Mora/Giménez – Dani Futuro 2

Wenn das Monster angreift

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-022-6

Wie bereits zu Band 1 erwähnt ist der spanische Science-Fiction Klassiker Dani Futuro zurück auf dem deutschen Markt. Der All Verlag präsentiert erstmals alle Geschichten in acht einzelnen Hardcover, ergänzt mit weiteren Illustrationen und Interviews.

Die Geschichten in Band 2

Die titelgebende Geschichte Wenn das Monster angreift eröffnet den Reigen. Sie ist etwas besonderes denn nur zwei der Stories stammen nicht aus der Feder von Victor Mora und dieses ist eine davon: Luis Vigil Garcia war integraler Bestandteil der spanischen Science-Fiction Gemeinde und durfte sich auch an Dani beteiligen. Aufgrund einer notwendigen Reparatur nimmt die Galaktos eine Umlaufbahn um einen Asteroiden ein. Dani und iris erkunden den Himmelskörper und müssen feststellen, dass seine kleinen Bewohner*innen von einem Monster terrorisiert werden. Schnell finden sie heraus, dass es sich scheinbar um einen fehlfunktionierenden Kampfcyborg handelt.

Auch die totgeweihte Stadt ist ein wenig zukunftskritisch. Eine ehedem sehr florierende und wohlhabende Welt ist aufgrund wieder aufgebrochener vulkanischer Aktivität dem Untergang geweiht. Wie wir es auch heutzutage erleben dürfen gibt es immer irgendwelche Spinner die Veränderungen, seien sie noch so lebensnotwendig, als Eingriff in ihre „Rechte“ sehen und sich dagegen wehren.

Als wäre das noch nicht genug, stürzen Dani und Iris auf dem Planet der Vergangenheit ab. Es handelt sich um eine mittelalterliche Welt ohne Technik und der eine oder die andere mag sich das alte Star Trek-Wissen hervorholen: Einmischung in solche Zivilisationen führt immer zu kritischen Situationen.

Dazu gibt es wieder viele Titelbilder aber auch Hintergrundinformationen von Dr. Anselm Blocher, der auch Hinweise auf versteckte Referenzen gibt.

Das Artwork

Es gibt wahrscheinlich grundsätzlich zwei Reaktionen auf die Zeichnungen von Carlos Giménez: Ein kleiner Teil wird sagen, dass diese bunte, mit formen und Farben spielende und Regeln missachtende Kunst des Guten zu viel sei. Die (hoffentlich) größere Gruppe wird sich daran erfreuen und vor jedem Umblättern überlegen, was jetzt wohl kommen mag.

Trotz aller pessimistischen Zwischentöne sind die Zeichnungen optimistisch, Mut machend und Freude verbreitend! Der All Verlag hat sich mit der Kolorierung Mühe gegeben und viele Seiten liebevoll restauriert und das Resultat beweist, dass es sich gelohnt hat! Natürlich atmen diese Zeichnungen Zeitgeist, allerdings den gleichen, den auch etwa Valerian und Veronique anfangs verströmt haben und das ist ja nicht verkehrt. Während Raumschiffe heute sehr technisch aussehen müssen und ihre Funktion visualisieren, war damals viel mehr Flexibilität möglich.

Ein Cyborg kann daher gefährlich wirken und die Zähne fletschen, um gleich auf der nächsten Seite fast zu einem Blumenkind zu mutieren. Giménez bringt genau diese Wandlungsfähigkeit zum Ausdruck und nutzt Farben, Umgebung und Geschwindigkeit der Sequenzen, um Stimmungen zu transportieren.

Fazit

Muss man das haben? Ja, irgendwie schon! Als Science-Fiction-Fan sowieso, denn diese klassische Serie vermittelt ein Feeling, dass es heute so nicht mehr gibt. Wer spanische Comics mag wird auch zuschlagen wollen. Eine Graphic novel mit einer tiefschürfenden Auseinandersetzung mit der damaligen politischen Situation wäre undenkbar gewesen aber es finden sich auch hier sehr versteckte Andeutungen. Zudem atmet diese Serie den Geist des Übergangs aus den 60-ern in die 70-er. Es gibt keine Grenzenlose Zukunftsgläubigkeit mehr. Viele Ideen und Hoffnungen haben sich buchstäblich in Rauch aufgelöst und das Erwachen aus dem Rausch war manchmal schmerzhaft.

Nicht, dass hier ein falscher Eindruck entstehet: Dani Futuro ist keineswegs pessimistisch, aber die Serie ermöglicht zwischen den Bildern einen kleinen Blick auf die Frage, ob das alles so richtig ist, was passiert.

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Natürlich ist selbst die normale Ausgabe wieder als Hardcover ausgeführt und handwerklich gut gemacht. Dazu gibt es wie immer eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem Ex Libris.

Begleitend ein Maracuja-basierter Ipanema und guter alter Merseybeat von  Gerry and the Pacemakers (R.I.P.).

© der Abbildungen 1970 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

Mora/Giménez – Dani Futuro 1

Das verschollene Raumschiff

Story: Victor Mora
Zeichnungen: Carlos Giménez

All Verlag

Hardcover | 56 Seiten | Farbe | 15,80 € |

ISBN: 978-3-96804-020-2

Ende 1969 begrüßt ein Jugendlicher die Leser*innen des spanischen Magazins Gazeta und weist daraufhin, dass bald seine Abenteuer im Weltall beginnen werden. Im kommenden Jahr ist es dann soweit und Dani Futuro erlebt seine Abenteuer. Gleich am Anfang steht die Origin: Während eines Fluges zu seinem Vater stürzt Dani(el) über dem ewigen Eis ab. Er verbringt 135 Jahre im Tiefschlaf und wird dann von Basil Dosian in das Leben zurückgeholt.

1972 und nochmals 1974 fand der weißhaarige Jüngling seinen Weg auf die Seiten des Koralle-ZACK, 1983 erschienen die ersten drei Alben bei Semic, einem Carlsen Ableger. Ja und nun, 37 Jahre später, kehrt der Überlebende zurück und wird im All Verlag von Ansgar Lüttgenau erstmals komplett in 8 Einzelbänden veröffentlicht werden. Das Comeback des Jahres!

Die Geschichten

Der erste Band Das verschollene Raumschiff enthält zunächst einmal einführendes Material: Dr. Anselm Blocher erzählt von den Hintergründen, die zu der Story geführt haben, dem Konkurrenzdruck auf dem spanischen Markt und den schwierigen Anfängen. Dazu werden viele Abbildungen nicht nur von Magazin-Covern präsentiert, sondern auch die farblichen Unterschiede zwischen der französischen und der spanischen Variante aufgezeigt. Vorbildlich für eine Gesamtausgabe. Was fehlt sind einzig die Angaben zu den Veröffentlichungen der einzelnen Geschichten.

Victor Mora hat einzelne, kurze Geschichten geschrieben, die die Figur des Überlebenden und die wissenschaftlichen Hintergründe zunächst langsam einführen. Der Junge begreift sich in seiner neuen Umgebung zu der neben seinem „Erwecker“ Dosian auch dessen Nichte Iris gehört langsam, geht dann aber mit Übermut freudestrahlend auf die neuen Möglichkeiten zu. Dadurch kann er verschiedene Rollen übernehmen: die des Überraschten, die des verspielten aber auch die des Retters.

Zur Unterstützung bringt Mora immer wieder abstruse Ideen ein: ein beleidigter Roboter zieht einem Gast den Teppich unter den Füßen weg, zwei andere künstliche Wesen scheinen nichts anderes zu tun als (schrecklich) zu singen und der Weltraumfahrer Kohl heißt so, weil er nur seinen eigenen, in der Rakete gezüchteten Kohl ist.

Die Zeichnungen

Anfang der Siebziger hatte sich die Gesellschaft gerade geändert: Flower Power und Pop Art, das Ausmisten der Gesellschaft und ein starker Fortschrittsglaube hatten überall neue Ideen aufkommen lassen und so konnte selbst im Spanien unter Franco eine Comic-Kultur entstehen, die vor Farben und Formen nur so explodierte. Carlos Giménez hat in Dani Futuro wirklich viel experimentieren können und so sind die Zeichnungen auch heute noch ein Genuss!

Für die Leser*innen damals muss das aber neben den strengen sonstigen Serien in Tintin oder ZACK befremdlich gewirkt haben, ging es doch sogar über die Innovationen in Valerian hinaus. Und für die wirklich innovativen Magazine war das anvisierte Publikum zu jung.

Die Empfehlung

Für uns heutige Leser*innen ist die Serie auf jeden Fall ein Kleinod, das seine Fans finden wird. Wie immer bringt der All Verlag handwerklich überzeugende und inhaltlich gut strukturierte Gesamtausgaben in Einzelbänden heraus. Das Layout ist gut durchdacht, die ergänzenden Beiträge fügen sich perfekt ein und für die Sammler*innen gibt es wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit signiertem ExLibris!

Ex Libris der Vorzugsausgabe

Für alle Fans von nicht dystopischer Science-Fiction, jung gebliebene ZACK-Leser*innen und alle, die Comics mögen, die ein wenig gegen den Strich sind!

Dazu passen ein langsam die Farbe wechselnder Maui Mule und Glam Rock, etwa von den alten Sweet!

© der Abbildungen 1969/70 Victor Mora & Carlos Giménez, 2020 All Verlag

Madsen/Kure – Walhalla 2

Die gesammelte Saga Band 2

Story: Peter Madsen nach Hans Rancke, Per Vadmand & Henning Kure
Zeichnungen: 
Peter Madsen

Edition Roter Drache

Hardcover | 196 Seiten | S/W und Farbe | 40,00 € |

ISBN:   978-3-96815-006-2

Tja, zur Gesamtausgabe und den Hintergründen der Serie habe ich alles schon in der Besprechung des guten ersten Bandes gesagt. Die nordischen Götter stehen im Mittelpunkt wie auch die Göttinnen, Riesen und einige Menschen natürlich auch. Es geht den Autoren vor allem um eine moderne Darstellung der nordischen Mythen, abseits von verstaubten Texten und mit Schalk im Nacken neu erzählt.

Ein Film versetzt den Schwerpunkt ein wenig

Und doch kommt im Leben alles immer anders. Der große Erfolg der Serie hat damals (wie heute) alle überrascht und so verwundert es nicht, dass der Wunsch nach laufenden Bildern aufkam. Was im Comic funktioniert muss aber auf der Leinwand noch lange nicht passen und andersrum natürlich genauso. So musste erst einmal viel Arbeit in die Planung des Films gesteckt werden. Das eigentliche Konzept, für ein Album auf ein oder zwei Mythen aufzusetzen, wollte für den Film nicht so recht passen, und so kam es, dass eine eigentlich als Nebenfigur erdachte Figur plötzlich im Mittelpunkt stand: Quark! Der kleine Riese ist nervig, quirlig, einfallsreich und somit perfekt für eine generationenübergreifende Hauptrolle geeignet.

Für den Comic musste die Filmstory überarbeitet werden um dem Serienkonzept wieder näher zu kommen und so wurde ein Zweiteiler daraus: Quark trumpft auf und Im Reich der Riesen erschienen als Band 4 und 5. Zunächst einmal lässt Loki, der immer mal ein bisschen über den Durst trinkt und dann mit den Folgen leben muss, sich reinlegen und muss den kleinen Quark mit nach Hause nehmen. Eigentlich soll natürlich er sich um die Erziehung kümmern, er schafft es aber, andere mit der Aufgabe zu belasten und auch noch Unfrieden zu säen. Das Ende vom Lied ist, dass alle Erwachsenen Quark so schnell wie möglich wieder loswerden wollen, die kleine Röskva aber seine wahre Natur erkennt und auch Tjalfi auf ihre Seite ziehen kann.

Schlussendlich beschließen Thor, Loki und die Kinder aufzubrechen um Quark Utgardloki zurückzubringen. Dabei werden sie von einer List der Riesen getäuscht (und hier ist dann wieder eine Mythe der Hintergrund) und müssen sich geschlagen geben. Dabei spielen ein Feuer, das Meer, die Midgardschlange und das Alter große Rollen. Und auch die Sache mit Quark findet ein positives Ende; die Autoren hatten keine Lust, den Quirl auch noch die Serie aufmischen zu lassen.

Den Abschluss dieses Bandes machen Die Goldenen Äpfel. Die Bewohner*innen Asgards sind keinesfalls vor den Unbillen des Alterns gefeit. Nur wenn sie jährlich von den goldenen Äpfeln Iduns essen bleiben sie jung. Es gibt eine Mythe über die Tochter eines Riesen, Skadi, die die Asen herausfordert und die Göttin Idun entführt. Eben diese Geschichte wird hier neu erzählt. Natürlich bringt Loki wieder alle in Gefahr und ebenso natürlich wird die Situation im Endeffekt wieder glücklich bereinigt werden.

Die Zeichnungen

Dankenswerterweise enthält die Gesamtausgabe so viel zusätzliches Material, dass einerseits Vorzeichnungen und Studien den Werdegang der Akteure nachvollziehbar machen. Es wird aber auch deutlich, welche Unterschiede zwischen Film und Comic bestehen und wieviel Arbeit notwendig war, beides glaubwürdig darstellen zu können.

Ansonsten lassen die Illustrationen erahnen, dass die Zeichnungen auch ganz anders hätten ausfallen können: erwachsener und düsterer. Man hat sich aber bewusst für diese familienfreundliche Version entschieden, die dem Inhalt eine möglichst weite Verbreitung erlaubt. Auch das ist eine Entscheidung, die nicht hochgenug gewertschätzt werden kann! Es geht nicht um Selbstverwirklichung wie in so mancher modernen Graphic Novel sondern um das gesteckte Ziel.

Trotzdem zeigen die Zeichnungen einerseits die Kinder und ihre Emotionen aber auch gleichwertig daneben die Ränke Lokis und die Unbeherrschtheit Thors und sind daher vielschichtiger zu lesen!

Die Wertung

Ich bin immer noch begeistert über den zusätzlichen Inhalt dieser Gesamtausgabe. Nicht nur werden die Hintergründe der Geschichten erklärt, die Illustrationen ermöglichen auch einen tiefen Einblick in Arbeitsweise und Entwicklung! Dazu kommt, dass alles neu übersetzt worden ist.

Die enthaltenen Originalbände

Es ist der Edition Roter Drache zu wünschen, dass die Ausgabe den Absatz findet, den sie verdient. Inhaltlich passt die Geschichte natürlich perfekt in das Verlagsprogramm, es ist aber in Deutschland immer noch ein Wagnis, Text und Bilderzählung nebeneinander zu stellen ohne die Purist*innen beider Seiten gegen sich aufzubringen. Danke für diesen verlegerischen Mut!

Dazu passen der Glühwein zuhaus und Musik von Rebecca Lou.

© der Abbildungen Edition Roter Drache, Peter Madsen, Henning Kure & Carlsen Verlag 2020

Heuvel – Kriegsgeschichten

Die Entdeckung, Die Suche & Die Rückkehr

Story: Eric Heuvel, Menno Metselaar, Ruud van der Rol, Hans Groeneweg und Lies Schippers

Zeichnungen: Eric Heuvel

Originaltitel: De Ontdekking, De Zoektocht, De Terugkeer

Kult Comics

Hardcover | 192 Seiten | farbig | 35,00 €

ISBN: 978-3-96430-099-72, VZA 978-3-96430-100-0

Jedes Leben hat prägende Momente. Für Eric Heuvel gehört dazu ein Illustrated Classics Comic-Heft über den Zweiten Weltkrieg zum 25. Jubiläum des Endes des Zweiten Weltkrieges. Es weckte nicht nur im Alter von 10 Jahren sein Interesse für Geschichte im Allgemeinen und diese Zeit im Besonderen, er sollte auch in seinem Beruf als Comic-Artist darauf zurückkommen. Waren es in Carbeau eher moderne Rechtsradikale in Nebenrollen, spielte der deutsche Angriff auf Rotterdam in den Meimoorden eine zentrale Rolle.

Heuvel ist aber auch bekannt für seine Educational Comics: Anfang diesen Jahrtausends bot sich endlich die Gelegenheit, mit dem Anne Frank Haus zusammen eine Geschichte über das Leben während des Krieges in den Niederlanden zu machen. Dem Künstler war es dabei wichtig, nicht nur diesen Aspekt darzustellen, sondern auch auf die Situation in Niederländisch-Ostindien, dem heutigen Indonesien einzugehen. So entstanden im Laufe der Zeit drei miteinander verknüpfte Bände die jetzt erstmals in einer Ausgabe publiziert werden: Kriegsgeschichten!

Blick in die europäische Vergangenheit …

Jeroen ist ein typischer Junge; er braucht noch Sachen für einen Flohmarkt und entdeckt auf dem Dachboden seiner Oma nicht nur eine alte Uniform sondern auch einen gelben Stern und Fotos aus den Kriegsjahren. Seine Oma Helena beginnt daraufhin von früher zu erzählen: Sie wohnte 1938 mit ihren Eltern in Amsterdam; ihr Vater war dort als Polizist tätig. In die Nachbarschaft zog ein aus Deutschland geflohenes jüdisches Ehepaar mit einer Tochter, Esther, in ihrem Alter. Die beiden wurden beste Freundinnen doch das währte nicht lag, denn die Deutschen überfielen und besetzten auch die Niederlande und schickten die Juden in sogenannte Arbeitslager im Osten. Die niederländische Polizei war von den Deutschen gezwungen worden, mitzumachen, und so war Helenas Vater an der Deportation der Nachbarn beteiligt. Helena und ein Bruder gingen in den Widerstand, der zweite Bruder als Kriegsfreiwilliger mit den Deutschen an die Ostfront.

Tatsächlich endet Die Entdeckung mit der Begegnung zwischen Helena und Esther, die gerettet worden war. In einem zweiten Strang wird von den Verwandten in Niederländisch-Ostindien erzählt. Schienen sie anfangs noch in einer glücklichen Position, änderte sich die Lage als die mit den Deutschen verbündeten Japaner die Kolonie überfielen und die dortigen Europäer in Lagern gefangen hielten.

Eine Begründung für den Comic war, dass viele heutige Schüler*innen mit Begriffen wie Hungerwinter oder Närrischer Dienstag nichts mehr anfangen konnten. Aus der Geschichte lernen kann aber nur, wer sie kennt und so sollte ein moderner Zugang geschaffen werden.

Teil Zwei, Die Suche, beschreibt dann genauer, wie Esther der Deportation hatte entgehen können. Viel Glück war im Spiel. Auch den Weg der meisten niederländischen Jüd*innen in die Vernichtung z.B. in Auschwitz-Birkenau finden wir in kindgerechten Darstellungen wieder. Heuvel hat sich in seinen Zeichnungen von Fotos aus der damaligen Zeit inspirieren lassen. Viele davon finden sich im Anhang der Ausgabe wieder. Um ein Wiedererkennen zu erleichtern, sind sie mit den Seitenzahlen der entsprechenden Verwendung im Comic versehen. Das Thema der Kollaboration und der offiziellen wie auch inoffiziellen Reaktionen darauf steht ebenfalls im Mittelpunkt.

Ein deutscher Blick auf diese Zeit und den Holocaust kann nur schamhaft sein. Deutsche Herrenrasse-Allüren gepaart mit Größenwahn und Vernichtungswillen dürfen nie wieder eine Rolle spielen. Der Comic stellt aber gleichfalls die Frage nach der Richtigkeit des Verhaltens der Niederländer*innen und seiner Alternativlosigkeit. Auch dort gab es Antisemitismus und persönliches Machtstreben. Durch die Einbettung in eine Familiengeschichte werden diese Fragen aber diskutabler und wollen ausdrücklich keine Schwarz-Weiß-Situation heraufbeschwören! Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Entdeckung als Geschenk der Niederlande an ihre Schüler*innen ausgewählt worden waren.

und in die koloniale Geschichte

Für die beiden ersten Teile hatten Heuvel und seine für den Text mitverantwortlichen Kolleg*innen Menno Metselaar, Ruud van der Rol, Hans Groeneweg und Lies Schippers die Unterstützung des Anne Frank Haus gewinnen können. Das Projekt war viel zu aufwendig um es ohne finanziellen Rückhalt durchführen zu können und so wurde auch das Bildungsministerium als Unterstützerin gewonnen. Bedingung dafür war aber, dass der indonesische Unabhängigkeitskampf ebenfalls thematisiert werden würde.

Die Rolle der Stiftung Anne Frank Haus, die in den ersten Bänden die inhaltliche Richtigkeit garantiert hatte, übernahm nun das Indisch Herinneringscentrum. Die im ersten Band schon angesprochenen Verwandten stehen im Zentrum der Rückkehr und wieder wird die damalige Zeit aus heutiger Zeit mit einem Besuch der Überlebenden eingeleitet. Die Niederländer*innen waren die kolonialen Besatzer*innen des heutigen Indonesiens. Obwohl einige sicherlich guten Willens waren, gab es die typische Rollenverteilung: Weiße Menschen waren die Oberschicht, Eingeborene hatten zu dienen. Dazwischen gab es eine Gruppe von Mischlingen die irgendwo in der Mitte zu verorten waren. Das Motto: Je Weißer, desto besser.

ExLibris der limitierten Vorzugsausgabe

Das änderte sich mit dem Angriff der Japaner. Diese hatten die Ideologie im Gepäck, dass Asiat*innen sehr gut für sich selber sorgen könnten. Tatsächlich wollten sie allerdings nur die europäische Zwangsherrschaft durch ihre eigene austauschen. Nach ihrer Niederlage blieb die Idee der Selbstorganisation und Indonesien wurde nach langen Kämpfen am 27. Dezember 1949 unabhängig. Auch hier gelingt es Eric Heuvel und Ruud Van der Rol, die Schrecken der Zeit in einer spannenden Erzählung zu verpacken, die die Grauen nicht ausspart aber auch nicht um der Effekte willen in den Vordergrund rückt. Die Familiengeschichte (und hier wieder mit einem Happy End) steht im Vordergrund und bietet die Basis für weitergehende Fragestellungen und Diskussionen. Und so wurde auch dieser Comic zum Geschenk der Niederlande an ihre Schüler*innen!

Die Ausgabe

Obwohl es sich hier um echte Educational Comics handelt, haben wir es gleichwohl mit drei Alben eines der größten und bekanntesten Zeichner aus den Niederlanden zu tun! Mit seinem modernen, die Klare Linie weiterentwickelnden Strich ist Eric Heuvel seit Jahren bei uns in Deutschland ein gefragter Künstler und die kürzlich erschienene Festausgabe Gezeichnet hat’s –  Eric Heuvel beweist eindrücklich seine Vielfalt und Meisterschaft. Kurzum: Man darf diesen Comic auch kaufen, wenn man einfach gerne gut gezeichnete Geschichten lesen möchte!

Die drei Bände sind vielfach übersetzt worden, waren aber nie als Einheit veröffentlicht worden. Diese Gesamtausgabe der Kriegsgeschichten ermöglicht aber erst den kompletten Einblick, der durch das beigefügte Dossier natürlich für Nicht-Inländer deutlich vereinfacht wird.

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Wer sich für den Zweiten Weltkrieg oder den Holocaust interessiert, kommt an dieser Ausgabe kaum vorbei. Zum Thema Kolonialismus bzw. Unabhängigkeitsbestrebungen gibt es bisher nicht viel, insbesondere dann, wenn versucht wird, beide Seiten darzustellen! Und: Geschichte spannend erlebbar zu machen gelingt oft nicht denn Ideologie, Vereinfachungen oder zu hohe Eingangsvoraussetzungen verhindern das regelmäßig. Hier passt das gut!

Für Sammler*innen gibt es wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit 2 signierten ExLibris und das ist ein Beweis für die hohe Qualität der Zeichnungen. Dazu passen Tee und Don Lego aus Indonesien!

© der Abbildungen 2020 Comic Combo, Leipzig / 2020 Uitgeverij L. /Eric Heuvel, Redhill Illustrations, Zaandam, 2003, 2007, 2010, 2018

Serienkompass Corto Maltese

Corto Maltese – Der Kapitän ohne Schiff

Texter: 1 – 12 Hugo Pratt, ab 13 Juan Diaz Canales; neue Reihe: Martin Quenehen

Zeichner: 1 – 12 Hugo Pratt, ab 13 Ruben Pellejero; neue Reihe Bastien Vivès

Reihentitel: Corto Maltese

Verlage Deutschland: Koralle, Carlsen, Ullstein, FAZ, Kult Editionen, Schreiber & Leser

Verlage Original: Erstveröffentlichung in diversen Zeitschriften in Italien und Frankreich; aktuell Editions Casterman

Aktuell 16 + 1 Bände; von 1967 – 1991; 2015 bis heute

Veröffentlichungsstatus in DE: Serie komplett erschienen

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Corto Maltese gilt international als eine der literarischen, herausforderndsten und besten Graphic Novels überhaupt. Ihre ersten Seiten wurden 1967 in dem Magazin Sgt. Kirk veröffentlicht. Der Aufbruch der Gesellschaft zu neuen Ufern war in vollem Gange und die Menschen waren nicht mehr bereit, alles unhinterfragt zu akzeptieren. Esoterik, Freie Sexualität, neue Lebensentwürfe, aber auch Interesse für Befreiungsbewegungen, Musik und Kunst aus anderen Kulturen abseits vom Kolonialismus brachen sich Bahn!

© 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium; 1974 Koralle Verlag

In Deutschland hat Corto Maltese eine bewegte Veröffentlichungsgeschichte. Den Anfang machte das (Koralle)ZACK 1974 mit einer farbigen Variante des ersten Teils. Hier scheiterte die anspruchsvolle Novel aber grandios und war bis heute die einzige Serie, die aufgrund von Leser*innenreaktionen abgebrochen wurde. Eine schwarz-weiße Fortsetzung im Comic-Forum brachte die Geschichte nach mehr als sechs Jahren Pause immerhin zu Ende. Anfang der 80-er erschienen bei Carlsen dann in falscher Reihenfolge insgesamt neun schwarz-weiße Ausgaben denen in den 90-er farbige Ausgaben folgten. In den 2000-ern folgten dann einige vierfarbige Bände bei Kult-Editionen, die die teilweise sehr voluminösen Sammlungen splitteten. Auch dieser Versuch endete aber vor einer Komplettierung.

2015 schließlich wagte der Hamburger Verlag Schreiber & Leser einen Neustart und startete sowohl eine farbige Reihe als auch eine parallele schwarz-weiße Klassik-Edition die im November 2020 mit dem Band 12 „Mu“ abgeschlossen wurden. Parallel dazu werden seit 2016 auch die neuen Abenteuer des Seefahrers aus der Feder von Juan Diaz Canales, gezeichnet von Ruben Pellejero in gleichen Aufmachungen veröffentlicht. Die bisher erschienenen drei Geschichten sortieren sich wie etwa auch bei Blake & Mortimer in die Chronologie der Pratt’schen Stories ein.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

„Es gibt immer etwas zu entdecken, immer ein Stück weiter weg, bis man wieder an seinem Ausgangspunkt ankommt…“

Die erste Geschichte Una ballata del mare salato, auf Deutsch Südseeballade, erzählt auf 200 Seiten die Erlebnisse des Kapitäns ohne Schiff zwischen 1913 und 1915. Cortos erster Auftritt ist dabei keineswegs der eines strahlenden Helden, denn er treibt, an ein hölzernes Kreuz gefesselt, hilflos im Pazifik. Von Anfang an ist damit klar, dass sich hier kein „Macher“ präsentiert, sondern eher einer, der seinen Platz sucht, den der anderen aber nicht schmälern will. Wir treffen hier auch schon auf Rasputin, eine Gestalt, deren Wege sich immer wieder mit denen des Titelhelden kreuzen werden. Beide sind in krumme Geschäfte verwickelt; der eine skrupellos und über Leichen gehend, der andere im Grunde romantisch veranlagt. Die zwischen 67 und 69 erschienenen Seiten wurden 1976 als Album produziert und sofort in Angoulême ausgezeichnet.

Nach dem überlangen ersten Band verlegte sich Pratt für eine Zeit darauf, Geschichten für Pif Gadget, ein kommunistisch orientiertes französisches Comicmagazin, zu verfassen. Da dort die Stories nicht über mehrere Ausgaben verteilt publiziert wurden, hatten sie jeweils eine Länge von 20 Seiten. Die so entstandenen 21 Kurzgeschichten wurden in den Alben Im Zeichen des Steinbocks, Und immer ein Stück weiter, Die Kelten und Die Äthiopier veröffentlicht. Diese Bände decken den Zeitraum des Ersten Weltkrieges ab.

Corto ist auf seinen Reisen immer dort, wo die große Weltgeschichte gerade auch ist. Er ist aber immer nur Randfigur und fügt sich somit in bekannte Settings ein, ohne zu stören, erlaubt aber trotzdem detaillierte, neue Blicke. Seine Reise führt zunächst in die Karibik, über Südamerika nach Europa und an das Horn von Afrika. Nie lässt Pratt seinen Helden einfach nur Abenteuer erleben; immer muss mindestens Romantik dabei sein. Diese kann sich dabei sowohl auf die direkt erlebte Natur beziehen, schließt aber auch amouröse Geschichten nicht aus. Natürlich enden diese niemals glücklich. Dazu kommen religiöse Fragen, politische und kriegerische Auseinandersetzungen (und damit die Frage nach dem Sinn derselben), Freundschaften und immer wieder Traumsequenzen. Die Reihe fordert die Leser*innen und verschließt sich dem einmaligen „Nebenbei-Lesen“ komplett.

Eine Sache steht aber ganz klar im Fokus: The Great War bzw der Erste Weltkrieg als solcher. Immer wieder gerät Corto zwischen die Fronten. Allerdings ist er nie Partei, sondern immer irgendwie daneben. Und so kann er mit Deutschen genauso Geschäfte zu Lasten der Engländer machen wie mit den Schotten und Italienern zulasten der Österreicher. Und so kann er genauso gut der IRA zu Waffen verhelfen wie den revolutionären Montenegrinern den Schatz ihres geflohenen Königs zurückbringen.

„Aber du lebst ständig eine Fabel und merkst sie nicht mehr. Wenn ein Erwachsener in die Welt der Fabeln eintritt, kann er sie nicht verlassen. Wusstest du schon?“

Neben den Action-Inhalten gibt es immer wieder Traumszenen, teilweise künstlich erzeugt, in denen klassische Sagengestalten wie Merlin auftauchen und die Realität hinterfragen. Diese Szenen sind auch grafisch anspruchsvoll umgesetzt und verbinden die schattenhaften Andeutungen mit einer Art von Flirren.

Die Weltgeschichte lässt den Seemann nicht los: In Sibirien hat gerade eine die Welt für immer verändernde Revolution stattgefunden und Corto trifft dort alte Bekannte und neue Frauen. Er wird allerdings auch verwundet als er versucht, den legendären Zug mit dem Goldschatz des Zaren an sich zu bringen. Über Umwege über die Mandschurei und Hongkong gelangt er wieder nach Europa um eine Venezianische Legende zu erleben! Etwas untypisch ist die Geschwindigkeit der Handlung, die Freimaurer, Schlägereien und die Suche nach einem Schmuckstück mit geheimnisvollen Kräften beinhaltet. Ja, und auch Träume, Diskussionen und Frauen.

Das Goldene Haus von Samarkand ist erneut eine Schatzsuche, diesmal führt uns Pratt auf die Spuren Alexander des Großen, aber auch wieder in ein politisches Großereignis. Kemal Atatürk versucht, eine moderne Türkei zu errichten. Wider Willen wird Corto in die Ereignisse hineingezogen, in denen sein Doppelgänger schon agiert. Nach all diesen Weltereignissen ist es gut, etwas Ruhe zurückzugewinnen. Band 9 springt daher zeitlich zurück in das Jahr 1904 und das Abenteuer einer Jugend. Wieder ist es allerdings ein Krieg, der den Hintergrund bildet für die einzige nicht vollendete Geschichte Pratts. Sie bietet trotzdem die erste Begegnung mit Rasputin und für die Literaturliebhaber einen an sich zweifelnden Jack London. Die aktuelle Ausgabe enthält auch die ersten Seiten der geplanten Fortführung.

„Sie haben noch immer nicht verstanden, dass die besten Antworten dann erfolgen, wenn niemand eine Frage gestellt hat. Das kapiert einfach keiner!“

1923 verschlägt es den Helden erneut nach Südamerika, genauer nach Argentinien. Der Ausgangspunkt ist natürlich eine der vielen Frauen im Leben des Kapitäns. Keine wird ihn binden können, doch immerhin eilt er aufgrund eines Briefes von Louise Brookszowyc zur Hilfe. Buenos Aires ist dann der finale Schauplatz sowohl einer Krimigeschichte als auch einiger titelgebender Tänze: Tango. Pratt versteht es meisterlich, die Stimmung dieses Tanzes in Bilder zu gießen. Dabei ist der Vergleich der beiden Versionen hier besonders ergiebig da die Farbe ganz andere Akzente setzt!

In vielen Maltese-Geschichten war Literatur allgegenwärtig und wurden immer wieder Anspielungen aufgeworfen. Wenn also Corto 1924 die Schweiz durchquert, darf eine Begegnung definitiv nicht fehlen und so ist Hermann Hesse mit von der Partie! Pratt verbrachte die letzten 11 Jahre seines Lebens in der Schweiz und setzte seiner Wahlheimat ein Denkmal. Den Beginn der Reise macht er zusammen mit Professor Steiner, doch dann tritt wieder einmal eine Frau dazwischen. Und dann ist da noch die Sache mit dem Jungbrunnen.

Die letzte Suche ist die nach dem verlorenen, irdischen Paradies und sie findet statt mit alten Freunden: Golden Rosemouth, Tristan Bantam, Soledad Lokäarth und selbstverständlich Rasputin. Das gerade erschienene Mu ist ein Stück Abschied für einen, der immer noch erwartet, gleich überrascht zu werden und nie aufgehört hat, zu suchen. Eine gewisse Unterstützung bieten dabei ein paar Pilze. Wir wissen aber aus anderen Quellen, dass Corto noch lebt. Eine Referenz lässt ihn am Spanischen Bürgerkrieg teilnehmen und das Ende der Südseeballade zeigt einen Brief über Onkel Corto. . .

„Was du wieder redest! In deinem Alter lesen vernünftige Leute nicht Gedichte wie kleine Mädchen.“

25 Jahre mussten vergehen bevor der verschollene Seemann wieder zwischen Buchdeckeln auftauchen durfte. Juan Diaz Canales schreibt seitdem die Szenarien und schickt Corto in die Lücken, die Hugo Pratt gelassen hat. Unter der Mitternachtssonne spielt 1915 und schließt an die Südseeballade an. Es verschlägt den Helden in die eiskalten arktischen Gefilde der USA und Kanadas. Passend zur Umgebung steht ein alter Bekannter erneut im Licht: Jack London. Damit folgt auch der Neustart des alten Narrativs der zyklischen Wiedernutzung bekannter Charaktere! Auch sonst gelingt es, den Ton zu treffen.

Äquatoria geht noch einmal weiter in die Vergangenheit und lässt Corto 1911 im Norden Afrikas agieren. Dabei stehen wieder eine schöne Frau und eine Schatzjagd im Mittelpunkt und die harmlos Kolonialismus genannte Vernichtungspolitik des alten Europas bietet den kriegerischen Rahmen. Tarowean ist die direkte Vorgeschichte zur Südseeballade, die schon auf dem Cover mit dem an das Andreaskreuz gefesselten Corto die Erwartungen weckt.

Nacht in Berlin spielt 1921 in Berlin und Prag und zeigt das Erstarken des Nationalsozialismus. Cortos Freund Prof Steiner wird ermordet und auf der Suche nach den Tätern gerät der Kapitän in eine Jagd auf eine besondere Tarot-Karte, die Aufnahmen für einen expressionistischen Film, politische Kämpfe und wird für einen anderen gehalten!

Unsterblich? – The next generation

In dem One-Shot Schwarzer Ozean von 2021 bringen Martin Quenehen und Bastien Vivès die ganze Entourage in die Jetztzeit. 2001 verdingt sich Corto als Pirat. Da er nicht für Geld Menschen töten will gerät er aber zwischen die Ränke einer politischen Sekte, eines Drogenkartells und zweier Geheimdienste. Auf der Suche nach einem sagenumwobenen Schatz spielen selbstverständlich auch zwei Frauen ihre Rolle.

Der Folgeband Die Königin von Babylon spielt weiterhin im Umfeld der Piraterie. Während einerseits ein Coup gegen internationale Waffenschmuggler gelingt, bleiben andererseits Wünsche unerfüllt. Den Hintergrund bilden die Kriege auf dem Balkan!

Die Zeichnungen

Pratt hat in gewisser Weise den europäischen Comic revolutioniert. Realistische Comics waren bis dato sehr detailreich angelegt und oft in hohem Tempo erzählt. Zudem war die schiere Länge der Südseeballade eine Art Affront. Corto Maltese brachte ganz neue Stimmungen mit sich, denn die Handlung stand weniger im Vordergrund als das Erleben der Natur, etwa wenn der Hai den Weg des Bootes lenkt oder wenn die Entdeckung eines sich nähernden Schiffes weniger relevant erscheint als die Tatsache, dass der Ausguck Stunden auf einer schwankenden Palme zugebracht haben muss. Pratts Figuren lesen Romane und unterhalten sich, die Panels sind nicht voll, denn die Umgebung ist oft genug nur angedeutet und doch ist die Natur in jeder Sekunde spürbar.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Noch deutlicher wird das natürlich in den als „Klassik-Edition“ bezeichneten schwarz-weiß Ausgaben. Kein farbiger Hintergrund lenkt von den Zeichnungen ab; oft sind es allein schwarze Flächen, die die Geschichte erzählen. Wer wirklich alles aus der Geschichte herausholen möchte ist daher gut beraten, sich beide Ausgaben zuzulegen!

Das bedeutet aber nicht, dass Pratt nicht akribische Vorarbeiten getroffen, das Material nicht ausgiebig gesichtet hätte. Das beweisen schon allein die vielen kleinen Vignetten, Zeichnungen und Skizzen die sicherlich auch zum Ruhm von Corto beigetragen haben. Und so ist der Start mit einem Vorwort und einer Vielzahl an eben diesen kleinen Bildern eine perfekte Einführung in die aktuellen Alben des Hamburger Verlages. Als Leser*in wird man so direkt in die Stimmung hineingezogen und eingegroovt.

Ruben Pellejero hat eine fast unmögliche Aufgabe übernommen. Purist*innen sind immer der Meinung, dass eine stilbildende Serie von niemand anders gezeichnet (und getextet) werden kann. Jede Rezension wird versuchen, Unterschiede zu finden und eine Besser/Schlechter-Wertung abzugeben. Fronten verhärten schnell. Meiner Meinung nach trifft Pellejero den Stil Pratts gut genug, um einen harten Bruch zu vermeiden und entwickelt sich langsam hin zu eigenen Markierungen. Die Zeichnungen sind etwas detailreicher, spielen etwas weniger mit Schatten, nehmen aber die Stimmung gut auf. Also: Eine gute Wahl der Lizenzinhaber die uns Leser*innen weitere Mischungen aus Abenteuer und Spiritualität verspricht!

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Die komplette Reihe bei Schreiber & Leser

NrTitelOriginaltitelzeitliche Einordnung
1SüdseeballadeUna ballata del mare salato1913 – 15
1Südeseeballade Klassik Edition
2Im Zeichen des Steinbocks (2 – 7)Sous le signe du Capricorn2-5: 1916
6-7: 1917
2Im Zeichen des Steinbocks Klassik Edition
3Und immer ein Stück weiter (8 – 12)Corto toujours un peu plus loin1917
3Und immer ein Stück weiter Klassik Edition
4Die Kelten (13 – 18)Les Celtiques13-16: 1917
17-18: 1918
4Die Kelten Klassik Edition
5Die Äthiopier (19 – 22)Les Èthiopiques1918
5Die Äthiopier Klassik Edition
6In SibirienCorto Maltese en Sibérie1918 – 20
6In Sibirien Klassik Edition
7Venezianische LegendeFable de Venise1921
7Venezianische Legende Klassik Edition
8Das Goldene Haus von SamarkandLa Maison dorée de Samarkand1921 – 22
8Das Goldene Haus von Samarkand Klassik Edition
9Abenteuer einer JugendLa Jeunesse 1904 – 19051904 – 05
9Abenteuer einer Jugend Klassik Edition
10TangoTango1923
10Tango Klassik Edition
11Die SchweizerLes Helvétiques1924
11Die Schweizer Klassik Edition
12Mu1925
12Mu Klassik Edition
13Unter der MitternachtssonneSous le soleil de minuit1915
13Unter der Mitternachtssonne Klassik Edition
14ÄquatoriaÈquatoria1911
14Äquatoria Klassik Edition
15Tarowean – Tag der ÜberraschungenLe jour de Tarowean1912 – 13
15Tarowean – Tag der Überraschungen Klassik Edition
16Nacht in BerlinNocturno Berlinés1921
16Nacht in Berlin Klassik Edition
NNSchwarzer OzeanOcéan Noir2001
NN2Die Königin von BabylonLa Reine de Babylone2002

Jeder Band hat zudem zusätzliche Illustrationen und einen Artikel in einem stabilen Hardcover und angenehm festen Papier. Die Seitenzahlen der farbigen und Klassik-Editionen weichen teilweise erheblich voneinander ab wenn die Geschichten mit der Kolorierung auch einen Layout-Wechsel zwischen drei- und vierreihiger Anordnung vollzogen haben.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Weiterführendes Material

Natürlich gibt es gerade zu diesem Ausnahmekünstler und seiner bekanntesten Serie eine Unmenge an Material!

Die aktuellste Bibliografie der Veröffentlichungen (auch in Deutschland) findet sich als Anhang eines Bandes von Erinnerungen des italienischen Künstlers. Warten auf Corto enthält die deutsche Übersetzung von Gesprächen Pratts mit seinem Freund de Rosa. Aus dem gleichen Verlag, der Edition Alfons, stammt auch die beste regelmäßige deutsche Sekundärzeitschrift, die Reddition. Die Ausgaben 26 und 41 widmen sich ausschließlich Ugo Eugenio Pratt, die 68 thematisiert Comics aus Argentinien und in diesem Zusammenhang eben auch Pratts entsprechende Schaffensperiode.

© 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Tja, und dann gibt es noch Micky Maltese von Giorgio Cavazzano, Bruno Enna und Alessandro Zemolin aus der Reihe der Disney-Hommagen von europäischen Künstlern. Fast schon selbstverständlicherweise referenzieren auch unzählige andere Comics, Romane und sogar Filme diese Serie und ihren Helden. Die verschiedenen (mehr oder weniger direkten) Umsetzungen in bewegten Bildern wären das Thema eines anderen Artikels.

Die Empfehlung

Über 1700 Seiten warten auf potenzielle Leser*innen! Nicht alle haben die gleiche Qualität, ja, vielleicht noch nicht einmal die gleiche Zielgruppe. Aber sie alle ermöglichen ein Lesevergnügen, das Anspielungen auf Literatur und Geschichte bietet, Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit verwischt, Helden und Antihelden ganz neu definiert und damit höchste Unterhaltung liefert! Da die Serie erstmals komplett vorliegt, kann jede*r selbst entscheiden, einzelne Titel antiquarisch zu erwerben oder die Serie peu a peu einheitlich zu vervollständigen. Ich würde empfehlen, dabei sowohl die farbige als auch die schwarz-weiße Klassik-Ausgabe zu begutachten und sich einzelfallbezogen zu entscheiden da sie sehr unterschiedliche Einblicke und Lesarten ermöglichen.

Corto Maltese nimmt an vielen Kriegen (passiv) teil – in den Wüstenskorpionen wird er erzählt, dass er im spanischen Bürgerkrieg ebenfalls anwesend war – er bleibt aber ein Gegner des von Regierungen befohlenen Schlachtens, ohne dabei zum Pazifisten zu werden. Er hat ein inniges Verhältnis zu Frauen und Literatur, ohne sich binden zu können und fordert Widerspruch heraus!

Kurzum: eine der besten Graphic Novels aus einer Zeit, in der dieses Wort noch keinen Hype bezeichnete!

Detail aus Band 6: In Sibirien – © 2015 – 2020 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium

Auf den letzten Seiten des Albums „Die Kelten“ erklärt Corto, dass er eigentlich nur nach Frankreich gekommen sei, um die Weine zu probieren. Dementsprechend sollte ein guter französischer Rotwein, vollmundig aber nicht zu schwer, exzellent als Begleitung dienen können. Musikalisch passt eigentlich immer entsprechende Folk-Musik zu den einzelnen Bänden – etwas romantisch, etwas schwermütig, verwurzelt in alten Geschichten aber gerne auch in moderner Interpretation!

© der Abbildungen 2015 – 2022 Schreiber & Leser Verlag, 1967 – 1995, 2016 – 2019, 2021 – 2022 Cong S. A., Switzerland /Editions Casterman, Belgium; 1974 Koralle Verlag

Serpieri –Tecumseh

Serpieri Collection – Western 4 – Tecumseh

Story: Raffaele Ambrosio, Paolo Eleuteri Serpieri, J. Ollivier
Zeichnungen: 
Paolo Eleuteri Serpieri

Originalausgabe

Schreiber und Leser

Hardcover | 160 Seiten | S/W und Farbe | 29, 80 € |

ISBN:  978-3-96582-040-1

Der vierte Band der Western-Kurzgeschichten in der Serpieri Collection ist sehr stark von einem Thema geprägt: Der sich deutlich abzeichnenden Vernichtung der indianischen Völker.  In den ersten drei Bänden standen Ehre, Auseinandersetzung mit der Natur und Vertrauen im Vordergrund. Diese positiven Charaktereigenschaften lassen sich auch hier finden, allerdings fast nur noch bei den Ureinwohnern. Vereinzelt sind allerdings auch Weiße noch zu Ehrlichkeit und Güte fähig. Mehr dazu bei Band 3.

Die Stories

Den Anfang macht eine Hommage an die Reiter des Pony Express die keine Gefahren gescheut haben um Post und Nachrichten quer durch das gefährliche Land zu transportieren. Auch der Bote transportiert Nachrichten, sogar eine die ihn selbst betrifft. Der eine oder die andere wird diese Geschichte schon vom diesjährigen Gratis Comic Tag zu Hause haben.

Im Gegensatz zu den anderen Bänden, die jeweils nur eine farbige Story enthielten, sind hier rund 80 Seiten koloriert. Geistertanz erzählt von einer indianischen Legende. Wowoka, ein Indianer, der auch der Messias genannt wird, hatte eine Vision vom Verschwinden der Weißen. Ein bestimmter Tanz werde dann die toten Krieger zurückbringen. Natürlich kennen wir das Ergebnis, die aus Furcht geborene gewalttätige Reaktion der Weißen ist aber leider noch nicht Geschichte.

Tecumseh war einer der charismatischen Führer der nördlichen Stämme. Ihm war klar, dass der Krieg auf militärischem Weg nicht zu gewinnen war, Er versuchte, Bündnisse zu schließen, und war bereit, Verträgen zu vertrauen. Auch hier wissen wir leider, dass Machtsucht und Profitgier Vertragstreue nicht zugelassen haben und dass Herrenmenschen dazu neigen, ihren Gegnern das Menschsein an sich absprechen. Diese Thematik bestimmt auch die Geschichten, die sich um „Gelbhaar“ Custer drehen: Custer am Little Big Horn sowie Sitting Bull und Crazy Horse stellen zwar den vernichtenden Sieg am Little Big Horn dar, haben aber eine zutiefst pessimistische Grundstimmung. Allen Beteiligten ist klar, dass dieser Sieg keine Wende bringen wird.

Aber auch bei den Eroberern gibt es verschiedene Fraktionen und Konflikte zwischen diesen. Auf in das gelobte Land beschreibt das Schicksal der Mormonen, einer extrem konservativen christlichen Glaubensrichtung und ihrem Versuch, selbständig zu bleiben. Hier zeigt sich, dass Serpieri Konflikte auch darstellen kann, ohne Position beziehen zu müssen. Hier bleibt er Beobachter ohne moralische Wertung!

Die letzten drei Geschichten machen dagegen ein wenig Hoffnung: Es ist klar, dass die indianische Kultur untergehen wird und ebenso, dass die meisten Weißen moralisch und charakterlich unterlegen sind. Es gibt aber auch Ausnahmen: Frauen können ehrlich und ritterlich sein und sich von Vorurteilen befreien und ganz vereinzelt können das auch Männer. Die Squaw mit dem goldenen Haar, Die Rache des Paw-Hawk und der Weg der Squaws erlauben den Leser*innen einen positiven Blick in die Zukunft der Menschen. Sie mag ärmer sein da das Zerstörte nicht wiederkommen wird, sie ist aber nicht notwendigerweise düster!

Die Zeichnungen

Serpieri hat eine Qualität als Zeichner, die es seinen Erzeugnissen erlaubt, das Dargestellte lebendig wirken zu lassen. Wenn die Indianer auf ihren Mustangs durch die Prärie jagen kann man sie fast hören. Wut und Verachtung in den Blicken lassen den eigenen Magen schrumpfen und die Schlachtszenen sind eindrücklicher als in so manchem Film. Dabei ist es egal, ob die Zeichnungen koloriert sind oder nicht! Sein Strich ist fein und die Schraffuren lassen die dritte Dimension einfließen.

Vor allem aber ist es dem Verlag zu danken dass die Originale in einer so guten Qualität präsentiert werden. Eine einzige Geschichte hat etwas zu dicke Linien die auf die Originale schließen lässt. Alle anderen sehen aus wie gerade gezeichnet und doch haben sie 40 Jahre auf dem Puckel und stammen häufig aus Zeitschriften.

Der Ruhm des italienischen Zeichners basiert hauptsächlich auf seinen Werken für Erwachsene aus der Druuna-Reihe. In seinen Geschichten über die Eroberung Amerikas und die Vernichtung der indianischen Kultur finden sich keine Hinweise darauf, sie ist sogar von einem tiefen Humanismus geprägt! Wer auch immer sich für dieses Genre interessiert sollte hier einen Blick hineinwerfen. JohnWayne und Ronald Reagan Fans werden allerdings eher nicht glücklich werden, finden aber vielleicht Anhaltspunkte, ihre Gedanken zu überprüfen.

Alle anderen finden einen sauber hergestellten Band mit gutem Papier und einer guten Auswahl an Geschichten!

Dazu passen ein Mate-Tee-Mischgetränk und eine andere, allerdings fröhliche Reminiszenz an vergangene Zeiten: Die Toten Hosen mit Leaning English lesson three.

© der Abbildungen 2020 Scheiber & Leser / Lo Scarabeo s.r.l.

Weyland – Aria Integral 5

Aria Integral 5 (1994 – 1997)

Text: Michel Weyland 
Zeichnungen: Michel Weyland

Originaltitel: Aria Integral 5– Ove | La Vestale de Satan | Vénus en colère | Sacristar

Kult Comics

Hardcover | 224 Seiten | Farbe | 35,00 € 
ISBN: 978-3-96430-055-3

Der nun schon fünfte Band der Geschichten um die weißhaarige Kriegerin Aria markiert einen Wendepunkt in der Geschichte. Die bisherigen Abenteuer waren bei Lombard erschienen und in Tinitin/Kuifje vorabgedruckt worden. Sie richteten sich daher auch an Kinder und Jugendliche. Bei Dupuis wurden die Geschichten nun sofort als Album publiziert und konnten daher eher an Erwachsenen gerichtet werden.

Von Anfang an hatte Michel Weyland die Serie sich entwickeln lassen. Seine Heldin war stark, mutig und selbstbewusst. Sie engagierte sich auf der Seite der Unterdrückten und Schwachen und damit oft genug auf der Seite der Frauen, ohne aber explizit feministisch zu sein. Oft genug waren aber patriarchalische Strukturen das Setting die Folter und Unterdrückung beinhalteten. Diese Szenen werden nun etwas deutlicher, gehen aber keinesfalls in eine Richtung, die sie für eine Veröffentlichung in der Schwermetall klassifiziert hätten.

Die Fantasy-Stories um Aria enthalten als weiteres verbindendes Element oft genug auch magische Bestandteile. Hier geht es aber nicht um Schlangengötter oder Dämonen, sondern um die leise Magie, die eher mit Romantik und der Verzauberung verknüpft ist. Genau diese Mischung macht die Serie so einzigartig! Mehr dazu in den Besprechungen zu Band 2 und 4.

Die Stories in diesem Band

Ove erzählt die Geschichte einer Frau, die wiedergeboren worden zu sein scheint. Sie lebt in einer Kultur, in der Frauen zwangsverheiratet werden. In der Hochzeitsnacht fällt sie in Ohnmacht und erwacht mit den Erinnerungen an eine glückliche Vergangenheit in der Frauen frei und anerkannt waren. Ihr Mann erlaubt ihr tatsächlich, Nachforschungen anzustellen. Schnell stellt sich allerdings heraus, dass die klerikale Oberschicht dieses nicht dulden wird. Auch Aria, die gerade auf der Durchreise ist, muss feststellen, dass allein reisende Frauen dort nicht willkommen sind und macht sich mit Ove zusammen auf die Suche nach ihrem ehemaligen Ehemann, der nach hunderten von Jahren noch zu leben scheint.

Tatsächlich lebt dieser noch und in Satans Garten erfahren wir auch das Geheimnis seines langen Lebens. Sein letzter Sohn fühlt sich nicht akzeptiert und stellt sich selber eine (neudeutsch) Challenge! Er will einen verfluchten, tödlichen Wald durchqueren, in dem sich eine alte Siedlung befinden soll und als Beweis einen goldenen Dachziegel zurückbringen. Zusammen mit Aria macht er sich auf den Weg. Sie hilft ihm zu erkennen, dass der Wald auf Stimmungen reagiert und alles Aggressive tötet. Wer aber in sich ruht wird die Passage schaffen. – Ein sehr spannender Zweiteiler, der das Thema des ewigen Lebens mal ganz anders angeht. Natürlich geht das nicht ohne Kosten, denn nichts ist umsonst, und es hat auch Nebenwirkungen. Parallel dazu beweist gerade die hier notwendige Friedfertigkeit wie anders Aria im Vergleich zu den typischen Fantasy-Comics ist. Schwertkampffähigkeiten sind notwendig, aber nicht immer richtig.

Originalband 18 führt uns zurück in die Vergangenheit von Aria – Die wütende Venus erzählt wie die kleine Aria, als Waise bei ihrem Onkel lebend, geraubt und versklavt worden ist. Mit einem Trick waren ihr sein Tod vorgegaukelt, ihm die Besitzrechte an dem Mädchen abgeschwindelt worden. Bei ihrem neuen Herrn wurden die Jungen zu Dieben, die Mädchen zu Prostituierten ausgebildet und mussten lernen, sich durchzusetzen. In Rückblicken erinnert sich Aria an die Demütigungen, aber auch an ihr Training mit dem Schwert und ihre Flucht aus dieser Hölle. Weyland schafft es, den Schrecken nicht auszusparen oder gar kleinzureden und doch auf Effekthascherei zu verzichten!

Den Abschluss bildet Sacristar, ebenfalls eine Geschichte über ein in der Jugend erlebtes Trauma. Ein Junge wird gezwungen, sich aktiv an der Steinigung seiner Mutter wegen Ehebruches zu beteiligen und schwört Rache. 40 Jahre später ist er in der Position dazu. Von den damals Beteiligten und ihren Nachkommen sind nur noch die Frauen am Leben, die gelernt haben, sich zu verteidigen. Nun beauftragen diese Aria, das Problem zu lösen. Eine Geschichte mit hohem Blutzoll und doch gelingt es Weyland, die Gewalt in Frage zu stellen.

Die Zeichnungen

Verglichen mit den vorherigen Bänden hat sich die Zeichenkunst Michel Weylands schon wieder weiterentwickelt. Wie gehabt gibt er sich große Mühe, auch die Nebenfiguren auf der Straße zum Leben zu erwecken und ihnen Individualität zu geben. Anfangs hatte man das Gefühl, dass bestimmte Nebendarsteller*innen immer wieder auftreten würde. Hier ist die Varianz viel breiter geworden! Auch die „Sprechrollen“ sind noch einmal detaillierter ausgefallen und haben viel mehr Bewegungsspielraum.

Aria (und auch andere weibliche Rollen) zeigen noch etwas mehr Körper, gehen auch öfter baden als früher. Natürlich ist Erotik ein Bestandteil der Serie und bezogen auf die Coverdarstellungen auch ein Verkaufsargument. Es geht aber gerade nicht um entwürdigende Darstellungen oder Machtmissbrauch, sondern um freie, eigenständige und solidarische Frauen und sollte daher auch noch mit heutigen Augen ok sein. Zudem hat die Heldin ständig die freie Entscheidung etwas zu tun bzw. den Willen, Fremdbestimmung nicht hinzunehmen.

Das Layout bewegt sich weiterhin in sehr klassischen Schemata und erlaubt nur wenig Freiheiten. Trotzdem schafft es Weyland, damit Emotionen, Geschwindigkeitsveränderungen und Spannung zu erzeugen! Natürlich trägt die Kolorierung seiner Frau Nadine dazu nicht nur unwesentlich bei!

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Die Ausgabe

Wie schon gewohnt enthält auch Band 5 wieder eine Menge an zusätzlichen Illustrationen da jede einzelne Geschichte von ein paar Vorzeichnungen und Überlegungen des Autors zum Hintergrund eingeleitet wird. Jeder Band hat auch sein Originalcover und für die beiden mittleren wird auch das ehemalige deutsche Epsilon-Cover mit abgedruckt. Die Bände 16 und 19 sind Deutsche Erstveröffentlichungen.

Dazu gibt es ein Interview mit Michel Weyland und zwei Kurzgeschichten aus dem Jahr 1980, die nicht im Zusammenhang der Serie stehen, die zeichnerische Entwicklung aber sehr schön verdeutlichen.

Detail Ex Libris der limitierten Vorzugsausgabe

Natürlich existiert auch wieder eine limitierte Vorzugsausgabe mit einem anderen Cover und einem sehr schönen signierten ExLibris. Wer also noch ein Weihnachtsgeschenk sucht für jemand, der oder die Fantasy abseits von Conan und Game of Thrones mag, liegt hier wahrscheinlich richtig!

Dazu passen The Corrs, weiblich, folkig, mainstream und doch eigensinnig und dazu ein Aperol mit Orange und Pro Secco.

© der Abbildungen 2020 Comic Combo, Leipzig / 1994, 1995, 1996, 1997 DUPUIS by Weiland (Michael)

Burn/Hurtt – Die Sechste Waffe 6

Gesamtausgabe Band 6: Geistertanz

Story: Cullen Bunn
Zeichnungen: Brian Hurtt

Originaltitel: US-The sixth Gun – Ghost Dance (30 – 35)

All Verlag
Hardcover | 160 Seiten | Farbe | 19,80 €
ISBN:  978-3-96804-006-6

Die Story

Ursprünglich war die im Original bei Oni Press erscheinende Serie mal als Western mit Mystery-Elementen gestartet. Sehr schnell hatte sich angedeutet, dass das Setting zwar im Western-Milieu angesiedelt war, auch die Kostüme der Held*innen dort ihre Herkunft hatten, der angedachte Handlungsbogen aber weit darüber hinaus ging.

Es gibt sechs mythische Waffen, die die Fähigkeit besitzen, Welten bzw. Realitäten zu zerstören und neu zu erschaffen. Die neue Realität hängt also sehr eindeutig davon ab, wer die Waffen in die Hände bekommt. Nicht alle Welten sind angenehm für diejenigen, die darin leben müssen und nicht in allen gibt es gleiche Chancen auf einen „Neuanfang“.

Becky, eine der Protagonistinnen, besitzt die Sechste Waffe und wurde auf eine Reise durch die Geisterwelt geschickt. Weder dürfen ihre Begleiter*innen sie aktiv aus dieser Reise herausholen, denn dann würde sie wahrscheinlich irreparablen Schaden nehmen, noch ist garantiert, dass sie diese Reise überstehen wird. Ihr folgen nicht nur Skinwalker und Hungrige Wesen, auch ihre Gegenspieler versuchen die Situation auszunutzen.

Auf ihrer Reise reist die Heldin durch verschiedenste Inkarnationen der Realität und trifft auf Ritter und Drachen, Geister, entartete Kreaturen aber auch auf eine friedvolle Idylle im Mittleren Westen.

Cullen Bunn hat lange auf diese Episoden hingearbeitet wie im dem Band beigefügten Interview deutlich wird und freut sich, alle Register ziehen zu können. Ihm ist dabei eine besondere Serie in der Masse der Mystery-Plots gelungen, die durch den Genre-Mix überzeugen kann.

Die Zeichnungen

Brian Hurtt gibt alles, um die verschiedenen Welten und Realitäten gegeneinander abzugrenzen und wird dabei tatkräftig durch die Kolorierung von Bill Crabtree unterstützt. In dem schon angesprochenen Interview erläutern die Künstler, welche Rolle dabei die Farben spielen. Gerade durch die Beispiele wird dieses sehr deutlich und ermöglicht noch einmal einen ganz anderen Blickwinkel!

Aber auch ohne diese Hinweise wird deutlich, wie stark sich der Stil und die Fähigkeiten des Zeichners im Laufe der Geschichte weiterentwickelt haben. Vereinzelt sehen Panels immer noch etwas unfertig aus, andere sind sehr detailreich, klar in der figürlichen Darstellung und Bewegung und wirken fast schon europäisch. Man merkt der Seire an, dass sie keine Auftragsware ist, sondern mit Herzblut geschrieben und gezeichnet wird.

Den Figuren sind die harte Arbeit und die schwierigen Bedingungen anzumerken. Sie sind nicht gestylt, haben keine Modelmaße und sollen nicht „schön“ sein. Sie sind ehrlich, haben überzeichnete Ecken und Kanten und sind sogar leicht karikierend dargestellt. Dadurch unterstützen die Zeichnungen aber die Geschichte und drängen sich nicht in den Vordergrund! Vom Aufbau her ist das Werk sehr klassisch: Jede Seite hat drei in ihrer Höhe variierende Panel-Reihen mit eckigen Kästen. Auch diese Ordnung unterstützt aber den Fluss der Geschichte, die von so vielen Regeln getragen wird. Zwar werden diese alle hinterfragt, das Leben läuft aber weiter.

Die Ausgabe

Wie immer bringt Ansgar Lüttgenau neben der regulären Veröffentlichung auch eine auf 111 Exemplare limitierte Vorzugsausgabe an den Start. Diese hat neben einem anderen Cover und einem Schutzumschlag wieder ein von Brian Hurtt signiertes ExLibris als Beigabe! Das ist durchaus eine Überlegung wert denn die Sechste Waffe gehört zu den „guten“ alternativen Serien von der anderen Seite des großen Teiches!

Dazu passen ein Gin Tonic mit Rosmarin und der etwas angestrengte Soul der Redskins!

© der Abbildungen  2020 All Verlag / Cullen Bunn and Brian Hurtt

Loisel/Tripp – Das Nest GA 1

Gesamtausgabe Band 1: Marie – Serge – Die Männer

Story: Régis Loisel & Jean-Louis Tripp
Zeichnungen: Régis Loisel & Jean-Louis Tripp

Originaltitel: Magasin Général – Livre 1

Carlsen Verlag
Hardcover | 248 Seiten | Farbe | 36,00 €
ISBN: 978-03-551-76095-1

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Das Nest ist eine weitere Glanzleistung des Franzosen Régis Loisel. Schon seine erste Serie Auf der Suche nach dem Vogel der Zeit eröffnete dem Fantasy-Genre neue Perspektiven. Mit seiner Interpretation von Peter Pan brachte er den Stoff zurück zu seinen Ursprüngen als Stoff für Erwachsene. Sein Partner Jean-Louis Tripp kommt ebenfalls aus Frankreich und ist bereits seit Jahren als Comiczeichner tätig, blieb auf dem deutschen Markt allerdings eher ein Geheimtipp. Seit mittlerweile fast 20 Jahren hat er eine Kunstprofessur in Quebec. Auch Loisel zog es nach Kanada und die beiden haben dort ein gemeinsames Atelier, in dem unter anderem ihre Gemeinschaftsarbeit Magasin Général entstanden ist.

Die Story

Loisel hatte schon länger die Idee, eine Erzählung über ein abgeschiedenes Dorf in der Vergangenheit zu erzählen. In gemeinsamen Gesprächen änderten sich sowohl die geographische als auch die zeitliche Verortung und so kam es zu dem kleinen Laden in Notre-Dame am See in der kanadischen Abgeschiedenheit in der Nähe von Quebec, der in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts den Mittelpunkt des Dörfchens bildet. Es gibt einen Pfarrer, der die Stelle gerade angetreten hat, einen Einsiedler und drei Witwen, die das konservative Rückgrat der Moral bilden. Der Besitzer des Ladens ist gerade verstorben und seine Frau Marie, eine Zugezogene, muss ihre Rolle neu finden. Die meisten Männer des Ortes sind die meiste Zeit des Jahres nicht anwesend, sondern verdingen sich „im Wald“.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Marie beschließt nach reiflicher Überlegung, den Laden in Eigenregie fortzuführen. Für die damalige Zeit ist das fast schon ein Affront, denn Frauen haben solche Dinge nicht zu tun. Es wird aber auch der Widerspruch deutlich zwischen den warmen Worten über den Verstorbenen auf der Beerdigung und den Aussagen über den Geschäftsmann und so hat Marie nicht nur mit den Vorurteilen gegenüber Frauen zu kämpfen sondern auch mit dem Unwillen von Handarbeitern gegenüber Handeltreibenden.

Im zweiten Band strandet ein Motorradfahrer, Serge, in dem Örtchen. Da Winter herrscht, die Straßen fast unpassierbar sind und die Maschine zudem erst repariert werden müsste, bleibt Serge in dem Örtchen und nimmt zunächst bei Marie Quartier. Der Pfarrer muss schließlich für die Befriedung im Ort sorgen, denn die moralische Instanz verbietet, dass Nebeneinanderher-Leben unter einem Dach von zwei unverheirateten Personen unterschiedlichen Geschlechts. Serge entpuppt sich als begeisterter Koch und startet eine Neuheit in dem kleinen Örtchen: Ein Restaurant.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Natürlich mögen die zurückkehrenden Männer des Dorfes die in ihrer Abwesenheit eingetretenen Veränderungen gar nicht. Gebildete Männer mit Umgangsformen gefährden das traditionelle Gefüge, vor allem in Zusammenhang mit der selbständigen Marie, die ebenfalls ein „schlechtes“ Vorbild abgibt.

Die Zeichnungen

Während die Story von beiden gemeinsam entwickelt worden ist, herrscht bei den Zeichnungen in gewisser Weise ein aufeinander aufbauender arbeitsteiliger Workflow vor. Zunächst erstellt Loisel in Form von Bleistiftzeichnungen seine Vorstellungen von der Seite, anschließend kreiert Tripp die Reinzeichnungen, die dann von Francois Lapierre koloriert werden. Dankenswerter Weise enthält die vorzügliche Gesamtausgabe auch ein paar Beispiele der originalen Entwürfe so dass die Entwicklung deutlich wird.

© 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Den Figuren sind die harte Arbeit und die schwierigen Bedingungen anzumerken. Sie sind nicht gestylt, haben keine Modelmaße und sollen nicht „schön“ sein. Sie sind ehrlich, haben überzeichnete Ecken und Kanten und sind sogar leicht karikierend dargestellt. Dadurch unterstützen die Zeichnungen aber die Geschichte und drängen sich nicht in den Vordergrund! Vom Aufbau her ist das Werk sehr klassisch: Jede Seite hat drei in ihrer Höhe variierende Panel-Reihen mit eckigen Kästen. Auch diese Ordnung unterstützt aber den Fluss der Geschichte, die von so vielen Regeln getragen wird. Zwar werden diese alle hinterfragt, das Leben läuft aber weiter.

Die Ausgabe

Dem ersten Band mit den Originalalben Eins bis Drei beigefügt ist neben den schon erwähnten Vorzeichnungen ein illustrierter Essay von Sarah Hurlburt über das Werk und seine graphischen und erzählerischen Symbole. Gerade für europäische Leser*innen ganz hilfreich!

Das im Hardcover verwendete Papier ist dick genug, um nichts durchscheinen zu lassen, aber trotzdem angenehm in der Hand. Die Farben sind leicht matt, aber kräftig und die Ausgabe daher sehr wertig! Da sich die einzelnen Bände auch nicht an die übliche 48-Seiten-Begrenzung halten ist angesichts des Umfangs auch der Preis vollkommen angemessen.

Das Nest wird auf dem Backcover als Graphic Novel angepriesen. Im eigentlichen Sinne ist es das auch, denn hier wird mit graphischen Mitteln eine Erzählung präsentiert. Die Autoren haben wirklich etwas zu sagen und präsentieren gesellschaftliche Entwicklungen und Brüche, allerdings in einer sehr gut dargebotenen Form. Werke mit diesem Schlagwort haben oft genug zurecht damit zu kämpfen, dass ihr Inhalt zwar gut gemeint ist, ihre Form aber dem Massengeschmack nicht entspricht. Hier haben wir beides!

Für mich war die Gesamtausgabe dieses modernen Klassikers lange überfällig und gehört zu den diesjährigen Spitzentiteln! Loisel und Tripp sind Meister ihres Faches und das gemeinsame Werk gehört in jede gut sortierte Sammlung!

Dazu passen ein Ricard mit Wasser und Eis und Musik von Les Négresses Vertes!

© der Abbildungen 2018 Casterman, © Carlsen Verlag GmbH, Hamburg 2020

Feldstein/Wood – Aus dem EC-Archiv 3

Alle Science Fiction und Fantasy Stories Band 3 (1953 – 1956)

Story: Bill Gaines & Al Feldstein, Ray Bradbury, Otto Binder, Jack Oleck
Zeichnungen: Wallace Wood

Originaltitel: EC Archive 3

All Verlag

Hardcover | 176 Seiten | Farbe | 29,80 € |

ISBN: 978-3-96804-012-7

Mit diesem Band liegen endlich alle von Wallace Wood gezeichneten Stories aus den EC-Reihen Weird Fantasy und Weird Science bzw. ihren Nachfolgeserien auf Deutsch vor! Band 1 enthält im Wesentlichen die Geschichten von Wood und Harry Harrison, Band 2 enthält thematisch viele Stories nach Erzählungen von Ray Bradbury. Der nun vorliegende Band zeigt Wood auf dem Höhepunkt seines Schaffens für EC und zeigt deutlich, dass die zunächst sehr optimistische Grundstimmung gekippt zu sein scheint. Die Angst vor atomarer Vernichtung und vor unkontrollierbaren Mutationen aufgrund der atomaren Strahlung bilden so etwas wie einen roten Faden durch die insgesamt 24 Beiträge!

Wer mehr über den Verlag EC und seine Geschichte wissen möchte, sollte einen Blick in The History of EC Comics werfen! Der Autor Grant Geissman erzählt nicht nur von der innovativen Schaffenskraft dieses Verlages sondern beschreibt auch den Niedergang.

Die Geschichten

Die beiden Weird-Reihen waren die ersten echten Science-Fiction Comics in der Geschichte der Bildliteratur. Hier standen nicht etwa kostümierte Helden mit Superkräften im Mittelpunkt sondern Wissenschaftler, Militärs, Forscher oder aber auch einfache Raumfahrer! Anzumerken ist, dass es hier in allen Positionen Männer und Frauen gab die aktive handlungstreibende Rollen innehatten. Das Grauen kam aus den Begegnungen mit der Einsamkeit, der dann doch unbeherrschbaren Technik und natürlich auch aus den Begegnungen mit außerirdischen Wesen.

Wie bereits angedeutet stehen in den Geschichten aus der Mitte der Fünfziger Jahre aber eher „hausgemachte“ Probleme im Vordergrund. So langsam war klar geworden, dass atomare Kräfte nicht nur Kriege beenden, sondern auch gleichzeitig eine große Bedrohung für das Überleben der menschlichen Rasse darstellen konnten. So entdecken die Protagonisten der 6 bis 8-seitigen Stories auch immer wieder Zivilisationen, die sich ausgelöscht haben. Eine andere Gefahr deutete sich bereits an: Nicht nur Überlebende aus Japan sondern auch Beobachter der Testexplosionen wiesen nicht nur äußerliche Veränderungen wie Verbrennungen auf. Auch ihr Erbgut hatte Schaden genommen und Kinder waren mit seltsamen Mutationen geboren worden.

Die Zeichnungen

Mein persönlicher Favorit aus diesem abschließenden Band ist allerdings eine der beiden Bradbury Adaptionen – Es wird ein sanfter Regen fallen ist ein Abgesang auf die Moderne, melancholisch und ruhig und ein Meisterstück der SF-Literatur! Wood hat dieses perfekt in Bilder umgesetzt und die Stimmung noch verstärkt! Der Zeichner beweist ein weiteres Mal, dass er nicht nur geniale Monster erschaffen, sondern auch Stimmungen erzeugen kann, die zum Nachdenken anregen.

Ansgar Lüttgenau hat für seine Gesamtausgabe ein etwas dickeres Papier gewählt. Dieses gibt einerseits die Zeichnungen sehr genau und konturenreich wieder, erinnert andererseits aber auch an die alten Hefte! Da sich das Team außerdem sehr viel Mühe gegeben hat, die Einstiegssequenzen an die Übersetzung anzupassen ist dem Genuss keine Grenze gesetzt.

Für mich ist SF aus den 50-er und 60-er Jahren immer noch eine sehr lesenswerte Sache: Der grenzenlose Optimismus und die Technikgläubigkeit sind bereits vergangen und Fragen ob der Sinnhaftigkeit schleichen sich ein. Im Gegensatz zu späteren Epochen stehen aber Drogenexperimente und Endlosserien noch nicht im Fokus. Wally Wood verkörpert genau diese Stimmung als Zeichner und gehört für mich daher in eine Reihe mit Moebius und Mezieres!

Natürlich gib es auch wieder einen Essay über EC, Science Fiction und Wood von Heiko Langhans!

Fazit

Von mir eine klare Empfehlung für alle Fans des klassischen Comics. Wood hat vieles gezeichnet und nicht alles ist wirklich überragend, seine SF-Stories sind es aber wirklich! Für Science Fiction-Fans sowieso ein Muss und als Ergänzung zu dem oben bereits angesprochenen Band über EC mit allen Cover-Abbildungen eine perfekte Ergänzung!

Cover der limitierten Vorzugsausgabe

Für Afficionados gibt es natürlich wieder eine limitierte Ausgabe mit Ex Libris und Schutzumschlag aber auch die einfache Ausgabe kommt bereits im schmucken Hardcover.

Dazu passen Dark Side of the Moon von Pink Floyd und ein Gin Tonic mit Gurke und Eis!

© der Abbildungen 2020 All-Verlag, Wipperfürth

© 2020 William M. Gaines, Agent, Inc

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