleiten.

Der Wilde Westen und Befindlichkeiten

Es ist noch nicht allzu lange her, da brandete eine Diskussion in Deutschland auf, ob neben dem N-Wort noch weitere Begriffe, ja, ganze Autor*innen und Literaturgattungen nicht mehr zeitgemäß wären. Pipi Langstrumpf wurde bereinigt, das I-Wort an den Pranger gestellt, Karl May in Frage gestellt. Braun beginnt seinen zweiten Band der Kataloge über Comics, die den „Wilden Westen“ thematisieren mit einer Einordnung der verschiedenen Fragestellungen.

Während viele Publikationen heute (vor allem allerdings in Talkshows) lieber auf die schnelle Emotion setzen und Fakten eher als hinderlichen Ballast betrachten, setzt Braun in Staying West! auf die tiefergehende Analyse. Er leitet her, dass Indianer(*innen) durchaus ein benutzbares Wort ohne rassistische Konnotation ist, die Übersetzung von Carl Barks‘ Werken durch die hochgelobte Erika Fuchs dagegen sehr wohl in Frage zu stellen ist. Kulturelle Aneignungen passieren immer wieder. Auch hier kommt es allerdings darauf an, sich dem Thema verständnisvoll zu nähern und nicht nur nach einem Dampfhammer zu suchen. Allein schon diese Kapitel rechtfertigen die Anschaffung!

Braun - Staying West! page 32

Argentinien und Italien

Die erste Ausstellung über Comics mit Westernbezug, Going West!, hatte ein paar Lücken gelassen, die nun geschlossen werden. Dazu gehört die Hochzeit des argentinischen Comics, die durch die Militärdiktatur beendet worden war. Über Oesterheld, Pratt und die anderen ist schon viel geschrieben worden. Braun stellt allerdings den Gegensatz zum amerikanischen Mainstream in den Mittelpunkt. Während dort noch munter der Macho im Vordergrund stand, der kaltblütig die Natur und die angestammte Bevölkerung vernichtet, waren die argentinischen Stories schon Jahrzehnte weiter und stellten die White Supremacy deutlich in Frage!

Diese grandiose Zeit wäre nicht möglich gewesen ohne eine Vielzahl von italienischen Künstlern, die dazu beigetragen haben. Einige von ihnen sind dann über den Umweg England wieder in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Dort fanden sie zunächst eine Vielzahl an Western vor bis nach und nach Tex Willer alles überstrahlte. Dieser hat erstaunlicherweise in Deutschland bisher nicht Fuß fassen können.

Karl May, Bessy und Mosaik

Dankenswerter Weise nimmt Braun das Thema der kulturellen Aneignung im Zuge der Karl May Adaptionen nochmals auf. In den 60-er Jahren gab es eine große May-Welle, da die Schutzfrist abgelaufen war. Nicht nur Pierre Brice prägte das Bild, es gab auch Comic-Umsetzungen. Die Hintergründe habe ich noch nie so ausführlich und kombiniert präsentiert bekommen.

Dem folgt ein langer Artikel über Bessy, Silberpfeil und Co, natürlich unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses der Schöpfer Vandersteen und Sels. Nirgendwo außerhalb von Deutschland war die Popularität dieser einfachen, nach einem cleveren Schema konstruierten Geschichten so hoch wie hier und der Bastei-Verlag hatte nicht nur die teilweise aus ausgeschnittenen Elementen zweitverwerteten Geschichten im Programm, er druckte auch noch die eine oder andere Geschichte mehrfach ab.

Braun - Staying West! page 15

Die DDR hatte dagegen eine andere Tradition. Übernommen hatte man die Abneigung gegen Bildgeschichten, vor allem solche mit Sprechblasen. Der schädliche Einfluss auf die Jugendlichen wurde mit sehr ähnlichen Worten begründet wie in dem amerikanischen Kreuzzug des Dr. Wertham, hatte aber natürlich eine komplett andere Vorstellung über das Ideal der Erziehung der Jugendlichen. Trotzdem konnte das Mosaik eine Episode über Amerika bringen in der die Helden (natürlich) Partei für die Unterdrückten ergreifen konnten.

(Semi-)Funnies

Für das Schlusskapitel verlässt Alexander Braun den Realismus wieder etwas und geht über zu den Funnies: Natürlich treffen wir hier wieder auf Carl Barks und seine Epigonen, die die Zeit am Klondike beschreiben oder heroisieren. Hier lesen wir aber auch über eine etwas andere Beschreibung eines Siedlertrecks, in der nicht die bösen Roten als Horrorszenario beschrien werden: Go West ist eine geniale, etwas unterschätze Serie von Derib und Greg. Und auch die Blauen Boys, die in mittlerweile 67 Alben die Schrecken und die Sinnlosigkeit des (amerikanischen Bürger-)Krieges thematisieren, werden vorgestellt.

Staying West - Alexander Braun
Dr. Alexander Braun während der Ausstellungseröffnung
Foto (c) schauraum comic + cartoon, Maximilian Mann

Unverzichtbar!

Das Western-Genre war das langlebigste und umfangreichste Genre der Populärkultur im 20. Jahrhundert: im Groschenroman, auf der Kinoleinwand, im Fernsehen und nicht zuletzt im Comic. Wer hier etwas näher einsteigen möchte wird sehr schnell merken, dass es gewaltige Unterschiede in den Sujets, der Ausrichtung und der Stilmittel gab (und gibt). Die beiden Kataloge von Alexander Braun zu diesem Thema sind nicht nur ein umfangreiches Kompendium mit einer Vielzahl von Abbildungen und Querverweisen und bieten einen sonst nirgendwo erhältlichen Gesamtüberblick. Vor allem sind sie lesbar und spannend geschrieben und machen daher Spaß.

Alexander Braun geht alle seine Themen (etwa Will Eisner) gründlich an. Er bringt nicht nur Theorien, die bei der Einordnung helfen, und bezieht auch psychologische Aspekte mit ein, er scheut sich auch nicht, seine Stimme in aktuellen Debatten zu erheben und sachlich, wie auch genüsslich, von ihm als falsch erkannte Positionen zu entlarven und auseinanderzunehmen. Danke dafür! Das Werk erscheint auch in dem richtigen Umfeld: Eckart Schott bietet in seinem Verlag Salleck Publications einer Vielzahl von Western-Serien an: Chinaman, Sauvage, Die Blauen Boys, Yakari, aber eben auch Einzelbände wie Go West oder Jessie Jane. Das Hardcover liegt trotz des Überformates noch gut in der Hand. Das Papier bringt die Illustrationen gut zur Geltung, die Bindung hält, was sie verspricht!

Braun - Staying West! page 73

Die Ausstellung Staying West im schauraum comic + cartoon läuft vom 23. September 2023 bis zum 3. März 2024: Max-von-der-Grün-Platz 5-7, 44137 Dortmund.

Dazu passen Gene Autry, etwa mit “Ghost Riders in the Sky” und ein Cowboy Schwarz Bier der Hummelbrauerei!

© der Abbildungen 2023 Alexander Braun / 2023 Eckart Schott Verlag

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