Sprechblase 249 (Aug 2024)

Modesty Blaise und andere Themen

Redaktion: Gerhard Förster
Bildschriftenverlag Hannover (bsv)
Din A4 | 100 Seiten | Farbe | 11,90 €
ISSN: N/A

Cover Sprechblase 249

Lange ist es her, dass comix-online eine Ausgabe der Sprechblase besprochen hatte: es war die Nummer 238 mit dem Schwerpunkt Edouard Aidans. Es ist also wieder mal an der Zeit, bevor sich im Rahmen von gleich zwei anstehenden Jubiläen alle darauf stürzen werden. Die Zeitschrift mit dem Untertitel „Die wunderbare Welt der Comics“ ist aktuell in ihrem 49. Jahrgang und die 250. Ausgabe ist geplant für Anfang kommenden Jahres.

Eine Institution braucht eine Nachfolgeregelung

Die Sprechblase ist eine Zeitschrift für Menschen, die klassische Comics mögen. War sie anfangs fast nur auf die Generation Lehning ausgerichtet, ist die Generation ZACK mittlerweile ebenfalls stark vertreten. Wir alle, die wir zu einer dieser beiden Gruppen gehören, sind mittlerweile in die Jahre gekommen und auch Gerhard Förster, der die Zeitschrift vor langer Zeit von Norbert Hethke übernommen hatte, geht in den wohlverdienten Ruhestand, allerdings erst nach der Jubiläumsnummer. Wer Interesse hat, hier einzusteigen, melde sich bitte!

Intro Sprechblase 249

Die wohl coolste „Tödliche Lady“ aller Zeiten

Neben einer Vielzahl von Besprechungen und News wartet die „Blase“ immer mit einigen sehr ausführlichen Artikeln auf. Covermodel ist dieses Mal Modesty Blaise, eine Comic-Strip Heldin, die 1963 erstmalig das Licht der Welt erblickte und Leser*innen vieler Tageszeitungen erfreute. Gerhard Förster beschreibt nicht nur ausführlich inhaltliche Merkmale des Strips, er geht auch auf die Persönlichkeiten des Autors und einiger Zeichner näher ein.

Peter O’Donnell war während des Zweiten Weltkrieges als Unteroffizier tätig und schrieb danach verschiedene Szenarien, bevor ihm mit der Serie um die freiberuflich tätige Blaise ein Riesenerfolg gelang. Es war die Zeit, in der James Bond seine ersten Erfolge feiert und die Avengers (dt. Mit Schirm, Charme und Melone) die Fernsehzuschauer*innen begeisterten.

Zwar ist es notwendig, eine gute Story zu haben, ohne passende Zeichner wird es aber trotzdem kein Erfolg werden. Sowohl Jim Holdaway als auch Enrique Badia Romero (bekannt auch mit Axa) waren sehr wohl in der Lage, die schwierige Mischung aus versteckter Erotik in Zeitungen, die auch von Kindern gelesen wurden, Martial Arts und Spannung umzusetzen. In den Skandinavischen Ländern war der Strip am erfolgreichsten, aber auch in Deutschland erscheint jetzt bei Bocola eine Gesamtausgabe. Vervollständigt wird das Feature mit dem Abdruck der Origin-Geschichte!

Von Wastl über Fix & Foxi zum Blut auf der Prärie

Weitere Artikel beschäftigen sich mit der Geschichte von Wastl (oder eigentlich Jerom, wie er im flämischen Original heißt) und seinen unterschiedlichen Ausprägungen. Ursprünglich war er ein Sidekick in Suske und Wiske, erlebt aber wegen seiner Beliebtheit auch Soloabenteuer. Natürlich wird hier ein besonderes Augenmerk auf die erfolgreiche deutsche Bastei-Serie Wastl und ihre Nachfolger gelegt. Es gibt aber auch Anmerkungen zu den moderneren Interpretationen in Amoras und J.Rom.

Ein Wiederabdruck eines alten Interviews erinnert an Ludwig Fischer, einen der Fix und Foxi-Zeichner, die sich mit ihrem Stil aus der Masse hatten herausheben können.

Zu guter Letzt gibt es noch einen Western-Schwerpunkt. Der Abdruck des Comics Blut auf der Prärie findet mit dem dritten Teil seinen Abschluss. Ihm vorangestellt ist ein Faktencheck, der die Ereignisse gegen die Wirklichkeit prüft. Ein Comic von Look & Learn! Thematisch passend folgt ein Überblick über Filme und Comics, die sich mit Little Bighorn befassen. Subjektiv und erfrischend!

Sehr viele wissenswerte Informationen!

Es gibt verschiedene Sekundärzeitschriften auf dem deutschen Markt. Die Sprechblase richtet sich an ältere Comic-Fans (die natürlich auch so ihre Vorurteile haben, die hier auch gepflegt werden). Für diese Zielgruppe gibt es nichts Vergleichbares. Die Themen sind liebevoll kuratiert, die immens vielen Abbildungen passen zu den Inhalten und das Layout ist durch thematische Kästen und Rubriken gut gegliedert.

Im Übrigen findet der Fan nur hier eine Zusammenstellung aller Kleinverlagseditionen aus diesem Spektrum. Die Rezensionen sind vielfältig (und beinhalten erstmals auch eine vom Verfasser diese Zeilen) und machen Lust auf das eine oder andere Experiment. Es wäre schade, wenn sich kein Nachfolger finden würde. Glücklicherweise lässt Gerhard den potentiellen Kandidaten ja noch ein wenig Bedenkzeit.

Dazu passen ein guter Rotwein, ich würde einen Primitivo bevorzugen, und The Pioneers.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Zeichnern und Verlagen 2024, c/o Bildschriftenverlag Hannover (bsv)

ZACK 302 (August 2024)

ZACK 302

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 100 Seiten | Farbe | 9,70 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 302

Ein Heft ohne Neustart und das bei sechs Fortsetzungen. Dafür steigt aber auch die Vorfreude auf die kommende Ausgabe, denn es gibt immerhin drei Abschiede. Ansonsten bleibt der diesjährige Sommer gleichzeitig zu warm und zu nass, lässt also genügend Möglichkeiten offen, die 100 Seiten zu genießen! Außerdem lohnt sich definitiv ein Blick in das Programm sowohl der ZACK-Edition, die nun auch Tanguy und Laverdure eine Heimat gibt, als auch der ZACK-Spezial Bände. Wem die Ausgabe 300 gefallen hat, sollte sich schon mal das ZACK-Sonderheft 1 vormerken, das weitere Kurzgeschichten aus der Tintin-Jubiläumsnummer auf Deutsch veröffentlichen wird.

Die Fortsetzungen

ZACK 302 wartet auf dem Cover mit einer Abbildung aus Die Bank auf. Während die beiden Protagonisten hier fast friedlich nebeneinanderstehen, ist die wirtschaftliche Lage tatsächlich etwas komplizierter. Bankgeschäfte versprechen nun einmal große Profite, erlauben aber auch ebenso hohe Verluste. Band 5, Die Scheckhefte von Panama, spielt in der Neuen Welt, zeigt aber die alten Konflikte. Pierre Boisserie & Philippe Guillaume lassen dabei erneut nicht nur die männlichen Mitglieder der Familie agieren. Stéphane Brangier zeichnet sehr realistisch mit einem Faible für ausgefallenen Perspektiven.

ZACK 302 page 5

Im letzten Teil war Mata Hari „freundlich“ überredet worden, ihre Verbindungen in Frankreich zugunsten des Deutschen Reichs als Spionin zu verwenden. Nun ist sie wieder in Paris angekommen und muss tatsächlich ein falsches Spiel spielen. Und trotz aller Ängste findet sie die Chance einer neuen Liebe. Esther Gil erzählt das dramatische Leben mit Achtung vor den Beteiligten und Laurant Paturaud setzt das sehr angemessen um. Sicherlich ein Kandidat für die Überlegung einer späteren Albenpublikation.  

ZACK 302 page 68

Der zweite Teil des zweiten Bandes von Bootblack, seines Zeichens zweiter Teil der New York Trilogie, konfrontiert den Protagonisten mit den Taten aus der Vergangenheit. Dabei gehen die Zeitebenen ansatzlos ineinander über und erfordern von den Leser*innen ein gewisses Mitdenken. Wie auch im ersten Teil Giant (der gerade als Gesamtausgabe erschienen ist) steht weniger eine personenbezogene Handlung im Vordergrund als die Situation, die Menschen in ihrem Überlebenskampf zu bestimmten Handlungen verleitet. Für mich eine grandiose Graphic Novel von  Mikaël , die auch noch beim zweiten oder dritten Lesen fasziniert. Dazu trägt natürlich auch das etwas andere Artwork bei.

ZACK 302 page 83

Die Abschiede

Im europäischen Osten treten mehr und mehr Konflikte zu Tage, die darauf beruhen, dass sich Russland (und seine Verbündeten) und die westlich orientierten Staaten unterschiedlich entwickeln wollen. Natürlich sind damit auch ökonomische Einflusssphären gemeint. Ein Faktor in diesem „Spiel“ ist Waffentechnologie und damit fast logisch verbunden entsprechende Wirtschaftsspionage. Tanguy und Laverdure werden in Die unsichtbare Grenze mitten in eine solche Auseinandersetzung gezogen und schweben in Lebensgefahr. Auch diese Episode von Patrice Buendia & Frédéric Zumbiehl ist wieder der Anfang eines Mehrteilers, der das Leben der Kampfpiloten mit politischen Ereignissen verknüpft. Wie auch in den gerade erschienenen Alben 24 und 25 darf Sébastien Philippe grandiose Actionszenen am Boden und in der Luft zeichnen.

ZACK 302 page 23

Die Posse um eine strohdoofe Truppe von rechtsradikalen Schlägern im Zusammenhang mit den Dreharbeiten eines expressionistischen Filmes in der Episode Kino um Aleksis Strogonov hat nun ein Ende. Émile Bravo mit seiner modernen Interpretation der klaren Linie hat zurecht seine Fans, und auch Jean Regnaud hat bereits gute Szenarien abgeliefert. Hier wollten sie vielleicht einfach zu viel. Möglicherweise verstehe ich aber auch einfach ihre Art des Humors nicht.

ZACK 302 page 39

Ebenfalls zu einem vorläufigen Ende gekommen ist Harmony. Metamorphosis, der sechste Band der Reihe von Mathieu Reynès, bringt ein weiteres überraschendes Detail ans Licht (das hier natürlich nicht verraten werden soll). Auf jeden Fall steht die Frage im Mittelpunkt, ob es gelingen wird, die Held*innen wieder zu vereinen. Sehr spannende Kombination aus Mystery und Krimi mit modernen Zeichnungen und einem spannenden Layout. Dieses passt sich den jeweiligen Erfordernissen an Tempo und Dramatik an und vermittelt eine sehr filmähnliche Wahrnehmung.  

ZACK 302 page 53

Und sonst?

Was wäre das Heft ohne die Rubriken, Artikel und One-Pager? Näher vorgestellt werden die Gesamtausgaben der Flintenweiber (von Georg F. W. Tempel) und Giant (vom Verfasser dieser Zeilen). Frank Neubauer lästert in seiner Kolumne, stellt aber auch Neuerscheinungen vor und kommentiert Meldungen aus der Welt der Bildgeschichten. Michael Klein erinnert an das ZACK vor 50 Jahren und Parker & Badger, Grott & Schrott und Tizombi und seine Freunde dürfen sich mit nicht alltäglichen Alltäglichkeiten herumschlagen.

Dazu passen die unverwüstlichen Deep Purple mit ihrem neuen =1 und ein Bockbier aus der „Unwrap-Serie“ für das Blindtasting zuhause.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Künstlern und Verlagen / Blattgold GmbH, Bad Dürkheim 2024

Weckwert – Spaß Spannung Abenteuer

Die Chronik des Koralle-ZACK

Text: Bernd Weckwert

Originalausgabe

All Verlag

Hardcover | 400 Seiten | Farbe | 59,80 € |

ISBN: 978-3-96804-118-6

Cover Spaß Spannung Abenteuer

276 Ausgaben lang von 1972 bis zu seinem Ende in 1980 prägte das ZACK aus dem Koralle-Verlag eine Generation junger Comic-Leser*innen in Deutschland nachhaltig. Bereits vor dem Erscheinen dieser Zeitschrift waren frankobelgische Geschichten und Held*innen in deutschen Magazinen präsent und auch danach ebbte die Anzahl der Geschichten nicht ab, wenn sich auch (neue) Magazine bis zur Jahrtausendwende nicht mehr wirklich halten, geschweige denn etablieren konnten. Was aber machte den Reiz aus, der dazu führte, Comic-Fans einer bestimmten Altersstufe immer noch als „Generation ZACK“ zu bezeichnen?

Die Geschichte

Am 13.04.1972 erschien die erste Ausgabe (17/1972) und wartete gleich mit vier hochkarätigen Stories auf: Fortsetzungsgeschichten mit Michel Vaillant, Luc Orient, Umpah-Pah und Andy Morgan machten den Anfang, in Heft 19 kamen Leutnant Blueberry und Mick Tangy hinzu. Das ZACK brachte hauptsächlich Material aus Tintin und Pilote, hochklassige Comics, die in dieser Kombination für Deutschland etwas komplett Neues darstellten. Das Heft versprach jede Woche Spaß – Spannung – Abenteuer und konnte diesen Anspruch zunächst auch brillant erfüllen.

Spaß Spannung Abenteuer page 25

Im Laufe der Zeit kamen Alben (ZACK-Box) und Taschenbücher (ZACK-Parade) hinzu, Clubs, Sammelabenteuer, Preisausschreiben und vieles mehr sorgte für eine starke Leserbindung. Das ZACK wurde mit dem Yellow Kid bedacht, einer internationalen Auszeichnung, und schaffte es, seine Reputation auch außerhalb der deutschen Grenzen zu entwickeln. War Deutschland bisher eher ein comictechnisches Entwicklungsland gewesen, war das ZACK nicht nur preiswürdig, es gelang sogar Künstler wie Albert Weinberg, Jean Graton oder Jean-Michel Charlier aus ihren bisherigen Verträgen loszueisen und sie exklusiv zu verpflichten. Aus dem Lizenznehmer schien ein Lizenzgeber zu entstehen.

Zu der Geschichte gehört aber auch, dass die anfangs immens hohe Auflage sank und aus heutiger Sicht falsche Entscheidungen getroffen wurden. Dazu gehört zum einen die „Episode Kauka/Wiechmann“, zum anderen sicherlich auch der Glaube, dass Leserinnen keine Fortsetzungen goutieren würden. Auch hier präsentiert Bernd Weckwert im ersten Teil eine unglaubliche Menge an Fakten.

Spaß Spannung Abenteuer page 106

Die Details

Überhaupt, die Details: Der Band ist eine Fundgrube für Leute, die es genau wissen wollen. Spaß Spannung Abenteuer enthält daher alle Cover aller (!) ZACK-Publikationen mit den jeweiligen Informationen über den Inhalt. Dazu kommen Abbildungen aller Poster, aller ZACK-Sammelobjekte und eine Unmenge weiterer Fotos und Illustrationen. In den Statistik-Teil eingebettet sind jeweils kurze Abschnitte über Künstler und Serien. Man wird dadurch angeleitet, sich wirklich durch jede Seite zu arbeiten!

Spaß Spannung Abenteuer page 224

Die Analyse

Würde das Koralle-ZACK heute noch eine Chance auf dem Markt haben? Es hat anfangs zwar viele Dinge richtig gemacht, angefangen mit den originalgetreueren Übersetzungen über die Lizenzen von Tintin und Pilote sowie den Ausweitungen auf Serien aus Südeuropa. Dass nicht jede Serie auf Gegenliebe gestoßen ist, ist normal. Man war sogar flexibel genug, TV-Trends zu übernehmen und etwa Enterprise oder Kung-Fu zu bringen. Richtige Auswahl? Vielleicht nicht ganz, aber im Ansatz natürlich richtig. Und ob es klug war, auf Material von Spirou zu verzichten, ist ebenfalls nur spekulativ zu beantworten.

Ein aus heutiger Sicht kritisches Manko war die eigenwillige Kürzungspolitik, bei der Geschichten teilweise auf ein Drittel zusammengestrichen (Wiechmann-Ära) bzw in separate „Kurz“-Geschichten gesplittet worden waren. Natürlich mussten dafür die Inhalte „angepasst“ werden. Ich bin mir nicht sicher, ob die Leser*innen nicht auch damals schon Fortsetzungen viel besser gefunden hätten.

Spaß Spannung Abenteuer page 381

Zum Ende hin war das ZACK auf dem Weg zu einem globalen, nun ja, europaweiten Player mit Ablegern in Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Da man es geschafft hatte, bereits einige Szenaristen und Zeichner direkt zu verpflichten, war das der logische nächste Schritt. Im Zeichen des Rückgangs der Verkaufszahlen aller Comic-Magazine vielleicht aber einfach zu spät. Und wer von Skaleneffekten profitieren möchte, hätte bei der Harmonisierung kompromisslos sein müssen.

Ein Erinnerungsstück!

Ich selbst habe das ZACK in meiner Jugend regelmäßig gelesen und den Unterschied zu anderen Magazinen wie Fix und Foxi oder Kobra sehr wohl bemerkt! Insofern sind gerade die vielen Abbildungen aber auch die Namen der Geschichten verknüpft mit einer Vielzahl von Erinnerungen. Auch wenn ich heute die Sachen, die ich wirklich haben wollte, in guter Qualität im Regal stehen habe, kann doch nichts an die erste Begegnung herankommen.

Für alle, denen es genauso geht, ist die Chronik ein Must-Have! Bernd Weckwert hat sich viel Mühe gegeben, die einzelnen kleinen Puzzle-Teile in eine lesbare Form zu verpacken. Hut ab! Und der Preis ist für dieses überformatige, dicke Kompendium auch vollkommen in Ordnung! Das „neue“ ZACK hat mittlerweile übrigens über 300 Ausgaben geschafft und erscheint seit einigen Jahren bei Blattgold.

Dazu passen ein Hit von 1974, The Sweet mit „Teenage Rampage“, und eine dreieckige Tüte Sunkist.  

© der Abbildungen 2024 All Verlag und Bernd Weckwert sowie bei den jeweiligen Künstlern und originalen Lizenz-Verlagen

ICOM COMIC! Jahrbuch 2024

Deutschland – Independent

Herausgeber: Burkhard Ihme
Interessenverband Comic E.V.
Softcover | 216 Seiten | Farbe | 15,25 €
ISBN: 978-3-88834-954-6

Cover ICOM Jahrbuch 2024

Alle Jahre wieder kommt nicht nur das Christuskind, sondern auch das Jahrbuch der Interessenverbandes Comic e.V. (ICOM) mit umfassenden Berichten über unabhängiges Comic-, Cartoon- und Trickfilmtreiben in Deutschland. Der Verein ist ein Berufsverband für alle in diesen Bereichen tätigen Menschen, zugleich aber auch ein Sprach- und Marketingorgan im Independent-Sektor.

Die Preisträger*innen

Jährlich wiederkehrendes Thema sind die Vorstellungen der diesjährigen Preisträger*innen sowie aller nominierten Kandidat*innen für den ICOM Independent Comic-Preis in vier, in diesem Jahr sogar fünf Kategorien. Alle Werke werden mit Illustrationen und Coverabbildungen vorgestellt.

Als bester Independent-Comic (Selbstveröffentlichung wurde Digger von Ralf Marczinczik gekürt. Der Webcomic ist mittlerweile auch bei Kult als Buch erschienen. Bester Independent-Comic als Verlagsveröffentlichung wurde Viktoria Aal von Wiebke Bolduan. Der Sonderpreis für eine besondere Leistung ging an Salon Journal, Band 1, einer Anthologie zum Gönnheimer Weinfest. Als bester Kinder- oder Jugendcomic wurde Schattenspiel von Luise Mirdita ausgezeichnet und der XPPEN-Preis für herausragende digitale Comics ging an Der Unsichtbare Freund von Steff Murschetz und Somnium von Berrin Jost.

Disney-Comics im Fokus und andere (streitbare) Themen

Ein Post von Don Rosa auf Facebook war der Auslöser für eine  große Diskussion und schließlich auch für den ersten Teil eines überlangen Artikels von Stefan Pannor. Ungefähr 3000 Beiträge aus dem großen Fundus der Disney-Comics dürfen scheinbar nicht mehr nachgedruckt und publiziert werden. Dieses Verbot gilt weltweit, wurde aber von offizieller Stelle bisher nicht kommentiert. Die Maßnahme scheint als (proaktive)Maßnahme gegen Rassismus-Vorwürfe gedacht zu sein, betrifft sie doch scheinbar Werke, in denen Beteiligte unter Verwendung von rassistischen Stereotypen oder aber Indigene als „edle Wilde“ dargestellt worden sind. Und auch kulturelle Aneignung ist ein Thema. Pannor leitet auf über 50 Seiten her, was bisher bekannt ist oder vermutet werden kann und ordnet das Ganze historisch ein. Ein lesenswerter Beitrag der die Debatte mit vielen Details anreichert.

Backcover ICOM Jahrbuch 2024

Ebenfalls Fragen aufwerfend sind das Interview mit Eckart Sackmann über 20 Jahre „Deutsche Comicforschung“ und ein Beitrag von vielen über die Verwendung von KI bei Comic-Übersetzungen. Was kann, was soll, was darf nicht? Auch hier ist mit Sicherheit in den kommenden Jahren noch einiges an Beiträgen und Emotionen zu erwarten.

Dazu kommen Artikel, die Wissen vermitteln, etwa über Science-Fiction Comics aus Deutschland oder die niederländische Comic-Szene. Atelier-Berichte geben Einblicke etwa in den COMIC.CIRCLE, nehmen aber auch das Zensur-Thema wieder auf. Und auch die Frage, ob Comic-Held*innen mit ihren Schöpfer*innen sterben sollten oder ein unabhängiges (Weiter-)Leben genießen dürfen ist eine Frage, die viele Emotionen auslöst, etwa beim neuesten Gaston-Band. Das Jahrbuch beweist wieder einmal, wie aktuell die Beiträge die Diskussionen wiedergeben.

Und dann ist da noch der Trickfilm

Das Jahrbuch wäre nicht komplett ohne die Bereiche Cartoon und Trickfilm. Während erster in zwei eingestreuten Artikeln beleuchtet wird, bildet letzterer einen eigenen Schwerpunkt mit vier sehr unterschiedlichen Aspekten. Natürlich wird wieder über das internationale Trickfilm-Festival aus Stuttgart erzählt, es gibt aber auch Einblicke in aktuelle Arbeiten und Pläne sowie auch hier die Frage, ob und was KI in diesem Zusammenhang ändern kann/wird.

Mehr deutscher Independent geht nicht!

Burkhard Ihme hat sich erneut extrem viel Mühe gegeben und wieder ein extrem umfängliches Jahrbuch erstellt. Breitgefächert und doch in die Tiefe gehend bietet dieser Überblick einen perfekten Startpunkt, um weiter zu gehen. Vielen Dank dafür!

Dazu passen ein anregender Kaffee und Ska aus Asien: The Autocratics!

© der Abbildungen Verleger, Zeichner und Fotografen c/o Interessenverband Comic e.V. ICOM 2024

Blees – Der absolute Horror

Die Geschichte der Gruselcomics in Deutschland

Autor: Christian Blees

Herausgeber: Volker Hamann und Matthias Hofmann

Texte zur graphischen Literatur 6
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Broschur | 240 Seiten | Farbe | 29,95 €
ISBN: 978-3-946266-48-8

Cover Der absolute Horror

In unregelmäßiger Folge erscheinen in der Edition Alfons, dem Verlag der Reddition, Paperbacks, die sich ausführlich mit einem Thema beschäftigen. Grundsätzlich folgen sie dem Prinzip des Magazins: verständliche, informative Texte die reichlich illustriert sind und dadurch nicht nur einen theoretischen, sondern auch bildhaften Zugang ermöglichen. Sie überschreiten allerdings deutlich die Platzvorgaben für die Zeitschriftenbeiträge.

DER Überblick!

Alexander Braun hat in seinem Katalog zur Ausstellung im Dortmunder schauraum Horror im Comic kulturtheoretische und psychologische Ansätze aufgezeigt, warum Horror im Allgemeinen und im Comic im Besonderen funktioniert und welche Rolle er gespielt hat bzw. noch spielt. Dabei ist er auf die verschiedenen Subgenres detaillierter eingegangen und hat viele internationale Illustrationen zur Veranschaulichung genutzt.

Christian Blees geht einen anderen, viel persönlicheren Weg. Für ihn stehen die Sammler*innen in Deutschland im Vordergrund: Was ist in Deutschland wann und wo erschienen. Er teilt das Thema dabei in zehn Kapitel ein die teils zeitliche Phasen, teils inhaltliche Subgenres näher beleuchten. Fast immer stehen naturgemäß ausländische Produktionen und Künstler*innen im Fokus, besteht die deutsche Publikationsgeschichte doch im Wesentlichen aus Lizenzausgaben.

Der absolute Horror pages 9, 17

Dabei versucht Blees durchaus wo immer möglich auch die Intention der Herausgeber wiederzugeben. Warum wurde ein bestimmtes Thema gewählt, welche Originalreihen wurden ausgesucht und wie fand die Rezeption hier in Deutschland statt. Dadurch werden auch die Schwankungen deutlich die das Genre im Zuspruch über die Jahre erlebt hat: Hype-Perioden und das fast völlige Verschwinden lösen sich ab.

Drei beispielhafte Einblicke

Zombies waren ein Bestandteil der Subkultur, dümpelten aber mehr oder weniger teils unter teils über dem Ladentisch vor sich hin bis mit The Walking Dead eine Welle losgetreten wurde deren Ausläufer bis heute zu spüren sind. Plötzlich waren Untote überall zu finden und unzählige Serien schossen aus dem Boden. Selbst große Verlage wie Marvel und DC konnten das Thema nicht ignorieren und schicken ihre Held*innen wie Batman oder Spider-Man in die Bütt.

Im Laufe der Zeit waren die meisten qualitativ guten amerikanischen Horror-Produktionen auch auf Deutsch erschienen. Zudem war auch hierzulande die Zeit der großen Auflagen vorbei und Kosteneinsparungen waren notwendig. Dies war oftmals die Geburtsstunde der südeuropäischen Studios. Ihre Produktionen waren für den Export in möglichst viele Länder bestimmt und konnten daher kostengünstig angeboten werden. Hier beschreibt Blees viele der oft vergessenen Künstler genauer und zieht sie gewissermaßen aus dem Schatten in das Licht.

Der absolute Horror pages 127, 207

Das letzte Highlight soll den neueren deutschen Eigenproduktionen gelten: Gerade im Bahnhofszeitschriftenhandel haben Titel von Weissblech oder Menschenblut regelmäßige Verkaufserfolge einfahren können, unter anderem die Horrorschocker konnten dabei sogar Preise einfahren. Trash und Sex verkaufen sich halt immer! Es gibt aber auch Beispiele bei größeren Verlagen, etwa Malcom Max bei Splitter.

Must have für Fans!

Der Band ist eine perfekte Ergänzung zu dem Katalog von Alexander Braun. Christian Blees schreibt flüssig und mit viel Herzblut und lässt sowohl nostalgische Gedanken als auch Erstaunen über eine sooo große Vielfalt aufkommen. Trotz aller persönlichen Schreibe ist aber eben kein Fan-Boy-Text dabei herausgekommen, sondern eine fundierte Beschreibung die völlig zu Recht in der Reihe der Texte zur graphischen Literatur erscheint! Der absolute Horror ist somit eine Top-Empfehlung!

Cover Der absolute Horror VZA
Die Vorzugsausgabe

Für absolute Fans ist auch eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Druck erschienen. Und auch einige Werke/Autoren, die comix-online bereits besprochen hat, finden Erwähnung in dem Buch: Van Helsing, Joe Hill oder The Crow zum Beispiel. Wer mag kann einfach unter dem Schlagwort „Horror“ suchen. Für spätere Ergänzungen könnte ich mir vorstellen, dass ein Blick auf die (deutsche) Fanzine-Szene spannend sein könnte.

Dazu passen ein Bloody Mary und Black Sabbath mit „Paranoid“.

© der Abbildungen bei den jeweiligen Autoren und Verlagen | Edition Alfons, Verlag Volker Hamann, Barmstedt 2024

ZACK 297 (März 2024)

ZACK 297

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 297

Die Osterglocken sprießen schon, die Bäume fangen an zu blühen und Allergiker*innen bekommen die Pollen zu spüren. Alles das passiert deutlich früher als noch vor ein paar Jahren. Vielleicht hat ja doch jemand etwas geweckt, was wir jetzt nicht mehr los werden? Wahrscheinlicher aber ist alles hausgemacht.
Außerdem sind jetzt die Ergebnisse der ZACK-Serien-Umfrage da: Tadahhh: Erneut macht Rick Master das Rennen, Rani und Tangui & Laverdure folgen.

Die Neustarts

Das Heft startet mit Band 6 der Reihe Harmony: Metamorphosis. Azhael, der lange in Schach gehaltene dunkle Dämon, scheint befreit, hat allerdings noch nicht zu alter Macht zurückgefunden. Während zwei der Kinder, Eden und Payne, gefangen gehalten werden, versuchen Karl und Harmony sich vor ihren Häschern zu verstecken. Spannende Mystery-Serie von Mathieu Reynès in modernem Stil, die auch das Cover des Heftes ziert.

ZACK 297 page 5

Ebenfalls zurück auf diesen Seiten ist Aleksis Strogonov. Der junge Mann hatte vor den Bolschewiken fliehen können und ist nun in einem Güterzug mit anderen Flüchtlingen auf dem Weg nach Deutschland. Er schafft es, nicht zurückgeschickt zu werden, ja, er wird sogar in einer Wohnung von einem Deutschen in Berlin untergebracht. Leider muss er feststellen, dass sein Kumpel alle um ihn herum gnadenlos belügt. Kino ist die zweite Folge der Serie nach einem Szenario von Jean Regnaud und mit Zeichnungen von Émile Bravo. Es ist klar, dass die Lügen böse Folgen haben werden.

ZACK 297 page 80

Die Fortsetzung

Die Flintenweiber werden wegen eines Diebstahls eines mächtigen Ringes einer Elfenherrscherin von mehreren Organisationen verfolgt. Diesen Ring hatten sie in der ersten Folge von Band 3, Das Geheimnis der Elfe, an Inspektor Truchard übergeben. Leider scheint es eine Fälschung gewesen zu sein und schon wieder sind die Heldinnen der Gefahr der Festnahme und Schlimmeren ausgesetzt. Rasante Jagd in einer bunten Welt nach einem Text von Pierre Pevel mit Zeichnungen von Étienne Willem. Mehr aus dieser Welt auch im Paris der Wunder. Die Serie hat es meiner Meinung nach zurecht in die Top 10 geschafft!

Detail ZACK 297 page 49

Die Abschiede

Gleich drei Serien beenden ihren Auftritt: Den Anfang macht Michel Vaillant, der mit Platz 4 das Treppchen wieder knapp verfehlt hat. Seine Geschichte in Amerika, die mit Pikes Peak begonnen hatte und nun in Cannonball fortgesetzt wurde, endet mit einem dramatischen Cliffhanger der quasi aus dem Nichts kommend eine neue Partei in das Spiel bringt. Spannend, modern und mit Zeichnungen von Marc Bourgne & Olivier Marin, die jede*n Technikbegeisterte*n erfreuen dürften! Denis Lapière hat seine Neuinterpretation des klassischen Helden als ansprechende Mischung aus Rennsport, Krimi und Soap angelegt, die ein sehr filmisches Konzept verfolgt! Zudem ist die Verbindung der einzelnen Bände, die quasi wie Kapitel einer längeren Storyline funktionieren und doch eigenständig verständlich sind, auf der Höhe der Zeit des sequentiellen Erzählens.

ZACK 297 page 21

Weniger traurig dürften viele Leser*innen darüber sein, dass MADI von Alex de Campi & Duncan Jones zunächst wieder aus dem Heft verschwindet. Das Projekt ist einerseits inhaltlich sehr komplex und liegt andererseits auch stilistisch nicht unbedingt im „Zielkorridor“ der Fans, ist es doch very british. Trotz allem wird die Serie fortgesetzt werden und verdient einen zweiten Blick!

ZACK 297 page 33

Ihr endgültiges (vorläufiges?) Ende hat dagegen Sauvage erreicht. Die Geschichte über die in Mexiko stationierten und kämpfenden französischen Truppen findet ihr logisches Ende mit dem Abmarsch der Truppen. Der Held, Felix Sauvage, entschließt sich allerdings, die Armee zu verlassen und in Nordamerika zu bleiben. Dort trifft er erneut auf Black Calavera, eine Tänzerin von etwas zweifelhaftem Verhalten. Felix Meynet zeichnet auf jeden Fall unverwechselbar, das Szenario von Yann braucht sich nicht hinter anderen Westernserien zu verstecken!

ZACK 297 page 65

Und sonst?

Natürlich gibt es wieder Gag-Seiten von Grott & Bott sowie von Parker & Badger. Letztere haben es sogar in die Top Ten der Serien geschafft. Dazu kommen ein Interview mit Jamiri, ein Beitrag über eine kurze Zeitspanne im Leben von Jonathan Lassiter vom Verfasser dieser Zeilen und natürlich der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren.

Dazu passen Cock Sparrer mit ihrer neuen Single „With my Hand on my Heart“ und ein erstes Frühlingsbockbier.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

ZACK 296 (Februar 2024)

ZACK 296

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 296

2024 scheint das Jahr werden zu wollen, das „die Straße“ in das Bewusstsein zurückholt. Die Bahn war das erste Opfer der zu erwartenden Streiks, die Bauern blockierten alles Mögliche mit ihren Treckern und schließlich ging eine täglich größer werdende Anzahl von Menschen mal nicht für Individualinteressen auf die Straße, sondern zur Verteidigung der Demokratie! Welch ein Lichtblick!

Der Neustart

Die Flintenweiber zieren nicht nur das Cover dieser Ausgabe, auch Band 3 der Serie, Das Geheimnis der Elfe, nimmt seinen Anfang. Pierre Pevel beginnt die neue Geschichte mit einem ruhigen Rückblick. 1911 löst die Anwesenheit von Bewohner*innen der Anderswelt kein Erstaunen mehr aus. Der Raub des Siegelringes ist allerdings immer noch ungeklärt, die verschiedenen Mächte sind weiter auf der Suche nach ihm und die Rachegelüste gegenüber den Diebinnen sind noch ungestillt. Étienne Willem darf daher gleich wieder zur Action übergehen und die Vorbereitung einer Hinrichtung zeichnen. Liebevolle Zeichnungen mit viel Spaß im und am Detail in einer spannenden Story!

ZACK 296 page 5

Die Fortsetzungen

Das Science-Fiction-Projekt MADI von Alex de Campi & Duncan Jones geht bereits in die sechste Runde. Die Flüchtenden müssen dringend zu Geld kommen und es besteht die Hoffnung, dass Dean seine besonderen Kräfte einsetzen könnte. Allerdings erlaubt das den Verfolgern auch, die Spur wiederaufzunehmen … Es war einmal in der Zukunft wird dieses Mal gezeichnet von James Stokoe, der eine extrem detailreiche Bebilderung in Bonbon-Farben anbietet. Spielhölle mal anders!

ZACK 296 page 28

Eigentlich wollte Michel Vaillant nur ein nicht wirklich legales Rennen quer durch die USA gegen einen Blogger fahren. Cannonball, so der Name, entwickelt sich jedoch ganz anders als klar wird, dass Terroristen das Auto gehackt haben und das Unterschreiten einer bestimmten Geschwindigkeit eine Bombenexplosion auslösen wird. Ein Patch kann jedoch nicht online eingespielt werden. Wird es Steve Warson gelingen, mit einem USB-Stick in den dahinrasenden Wagen einzusteigen? Packende Action von Dennis Lapière mit sehr untypischen Rennszenen von Marc Bourgne & Olivier Marin.

ZACK 296 page 44

Felix Sauvage konnte entkommen und darf somit hoffen, die Informationen über einen bevorstehenden Angriff noch rechtzeitig übermitteln zu können. Bevor es so weit ist treffen wir aber an einem Lagerfeuer Frauen wieder, die den meisten Leser*innen klassischer frankobelgischer Western sehr bekannt vorkommen dürften. Félix Meynet gelingt damit in Black Calavera eine sehr nettes Pastiche. Die weiteren Bilder sind dann eher Schachtengetümmel und Explosionen.

ZACK 296 page 56

Der Abschied

Der erste Band von Libertalia, Triumph oder Tod, geht in diesem Heft zu Ende. Die Überlebenden landen an einem Strand des Indischen Ozeans, um dort ihre Kolonie zu gründen, müssen allerdings noch eine letzte tödliche Prüfung überstehen. Fabienne Pigière & Rudi Miel haben eine modernes Piratenabenteuer geschrieben, das etwas andere Akzente setzt, gleichfalls aber die Erwartungen an dieses Genre erfüllt. Die detailreichen Zeichnungen von Paolo Grella passen dazu, sogar besser als zu Bob Morane. Man darf auf den nächsten Band gespannt sein.

ZACK 296 page 75

Und sonst?

Die Gag-Seiten von Grott & Bott, Parker & Badger und Tizombi beschäftigen sich wie immer mit Alltagsproblemen und ihren ungewohnten Auswirkungen. Erstaunlicherweise beschweren sich viele Leser*innen, wenn die Serien aus irgendwelchen Gründen fehlen, vergeben aber eher abwertende Noten. Nun ja, für mich gehören sie als Pausenprogramm dazu, haben aber auch ihren eigenen Reiz!

Den Reigen beschließen ein Interview zum Mord im Orient-Express und eines mit Dino Attanasio zu seinem Schaffen, ein Bericht über das Gold der Belgier in der ZACK-Edition sowie der Rückblick auf das ZACK vor 50 Jahren. Weiter so!

Dazu passen Duffy mit ihrer Version von „Tainted Love“ und ein Oberdorfer Helles.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

Seeßlen – Lucky Luke

Fast alles über den (nicht gar so) einsamen Cowboy und seinen Wilden Westen

Autor: Georg Seeßlen
Bertz + Fischer Verlag
Taschenbuch | 272 Seiten | Farbe | 18,00 €
ISBN: 978-3-86505-774-7

Vor einiger Zeit noch totgesagt, lebt das Western-Genre munter vor sich hin. Im Streaming entsteht gerade ein ganzes Universum von miteinander verknüpften Serien um das Spätwesternepos Yellowstone; im Comic haben etwa Die Blauen Boys und Lucky Luke den Schritt auf neue Kreativteams vollzogen, nachdem ihre Schöpfer verstorben sind. In Deutschland vergeht kaum ein Monat, in dem nicht mehrere neue Westerncomics veröffentlicht werden.

Cover Seeßlen - Lucky Luke

Der wohl berühmteste europäische Cowboy

Es gibt eine ganze weitere Reihe von bahnbrechenden, erfolgreichen und guten europäischen Westernserien: Jerry Spring, Blueberry, Buddy Longway, Yakari, Chinaman, Durango aber auch Manos Kelly, Tex oder die Western von Serpieri. In das Allgemeinwissen hat sich aber der Cowboy, der schneller schießt als sein Schatten integriert: Lucky Luke! Erfunden wurde er als Figur von Morris (Maurice de Bevere), seine erste Hochform hat er allerdings erst mit den Szenarios von René Goscinny erlangt.

Seeßlen beschreibt in seinem Werk nicht nur die allgemeine Entwicklung des Westerns als Kunstform, ausgehend von (Heft-)Romanen und Filmen über Pulps und TV-Serien bis hin zum Comic, er arbeitet auch sehr verständlich die Hauptbestandteile dessen, was einen Western eigentlich ausmacht, heraus. Diesen Kanon überprüft er dann wiederum anhand der Lucky-Luke-Geschichte. Dabei geht er auf die Entwicklung der Serie ein, die sich über die Jahrzehnte den jeweiligen Anforderungen des Publikums zwar angenähert hat, niemals aber darauf eingelassen hat, zeitgebunden zu werden.

Für Fans des Genres ist es spannend nachzuvollziehen, wie der Aufbau einer Westerngeschichte fast schon formelhaft ablaufen kann. Man nehme ein paar Ingredienzien, mixe sie im richtigen Verhältnis, köchele ein wenig und fertig ist das Gericht, äh, der Comic. Nun ja, ganz so einfach ist es dann doch nicht! Und Seeßlen beschreibt auch, warum manche Szenarios einiger Autoren einfach eben nicht funktionieren.

Die Serie im Besonderen

Neben den Erläuterungen über den Western als Solches geht Seeßlen detailliert auf jeden einzelnen Band der Serien Lucky Luke, Rantanplan, Lucky Kid und der Hommage-Bände ein. Er gibt jeweils den Inhalt wieder, reichert das mit sehr persönlichen Kommentaren an und lässt uns sogar wissen, welches sein Lieblingsbild in dem Band ist.

Fans der Serie erhalten so einen sehr konzentrierten Überblick, der ein Lexikon ergänzen kann. Die Bewertung bezieht sich dabei auf die aktuellen Veröffentlichungen bis zu Band 101 und der zweiten Hommage von Bonhomme.

Top-Tipp!

Der Band ist eine gute Ergänzung sowohl zu den allgemeinen Werken über Western-Comics, etwa von Alexander Braun (Going West!, Staying West!), aber auch zu dem offiziellen Lucky-Luke-Lexikon. Seeßlen schafft es, viele Inhalte verständlich zu erklären, lässt seine eigenen Vorlieben deutlich erkennen, und pickt einen überschaubaren Ausschnitt aus dem Riesen-Thema. Der Band enthält 92 Fotos, die teilweise einen anderen Fokus haben als die bereits hinlänglich bekannten.

Wer sich nicht nur für das Lesen von Comics interessiert, sondern etwas darüber wissen möchte, sollte hier einen Blick riskieren! Von Seeßlen ist im Übrigen im gleichen Verlag auch schon ein Band über Herge und Tim und Struppi erschienen.

Dazu passen Elvis Presley mit seinem „Lonesome Cowboy“ und ein Whiskey.

© der Abbildungen2023 by Bertz + Fischer GbR, Berlin

Reddition 78 – Das Spirou-Magazin in den 80-er Jahren

Die „neue“ Marcinelle-Schule

Herausgeber: Volker Hamann
Verlag Volker Hamann, Edition Alfons
Heft Din A 4 | 84 Seiten | Farbe | 12,00 €
ISSN: n/a

Cover und Beilage Reddition 78

Über die „alte“ Marcinelle-Schule und die Stars des Spirou-Magazins wie Franquin, Peyo oder Morris ist schon viel geschrieben worden, auch in der Reddition. Die Künstler prägten den frankobelgischen Comic über Jahrzehnte und hatten einen großen Anteil daran, die Kunstform zu etablieren. Spirou hatte jedoch einen weiteren Höhenflug Ende der 70-er bis Ende der 80-er Jahre, der wesentlich zu der heutigen Wahrnahme von Comics beigetragen hat, denn diese werden nicht mehr (nur noch) als Kinderkram betrachtet.

Die Voraussetzung

Jede lebendige Gemeinschaft von Künstler*innen benötigt ein Umfeld, das Kreativität ermöglicht und fördert und Neues ausprobieren möchte. Zwei Dinge sind dafür essenziell: ein Redaktionsleiter, der junge Talente erkennt, um sich versammelt und ihnen den Rücken stärkt, und ein Medium, das wahrgenommen wird. Das Spirou-Magazin hatte wie alle Comic-Journale an Auflage verloren. Die Kundschaft hatte zwar weiterhin ein großes Budget zur Verfügung, verteilte dieses aber auf eine größere Bandbreite. Trotzdem verkaufte das Magazin noch zwischen 125.000 und 200.000 Exemplaren pro Woche und war damit alles andere als ein Nischenprodukt.

Reddition 78 page 04

Als Herausgeber, der für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich war, fungierte zunächst Alain De Kuyssche, später ein Kollektiv, aus dem dann nur noch Phillipe Vandooren übrigblieb. De Kuyssche war derjenige gewesen, der das Heft für junge Talente geöffnet hatte und auch denen Publikationsfläche bot, die noch keine Stars waren. Diese Zeit wird von Volker Hamann und Roland Mietz ausführlich einführend beschrieben.

Die Stars

Dem folgen – wie langjährigen Leser*innen der Reddition bekannt – sehr ausführliche Artikel zu den einzelnen Künstlern, von denen heute die meisten zu den Stars der aktuellen Szene zählen. Tome & Janry gehören dazu, die nicht nur die namensgebende Serie „Spirou“ revolutioniert haben, sondern mit „Der kleine Spirou“ auch das Thema der leicht anstößigen Gags in die Zeitschrift für Kinder gebracht haben (Michael Hein). Falk Straubs Artikel über Frédéric Jannin würdigt einen hierzulande eher unbekannten Künstler bevor erneut Volker Hamann auf Frank Pé eingeht. Dieser hat nicht nur die Darstellung von Tieren im Comic auf ein neues Niveau gehoben und mit Jonas Valentin einen Bestseller kreiert, sondern auch mit Die Bestie dem Marsupilami eine erwachsene Version an die Seite gestellt.

Reddition 78 page 40

Stefan Schmatz darf dann sowohl Yann & Conrad und ihre Helden ohne Skrupel vorstellen als auch den beiden eigene Artikel widmen, die ihre nicht mehr gemeinsame Zeit beschreiben. Yann ist einer der vielseitigsten und erfolgreichsten Szenaristen, Conrad als der Asterix-Zeichner der kommerziell wohl erfolgreichste aktuelle Zeichner.

Auch Bernard Hislaire, am bekanntesten wohl durch Sambre, erhält einen Artikel von Jan Raidner. Den Abschluss macht erneut Volker Hamann mit einem ausführlichen Artikel über Frank Le Gall, den Schöpfer von Theodor Pussel. Von diesem Zeichner stammt auch die Beilage für Abonnent*innen der Reddition, die die Geschichte „Jahresende“ als Sonderdruck erhalten. Zum festen Repertoire der Zeitschrift gehören die ausführlichen Comicographien, die dieses Mal den Serien Jonas Valentin und Theodor Pussel gewidmet sind.

Ein kompetenter Überblick

Mittlerweile gibt es für Comic-Fans viel mehr Möglichkeiten, sich zu informieren. Das Netz ist immer nur einen Klick entfernt und selbst fremdsprachige Artikel lassen sich schnell zumindest so weit übersetzen, dass man den Sinn erahnen kann. Ein so umfassender Überblick wie in den Dossiers der Reddition erfordert dagegen schon sehr viel mehr Mühe, will man das Ganze selbst erledigen. Insofern ist ein Magazin (mit dieser Ausrichtung) unverzichtbar!

Reddition 78 page 70

Geballte Sachkompetenz, lesbar aufbereitet und ausführlich illustriert zu Themen, die für Comic-Fans immer interessant sind, ist durchaus ein Alleinstellungsmerkmal! Aus diesem Grund taucht die Reddition auch regelmäßig in der Jahresbestenliste von comix-online auf! 24 Euro im Jahr sind für diesen Quell der Information inklusive eines limitierten Goodies absolut angemessen. Ein Abo ist allen zu empfehlen!

Dazu passen Ian Dury and the Blockheads mit „Hit me with your Rhythm Stick” und ein Herrnbräu Tradition.

© der Abbildungen Cover © 1987 Le Gall, Spirou, Fantasio, Marsupilami 2023 Editions Dupuis, sowie bei den jeweiligen Autoren und Verlagen / Verlag Volker Hamann, Edition Alfons 2023

ZACK 295 (Januar 2024)

ZACK 295

Herausgeber/Chefredaktion: Georg F. W. Tempel

Blattgold Verlag

Heft Din A 4 | 92 Seiten | Farbe | 9,00 €
ISSN: 1438-2792

Cover ZACK 295

Ein neues Jahr, ein neues Glück oder so ähnlich … Comix-online wünscht allen aus der Generation ZACK ein frohes Neues Jahr!

Auf jeden Fall solltet ihr an der Wahl der ZACK-Serie des Jahres 2023 teilnehmen. Das geht entweder über den im Heft abgedruckten Coupon oder online. Ich bin gespannt, wie das Voting ausfällt, habe ich doch meine klaren Favoriten!

Die Fortsetzungen

Felix Sauvage ist ein französischer Hauptmann, der seine Klappe nicht halten kann. Dementsprechend wird er auf ein Himmelfahrtskommando geschickt, zusammen mit seinem Rivalen Hugon. Dieser wird schnell als Spion enttarnt, es droht ihm somit die Exekution. Black Cavalera ist eine sehr spannende Geschichte aus einem eher unüblichen Teilbereich des Western-Comics von Yann, unverwechselbar in Szene gesetzt von Félix Meynet. Die Kolorierung ist allerdings Geschmackssache. Die Serie ziert das Januar-Cover.

ZACK 295 page 5

Die zweite Staffel von Michel Vaillant ist bereits bei Band 11 angekommen, Cannonball ist ein (illegales) Straßenrennen quer durch die USA zu dem Michel von einem bekannten Blogger herausgefordert worden war. Mittlerweile ist klar, was mit den Autos während des nächtlichen Überfalls kurz vor dem Start passiert ist: Der Wagen wurde gehackt und Michel wird gezwungen, sich an einem Anschlag zu beteiligen. Die (von Marc Bourgne & Olivier Marin tadellos umgesetzten) Rennszenen dienen Dennis Lapière erneut nur dazu, einer viel größeren Geschichte einen tollen Rahmen zu geben. Vielleicht mehr Netflix als Jean Graton, aber eine echte Bereicherung!

ZACK 295 page 23

Madi ist ein Science-Fiction-Projekt von Alex de Campi & Duncan Jones. Es war einmal in der Zukunft berichtet von Menschen, die ihren Körper optimieren und sich teilweise als Söldner verdingen. Das bedeutet jedoch ständige online-Verfolgbarkeit, die zumindest dann sehr hinderlich ist, wenn man nicht nach fremden Regeln spielen möchte. Durchaus spannende Geschichte, die durch den Stilmix herausfordert. Die aktuellen Teile stammen von Pia Guerra & Matt Wilson sowie Glen Fabry & Adam Brown. Möglicherweise ist das Ganze zu „englisch“ für die frankobelgisch geprägte ZACK-Leser*innenschaft. Ich bin gespannt auf die Jahreswertung!

ZACK 295 page 39

Libertalia erzählt die Geschichte von Freiheit und dem Mut zu Veränderungen angesichts von untragbaren Verhältnissen. Der gesuchte Olivier Mission ist der letzte überlebende Offizier auf seinem Schiff und übernimmt das Kommando, die Gefahren für Leib und Leben der Besatzung enden damit aber keinesfalls. Fabienne Pigière & Rudi Miel lassen sich in Triumph oder Tod Zeit, die Seefahrt und ihre Herausforderungen zu beschreiben und gleichzeitig auf die Verfehlungen des Adels einzugehen. Ihre klare Wertung wird von Paolo Grella sehr detailverliebt umgesetzt. Stilistisch liegt Libertalia irgendwo zwischen Sauvage und dem klassischen frankobelgischen Stil.

ZACK 295 page 55

Der Abschied

Der erste Teil von Movie Ghosts geht zu Ende. Wird Jerry Fifth es schaffen, seiner Geliebten, einem Geist, die Ruhe zu schenken, die sie braucht, um Hollywood endlich verlassen zu können? Dafür muss er zunächst aber selbst am Leben bleiben was durchaus nicht einfach ist! Stephen Desberg hat mit Sunset … und weiter ein weiteres Mal seine Vielseitigkeit bewiesen! Die Verknüpfung von Krimi und Thriller-Elementen mit dem Mystery-Touch, angesiedelt in Hollywoods Traumwelt ist ein sehr schöner Einfall, der von Attila Futaki sehr passend umgesetzt wurde. Wie gut, dass das ZACK nicht immer nur auf eingefahrenen Pfaden wandelt, sondern Neuentdeckungen wie diese einbringt!

ZACK 295 page 76

Und sonst?

Dazu kommen gleich mehrere Gag-Serien: Parker & Badger, Tizombi, Grott & Bott und StarFixion. Letzteres ist eine echte Bereicherung gegenüber den Vorläuferreihen! Die inhaltlichen Beiträge beleuchten das ZACK vor 50 Jahren, stellen Shunas Reise und die neue ZACK-Edition-Serie Rio vor und gehen auf das Jari-Michel-Vaillant-Crossover in ZACK-Spezial 10 (Rezensionen folgen) ein.

Glücklicherweise ändert sich im neuen Jahr nicht alles, das ZACK bleibt. Comix-online hat es gerade zur besten Magazin-Veröffentlichung des Jahres 2023 gekürt. Wenn es so weitermacht, wird es schwierig werden, es von diesem Platz zu verdrängen.

Dazu passen Chelsea (Be What You Want To Be) und ein Vielanker Winterbock.

© der Abbildungen 2024 bei den jeweiligen Autoren und Verlagen c/o Blattgold GmbH

error: Content is protected !!